Wir sind ja alle sooo engagiert
Was mich immer wieder erstaunt, ist der Gebrauch des Begriffs „engagiert“. Für mich bedeutete Engagement immer das sich Einsetzen für eine Sache oder für einen Menschen. Allerdings wäre mir früher nie die Idee gekommen, dass man darunter auch das versteht, was man im Rahmen einer bezahlten Tätigkeit tut.

Das erste Mal wurde ich mit dieser Ansicht konfrontiert, als ich vor vielen Jahren meiner Stiefmutter erzählte, dass ich an einer Demo teilnehmen wollte, die stattfand anlässlich des Brandanschlags in Mölln, bei dem mehrere Ausländer getötet wurden. Meine Stiefmutter gab mir daraufhin eine denkwürdige Antwort: „ Ich als Krankenschwester tue für Ausländer so viel, dass ich auf so eine Demo nicht gehen muss“. Meine Stiefmutter war nicht etwa ehrenamtlich als Krankenschwester in der Dritten Welt tätig, sondern arbeitete als Stationsleiterin in einem stinknormalen Krankenhaus und hat dabei übrigens um einiges mehr verdient als ich in meinem Beruf als Sozialpädagogin.

Auch meine frühere Kollegin in der Arbeitslosenberatung ist ein Beispiel für diese Ansicht. Sie vertrat vehement die Meinung, dass sie – obwohl in einer Vollzeitstelle tätig – auf keinen Fall auch Vollzeit arbeiten müsse. Die Begründung unterschied sich kaum von der meiner Stiefmutter: „ich engagiere mich so in meiner Tätigkeit, dass ich mich an keine Stundenzahl halten muss“.

Als Betreuerin muss ich einmal im Jahr an einem Gespräch in der Betreuungsstelle teilnehmen. Unter anderem wird dann jedes Mal gefragt (und schriftlich festgehalten), was man als die eigenen Stärken und Schwächen empfindet. Ich habe zwar grundsätzlich nichts dagegen, über solche Dinge zu sprechen, aber das Benennen der eigenen Stärken nimmt ja mittlerweile schon inflationäre Ausmaße an und so tat ich mich ein wenig schwer. „Aber sie sind doch sehr engagiert“ kam dann der Hinweis.

Und da fielen mir all die früheren Kollegen ein – die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses, die – ohne dafür bezahlt zu werden – den Aufbau eben jenes Frauenhauses erst durch eisernen Einsatz ermöglicht haben. Die Mitarbeiterinnen des Drogenberatungscafés, das ebenso seine Existenz erst dem großen Engagement dieser Frauen verdankt. Und viele, viele andere Mitarbeiter fielen mir ein, die sich mit viel Arbeit und viel Herzblut für etwas eingesetzt haben – ohne dafür jemals bezahlt worden zu sein.

Und genau das ist Engagement: sich um einer Sache selbst für etwas einzusetzen. Energie, Zeit und Interesse in etwas zu investieren, ohne dafür irgendetwas anderes als eben die Verwirklichung dieses Ziels zu erwarten. Merkwürdigerweise hat sich aber niemals jemand dieser engagierten Kollegen selbst als engagiert dargestellt. Irgendetwas liegt da schief - diejenigen, die sich aus ganzer Kraft für andere einsetzen, nutzen das Wort engagiert nicht. Diejenigen, die überhaupt nichts anderes als einfach nur ihre Arbeit machen, betonen immer und immer wieder ihr hohes Engagement.

Wer als Krankenschwester einem Ausländer einen Verband wechselt oder eine Injektion gibt und dies bereits als Engagement für Ausländer bezeichnet, hat da etwas verwechselt. Und genauso ist es mit der Sozialpädagogin, die von den 8 Stunden bezahlter Arbeit tatsächlich nur 5 Stunen arbeitet und dies als soziales Engagement darstellt.

Und auch wir Betreuer sollten unsere Arbeit, die mit einer Stundenpauschale bezahlt wird, die wir nur ungern über- aber gern unterschreiten, nicht mit Engagement gleichsetzen. Wenn man seinen Müll in den Mülleimer wirft, ist das noch kein Engagement im Umweltschutz. Wenn man alle 4 Jahre zur Wahl geht, ist das auch noch kein politisches Engagement. Wenn ein Mann ab und zu seiner Frau im Haushalt hilft, ist das noch kein feministisches Engagement..

Lassen wir also diesen Missbrauch des Begriffs des Engagements. Es führt zu nichts und setzt die Maßstäbe unerträglich tief. Niemand ist verpflichtet, sich zu engagieren. Aber wer es nicht tut, sollte dann auch einfach dazu stehen und nicht irgendwelche haarsträubenden Versuche machen, stinknormale Tätigkeiten als Engagement zu beschönigen.




Sozial oder nicht..
Ein schöner Text. Ich stimme dir da ganz zu. Als angehende Erzieherin arbeite ich in Kindertagesstätten, normalen Kindergärten, in Kindergärten mit Imigranten oder schwer erziehbaren, wobei mir dieser Begriff nicht sonderlich gefällt. Aber ich arbeite auch gerne in meiner Freizeit für die Schule und deren Titel "Schule ohne Rassismus Schule mit Courage". Wir haben uns dafür sehr eingesetzt, diesen Titel zu erlangen. Erklärt worum es geht, Unterschriften gesammelt etc. Ab und an nehmen wir dann an einem Bundesweiten treffen teil oder so wie jetzt, nehme ich bspw. an einem Treffen zur Erstellung der Q-rage teil, einer Zeitung des Projekts. Für mich ist das noch immer kein Engagement. Für mich ist es ein Nutzen von Möglichkeiten und gleichzeitig ein Geben meiner Fähigkeiten um einen kleinen Beitrag zu leisten.
Sicherlich ist ein Beruf im Krankenhaus oder der gleichen "sozial", aber Engagement zeigt sich nun mal durch mehr Einsatz, freiwilligen Einsatz der unentgeldlich ist. Uns werden die Fahrtkosten gesponsert, ich könnte es mir anders gar nicht leisten. Aber ich liebe diese Arbeit und bin in dem Sinne mit Engagement gezeichnet, dass ich impulsiv und mit Kreativitaet an der Arbeit teilnehme und mich versuche immer wieder einzusetzen, ohne dafuer etwas zu verlangen. Im Gegenteil, wenn ich dafuer etwas bekomme, so wie z.B. ein leckeres Essen im Anschluss, freue ich mich und bin meist eher erstaunt und ueberrascht, denn ich war nicht mit Erwartungen gekennzeichnet.
Allerdings muss ich auch gestehen, dass soziale Berufe einfach nicht gut bezahlt, zum Teil. Schliesslich, auch wenn man in diesen Berufen gerne arbeitet, muss man ueber die Runden kommen und versucht dabei, sich selbst etwas schoenes zu goennen. :)
Aber schreib doch bitte mehr solcher Sachen. Ich abonniere Dich.

Lieben Gruss

Mizu

Sicher, reich werden kann man in einem sozialen Beruf nicht. Und Ärzte, Anwälte oder Manager verdienen natürlich sehr viel mehr. Aber wenn man soviel verdienen will wie die, dann sollte man eben auch Arzt, Anwalt oder Manager werden (was von der Ausbildung her sehr viel länger und anspruchsvoller ist). Wenn man einen sozialen Beruf erwählt, kann man den Mehrverdienst der Besserverdienenden nicht als Entschuldigung dafür nehmen, dass man einfach eigenmächtig seine Arbeitszeit verkürzt oder seine Abrechnungen fälscht. Letztendlich gibt es auch jede Menge Berufsgruppen, die weniger verdienen und die sehr hart arbeiten. Es gibt ja übrigens auch noch den ganz legalen Weg, für mehr Verdienst zu kämpfen – nämlich durch Gewerkschaftsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit.

Das, was Du tust, ist Engagement, denn Du machst mehr, als das Geforderte. Wenn eine Krankenschwester oder ein Betreuer einfach ihre Arbeit, für die sie bezahlt werden, verrichten, dann ist dies noch kein Engagement und sollte auch nicht ständig als dieses bezeichnet werden.

Engagement ist mühselig und oftmals ein langwieriges und anstrengendes Projekt. Und Engagement verändert immer etwas über den gesetzten Radius hinaus. Das ist z.B. in Deiner Arbeitssituation so, in der Du Dich nicht einfach nur um die konkrete Arbeit in einem Kindergarten kümmerst, sondern darüber hinaus auch Zeit für das Ziel einer Erziehung ohne Rassismus investierst. Wenn Du Unterschriften sammelst – also an die Öffentlichkeit mit Deinem Ziel gehst – dann gehst Du aus dem Privaten heraus und gibst der Öffentlichkeit Impulse. Nur so können Veränderungen entstehen. Wenn immer nur Veränderungen in Hinsicht auf die eigenen Arbeitsbedingungen angestrebt werden, mag sich dies ja in dem konkreten Arbeitsplatz positiv auswirken, etwas bewegt wird dadurch nur selten.