Sie sind zum Fürchten - Totengräber der Seele
Wenn Goethe weise feststellt „Mit rechten Leuten wird man was“, dann muß zwangsläufig auch der Umkehrschluß gelten„Mit unrechten Leuten wird man nichts“.

Und das trifft den Nagel auf den Kopf: genauso wie manche Menschen uns bei der Weiterentwicklung helfen, so gibt es andere Menschen, die uns dazu bringen, still zu stehen oder viel schlimmer – uns wieder zurück zu entwickeln.

So wie Menschen die Funktion eines "Geburtshelfers der Seele" haben können, so können Menschen auch die Funktion eines „Totengräbers der Seele“ haben. Sie schaufeln Dich langsam zu. Mit ihrer Dominanz. Mit ihren Projektionen. Mit ihrem gnadenlosen Materialismus. Mit ihrer erbärmlichen Feigheit. Wenn man nicht aufpaßt, dann wird man lebendig begraben.

Geburtshelfer der Seele helfen uns dabei, unser wahres Selbst zu entwickeln. Totengräber hingegen können nichts anderes, als unser wahres Selbst zu zerstören. Geburtshelfer brauchen Leben. Totengräber brauchen Leichen. Sie ruhen nicht eher, bis sie alles Lebendige in anderen Menschen vernichtet haben. Damit sie sich endlich ihrer Bestimmung widmen können – der Zerstörung von Seelen.

Das Schlimme ist, daß man sie nicht sofort erkennt. Und wenn man ihnen in die Hände gefallen ist, ist es meist schon zu spät und man steht schon bis zum Hals in seinem sorgfältig geschaufelten Grab.

Und während einem die letzten Schaufeln Erde auf den Kopf geschüttet werden, fragt man sich verzweifelt, warum die Totengräber das tun. Aber dann ist es schon zu spät...




Solche Totengräber kenne ich auch nur zu gut.

Für andere Leute die Gräber zu schaufeln und sie dann gründlich zu ermorden und zu vergraben ist in meinen Augen eine Kompensationshandlung. Mehr oder weniger bewusst zerstören solche Totengräber ihr Umfeld, weil sie an ihren Mitmenschen Bereiche menschlichen Handelns ausleben, in denen sie sich selbst als defizitär wahrnehmen. Vormals Machtlose üben Macht über andere aus. Leute, die sich ungeliebt fühlen, fordern Liebe von anderen. Ungesehene brauchen Aufmerksamkeit, um jeden Preis.

Geburtshelfer unterscheiden sich meiner Meinung nach von den Totengräbern darin, dass sie den Blick auf andere richten. Der Totengräber sieht nur sich selbst und seine Bedürfnisbefriedigung, während es dem Geburtshelfer gelingt, durch Akzeptanz, Würdigung und Respekt im anderen Leben zu wecken. Totengräber sind kleine Kinder, die ganz in sich feststecken und zu ihrer tagtäglichen eigenen Versorgung andere ausbeuten - ohne jemals die Bereitschaft zu zeigen, über sich hinauszuwachsen und damit auch erwachsen zu werden.

Massengräber
Ich glaube, daß es Totengräber der Seele schon immer gegeben hat. Wichtig ist, daß man sich ihnen entgegenstellt. Daß man ihrem Treiben nicht tatenlos zusieht.

Die Geburtshelfer der Seele vermisse ich schon seit langem. Es ist anscheinend eine reine Glückssache - es gibt Zeiten, wo man sie trifft und Zeiten, in denen man weit und breit keinen sieht. Geburtshelfer haben die Gabe, andere Menschen innerlich wachsen zu lassen.

Bei den Totengräbern ist es umgekehrt. Ich habe das Gefühl, daß man innerlich schrumpft und degeneriert. Mir gefällt der Spruch von Goethe so gut, weil einem normalerweise immer gesagt wird, daß man ganz allein für sich verantwortlich ist. Dabei weiß man genau, daß dies nicht so ist - man reagiert auf die Menschen um sich herum. Und eine furchtbare Umgebung mit furchtbaren Menschen färbt irgendwann ab. Menschen, die auf anderen rumtrampeln bringen einen in Kampfhaltung - obwohl man doch eigentlich friedlich leben wollte. Aber man muß leider kämpfen, weil man sonst lebendig begraben wird.

Aber das Schlimmste ist: Totengräber graben Massengräber. Dort wo sie einmal angefangen haben, entstehen riesige Löcher. Jeder, dem sie die Seele beerdigt haben, fängt an, für andere mitzugraben. Da wo man Seelen zerstört, greift die Zerstörung um sich.

Ein paar mehr von den Geburtshelfer und ein paar weniger von den Totengräbern wären schön...

Ein Gedicht für die Totengräber
Und du stießest leicht und munter,
Wie ein Steinchen in den Bach,
In das Grab mein Glück hinunter,
Sahst ihm ruhig, lächelnd nach.


Nikolaus Lenau
(1802-1850)

Das hat Lenau sehr gut beschrieben: jemand stößt das Glück eines anderen Menschen ins Grab hinunter. Und zuckt dabei nicht mit der Wimper, sondern schaut seelenruhig lächend dabei zu. Genauso wie Totengräber ohne innere Beteiligung das Grab anderer schaufeln, so stoßen manche Menschen ohne innere Beteiligung das Glück anderer in dieses Grab hinein. Und scheren sich einen Teufel drum, dass derjenige noch gar nicht tot ist.