Religiöse Toleranz – wenn Nathan der Weise ein Jahrhundert später gelebt hätte
Ich habe mal ein Gedankenspiel darüber angestellt, was wäre, wenn Gotthold Ephraim Lessing rund 100 Jahre früher gelebt hätte, also nicht im Jahr 1729 geboren worden wäre, sondern im Jahr 1829. Er wäre dann Zeitgenosse gewesen von den Philosophen Auguste Compte (*1798), Ludwig Feuerbach (*1804) und Karl Marx (*1818). Und somit hätte Lessing in einer Zeit gelebt, in der auch drei bedeutende Religionskritiker gelebt haben.

Wenn ich mein Gedankenspiel weiter spinne, dann hätte dies auch Einfluss auf Lessings Ringparabel aus dem Werk „Nathan der Weise“ gehabt. In der Ringparabel, die ein Plädoyer für religiöse Toleranz darstellt, wäre es dann vielleicht nicht nur um die drei großen monotheistischen Religionen gegangen, sondern auch um den Atheismus. Und dies hätte eine hochinteressante Thematik dargestellt. Der Streit darüber, ob das Gottesbild seine wahre Entsprechung in der Vorstellung von Jahwe, Jesus oder Allah hat, wäre dann erweitert um die Vorstellung, dass das Gottesbild seine Entsprechung in einem Irrtum hat. Und genauso, wie die Religionen eine zweifelhafte Beweisanführung für ihre eigene Richtigkeit haben, so ist dies auch beim Atheismus der Fall.

Wenn Feuerbach formuliert, dass man erst durch die Verneinung eines Lebens nach dem Tode zur ungeteilten Bejahung des Lebens gelange, dann blendet er all jene aus, die sich trotz einer Jenseitsannahme voll und ganz dem Leben widmen (wie z.B. Ernesto Cardenal, um nur einen Namen zu nennen). Seine These wird aber auch nicht all jenen gerecht, die trotz ihrer Verneinung einer Jenseitsvorstellung auch das Leben voll und ganz verneinen, wie z.B. eben jener hier aufgeführte Auguste Compte, der versucht hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. Die marxistische These von der Religion als Opium des Volkes, mag für all jene zutreffen, die jede Ungerechtigkeit als Wille Gottes interpretieren und rechtfertigen, aber das sind nun mal nicht alle Menschen, wie man unter anderem daran erkennen kann, dass es diverse kirchliche Träger gibt, die sich konsequent für die Beseitigung von sozialen Ungerechtigkeiten einsetzen – und zwar nicht nur durch Beten oder Suppenküchen, sondern auch durch Hilfe zur Selbsthilfe und durch Mitgestaltung sozialer Strukturen.

Aber kommen wir zurück zu meinem Gedankenspiel von der Ringparabel, in der es darum geht – in sehr vereinfachter Form – welcher Weg der Richtige ist. Nathan der Weise weigert sich, eine klare Antwort darauf zu geben, was ihn eben auch als Weisen auszeichnet, denn im Gegensatz zur Ideologie bekennt sich Weisheit zu ihrem Nichtwissen. Statt einer Antwort gibt Nathan der Weise den Rat – auch das sehr vereinfacht – sich die Resultate der verschiedenen Wege anzusehen und erst dann zu entscheiden, welcher der richtige ist. Und genau dies sollte man vielleicht einfach einmal tun, man sollte sich vorurteils- und ideologiefrei ansehen, was eine jüdische, muslimische, christliche und atheistische Überzeugung aus dem Menschen als Individuum und als soziales Wesen macht. Man sollte sich die unzähligen Für und Wider vor Augen halten und sich fragen, ob denn wirklich die jeweils Andersdenkenden so viel schlechter miteinander umgehen als diejenigen, die der eigenen Überzeugung angehören.

Religionen und Atheismus (wie gut, dass es die Funktion des Fettdrucks beim Bloggen gibt…) sind von Vorurteilen geprägt gegen die jeweils Andersdenkenden. Religionen und Atheismus sind unfähig, jenseits ihrer Dogmen zu denken, wobei weder Gläubige noch Atheisten davor gefeit sind, in den Bereich der Plattitüden, Diffamierungen und Unterstellungen abzurutschen.

Warum machen wir’s nicht einfach so wie es Nathan der Weise rät? Weil wir eben nicht weise sind…




Ich frage es einfach mal ganz rundheraus: Meinst Du mich damit? Denn es wird ja wieder viel diskutiert über Religion zur Zeit in der Community, und ich mag hier bei Dir nun das Diskutieren gar nicht erst anfangen, wenn ich - obwohl Atheistin - damit gar nicht gemeint bin.

Nein, ich meine damit nicht Dich! Ich habe zwar Deinen Beitrag in Deinem Blog vor kurzem gelesen, aber diesen Beitrag hier hatte ich schon als Idee, bzw. als Assoziation im Kopf (und auch schon ein wenig vorbereitet), als ich die Ringparabel gelesen hatte. Mir gefällt die Ringparabel sehr und ich habe sofort gedacht, wie es wohl wäre, wenn man deren Botschaft der Toleranz erweitern würde von religiösen Überzeugungen auf atheistische Überzeugungen.

Naja, egal, welche Haltung und welchen Glauben jemand vertritt, es gibt immer intolerante und tolerante Vertreter der jeweiligen Spezies.

Ich persönlich habe den Eindruck, dass der Atheismus zusehends wieder aus der Mode kommt. Vor nicht allzu langer Zeit mag es sicher noch so gewesen sein, dass man sich dafür rechtfertigen musste, wenn man gläubig war, aber mein Hosenbodengefühl vermittelt mir zur Zeit ein eher entgegengesetztes Bild. Egal, wie religiös jemand nun ist oder nicht ist, es scheint zur Zeit ein Rückgriff auf die sogenannten christlichen Werte zu geben. Die Ursache dafür vermute ich in der kalten Wirtschafts- und Fortschrittsorientiertheit unseres gesellschaftlichen Umfelds. Nur schade, dass dann jemand, der sagt, er glaube nicht an Gott, schnell als jemand dasteht, der bestimmte ethische Werte grundlegend verneint und quasi an "gar nichts" glaubt.

Ich glaube z.B. an den mitfühlenden, verbindenden Umgang der Menschen miteinander, auch wenn die Tendenz zur Zeit ganz anders aussieht. Ich versuche ihn im Rahmen meiner Möglichkeiten auch zu praktizieren. Und das ganz ohne einen Gott.

Klar wäre eine Toleranz gegenüber Andersartigen wünschens- und erstrebenswert. Ich finde aber, dass diese Toleranz schon auch zwangsläufig dort an eine Grenze stoßen muss, wo es darum geht, Stellung zu beziehen und Farbe zu bekennen - gegen Ungerechtigkeiten und schädliche Strukturen, gegen moralischen Druck und gegen Zwang. Einen Standpunkt einzunehmen halte ich da für wichtig, denn man kann nicht alles tolerieren, nur weil es im Namen einer anderen Weltanschauung geschieht. Es gibt bestimmte Dinge, die uns allen als Menschen gemein sind: Wir empfinden Schmerz, Trauer, Angst... Wo immer religiös oder ideologisch motiviertes Handeln dazu angetan ist, unser Menschsein in Frage zu stellen und Leiden auszulösen, muss Intoleranz erlaubt sein.

Das ist im Übrigen meiner Meinung nach auch noch etwas ganz anderes, als sich beharrlich auf die eigene Position als die einzig richtige zurückzuziehen und sie nun im Gegenzug selbst zur unumstößlichen Religion zu erklären. Wer wachsen und leben will, muss die eigene Haltung immer wieder am Leben selbst, am Umfeld und an Entwicklungen überprüfen und möglicherweise auch ändern. Zweifel müssen nicht nur erlaubt sein, sondern einen festen Platz haben. Das genau vermisse ich aber insbesondere bei religiösen Personen. Wie sonst könnte es sein, dass sich Menschen noch immer auf jahrhunderte- und jahrtausende alte Schriften beziehen, ohne ihre Gültigkeit und ihren Nutzen zu prüfen?

Ich persönlich nehme mir die Freiheit, Aussagen der Bibel abzulehnen. Jede Religion ist auch ein Spiegel der Machtverhältnisse und wenn ich den Ausspruch Paulus: „Die Frau soll schweigen in der Gemeinde“ lese, dann spiegelt dies patriarchalische Strukturen wieder, die ich ablehne. Ich halte auch nichts davon, wenn man derartige Aussagen so lange hin- und herdreht, bis man eine annehmbare Interpretation gefunden hat. Paulus war ein Mann und hat diesen Satz für Männer geschrieben, also nicht für mich.

Ich verstehe Dich als jemanden, die eine humanistische Überzeugung hat. Und für Dich steht Religion oftmals in Widerspruch zum Humanismus, worin ich Dir Recht gebe, denn Religionskriege, Hexenverbrennungen und klerikaler Machtmissbrauch sind zutiefst inhuman. Aber worin sich meine Ansicht unterscheidet, ist der Punkt, dass Religion eben nicht nur diese Seite hat. Ich könnte Dir diverse Beispiele nennen von Sozialeinrichtungen kirchlicher Träger, die eine sehr gute Sozialarbeit machen und in denen kein Stück missioniert wird. Zum Beispiel das Café Sperrgebiet, eine Einrichtung für drogenabhängige jugendliche Prostituierte. Obwohl zum Team auch eine Pastorin gehörte, wurde niemals auch nur ansatzweise gepredigt, dass Prostitution oder Drogenkonsum Sünde sei.

Aber ich gebe zu, die von mir zitierte Ringparabel hat ihre Tücken. Ich müsste eigentlich – würde ich deren Botschaft wirklich ernst nehmen – tolerant gegen jede Form des Islams sein. Bin ich aber nicht. Eine strikte Familienhierarchie, die sowohl Gewalt gegen die Frau als auch deren Bevormundung erlaubt, stößt mir bitter auf. In dem Moment, in denen unterschiedliche Religionen auch unterschiedliche Rechtsvorstellungen haben, wird die Toleranz auf eine harte Probe gestellt. Da gebe ich Dir dann Recht, wenn Du sagst, dass die Menschenrechte der religiösen Freiheit übergeordnet werden müssen. Aber auch diese Ansicht hat ihre Tücken, denn die Menschenrechtsproklamation ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern ein Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung, die wiederum auch religiöse Rechtsvorstellungen widerspiegelt. Da wären wir dann wieder bei dem von Helmut Schmidt erhobenen Vorwurf der „Westlichen Überheblichkeit“.

Auf jeden Fall freue ich mich, dass Du wieder in meinem Blog schreibst!

Ich weiß nicht, ob ich es an anderer Stelle mal erwähnt habe, aber als ich im Teenageralter war, da spielte für mich das christliche Jugendcafé eine ganz wichtige Rolle. Dort konnte ich hingehen und fühlte mich ohne Wenn und Aber angenommen. Die Jugendarbeit war in unserer Gemeinde gut, man konnte auch einfach nur zum Billardspielen oder Musikhören kommen. Wenn ich diese Möglichkeit damals nicht gehabt hätte und dort keine Freunde gefunden hätte, dann hätte mein Leben zu dem Zeitpunkt sicher ganz anders ausgesehen.

Oder ein weiteres Beispiel: Ich bin auf eine Schule der Franziskaner gegangen. Was nicht immer angenehm war, weil auch die natürlich ihre missionarischen Tücken hatten. Aber sie haben sich sehr praktisch und sehr mitmenschlich in verschiedenen Projekten um Straßenkinder in Brasilien gekümmert - das bedeutete, dass es für diese Kinder ein Dach über dem Kopf und feste Mahlzeiten gab in einer Welt, in der sie sonst nie sicher sein konnten, den nächsten Tag noch zu überleben. Und unbeschwerte Fußballspiele in den Höfen mit den Franziskanerpatres, die sich nicht zu würdig fühlten, um mit dabei zu sein.

Ich will all die guten Dinge, die weltweit von religiösen Menschen und auch im Namen der Religion getan werden, nicht kleinreden. Überhaupt nicht. Ich finde es wichtig und richtig, dass es sie gibt. Noch schöner fände ich natürlich, wenn man zur Begründung dieser Taten keinen Gott heranziehen müsste, aber das ist nun wirklich meine persönliche Meinung, und hier zählt im Endeffekt wirklich das Ergebnis, nicht die Motivation. So lange Hilfe nicht an Glaubensbedingungen geknüpft ist, ist es gut.

Aber auch diese Ansicht hat ihre Tücken, denn die Menschenrechtsproklamation ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern ein Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung, die wiederum auch religiöse Rechtsvorstellungen widerspiegelt.

Du magst Recht damit haben. Ich habe mich damit noch nicht detailliert genug auseinandergesetzt, um die Herkunft unseres heutigen Rechtsverständnisses vor diesem Hintergrund bewerten zu können. Den Einfluss des Christentums kann man sicher nicht leugnen, ich denke aber, man sollte ihn auch nicht überbewerten. Da leitet sich auch allerhand z.B. aus dem römischen Recht her. Zudem gab es ja eine Entwicklung unter aufklärerischen und humanistischen Gesichtspunkten, und für unsere heutige Rechtsprechung sind auch ganz sicher die Auswirkungen der industriellen Revolution nicht zu vernachlässigen. Das ist es, was mich manchmal am Christentum so stört: Dass einige seiner Vertreter diesen Glauben hinstellen, als habe er das Monopol auf moralisches Handeln. Das ist nicht der Fall. Aber das habe ich ja auch schon gesagt. Problematisch wird's, wenn ein Rückgriff auf ein rein religiös begründetes Rechtsverständnis stattfindet, wie es z.B. im Bezug auf die Scharia passiert. Da hat man nämlich dann doch ganz schnell wieder die "mittelalterlichen" Verhältnisse (ich will da aber dem Mittelalter kein Unrecht tun...), aus denen man sich doch mal herausentwickelt hat. Zudem ist natürlich in vielen religiösen Schriften vom "auserwählten Volk Gottes" oder von "Rechtgläubigen" die Rede, die eben gegenüber anderen Menschen doch eine höhere, bevorzugte Stellung einnehmen, und das wiederum läuft dem Gleichbehandlungsgrundsatz und den allgemeinen Menschenrechten zuwider.

Wie immer ist es wohl eine Frage, in wie weit die jeweils Gläubigen ihre Schriften und Grundsätze wörtlich nehmen oder ob sie tatsächlich in der Lage sind, eine Essenz für sich herauszufiltern und diese ins Hier und Heute zu transportieren, so dass sie dem menschlichen Miteinander wirklich gerecht wird. Letzteres geht natürlich bisweilen mit Machtverlust einher, und das ist (ohne dass ich jetzt jemandem auf den Schlips treten will) besonders für Männer bestimmter Kulturkreise nicht leicht zu verkraften. Insofern ist die Religion eben oft Machtinstrument, das inhaltlich mit ihrer eigentlichen Intention nicht sehr viel zu tun hat. Aber um die "richtige" Interpretation wird ja dann auch wieder oft und gern gestritten.

Ein weites Feld. Aber immer wieder wert, diskutiert zu werden, finde ich.

Eben auf dem Nachhauseweg habe ich an Deinen Beitrag gedacht und habe mich gefragt, ob dies Aussage von Dir auch auf mich zutrifft: es scheint zur Zeit ein Rückgriff auf die sogenannten christlichen Werte zu geben. Die Ursache dafür vermute ich in der kalten Wirtschafts- und Fortschrittsorientiertheit unseres gesellschaftlichen Umfelds.. Es ist nicht so, dass dies bei mir die Ursache meines Glaubens darstellt, aber vielleicht ist es tatsächlich so, dass ich dadurch den Antrieb erhalten habe, mich auf die Suche nach Gleichgesinnten zu begeben. Ich glaube, dass ich schon längst verrückt geworden wäre, wenn ich nicht den Kreis von Menschen gefunden hätte, bei denen nicht alles ums Geldverdienen und um das Inszenieren eines werbewirksamen Eindrucks geht.

In dem besagten Kreis brauche ich vieles überhaupt nicht zu erklären. Jeder ist genauso wie ich darüber empört, wenn die Arbeit im sozialen Bereich dazu genutzt wird, andere abzuzocken. Und jeder aus diesem Kreis stimmt mir zu, wenn ich bestimmte Umgehensweisen mit anderen als menschenunwürdig empfinde. Niemand dort lacht über üble rassistische Sprüche und niemand würde einfach zusehen, wenn jemand massives Unrecht zugefügt wird.

Es gibt im Neuen Testament (Bergpredigt?) die Formulierung „hungern und dürsten nach Gerechtigkeit“. Mir gefällt dieser Ausdruck. Durst und Hunger können sehr quälende Zustände sein und die Formulierung gefällt mir deswegen, weil der Mangel an Gerechtigkeit genauso quälend sein kann. Jedenfalls für manche.

Es geht mir gar nicht gut, Sturmfrau. Ich muss die Entscheidung über eine Operation fällen, werde von einem Angehörigen bedroht und habe außerdem den Verdacht auf ein ekelhaftes Verbrechen. Ich fühle mich dabei entsetzlich allein und wüsste nicht, was ich täte, wenn ich jetzt nicht meinen Glauben hätte…

Dann wünsche ich Dir von Herzen, dass Du die Kraft, das durchzustehen, in Deinem Glauben finden kannst. Was Du erlebst, ist sicher nicht leicht zu tragen. Vielleicht helfen Dir auch die mitfühlenden Wünsche einer Atheistin.

Vielleicht magst Du mir berichten. Ich nehme immer Anteil. Achte gut auf Dich.

Bei der Entscheidung über eine OP geht es um eine Betreute, die an einem schweren Dekubitus (Wundgeschwür) leidet. Das ist sehr schmerzhaft und verhindert auch, dass die Betreute in ihre Wohnung zurückkehren kann, da sie auch nachts von Pflegepersonal gelagert werden muss. Es gibt nun eine sehr komplizierte OP, aber die hat nur eine geringe Aussicht auf Erfolg. Wenn die OP nicht hilft, dann war alles nur eine schwere Quälerei.

Zu der anderen Sache darf ich erstmal nichts sagen, nur soviel, dass ich abwägen muss, ob ich etwas unternehme.

Aber es ist etwas sehr Ungewöhnliches passiert. Wir Betreuer haben eine deutschlandweite Betreuer-Mailliste, in der wir bei Problemen die Kollegen fragen. Eine der Kollegen hat nicht über die Liste geantwortet, sondern sich irgendwie meine Mailadresse rausgesucht. Und hat mir ausführlich auf das Problem mit der OP geantwortet. Es gibt anscheinend sehr spezielle (und leider auch sehr teure) Wundpflaster, mit denen man einen Dekubitus behandeln kann.

Ich bin völlig baff!! In dem Betreuerkreis unseres Bezirks wäre es völlig undenkbar, dass jemand sich die Mühe macht der „Konkurrenz“ weiterzuhelfen. Da gibt es anscheinend aber doch noch Menschen, denen es nicht schnurz-piepe-egal ist, dass jemand eine schwere und schmerzhafte Erkrankung hat. Besagte Betreuerin (die ich noch nicht mal kenne) will jetzt sogar in ihren alten Unterlagen suchen, damit sie mir den Namen des Spezialpflasters nennen kann.

Das hat jetzt alles irgendwie nichts mit dem Ausgangsthema der Ringparabel zu tun. Oder vielleicht doch? Menschen, die so hilfsbereit und mitfühlend sind, haben die richtige Überzeugung – sei es nun christlich, atheistisch, muslimisch oder sonst was.

Ich war übrigens vorhin wieder bei „meinem Kreis“ von Leuten, die mir gut tun. Es findet einmal wöchentlich eine Meditation statt, die ein wenig angelehnt ist an die Zen-Meditation (Sitzen im Wechsel mit meditativem Gehen). Einfach nur Stille inmitten von Menschen. Das hat mir ein wenig geholfen. Und als dann noch die nette Mail im Postkorb war, war ich wieder ein wenig versöhnt mit der Menschheit.

Manchmal ist es einfach zuviel, was man an Leid mitbekommt. Und nie hat man soviel Zeit, wie eigentlich erforderlich wäre, um wirklich zu helfen.

@Sturmfrau
Du hast einmal an anderer Stelle geschrieben, dass es Dich nervt, wenn Atheisten grundsätzlich unterstellt wird, dass sie keine moralischen Wertvorstellungen hätten. Das kann ich auch gut verstehen, denn es ist schlichtweg falsch. Ich habe aber auch ein „Pendant“ zu dem, was Dich so stört. Mich ärgert es immer, wenn man Gläubigen grundsätzlich unterstellt, dass sie sich nicht genug um die Gestaltung des irdischen Daseins kümmern, weil sie ja an eine höhere Kraft und außerdem an ein paradiesisches Jenseits glauben. Das mag auf eine große Zahl von Gläubigen zutreffen, aber nicht auf alle. Ich wünsche mir manchmal, dass es so etwas wie eine „höhere Gerechtigkeit“ geben würde. Aber leider kann ich nicht dran glauben. Ich glaube, dass Menschen sich selbst um die Verwirklichung von Gerechtigkeit kümmern müssen – da hilft kein Gott.

Meine Freundin, die überhaupt nicht gläubig ist, ist überzeugt, dass alles in irgendeiner Form zu einem zurückkehrt. Wer anderen hilft, dem wird (irgendwann) auch selbst geholfen werden. Wer andere mies behandelt, der wird (irgendwann) selbst auch mies behandelt. Auch da wünschte ich mir, dass dies tatsächlich so wäre – das wäre wunderschön. Aber was ich sehe, widerspricht dem. Es ist sicherlich richtig, dass jemand, der ständig andere ausnutzt, irgendwann auch mal den Falschen gerät. Aber unterm Strich kann es dennoch der Fall sein, dass er mit seiner Verhaltensweise gut gefahren ist. Und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die niemals jemanden etwas zuleide tun würden und die sehr oft anderen helfen und die, wenn es ihnen selbst mal dreckig geht, keine Hilfe erfahren.

Was ich mit dem Beispiel sagen will, ist, dass das Thema Glauben in seiner Bejahung und seiner Verneinung sehr viel komplizierter und facettenreicher ist als von vielen angenommen. Ich beschäftige mich ja immer wieder mit dem Thema Auschwitz. Und eigentlich hätte es Auschwitz ja gar nicht geben dürfen – in einem christlichen Land. Wo war die christliche Nächstenliebe, als plötzlich Menschen einfach so verschwanden? Es gab zwar einige überzeugte Christen wie Maximilian Kolbe oder Dietrich Bonnhoeffer, vor denen ich Hochachtung habe, aber es war eben nur ein verschwindend geringer Teil, der seinen Glauben tatsächlich gelebt hat.

Ich würde mir manchmal wünschen, dass Leute, die sich das Christsein auf die Fahne schreiben, mehr nach dem Motto Don Boscos handeln würden: "Fröhlich sein, Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen!" Statt dessen treffe ich persönlich oft auf äußerst verbitterte, verkrampfte und humorlose Menschen, die nach dem Grundsatz "Do as I say, don't do as I do..." zu leben scheinen, auf missionarische Weise meinen vermitteln zu müssen, wie es sich richtig oder falsch lebt und dabei weder Mitgefühl noch Toleranz für die Menschlichkeit ihres Umfeldes aufbringen. Das ist aber wohl nicht das, was gemeint war mit "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst."

Was die Menschen im Hinblick auf den Tod und das Danach oder Nicht-Danach denken, ist mir eigentlich relativ egal. Ich kann gut verstehen, wenn man sich mit dem Gedanken nicht arrangieren kann, mit dem Tod wäre alles einfach vorbei. Ich würde niemandem, der an ein Jenseits glaubt, den gesunden Menschenverstand absprechen oder behaupten, er lebe nicht in der Gegenwart. Meine Schwiegermutter beispielsweise hofft fest darauf, ihre verstorbenen Angehörigen wiederzutreffen, und ich habe deswegen nicht weniger Respekt vor ihr, sondern finde diesen Wunsch, diese Idee oder Hoffnung oder wie man es immer nennen mag, äußerst menschlich.

Es ist auch äußerst menschlich, sich eine höhere Macht zu wünschen, die für Gerechtigkeit sorgt. Eben diese Menschlichkeit ist es, die in so vielen Fragen des Glaubens wieder auftaucht, und ich hatte ja glaube ich an anderer Stelle schon mal versucht, deutlich zu machen, dass ich gerade deshalb den Glauben für zutiefst menschlich und nicht für göttlich halte - er entspricht einfach ganz genau den menschlichen Bedürfnissen. Ich habe selbst allerdings die Erfahrung gemacht, dass das Leben eben nicht so ist. Es ist weder von sich aus gerecht noch schön - zumindest längst nicht immer. Und ich komme (unabhängig von Religion) zu dem selben Schluss wie Du: Es liegt in der Hand von uns Menschen, uns darum zu kümmern, dass es für uns und andere besser und weniger schmerzhaft wird. Ich bin der Auffassung, da ist kein Gott, der verhindern wird, dass wir uns weh tun, oder der uns tröstet, als seien wir kleine Kinder, oder der unser erlittenes Unrecht rächt. Wir müssen uns selbst gut um uns kümmern.

Ich gehe mit Deiner Freundin konform, auch ich habe schon oft die Erfahrung des "You get what you give" gemacht. Dabei würde ich es allerdings nicht ganz so pragmatisch sehen. Oberflächlich betrachtet sieht es nämlich durchaus so aus, als würden die miesen Hunde am Ende den großen Reibach machen. Ich betrachte das eher als ein seelisches Prinzip. Solche Leute bleiben innerlich leer. Wer auf Kosten anderer lebt, andere klein macht und demütigt, sich bereichert oder überall Ellenbogen einsetzt, der kompensiert ein eigenes Defizit, und dieses Defizit ist der größte Schmerz überhaupt, auch wenn sich die Betreffenden natürlich weigern, es zu spüren und zuzulassen. Es nach außen zu zeigen, ist sowieso ein Ding der Unmöglichkeit, und so halten wir diese Leute für Gewinner, die sie aber in Wahrheit nicht sind. Selbst der SS-Scherge, der scheinbar ungestraft in seinem Altenheim sitzt und einen "lauen Lebensabend" hat, ist meiner Auffassung nach nicht so ungerührt und unbelastet, wie es nach außen aussieht. Es ist unser Wunsch nach Ausgleich des Unrechts, der uns hoffen lässt, diese Menschen würden bestraft. Aber im Grunde sind sie bereits bestraft.

Geht man streng nach den postulierten Grundsätzen des Christentums, dann hätte es Auschwitz in der Tat nicht geben dürfen. Dann hätte es auch vieles andere nicht geben dürfen. Dann hätten Millionen Menschen ihre Wangen hinhalten müssen, anstatt Krieg gegen den Terror zu führen oder massenweise Menschen ins Gefängnis zu stecken. Mir fällt auf, dass es Menschen gibt, die aus ihrem Glauben die nötige Kraft ziehen, um sich gegen Unrecht aufzulehnen, und die ihre Werte nicht verraten würden, selbst wenn es ihr Leben kostet. Bonhoeffer und Kolbe sind sicherlich solche gewesen, die sich auch dann nicht "gottverlassen" gefühlt haben, als sich die gegenwärtigen Entwicklungen gegen sie wandten. Solche Menschen gab es auch in nicht ausdrücklich tiefgläubigen Kreisen. Und dann gab es natürlich auch diejenigen Christen, die sich im eigenen Interesse zurückgelehnt und die Hände in den Schoß gelegt haben und deren Nächstenliebe verpuffte. Die - ganz menschlich - eine Heidenangst hatten, oder - ganz menschlich - zuerst einmal an sich gedacht haben. Ob einer Rückgrat hat oder nicht, das ist an keinen Glauben gebunden.

Welche Regeln man sich als gesellschaftliche Gruppe gibt und wie sehr man diese praktiziert, ist eine Frage von Idealen. Ob jetzt das Etikett "Christ" draufklebt oder nicht, sagt nichts darüber aus, ob jemand ein "guter" Mensch ist. Wir sind alle menschlich. Was mich so ärgert ist, dass manche Christen sich benehmen, als seien sie per se die besseren, moralischeren Menschen. Aber mit dem boscoesken "Gutes tun" ist es meist nicht so weit her. Oft ist es mehr ein Ereifern über das Gute, das die anderen, die Muslime, Atheisten oder Nihilisten angeblich nicht tun, was ich da sehe und höre. Und das entlastet natürlich enorm. Wenn mein Nachbar nicht so gut ist, wie er sein müsste, dann kann ich mich prima an ihm messen, denn immerhin ist meine Gesinnung ja ehrbar, und auf meiner Heckklappe klebt ein Fisch. Wen stört es da schon, dass meine eigene Nächstenliebe nicht mal so weit reicht, ab und an mal eine Obdachlosenzeitung zu kaufen oder mit der Kassierin im Aldi ein nettes Wort zu wechseln... Und solche "Christen" kneifen dann halt auch aus, wenn's hart auf hart kommt.

Wer auf Kosten anderer lebt, andere klein macht und demütigt, sich bereichert oder überall Ellenbogen einsetzt, der kompensiert ein eigenes Defizit, und dieses Defizit ist der größte Schmerz überhaupt..

Ich frage mich, ob das wirklich zwangsläufig der Fall sein muss. Es gibt sicherlich Menschen, die dem Persönlichkeitstypus des „Srooge“ aus Charles Dickens Weihnachtsgeschichte angehören – ohne Freunde, ohne wirkliche Interessen und ohne Liebe. Aber es gibt meines Erachtens auch einen anderen Typus, der zwar in seinem Umgang haargenau dem Scrooge-Typus gleicht, aber dennoch weder vereinsamt noch unglücklich ist. Dieser Typus behandelt nämlich nicht alle Menschen nur nach ihrem Nutzwert, sondern dieser Typus hat eine Familie – in der wird dann Menschlichkeit gelebt, dort geht es nicht nur um Geld und um Status.

Ich stelle mir jetzt einfach mal zwei Menschen vor, die alles andere als gut mit ihren Mitmenschen umgehen (ich will den Ausdruck Arschlöcher vermeiden), wie z.B. Dieter Bohlen und meinen früheren Chef. Dieter Bohlen erscheint mir trotz seiner menschenverachtenden Art, trotz seiner ausgeprägten Geldgier und trotz seiner durch und durch oberflächlichen Beziehung zu seinen Frauen, Geliebten und Freundinnen nicht besonders unglücklich zu sein. Bohlen wird von allen als sehr liebevoller Familienvater dargestellt, woraus man schließen kann, dass für ihn im Bereich der Familie andere Umgehensweisen gelten. Er hat sich eine Welt eingerichtet, in der es sich gut leben lässt – ein großes Haus mitten in der Natur, die finanzielle Möglichkeit, oft zu reisen und die Möglichkeit, beruflich nur das zu tun, was ihm gefällt.

Mein früherer Chef schien mir ebenfalls ganz und gar nicht unglücklich zu sein. Das berechnende und skrupellose Ausnutzen anderer betraf nur Menschen außerhalb der Familie. Und dies war für ihn auch ein völlig normales Verhalten. Als es einmal zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und mir kam, in der ich ihm sein mieses Verhalten den Mitarbeitern und dem Klientel gegenüber vorwarf, konterte er lautstark: „Ich habe nun mal Verpflichtungen gegenüber meiner Familie“. Deutlicher geht es kaum. Dieser Mann rechtfertigt Lug und Betrug damit, dass er sonst nicht über die Mittel verfügen würde, um seiner Familie ein sorgloses Leben zu bieten. Was ich als besonders bezeichnend empfinde, ist die Tatsache, dass eben nicht nur die Betreffenden selbst ihr Verhalten mit diesem Argument entschuldigen, sondern deren Verhalten sogar von Dritten damit legitimiert wird. So argumentierte sogar mein damaliger Kollege in Bezug auf meine Kritik mit der denkwürdigen Aussage: „Aber er ist ein guter Familienvater!“.

Auch wenn ich den Marxismus oftmals heftig kritisiere, so halte ich ihn dennoch, was die Analyse des Kapitalismus anbetrifft, für sehr zutreffend. „Die Familie ist die Keimzelle des Kapitalismus“ ist zwar eine abgedroschene Aussage, aber deswegen noch lange nicht unwahr. Man schafft sich zwei Lebenssphären – auf der einen Seite die des knallharten Egoismus und auf der anderen Seite den Mikrokosmos des mitmenschlichen und fürsorglichen Miteinanders der Familie. Die Konsequenz daraus ist die, dass man durchaus seine Mitmenschen wie den letzten Dreck behandeln kann, ohne dabei innerlich zu vereinsamen oder Leere zu empfinden. Im Refugium der Familie kann man sozusagen, das Defizit an Menschlichkeit und Fürsorge wieder auftanken. Und vielleicht sogar ein möglicherweise vorhandenes schlechtes Gewissen beruhigen.

Natürlich trifft es längst nicht auf alle Menschen zu, ansonsten hätte sich die Menschheit wahrscheinlich schon selbst ausgerottet. Aber es gibt meines Erachtens aufgrund der Zweiteilung der Lebenswelt nicht den Rückschluss, dass jemand, der sich unmenschlich und eigennützig verhält, zwangsläufig unglücklich sein muss.

Wir sind jetzt von Glaubensfragen zum Thema ausgleichende Gerechtigkeit abgeschweift, aber mich würde sehr interessieren, was Du darüber denkst.

Als erstes muss ich zugeben, Dickens' Weihnachtsgeschichte nie gelesen zu haben. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein kulturelles Defizit ist, und werde das bei Gelegenheit nachholen.

Über die moralische Haltung Dieter Bohlens mag ich nicht spekulieren. Ich finde den Menschen einfach zu unsympathisch, aber auch zu unwichtig, um mich mit ihm auseinanderzusetzen. Nur so viel: Ich denke, dass er ein zutiefst narzisstischer Mensch ist, der diese Bühne einfach braucht, um sein Defizit zu kompensieren. Über das Verhältnis zu seinen Kindern kann ich nichts sagen, aber ich nehme mal an, dass die Rolle des "liebevollen Familienvaters" auch Teil einer Imagestrategie sein könnte. Jemand, der sich so um sich selbst dreht, kann in meinen Augen nicht allzu viel für andere Menschen übrig haben. Über den "liebevollen" Umgang mit seinen Partnerinnen ist ja so einiges bekannt. Vielleicht ist es bei den eigenen Kindern noch etwas anderes, weil das nun einmal (ich sag's mal böse) die eigene Brut ist.

Wie gut es sich diese Menschen in ihrer Welt eingerichtet haben, kann man eben von außen nicht beurteilen. Mein Vater hat es sich auch gut in seiner Welt eingerichtet, wirkt charmant, erfolgreich, umschwärmt, hat ein schuldenfreies Zweifamilienhaus, eine Stadtwohnung, hat zahlreiche Geliebte verschlissen und einen Mercedes vor der Tür stehen. Dazu (was mich dann gleich auch zurückführt zu dem, was Du schriebst) ein braves Eheweibchen, dass ihm trotz seiner charakterlichen Schwächen die Stange hält und an das er sich kuscheln kann, wenn er's braucht. Ich weiß aber, dass er diesen ganzen Lack bloß benötigt, um seine innere Leere nicht zu spüren.

Ich sehe es also so, dass solche Menschen nicht erfolgreich und glücklich sind, obwohl sie solche Defizite haben und sich so schweinisch benehmen, sondern dass sie diesen Anschein von Erfolg und Glück benötigen, um die eigene Lebenslüge aufrecht zu erhalten und das Ego zu stabilisieren. Die Familie im Hintergrund macht mit, weil sie auch etwas davon hat. Die Ehefrauen das Prestige, die Sicherheit, den Status oder einfach Verhaltensmuster, die mit den ihren kommunizieren. Die Kinder, weil sie in diese Strukturen hineingewachsen sind und die Absurdität und Abhängigkeit gar nicht zu erkennen vermögen. Es geht um die Aufrechterhaltung eines Selbstideals, das auch in der Gesellschaft weitestgehend anerkannt ist und daher von niemandem angezweifelt wird. Dieses Ideal hat aber nichts mit tatsächlichem Glück und wirklicher Lebendigkeit zu tun, und das spüren die Betroffenen. Wäre dem nicht so, müssten sie nicht so heftig kompensieren. Ich glaube aber auch, dass viele das gar nicht wissen und auch nicht wissen wollen, sich also tatsächlich selbst für glücklich halten - wenn sie bekommen, was sie meinen, das ihnen zusteht: Anerkennung, Respekt, Aufmerksamkeit, Lob, die Abhängigkeit anderer, Verehrung, Geld, den "verantwortlichen" Managerposten, Schulterklopfen. Etcetera, etcetera, etcetera. Blöd bloß, wenn das wieder abebbt, wenn man z.B. selbst nicht mehr leisten kann und dann auch die Anerkennung dieser Leistungen verschwindet. Das kann solche Menschen ganz tief ins Elend stürzen, ohne dass ihnen klar ist, wieso eigentlich.

Was die Sache mit dem Marxismus betrifft, kann ich das Argument nachvollziehen und auch stützen. Hast Du mal Roswitha Scholz gelesen? Ich glaube, ich hatte den Tipp schon mal gegeben ("Das Geschlecht des Kapitalismus"). Die Wikipedia zitiert diesen Satz von ihr, der die Sache gut auf den Punkt bringt:

"Der Grundwiderspruch der Wertvergesellschaftung von Stoff (Inhalt, Natur) und Form (abstrakter Wert) ist geschlechtsspezifisch bestimmt. Alles, was in der abstrakten Wertform an sinnlichem Inhalt nicht aufgeht, aber trotzdem Voraussetzung gesellschaftlicher Reproduktion bleibt, wird an die Frau delegiert (Sinnlichkeit, Emotionalität usw.)."

Ich habe das Buch im Regal stehen und könnte es Dir leihweise schicken, wenn Du Bedarf hast. Allerdings finde ich die Sichtweise auch ein wenig verkürzt, wenngleich sie aufschlussreich ist.