Der kleine Pinochet
Ob man will oder nicht – der kleine Pinochet läuft einem irgendwann einmal über den Weg. Dann wird es eng, denn der kleine Pinochet lässt wenig Platz für andere. Man muss sich schon sehr, sehr dünne machen, damit für beide Platz ist. Da kann man nichts machen.
Der kleine Pinochet hat Ellbogen wie Schaufelbagger. Da kommt keiner so leicht vorbei. Und manchmal wird auch jemand zerquetscht – so ganz aus Versehen. Das passiert schon mal.
Der kleine Pinochet sagt uns, was zu tun ist. Denn das weiß er ganz genau. Und was für uns gut ist, weiß er noch viel besser. Wir können uns freuen, dass wir so einen Pinochet haben. Man wüsste gar nicht, wo es längs ging ohne ihn.
Der kleine Pinochet hat eine laute Stimme. Damit ihn auch jeder hört. Auch die, die's gar nicht wollen. Manchmal wird es ein bisschen sehr laut. Da platzt schon mal ein Trommelfell. Das kommt schon mal vor.
Der kleine Pinochet kann zaubern. Plötzlich sind alle still, die vorher noch gesprochen haben. Und alle sagen etwas Nettes zu ihm. Selbst die, die vorher Böses über ihn sagten. Das gefällt dem kleinen Pinochet. Das ist gut so.
So richtig mag niemand den kleinen Pinochet. Aber sagen tut dies keiner. Denn vor dem kleinen Pinochet haben viele Angst. Und manche fangen sogar an zu stottern. Oder zu schwitzen. Oder beides. Und manche werden klein wie Gartenzwerge. So endet das.
Pinochet und die Gartenzwerge. Die sind Koalitionspartner. Da passt einfach alles.
Schlampe – Renaissance eines Schimpfwortes
Die Bezeichnung Schlampe ist kein neues Schimpfwort, sondern existiert schon lange und wurde sogar schon im Wörterbuch Jakob Grimms aufgeführt. Allerdings war die Bezeichnung Schlampe jahrzehntelang fast gänzlich vom Erdbogen verschwunden. Doch seit einigen Jahren ist der Begriff Schlampe plötzlich wieder aufgetaucht. Woran mag dies liegen? Was ist passiert? Gab es möglicherweise eine Phase, in der es einfach keine Frauen gab, die die dem Begriff Schlampe zugeordneten Charakteristika erfüllen? War die Zeit der 60er bis Anfang der 90er eine Zeit, in der man diesen Typus nirgendwo antraf? Und wieso tauchte dieser Typus dann plötzlich doch wieder auf?
Natürlich liegt der Grund für die Renaissance des Schimpfworts Schlampe nicht in dem Verschwinden und Wiederauftauchen desjenigen Frauentypus, für die manche diesen Begriff als passend ansehen. Vielmehr handelt es sich um ein Wiederauftauchen des Männertyps, für den es unverzichtbar ist, Frauen zu beleidigen. Genauer gesagt, nicht irgendwelche Frauen – sondern eben die, die es „verdienen“. Was sind das denn nun eigentlich für Frauen, aufgrund derer man dieses antiquierte Schimpfwort wieder reanimiert hat?
Um dies zu erklären, gehen wir einfach mal zurück in die Zeit, in der die Bezeichnung Schlampe noch zum normalen Vokabular gehörte. Schlampen – so hat man früher Frauen bezeichnet, denen bestimmte, für Frauen unverzichtbare Eigenschaften fehlten. Ordentlich, sittsam, bescheiden, anständig, gehorsam, strebsam – so und nicht anders hatten Frauen zu sein. Dies wäre bestimmt auch heute noch die Rollenvorschrift, wenn nicht irgendwann die Idee der Gleichheit und Selbstbestimmung erwacht wäre. Irgendwann wurde das enge Korsett der Selbstverleugnung von den Frauen gesprengt und der Raum für Selbstentfaltung eingefordert. Das wurde nicht in den Schoß gelegt, sondern war mit vielen Kämpfen und auch mit vielen Rückschlägen verbunden. Aber es hat sich gelohnt.
Ein Schimpfwort ist immer auch ein soziologisches Merkmal. Es sagt etwas darüber aus, welche Rollenerwartungen in einer Gesellschaft vorherrschen und welche Machtverhältnisse. Und ein Schimpfwort sagt sehr viel über das Weltbild desjenigen aus, der es benutzt. Ein Weltbild, das in ein striktes Unten und Oben eingeteilt wird und dabei das Unten den anderen zuweist.
Schlampe – damit ist nicht jede Frau gemeint, sondern nur diejenige, die sich das Recht herausnimmt, frei und selbstbestimmt zu leben und die sich keinem männlichen Rollendiktat beugen will. Bezeichnend ist, dass es kein männliches Pendant zu diesem Ausdruck gibt. Ein Mann, der nicht ordentlich, sittsam, bescheiden, anständig, gehorsam und strebsam ist, kann in der Gesellschaft durchaus anerkannt sein (wobei er dazu allerdings meist einer Frau bedarf, die über eben diese Attribute verfügt).
Die Analogie zum Rassismus ist eigentlich unübersehbar. Die Verachtung gegenüber Menschen anderer Hautfarbe drückt sich darin aus, dass man diesen Menschen nicht die gleichen Rechte zugesteht und nur dann duldet, wenn sie die weiße Vorherrschaft anerkennen. Solange Schwarze ohne zu Murren unterbezahlte schwere Arbeiten verrichten oder Weißen als Bedienstete zur Verfügung stehen, haben sie auch ein Existenzrecht. Erst wenn daran gerüttelt wird und gleiche Rechte eingefordert werden, werden sie zur Bedrohung, die bekämpft werden muss.
Aber genau die Analogie zum Rassismus macht eines deutlich: wer einen Schwarzen als Nigger bezeichnet, beleidigt damit ausnahmslos alle Schwarzen. Und jemand, der eine Frau als Schlampe bezeichnet, meint damit ausnahmslos alle Frauen. Alles andere ist Augenwischerei.
Und das scheint bei denjenigen Männern, die Frauen als Schlampen bezeichnen, nicht viel anders zu sein. Die Frau, die sich unterordnet und eigene Bedürfnisse verleugnet, ist keine Bedrohung. Die Bedrohung geht von den anderen Frauen aus. Von all den Frauen, die selbstbestimmt leben wollen und die sich ihre Bedürfnisse nicht vorschreiben lassen. Für die Freiheit unverzichtbar ist und über die man nicht bestimmen kann. Die widersprechen und eigene Entscheidungen fällen.
Was mag passiert sein, dass der mühsam erkämpfte Respekt wieder verschwunden ist? Dass man Frauen wieder unterteilt in jene, die Respekt verdienen und jene, die man beleidigen darf?
Der-mit-dem-Strom-schwimmt
Der-mit-dem-Strom-schwimmt gibt nie einen eigenen Weg vor, sondern nimmt jede Richtung an.
Der-mit-dem-Strom-schwimmt richtet auf diese Weise manchmal Überflutungen an, bricht Deiche, zerstört Menschenleben und bringt viel Unheil.
Manchmal mündet er auch in eine übelriechende Kloakte. Und manchmal führt er sogar Leichen mit sich.
Der-mit-dem-Strom-schwimmt, nimmt jeden mit. Ob Passagierschiff, Kriegsflotte, Piratenschiff oder Menschenhändler – er ist wahllos, es kümmert ihn nicht.
Der-mit-dem-Strom-schwimmt läßt auch Menschen ertrinken. Und so heftig manche auch zappeln und schreien - Der-mit-dem-Strom-schwimmt übersieht und überhört es.
Der-mit-dem-Strom-schwimmt läßt sich wohlig von den Wellen tragen und ihm ist es gleich, was der Strom anderen zufügt.
Der-mit-dem-Strom-schwimmt hat noch nie für irgend etwas die Verantwortung getragen. "Der Strom war's und ich nicht" ist seine Antwort, wenn er Unheil angerichtet hat. "Und der Strom kann niemals irren!"
Der-mit-dem-Strom-schwimmt taucht ab, wenn es um Verantwortung geht. Taucht tief ins dunkle Wasser und ward nicht mehr gesehen. Wenn die Gefahr vorbei ist, taucht Der-mit-dem-Strom-schwimmt wieder auf. Und schwimmt munter weiter im Schutze des großen Stroms.
Und manchmal ist der Strom gar kein wasserführender Fluss. Manchmal ist es auch einfach nur ein Mensch. Und dann geht es nicht um Überflutung oder um brechende Deiche. Dann geht es um zutiefst verachtenswerte Behandlung anderer Menschen. Um Ausnutzung und Bevormundung. Aber auch das stört Der-mit-dem-Strom-schwimmt nicht. Er lügt sich seine Verantwortung weit auf den Meeresboden und lässt sich bequem im Fahrwasser treiben.
Der-mit-dem-Strom-schwimmt hat es gern einfach. Und deswegen wird er nie aufhören mit dem Strom zu schwimmen. Und deswegen bleibt alles, wie es schon immer war. Und genauso, wie es immer Strömungen geben wird, die Unheil bringen, genauso werden in diesen Strömungen immer Menschen mitschwimmen. Und es wird immer so sein, dass sich diese Menschen um ihre Selbstachtung belügen.
Die eigenen Kinder und die der Anderen
Eine Zeile eines Gedichts, das ich vor vielen Jahren gelesen habe, lautet: „Wer Kinder liebt, nicht nur die eignen“. Obwohl ich mich weder an den Autoren noch an das gesamte Gedicht erinnern kann, ist mir diese Zeile in meinem Gedächtnis geblieben. Denn dies ist etwas, was überhaupt nichts miteinander zu tun haben muss – die Liebe zu allen Kindern oder die Liebe zu lediglich den eigenen Kindern.
Ersteres ist eine Form von Interesse, Zuneigung und Verantwortungsgefühl gegenüber Kindern. Letzteres ist lediglich eine Folge des „Habens“ – man hat Kinder.Vor einiger Zeit hatte ich ein Erlebnis, das diesen Unterschied nicht besser hätte darstellen können und das ich deswegen hier kurz wiedergeben möchte.
Einer meiner früheren Arbeitgeber ist Anwalt und während der Zeit meiner dortigen Beschäftigung wurde ein Lehrling eingestellt. Genauso wie in Arztpraxen werden die Auszubildenden nicht vom Arbeitgeber sondern von den ausgelernten Mitarbeiterinnern angelernt und eingearbeitet, da ja nicht die Tätigkeit des Anwalts oder Arztes erlernt werden soll, sondern die Tätigkeit der Anwaltsassistentin oder der Arzthelferin. Folglich steht und fällt die Qualität einer Ausbildung auch mit der Anzahl und Fähigkeit der ausgelernten Mitarbeiterinnen. Daher war es für unseren Lehrling ein ziemlicher Schock, als der einzigen Mitarbeiterin gekündigt wurde und somit niemand mehr für die Ausbildung zuständig war.
Die erst 16jährige Auszubildende war sehr verzweifelt über die Kündigung der Mitarbeiterin und machte sich große Sorgen um den Verlauf ihrer Ausbildung, da nun niemand mehr da sein würde, von dem sie lernen konnte. Die Auszubildende wollte mit dem Chef über ihre Sorgen sprechen und wissen, wie es denn nun weitergehen sollte. Allerdings wurden ihre Bedenken einfach nur kurz und knapp abgeschmettert mit dem Ausspruch „Learning bei doing“.
Eben jener besagte Anwalt hatte eine Tochter, die zum damaligen Zeitpunkt etwa 10 Jahre alt war und in der Schule von den Lehrern keine Empfehlung für das Gymnasium erhalten hatte. Ich hatte ein wenig von den Schulschwierigkeiten mitbekommen, da das Mädchen manchmal im Nebenzimmer mit ihrer Mutter für die Schule übte. Mir ist noch im Gedächtnis, wie geduldig die Mutter immer wieder und wieder erklärte und wie das Kind, als es trotzdem nichts begriff, wütend ihre Mutter anschrie. Für die besorgten Eltern war allerdings trotzdem hinsichtlich der Schulschwäche ihrer Tochter völlig klar, dass dies ausschließlich an der Unfähigkeit der Lehrer liegen würde. Dass die Tochter einmal Abitur machen würde, stand für die Eltern außer Frage. Und selbst das Kind hatte zu meinem Erstaunen schon eine genaue Vorstellung vom späteren Werdegang. Als sie einmal an unserem PC saß und dort ein wenig schrieb, machte ich die scherzhafte Bemerkung, sie könne ja bei uns als Sekretärin anfangen. Empört antwortete die Tochter meines Chefs „Ich werde keine Sekretärin, ich werde einmal Anwältin!“
Da aber anscheinend ein Gymnasium tatsächlich nicht in Frage kam, wurde eine Waldorfschule ausgewählt, also eine Schule, in der man besonders auf die Individualität der Kinder eingeht und sich auch gerade um Lernschwächen besonders gekümmert wird. Auffällig bei der Auswahl einer anthroposophischen Schule war die Tatsache, dass keiner der Elternteile sich auch nur im Geringsten jemals für Anthroposophie interessiert haben. Dies stellte aber für die Eltern keinen Hinderungsgrund dar, da es ihnen einfach ganz opportun darum ging, eine Schule zu finden, in der ihre Tochter trotz schlechter Prognose aufgenommen wurde.
Und das ist er, der bemerkenswerte Unterschied zwischen den eigenen Kindern und denen der anderen: Da gibt es auf der einen Seite eine aufgeweckte und wissensdurstige Auszubildende, deren Ausbildung den Chef nicht im Geringsten interessiert. Und da gibt es auf der anderen Seite das eigene "Fleisch und Blut", für das das Beste gerade gut genug ist und bei dem die elitäre Erziehung schon im zarten Alter von 10 Jahren zu einem klaren Standesdünkel geführt hat.
Ein Lehrling, dem das Recht auf eine qualifizierte Ausbildung – trotz der bestehenden Ausbildungsvorschriften – einfach abgesprochen wird und der einfach als billige Arbeitskraft missbraucht wird. Ein eigenes Kind, das – trotz objektiver Bedenken – mit viel Aufwand zum Abitur gepuscht wird.
Kinder sind eben nicht einfach Kinder. Kinder sind erst dann Kinder, wenn es die eigenen sind.
Das Ganze liegt übrigens so lange zurück, dass jetzt sowohl die Tochter als auch der frühere Lehrling inzwischen längst erwachsen sind. Aber dieses Beispiel ist exemplarisch und somit zeitlos und steht für eine Haltung, die ich nur als widerwärtig bezeichnen kann.
behrens am 01. August 10
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Wir sind ja alle sooo engagiert
Was mich immer wieder erstaunt, ist der Gebrauch des Begriffs „engagiert“. Für mich bedeutete Engagement immer das sich Einsetzen für eine Sache oder für einen Menschen. Allerdings wäre mir früher nie die Idee gekommen, dass man darunter auch das versteht, was man im Rahmen einer bezahlten Tätigkeit tut.
Das erste Mal wurde ich mit dieser Ansicht konfrontiert, als ich vor vielen Jahren meiner Stiefmutter erzählte, dass ich an einer Demo teilnehmen wollte, die stattfand anlässlich des Brandanschlags in Mölln, bei dem mehrere Ausländer getötet wurden. Meine Stiefmutter gab mir daraufhin eine denkwürdige Antwort: „ Ich als Krankenschwester tue für Ausländer so viel, dass ich auf so eine Demo nicht gehen muss“. Meine Stiefmutter war nicht etwa ehrenamtlich als Krankenschwester in der Dritten Welt tätig, sondern arbeitete als Stationsleiterin in einem stinknormalen Krankenhaus und hat dabei übrigens um einiges mehr verdient als ich in meinem Beruf als Sozialpädagogin.
Auch meine frühere Kollegin in der Arbeitslosenberatung ist ein Beispiel für diese Ansicht. Sie vertrat vehement die Meinung, dass sie – obwohl in einer Vollzeitstelle tätig – auf keinen Fall auch Vollzeit arbeiten müsse. Die Begründung unterschied sich kaum von der meiner Stiefmutter: „ich engagiere mich so in meiner Tätigkeit, dass ich mich an keine Stundenzahl halten muss“.
Als Betreuerin muss ich einmal im Jahr an einem Gespräch in der Betreuungsstelle teilnehmen. Unter anderem wird dann jedes Mal gefragt (und schriftlich festgehalten), was man als die eigenen Stärken und Schwächen empfindet. Ich habe zwar grundsätzlich nichts dagegen, über solche Dinge zu sprechen, aber das Benennen der eigenen Stärken nimmt ja mittlerweile schon inflationäre Ausmaße an und so tat ich mich ein wenig schwer. „Aber sie sind doch sehr engagiert“ kam dann der Hinweis.
Und da fielen mir all die früheren Kollegen ein – die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses, die – ohne dafür bezahlt zu werden – den Aufbau eben jenes Frauenhauses erst durch eisernen Einsatz ermöglicht haben. Die Mitarbeiterinnen des Drogenberatungscafés, das ebenso seine Existenz erst dem großen Engagement dieser Frauen verdankt. Und viele, viele andere Mitarbeiter fielen mir ein, die sich mit viel Arbeit und viel Herzblut für etwas eingesetzt haben – ohne dafür jemals bezahlt worden zu sein.
Und genau das ist Engagement: sich um einer Sache selbst für etwas einzusetzen. Energie, Zeit und Interesse in etwas zu investieren, ohne dafür irgendetwas anderes als eben die Verwirklichung dieses Ziels zu erwarten. Merkwürdigerweise hat sich aber niemals jemand dieser engagierten Kollegen selbst als engagiert dargestellt. Irgendetwas liegt da schief - diejenigen, die sich aus ganzer Kraft für andere einsetzen, nutzen das Wort engagiert nicht. Diejenigen, die überhaupt nichts anderes als einfach nur ihre Arbeit machen, betonen immer und immer wieder ihr hohes Engagement.
Wer als Krankenschwester einem Ausländer einen Verband wechselt oder eine Injektion gibt und dies bereits als Engagement für Ausländer bezeichnet, hat da etwas verwechselt. Und genauso ist es mit der Sozialpädagogin, die von den 8 Stunden bezahlter Arbeit tatsächlich nur 5 Stunen arbeitet und dies als soziales Engagement darstellt.
Und auch wir Betreuer sollten unsere Arbeit, die mit einer Stundenpauschale bezahlt wird, die wir nur ungern über- aber gern unterschreiten, nicht mit Engagement gleichsetzen. Wenn man seinen Müll in den Mülleimer wirft, ist das noch kein Engagement im Umweltschutz. Wenn man alle 4 Jahre zur Wahl geht, ist das auch noch kein politisches Engagement. Wenn ein Mann ab und zu seiner Frau im Haushalt hilft, ist das noch kein feministisches Engagement..
Lassen wir also diesen Missbrauch des Begriffs des Engagements. Es führt zu nichts und setzt die Maßstäbe unerträglich tief. Niemand ist verpflichtet, sich zu engagieren. Aber wer es nicht tut, sollte dann auch einfach dazu stehen und nicht irgendwelche haarsträubenden Versuche machen, stinknormale Tätigkeiten als Engagement zu beschönigen.
Kategorie blanker Unsinn
Zu vergessen und zu lächeln ist weit besser, als sich zu erinnern und traurig zu sein.
Christina Rossetti (1830-1894)
Kompletter Unsinn, denn das Vergessen ist genau das, was Menschen daran hindert, zu reifen und sich weiter zu entwickeln. Die Unfähigkeit zu trauern. Man muss sich seiner traurigen Erlebnisse erinnern um daran zu wachsen. Erst wann man diese Trauer gespürt und durchlebt hat, kann man wirklich lächeln. Ein wahres Lächeln, das auf Lebendigkeit und nicht auf Vergessen beruht. Und bezogen auf die Gesellschaft ist das allzu schnelle Vergessen geradezu verheerend, denn dann werden lächelnd genau die gleichen Fehler erneut begangen.
Der Ausspruch erinnert darüber hinaus an Demente, die nur noch vor sich hinlächeln, egal was um sie herum geschieht. Oder ist das vielleicht doch erstrebenswert…..
Solidarität – ein aus der Mode gekommener Begriff
In den 70ern sang Rio Reiser „Alles, was uns fehlt, ist die Solidarität“. Wenn man heute das Wort Solidarität benützt, fühlen sich die meisten peinlich gerührt, so als würde man etwas völlig Abwegiges und Überkommenes erwähnen. Woher mag das kommen? Ist heute alles so ideal und gerecht, dass man getrost auf Solidarität verzichten kann? Gehört es zum Erwachsensein, dass man derlei Dinge hinter sich lässt?
Solidarität hat gleich mehrere Gegenpole. Die aktiven Gegenpole sind Konkurrenz und Opportunismus. Die passiven Gegenpole sind Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit und Feigheit. Im Arbeitsalltag, in dem man weiterkommen und Karriere machen möchte, ist Solidarität dabei das denkbar Ungeeigneteste. Schließlich will man andere übertrumpfen oder ihnen etwas vor der Nase wegschnappen. Wenn es einmal nicht um das Übertrumpfen geht und jeder sein abgestecktes Revier hat, dann ist es nicht das Konkurrenzdenken, sondern die schnöde Gleichgültigkeit oder Feigheit und Bequemlichkeit, die Solidarität zunichte machen. Man reibt sich doch auch so schon genug auf, wozu da noch unnötig Energie mit Solidarität verschwenden? Schließlich ist sich jeder selbst der Nächste.
Ich weigere mich, die Erklärung allein im Egoismus zu sehen. Egoistisch waren die Menschen zu jeder Zeit und überall und nicht erst heutzutage. Ich glaube, es ist vielmehr die Denkfaulheit, die jede Solidarität zunichte macht. Das Fehlen jeglicher übergeordneter Ziele, die man eben nicht allein sondern nur gemeinsam erreichen kann. Für das individuelle Ziel, viel zu verdienen oder eine angenehme berufliche Position zu haben, muss man seinen Kopf nicht großartig anstrengen. Für übergeordnete Ziele schon – denn hierfür braucht man Hintergrundwissen und Abstraktionsvermögen. Hier muss man um Ecken denken und das funktioniert schlecht mit einem Brett vorm Kopf.
Rio Reisers „Alles, was uns fehlt, ist die Solidarität“ ist ein Anachronismus, der zu einer Zeit gehört, die unwiderruflich vorbei ist. Heute fehlt niemandem die Solidarität. Im Gegenteil – sie wird als lästige Anforderung und unnötige Anstrengung angesehen. Und belächelt als eine Eigenschaft, die man sich allenfalls in der Pubertät leistet aber nicht als Erwachsener.
Mir hat einmal ein früherer Kollege gesagt, ich sei in den 70er Jahren stehen geblieben – Recht hat er!!
Die Sache mit den Krähen
Habe erfahren, dass die Menschen, die mir vor einiger Zeit übel mitgespielt haben, sich jetzt gegenseitig eins ausgewischt haben. Menschen, die andere linken und hintergehen, geraten irgendwann auch mal an ihresgleichen. Und dann passiert Ihnen genau das, was sie anderen zugefügt haben. Ich glaube normalerweise nicht an ausgleichende Gerechtigkeit, aber es könnte ja vielleicht auch sein, dass ich mich irre.
Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus? Zum Glück doch! Und das tut den Nicht-Krähen so richtig gut! Noch besser wäre es, wenn man sich darauf verlassen könnte, dass alle Krähen mal ihr Fett abbekommen. Denn es gibt eine wahre Krähenplage. Ob man drauf hoffen kann?
Sie sind zum Fürchten - Totengräber der Seele
Wenn Goethe weise feststellt „Mit rechten Leuten wird man was“, dann muß zwangsläufig auch der Umkehrschluß gelten„Mit unrechten Leuten wird man nichts“.
Und das trifft den Nagel auf den Kopf: genauso wie manche Menschen uns bei der Weiterentwicklung helfen, so gibt es andere Menschen, die uns dazu bringen, still zu stehen oder viel schlimmer – uns wieder zurück zu entwickeln.
So wie Menschen die Funktion eines
"Geburtshelfers der Seele" haben können, so können Menschen auch die Funktion eines „Totengräbers der Seele“ haben. Sie schaufeln Dich langsam zu. Mit ihrer Dominanz. Mit ihren Projektionen. Mit ihrem gnadenlosen Materialismus. Mit ihrer erbärmlichen Feigheit. Wenn man nicht aufpaßt, dann wird man lebendig begraben.
Geburtshelfer der Seele helfen uns dabei, unser wahres Selbst zu entwickeln. Totengräber hingegen können nichts anderes, als unser wahres Selbst zu zerstören. Geburtshelfer brauchen Leben. Totengräber brauchen Leichen. Sie ruhen nicht eher, bis sie alles Lebendige in anderen Menschen vernichtet haben. Damit sie sich endlich ihrer Bestimmung widmen können – der Zerstörung von Seelen.
Das Schlimme ist, daß man sie nicht sofort erkennt. Und wenn man ihnen in die Hände gefallen ist, ist es meist schon zu spät und man steht schon bis zum Hals in seinem sorgfältig geschaufelten Grab.
Und während einem die letzten Schaufeln Erde auf den Kopf geschüttet werden, fragt man sich verzweifelt, warum die Totengräber das tun. Aber dann ist es schon zu spät...
Warum mir wider Erwarten doch eine Folge von Sex and the city gefiel und was dies nun schon wieder mit Berufsbetreuern gemeinsam hat
Obwohl ich ja eigentlich
Sex and the city mit einer Art Haßliebe verfolge und die vier Protagonistinnen für komplette Idiotinnen halte, gab es vor kurzem eine Episode, die mir erstaunlich gut gefiel. Es ging um den neuen Lover von Carrie, die Kolumnen schreibende Hauptperson. Ein smarter, gutaussehender und erfolgreicher Lokalpolitiker, der von Carrie scherzhaft Mr. President genannt wurde. Das Hochgefühl der ersten Verliebtheit wurde schon bald ein wenig getrübt, als Mr. President schon nach kurzer Zeit einen etwas bizarren erotischen Wunsch – den ich hier bewußt nicht näher schildern will – äußerte und Carrie hiervon peinlich berührt war.
Irgendwann rang sich Carrie schließlich dazu durch, Mr. President mehr oder weniger direkt zu sagen, daß sie nicht in der Lage sei, dessen geheimen Wunsch zu erfüllen. Dies wurde wiederum von Mr. President als gezielter Affront gegen seine Person aufgefaßt und schien seine Eitelkeit empfindlich verletzt zu haben. Als Vollblutpolitiker ging er allerdings nicht in die Knie sondern in die Offensive und schoß direkt zurück. Süffisant äußerte er, daß er die Beziehung sowieso nicht fortzuführen gedenke, da Carries Kolumnen über das Thema Sex seinem Ruf als Politiker schaden würden. Carrie entgegnete entrüstet, daß jemand, der sehr ungewöhnliche sexuelle Vorlieben hat, doch nicht allen Ernstes Kolumnen über Sex als etwas Unmoralisches empfinden könne.
Und jetzt kam sie – die denkwürdige Antwort von Mr. President, wegen der ich diese ganze Episode hier wiedergebe: „
Ich mag vielleicht ungewöhnliche sexuelle Vorlieben haben, aber die halte ich geheim und niemand weiß davon. Du hingegen schreibst in aller Öffentlichkeit!“. Und somit hat uns diese Folge von Sex and the citiy ganz lebensnah etwas gelehrt. Pflichtlektion eins: Schlage Erfolgsmenschen niemals einen Wunsch ab, noch übe an ihnen Kritik. Pflichtlektion zwei: das Zusammentreffen von authentischen mit nichtauthentischen Menschen muß unweigerlich tragisch enden.
Und dann folgte etwas, das für mich das erste Highlight in dieser dämlichen Serie (von der ich keine verpasse) darstellt. Carrie reagierte, indem sie die ganze Auseinandersetzung öffentlich in ihrer nächsten Kolumne beschrieb. Sie nannte – ganz ladylike – keinen Namen, aber dem ein oder anderen Insider, der sie und Mr. President zuvor zusammen gesehen hatte, würde vielleicht dämmern, um wen es ging. Bezeichnenderweise nannte sie die Kolumne „To pee or not to pee“ (womit einigen klar sein dürfte, was Mr. President denn nun so furchtbar gern machen würde).
Was ich daran so toll fand? Ganz einfach: das Offenlegen einer miesen Doppelmoral, die da lautet: alles ist erlaubt, solange Du dich nach außen hin nicht dazu bekennst. Und – wie sollte es wohl anders sein – fallen mir da wieder einige meiner lieben Kollegen ein, die Mr. President in seiner Heuchelei verdächtig ähneln. Die sich zwar unter Ausschluß der Öffentlichkeit ihren Mitmenschen gegenüber oftmals wie Wildsäue benehmen, aber in allergrößte Empörung ausbrechen, sobald etwas offen ausgesprochen wird, das sich nicht mit ihrem Saubermann-Image vereinbaren läßt.
Also Carrie: Ausnahmsweise mal gutgemacht! Doppelmoral verdient es, an den Pranger gestellt zu werden. Es geht hier nicht um das Thema sexuelle Vorlieben (die soll jeder haben, wie es ihm beliebt), sondern um das Exemplarische, denn das Thema Sex ist auf jede andere Thematik übertragbar. Wer anderen unter die Gürtellinie zielende Vorwürfe macht, darf sich über einen entsprechenden Gegenschlag nicht wundern. Das Prinzip des „Außen hui – innen pfui“ ist ein auf Aufrechterhalten von Scheinmoral basierendes Prinzip, in dem nicht gelebte Werte künstlich vorgetäuscht werden und das in seiner Anmaßung und Selbstgefälligkeit auf Kosten der Mitmenschen geht.