Montag, 26. November 2012
Ernesto Cardenal – von der Allgegenwärtigkeit der Alphamännchen
Habe eben ein bisschen im Internet zu Ernesto Cardenal gegoogelt. Im Studium hatte ich das erste Mal von ihm gehört, als ich ein Referat zum Thema Theologie der Revolution schrieb. Jetzt lese ich zu meiner Bestürzung, dass Ernesto Cardenal im Jahr 2008 nach einer Europatournee nicht wieder in seine Heimat Nicaragua zurückkehren konnte, da ihm dort eine Strafe drohte. Sein schweres Vergehen bestand darin, die Amtsführung und den Lebensstil des Staatspräsidenten Ortega kritisiert zu haben.

Zur Zeit meines Referats genoss die sandinistische Regierung Nicaraguas eine glühende Verehrung. Es gab Leute, die ihre Ferien dazu nutzten, unentgeltlich auf den nicaraguanischen Kaffeeplantagen zu arbeiten, um damit die Aufbauarbeit der sozialistischen Regierung zu unterstützten. In den Bioläden wurden Produkte aus Nicaragua angepriesen, um damit die dortigen Bauern zu fördern.

Ernesto Cardenal war und ist jemand, dessen Herz immer links schlug und in seinem Engagement für die Armen sein Leben aufs Spiel setzte und dabei letztendlich auch seine Suspension als katholischer Priester in Kauf nahm.

Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass es anscheinend keine Seite gibt, von der Ernesto Cardenal nicht verfolgt oder sanktioniert wird: Die Diktatoren, der Klerus und jetzt auch noch der einstige Revolutionsführer. Wobei mich die Verfolgung durch die beiden erstgenannten nicht erstaunt und letztendlich nur konsequent ist. Aber es kommt schon ein bisschen bitter hoch, dass es dem einstigen glühenden Kämpfer gegen die Diktatur jetzt so schwer fällt, sich nicht wie ein Diktator zu verhalten.

Es bleibt die traurige Erkenntnis, dass Alphamännchen immer am längeren Hebel sitzen. Sie schaffen sich Positionen, in denen sie über den Kopf anderer hinweg entscheiden können. Positionen, die es ermöglichen, Menschen einfach in den Knast abzuschieben, wie es Putin gerade mit den Frauen von Pussy Riot gemacht hat. Oder eben wie Ortega, der es in bester Diktatorenmanier für sein Recht hält, einen Menschen aus dem eigenen Land zu verbannen. Alphamännchen haben eine naturgegebene tiefste Abneigung dagegen, sich mit Kritik an ihrer Person auseinanderzusetzen. Das stellt für sie eine Art Gotteslästerung dar, die sie – obwohl meist Atheisten – nicht billigen können und wollen.

Alphamännchen sind genauso überflüssig wie ein Blinddarm oder ein Krebsgeschwür. Und genauso krank. Aber sie sind da und man muss mit ihnen leben. Ich habe ja auch so meine Erfahrungen mit Alphamännchen, aber glücklicherweise bei weitem nicht in so gravierendem Ausmaß. Irgendwie beruhigt es mich, dass anscheinend niemand vor diesem Krebsgeschwür gefeit ist. Es kann jeden treffen, der sich das Grundrecht – und es handelt sich zweifellos um ein Grundrecht – nimmt, Kritik frei zu äußern. Ernesto Cardenal hat die Angriffe gegen ihn anscheinend mit Contenance ertragen und lebt mittlerweile wieder in Managua.

Was ich bewundere an Ernesto Cardenal ist sein ungetrübter Optimismus. Nach wie vor glaubt er an das Gute im Menschen und an die Möglichkeit einer gerechteren Welt. Und er tut dies in einer Art, die vielen gläubigen Menschen zu eigen ist – ohne Hass und Verbitterung (bei mir ist das leider nicht so...). Ernesto Cardenal ist nicht nur ein großer Kämpfer für die Gerechtigkeit, sondern auch ein großer Verfasser von Lyrik, die weit über den lateinamerikanischen Raum hinaus Beachtung und Bewunderung findet. Vielleicht ist das das Geheimnis seiner Unerschütterlichkeit – er hat sich niemals darauf beschränkt, die Welt nur aus rationaler Sicht zu erfassen und zu erklären, sondern auch oder gerade aus der Kunst und dem Glauben heraus.

Bevor ich jetzt endlich schlafen gehe, werde ich noch kurz nach einem wundervollen Gedicht Ernesto Cardenals suchen, dass ich mir vor langer Zeit notiert habe.



Freitag, 26. Oktober 2012
Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei
Vor ein paar Tagen habe ich mir endlich einmal die Verfilmung von „Herr der Fliegen“ angesehen. Die Geschichte der auf einer einsamen Insel gestrandeten Gruppe von Jungen, in der es schon nach kurzer Zeit zu tödlicher Rivalität kommt. Die Erzählung William Goldings hat bei ihrem Erscheinen hitzige Diskussionen ausgelöst. Ist der Mensch von Natur aus böse oder nicht? Eine Frage, die ebenso interessant wie auch müßig ist.

Ich kenne aus meinem Studium die Einstellung „Alles liegt am System“ zur Genüge. Eine Einstellung, die ich bis zu einem gewissen Grad auch teile. Dann nämlich, wenn es darum geht, für humanere und gerechtere Bedingungen zu kämpfen. Sich immer wieder von neuem zu fragen, ob es Möglichkeiten gibt, mit denen man Missstände bekämpfen kann. Und sich immer wieder die Mühe machen, nach den Ursachen für die jeweiligen Missstände zu fragen und danach, welche Strukturen man schaffen muss, um Gewalt und Ausbeutung entgegenzuwirken.

Aber dennoch ist es Augenwischerei, davon auszugehen, dass es ein abstraktes System ist, dem man für alles Übel dieser Welt die Schuld geben kann. Das wäre nur dann sinnvoll, wenn es irgendwo auf dieser Welt ein System ohne Gewalt und Ausbeutung geben würde - was jedoch nicht der Fall ist.

Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung zieht sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte. Zu keiner Zeit und an keinem Ort war die Erde frei davon. Im alten China haben Herrscher beim leisesten Verdacht auf Widerstand die Menschen vierteilen lassen. In England hat man Menschen vor der Hinrichtung die Eingeweide herausgerissen. In den ägyptischen Pyramiden hat man hunderte von Sklaven lebendig als Grabbeilage eines Pharaos eingemauert. Bei den Prärieindianern gab es den Tod der zwei Bäume, bei dem ein Mensch bei lebendigem Leib auseinandergerissen wurde und die Mayas haben Menschen ebenfalls bei lebendigem Leibe das Herz herausgerissen um es den Göttern zu opfern.

Völlig unabhängig von Regime und Religion wurde gemordet, zerstört und unterworfen. Und immer wieder gab es Bewegungen, die dies ändern wollten und daran scheiterten, dass sie letztendlich genau so wurden wie ihre Kontrahenten. Christen haben Nächstenliebe propagiert und gleichzeitig Hexenverbrennungen und blutige Kreuzzüge begangen. Kommunisten haben Gerechtigkeit propagiert und gleichzeitig grausame Massaker angeordnet und hunderttausende von Menschen in Zwangslagern umkommen lassen.

Unsere Menschheitsgeschichte ist die Geschichte von Völkerschlachten, Genoziden und Verknechtung. Das Gute und Humane gab es immer als Idee. Das war’s dann aber auch schon, denn als Realität hatte es kaum je eine wirkliche Chance. Vielleicht ist es das, was Albert Camus mit seinem Mythos von Sisyphos meinte.

Aber nochmals zurück zum Film. Was so beeindruckt, ist nicht die Tatsache, dass aus den vormals zivilisierten Jungen in erstaunlich kurzer Zeit wilde Kämpfer werden. Viel mehr verblüfft es, welch unbändige Freude sie dabei zu empfinden scheinen. Wild und ursprünglich zu sein macht anscheinend viel mehr Spaß, als zivilisiert und wohl temperiert. Sich auszuleben ist erheblich lustvoller, als sich einzuschränken, weil Rücksichtsnahe und Nachdenklichkeit sehr anstrengend und mühevoll sein kann.

Humanismus ist ein hartes Stück Arbeit. Und das liegt mitnichten allein an irgendwelchen Systemen. Sondern es liegt an den Menschen, die diese Systeme entwickeln. Die Wurzel des Übels liegt im Menschen selbst. Und allein dort liegt auch die Chance auf Veränderung. Somit ist diese Ansicht auch nicht ausschließlich pessimistisch, denn die Möglichkeit einer Veränderung wird eingeräumt.

Schönheit der Träume, holde Spielerei,
So hingehaucht, so reinlich abgestimmt,
Tief unter deiner heiteren Fläche glimmt
Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei.

(„Dem wir geopfert Sein und Gegenwart“ von Hermann Hesse, 1877-1962)



Mittwoch, 16. November 2011
Grandes Dames
Vor ein paar Tagen habe ich mir nicht nehmen lassen, mir das Gespräch von Reinhold Beckmann mit Hildegard Hamm-Brücher (90) und Margarete Mitscherlich (94) anzusehen. Was ich bei beiden als sehr beeindruckend empfand, war die Bescheidenheit, mit der die beiden mit ihrem Lebenswerk umgingen.

Margarete Mitscherlich, mit Leib und Seele Psychoanalytikerin, hat auch im Alter von nunmehr 94 Jahren nicht aufgehört, immer wieder nach den Gründen für menschliches Handeln zu fragen. Das mag zuweilen etwas festgefahren wirken, aber was daran viel wichtiger ist, ist die Lust am Dazulernen. Sie spricht von dem Bedürfnis, des „Sich selbst Kennenlernens“ und beschreibt dies näher als eine Notwendigkeit, immer wieder nach der wahren Motivation des eigenen Handelns und der des Handelns anderer zu fragen.

Hildegard Hamm-Brücher, die ihr Leben der Politik gewidmet hat, formulierte ihren Wunsch nach einer stärkeren Emanzipation der Männer, da immer noch ein großer Teil der Verantwortung den Frauen aufgebürdet wird, wodurch diese wiederum nicht die Möglichkeit haben, sich in der Gesellschaft zu engagieren. Was mich daran so beeindruckte, ist die Tatsache, dass Hildegard Hamm-Brücher in ihrer eigenen Ehe keine klassische Rollenverteilung erlebt hat. Es ist äußerst selten, dass jemand seine private priviligierte Situation nicht generalisiert, sondern in der Lage ist, zu erkennen, dass viele Menschen in weitaus schwierigeren Verhältnissen leben. Und noch seltener ist es, dass jemand nicht in erster Linie für sich selbst, sondern auch für andere etwas verändern und verbessern möchte.

Es gab noch einen dritten Gast, die zweiundneunzigjährige Vera von Lehndorff, besser bekannt als Veruschka. Bis auf das Alter gab es auf den ersten Blick keine Verbindung mit den anderen beiden Frauen, denn Vera von Lehndorff war Fotomodell und hat erst sehr spät begonnen, etwas anderes zu machen, nämlich selbst zu fotografieren. Allerdings wurde der Bogen zu den anderen beiden Frauen dann durch die Schilderung ihrer Kindheit gespannt, denn Vera von Lehndorffs Vater wurde als Widerstandskämpfer hingerichtet, als sie vier Jahre alt war. Der Nationalsozialismus war immer wieder Thema bei dem Gespräch, denn Hildegard Hamm-Brüchner war im Dritten Reich aufgrund ihrer jüdischen Großmutter großen Schikanen ausgesetzt gewesen und konnte nur durch die Unterstützung von Freunden ihre Ausbildung machen. Margarete Mitscherlich hat in ihrem Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“ mit den psychischen Folgen des Massenwahns befasst.

Am Ende der Sendung war ich tief beeindruckt von diesen Frauen, die auch im Alter von über neunzig Jahren noch den Wunsch nach Veränderung und geistiger Bewegung haben. Alle drei Frauen bilden einen lebendigen Gegenpol zu dem verbreiteten Modell des Stillstands.

Bemerkenswert empfand ich den Satz von Margarete Mitscherlich, die beschrieb, dass sie morgens nach dem Aufwachen erstmal im Bett läge und nachdenken würde. „Man kann mit seinem Gehirn ganz gut diskutieren – fasst sie dies zusammen. Wie viele Menschen können dies wohl tatsächlich? Und wie viele Menschen wollen dies überhaupt können? Ganz sicher nicht allzu viele. Und ich kann es einfach nicht verhindern, dass mir wieder einmal die vielen kleinen Bürodamen einfallen, die schon dem allerersten Denkvorgang konsequent einen Riegel vorschieben mit ihrem lautstarken Hinweis auf „ihren Arbeitsauftrag“ oder auf die vehement verteidigte Lukrativität und die im Gegensatz zu Hildegard Hamm-Brücher und Margarete Mitscherlich keine Gelegenheit auslassen, sich selbst als hochqualifiziert und hochengagiert zu loben.

Vielleicht sind Denkerinnern eine aussterbende Spezies. Und sei’s drum – es war ein Genuss, gleich drei so interessanten Frauen zuzuhören.



Freitag, 21. Oktober 2011
Wir sind alle Borgias
Bis jetzt habe ich durchgehalten und mir die ZDF-Serie über Papst Alexander VI angesehen. Wie erwartet, ist die Serie ziemlich reißerisch und hat wahrscheinlich auch so manches zu den historischen Fakten hinzugedichtet. Dennoch finde ich die Serie spannend. Allerdings ist es manchmal kaum erträglich, dieses Gemisch aus Intrigen, Machtgier, Heuchelei und Brutalität mit anzusehen. Ich frage mich dann, ob das wirklich alles nichts mehr mit uns in unserer heutigen Zeit zu tun hat. Nepotismus – besser bekannt als Vetternwirtschaft – das Versorgen aller Verwandten mit Posten und Pöstchen, ob nun eine Eignung dafür vorliegt oder nicht. Selbst die größte Niete kann hoch hinauskommen, vorausgesetzt sie trägt die gleichen Gene. Das, was diesem Prinzip zugrunde liegt, ist eine Grundhaltung, in der ein rigoroser Unterschied gemacht wird zwischen fremden Menschen und Menschen, die zur Familie gehören. Der Mensch fängt erst an, als menschliches Wesen zu zählen, wenn Blutsbande verbinden. Diese Haltung scheint die Jahrhunderte überdauert zu haben.

Was außerdem so charakteristisch für diese Haltung ist, ist die Spaltung in zweierlei Recht und zweierlei Pflicht. Das Recht, das für einen Borgia und seine Blutsverwandten galt, unterschied sich erheblich von dem anderer Menschen. Und die für die ganze Menschheit als zwingend geltenden Pflichten galten noch lange nicht für den Clan der Borgia. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist ein Prinzip, für das noch immer hart gekämpft werden muss. Und unabhängig von dem gesellschaftlichen Überbau gibt es die jeweils individuelle Ebene der Gleichheit. Und da sind vielleicht mehr Borgias unter uns als man glauben möchte.

Gewiss, ein Individuum kann sich nur begrenzt um andere kümmern und kann nicht für alle da sein, die Hilfe bedürfen. Aber es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob von vorneherein völlig unterschiedliche Maßstäbe für Familienmitglieder und für Nichtfamilienmitglieder angelegt werden. Dadurch entsteht ein Zweiklassensystem, das sich nicht an den gesellschaftlichen Klassen orientiert, sondern an dem archaischen Bund der Blutsbande. Überwunden haben das vielleicht manche. Aber manche eben auch nicht. Und deswegen ist die Serie über die Borgias leider keine reine Geschichtsstudie, sondern findet so manche Entsprechung in der Gegenwart.

Edit/Nachtrag
Sehr interessant war eine im Anschluss an den zweiten Teil der Serie gesendete Dokumentation über die Borgias. Es kam auch ein Nachfahre – in der 18. Generation! – zu Wort. Und obwohl dieser keinen ungebildeten Eindruck machte (ich glaube er war sogar Historiker), war er felsenfest davon überzeugt, dass bei den Berichten über die Borgias viel verfälscht wurde. Er war sich völlig sicher, dass irgendwann die geschichtlichen Nachforschungen ergeben werden, dass die Gesellschaft Papst Alexander VI viel verdankt!

Was das sein mag, erläuterte der Ur-Ur-Enkel leider nicht. Vielleicht meinte er die vielen Gemälde und Skulpturen, die den Papstpalast dekorieren? Mir ist es schleierhaft, wie man einfach ausblenden kann, dass jemand, der fast alle Gesetze und Vorschriften ignorierte und bei allem Tun in erster Linie immer nur die Protektion seiner Familie im Kopf hatte, damit irgend etwas für die Allgemeinheit geschaffen haben soll. Der Ur-Ur-Enkel setzt da das Familienwohl mit dem Allgemeinwohl gleich. Und macht damit genau das deutlich, worum es beim Nepotismus geht: um riesige Scheuklappen, die es verhindern, dass man überhaupt noch in der Lage ist, Familienwohl und Allgemeinwohl zu unterscheiden.



Samstag, 15. Oktober 2011
Alles schon erreicht?
Alice Scharzer ist wie die Krake in dem Film „Arielle, die Meerjungfrau. Die ist schon so lange da, und es gibt immer nur eine Einzige, die befragt wird.“
Charlotte Roche

Charlotte, da magst Du ja nicht ganz falsch liegen. Allerdings muss ich zur Verteidigung von Alice Schwarzer sagen, dass es – so weit ich mich auch umschaue – keine gibt, die nachrücken will. Deine Altersgenossinnen schwören Stein und Bein, dass doch alles schon erreicht ist und scheinen noch nie etwas davon gehört zu haben, dass die Frauenhäuser nach wie vor überfüllt sind, dass sexuelle Gewalt keinen Deut zurückgegangen ist und dass nach wie vor Frauen in den Chefetagen eine Ausnahme darstellen dafür aber die Mehrheit, was Altersarmut anbetrifft. Männer bilden hingegen eine eindeutige Minderheit im Bereich der Alleinerziehenden.

Es hat sich viel verändert – stimmt! Aber es ist eben auch viel beim Alten geblieben…



Montag, 18. April 2011
Die liebenden Mutterherzen schlagen wieder zu
Menschen…die unglücklich sind, wenn andere Leute sie anschreien oder unfreundlich zu ihnen sind, die selbst aber andere ebenso anschreien und es nicht einmal bemerken, kleine verlassene Kinder, deren Eltern auf Transport sind, aber die Mütter anderer Kinder kümmern sich nicht um sie: Sie haben Kummer um die eigene Brut, die Durchfall hat und vielerlei Krankheiten und Wehwehchen.
Etty Hillesum in einem Brief aus dem KZ Westerbork

Nach rund zehn Jahren hat man jetzt den Mörder des kleinen Denis gefasst, der die ganze Zeit unbescholten ein paar Straßen ganz in der Nähe meiner Wohnung gewohnt hat. Und jetzt ist wieder Saison für die liebenden Mutterzherzen: „Wenn man selbst Kinder hat, kann man nachempfinden, was die Mutter empfindet“. Ach so, ja. Nur wenn man selbst Kinder hat, ansonsten natürlich nicht. Nur wenn man selbst Krebs hat, kann man nachempfinden, wie es einem Krebskranken geht, nur wenn man selbst missbraucht wurde, kann man empfinden, wie es Missbrauchsopfern geht und nur wenn man selbst Jude ist, kann man die Tragödie Auschwitz’ nachempfinden. Das ist die Logik derer, denen alles, aber auch wirklich alles am Arsch vorbei geht, was sie nicht unmittelbar selbst betrifft.

Aber das ist nur die eine Seite der liebenden Mutterherzen. Die andere ist natürlich das unvermeidliche „Rübe ab, weg mit dem Monster“. Die macht zwar weder die ermordeten Kinder wieder lebendig noch macht es das Leid der vielen Missbrauchsopfer ungeschehen, noch verhindert es zukünftige Verbrechen. Aber das ist im Grunde schnurz. Wichtig ist nur, dass die liebenden Mutterherzen Dampf ablassen.

Wie verhindert man, dass aus einem unschuldigen Kind später ein skrupelloser Pädophiler wird? Was muss – JETZT UND SOFORT – getan werden, damit gefährliche Entwicklungen gar nicht erst entstehen? Vielleicht ist es genau das, wozu diese Gesellschaft – allen voran die liebenden Mutterherzen – keine Lust hat: Verantwortungsbewusstsein für alle Kinder zu zeigen, nicht nur für die eigenen. Den Mund aufzumachen, wenn man mitbekommt, dass in der Nachbarschaft Kinder vernachlässigt oder misshandelt werden. Einzugreifen, wenn Kinder – nicht nur die eigenen – in Not sind. Ist das wirklich zuviel verlangt?

Ich empfinde die eingangs zitierten Worte Etty Hillesums als eine sehr zutreffende Charakterisierung der sogenannten Mutterliebe. Etty Hillesum hatte übrigens keine eigenen Kinder. Damit wird ihr sicherlich von den liebenden Mutterherzen die Kompetenz abgesprochen, sich zu äußern. Mir fällt dabei sofort meine frühere Mitarbeiterin ein, die empört kreischen würde, dass ein Mensch ohne Kinder nichts beurteilen kann, was mit Kindern zu tun hat. Mir fällt auch der frühere Geschäftsführer ein, der sich einen Dreck um die Ausbildung seines Lehrlings gekümmert hat, aber einen Riesenaufstand veranstaltete, als seine schulschwache Tochter nicht versetzt werden sollte und seinem verwöhnten Sonnenschein dann letztendlich die Privilegien einer Waldorfschule zukommen ließ.

Solange eine Gesellschaft wegsieht, wenn Kindern Unrecht angetan wird, solange wird sie auch mit Gewaltverbrechen leben müssen. Solange einer Gesellschaft Kinder völlig gleichgültig sind – es sei denn es sind die eigenen – solange macht sie sich auch der Mittäterschaft schuldig.



Mittwoch, 16. Februar 2011
Das Leben als Gladiatorenkampf
Zur Zeit wird in fast allen Medien Amy Chuas „Die Mutter des Erfolgs besprochen“. Ob dieses Buch es wirklich wert ist, so viel Aufmerksamkeit zu erhalten, sei dahingestellt. Aber anscheinend trifft die Amerikanerin chinesischer Abstammung mit ihrer Befürwortung einer Erziehung zum Erfolg einen wunden Punkt in unserer westlichen Gesellschaft. Während hier viele Eltern ratlos angesichts der Erziehungsschwierigkeiten mit ihren Kindern sind und es mittlerweile wahrscheinlich mehr Lehrer gibt, die Angst vor ihren Schülern haben als umgekehrt, hat beim Erziehungsmodell Amy Chuas alles noch seine Ordnung: Eltern bestimmen und Kinder gehorchen.

Mir geht es gar nicht darum, zu thematisieren, was mit einer Kinderseele geschieht, die so hartem Drill ausgesetzt ist. Mir geht es vielmehr um das, was mit einer Gesellschaft geschieht, in der jedes Kind dazu erzogen wird, Bestleistungen zu erlangen. In der das Ziel des sozialen Miteinanders gar nicht zu existieren scheint, sondern der Nächste nichts anderes als ein Konkurrent ist, den man auf Gedeih und Verderb übertrumpfen muss.

Und mir fallen zwei Berichte ein, die ich vor längerer Zeit gelesen habe, in denen es um das Leben der Menschen in China ging. Im dem einen Bericht ging es um junge Fabrikarbeiterinnen, die zehn Stunden am Tag für einen Mindestlohn Akkord arbeiten. Die Frauen waren so erschöpft, dass sie in ihrer Arbeitspause nicht in den Aufenthaltsraum oder die Kantine gingen, sondern versuchten, die kurze Zeit lieber zum Schlafen zu nutzen – sitzend und den Kopf auf die Arbeitsplatte gelegt. Der Fotograf hatte dies bildlich festgehalten und man sah endlos lange Arbeitstische mit Hunderten von Frauen, die völlig erschöpft auf ihrem Arbeitsplatz zusammengesunken waren.

In dem anderen Bericht wurden Arbeiter gezeigt, die in Steinbrüchen arbeiteten. Diese Arbeiter zogen schwere mit Steinen beladene Loren. Weil diese Arbeiter so wenig verdienen, dass es kaum für Kleidung reicht, haben sie, um ihre Kleidung zu schonen, die schwere Arbeit völlig nackt(!) verrichtet. Auch dies war auf einem Foto zu sehen. Nackte Menschen, die wie Zugvieh vor beladene Wagen gespannt waren.

Jetzt könnte man sagen – siehst du, eben deswegen erzieht eine Mutter ihre Kinder mit Drill und Härte – damit sie sich nicht so elendig abrackern müssen, wie Menschen, die vor Erschöpfung am Arbeitsplatz einschlafen oder wie Menschen, die zu Zugvieh degradiert werden. Alles geschieht nur aus Liebe und Verantwortung den Kindern gegenüber. Selbst die Verbote der Teilnahme an Kinderfesten und der Übernachtung bei Freunden scheinen vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, denn Freundschaft ist nur hinderlich bei einem Konkurrenzkampf, in dem jeder ein potentieller gefährlicher Rivale ist.

Es gibt keinen Rückschluss, der verheerender ist als dieser. Eine Gesellschaft, die menschenunwürdige Lebensbedingungen hat, bedarf dringend der Veränderung. Und die wird nicht hervorgebracht durch Menschen, die schon als Dreijährige lesen und als Fünfjährige Bachsonaten spielen können.

Die Logik einer Erziehung wie die von Amy Chuas macht aus der Welt eine Gladiatorenarena. Und anstatt alles für eine Beendigung der unmenschlichen Gladiatorenkämpfe zu tun, wird lediglich alles getan, um die eigenen Kinder zu siegreichen Gladiatoren auszubilden, die im Kampf nicht unterliegen.

Das Modell von Amy Chuas ist eine gnadenlose und rigorose Befürwortung des Individualismus, in dem es immer nur um das eigene Fortkommen geht. Es geht immer nur um das „besser als“. Alles ist einem erbarmungslosen Konkurrenzkampf untergeordnet, in dem nur die Besten überleben. Allerdings liegt es nun mal im Wesen einer Gesellschaft, dass es nicht nur die Besten gibt, sondern eben auch die große Mehrheit derer, denen es nicht gelingt, unter die ersten Plätze zu gelangen.

Nur so nebenbei: Sowohl die Lehrer von Hermann Hesse als auch von Albert Einstein beklagten sich – zumindest zeitweilig – über deren schlechte schulische Leistungen und den mangelnden Einsatz. Beide haben später den Nobelpreis erhalten. Durch Drill und Disziplin schafft man erfolgreiche Geschäftsleute. Genies verhindert man damit.



Mittwoch, 2. Februar 2011
Die Lüge hat sich wahrgelogen – warum ich glaube, dass Rainer Unrecht hat
Es ist demnach gleichgültig, was gezeigt wird, relevant ist lediglich, dass es überhaupt gezeigt wird: Das Fernsehbild gibt vor, das Abbild der Realität zu sein und wird so zum Vorbild für gerade diese Realität. Das führt zu dem Bumerang-Effekt. Der Mensch richtet sich nach dem Abbild der Wirklichkeit, und die Realität wird auf diesem Wege zu diesem verzerrten Abbild. Auf einmal stimmt, was im Fernsehen zu sehen ist: Die Lüge hat sich wahr – gelogen.
Günther Anders (1902 – 1992)

Das alles hat der Sozialphilosoph Günther Anders zu einer Zeit formuliert, als Fernsehen hauptsächlich noch aus Spielfilmen, Dokumentationen, Nachrichten, Quizsendungen und harmlosen Vorabendserien bestand. Damals hätte man vielleicht noch den ein- oder anderen Einwand gegenüber Anders’ These erheben können. Denn das war noch die Ära ohne Reality-TV, Big Brother, Casting-shows und Dschungelcamps. Jeder, der damals dem Krabbelalter entwachsen war, jeder der weder debil, noch psychotisch noch dement war, war sich bei einer Fernsehsendung bewusst, dass es sich um eine solche handelte. Man wusste, dass Ben Carthwright nicht wirklich auf der Ponterosa lebte, dass Marilyn Monroe gar nicht wirklich mit Tony Curtis in einer Mädchenband spielte sondern schon lange tot war, dass die Familie Hesselbach in Wahrheit gar nicht miteinander verwandt war und dass Tootsie in Wahrheit Dustin Hofman hieß.

„Die Lüge hat sich wahrgelogen“. Genau das ist passiert. Wo? Im Dschungelcamp zum Beispiel. Während die Familie Hesselbach ihre Rollen unter Regieanweisung auswendig lernte und sich – genau wie der Zuschauer – immer bewusst war, dass eine Rolle gespielt wurde, ist dies bei den Dschungelcampern nicht mehr der Fall. Jeder behält seinen Namen bei und muss nur sich selbst spielen. Aber dann handelt es sich doch nicht um eine Lüge? Eben doch. Sich selbst spielen und einfach man selbst sein hat nichts gemeinsam.

Rainer Langhans vertritt die Ansicht, dass zwischen dem Kommunenleben und dem Dschungelcamp kein grundsätzlicher Unterschied besteht – bei beiden würde sich in der gleichen Weise eine Gruppendynamik entwickeln. Rainer, da irrst du! Bei den Campern entwickelt sich eine Gruppenlüge. Jeder lügt ganz individuell vor sich hin und das Ganze ergibt eine kollektive Gruppenlüge. Und das eigentlich Gemeine ist, dass niemand – weder die Teilnehmer noch die Zuschauer – nach einer Weile noch wissen, was echt ist und was gespielt.

Nein Rainer – das Dschungelcamp gibt keinen Aufschluss darüber, welche Gruppendynamik sich bei elf im Dschungel lebenden und Ungeziefer fressenden Menschen entwickelt. Es gibt Aufschluss darüber, wie sich elf im Dschungel lebende und Ungeziefer fressende Menschen der Allgemeinheit präsentieren wollen. Zugegeben – auch das mag manchen soziologischen Aufschluss geben. Aber dies mehr in Bezug auf die verborgenen Inszenierungswünsche, die in der menschlichen Seele schlummern als über reales Gruppengeschehen.

„Die Lüge hat sich wahrgelogen“. Spannende Frage, ob es sich dann streng genommen überhaupt noch um eine Lüge handelt. Kann eigentlich auch der umgekehrte Fall eintreten: die Wahrheit hat sich unwahr „gewahrheitet“, „geehrlicht“ oder „geechtet“? So wie eine Lüge zur Realität werden kann, wenn sie kollektiv geglaubt wird, so kann vielleicht auch eine Wahrheit, die kollektiv als falsch empfunden wird, zur Lüge werden? Eine Wahrheit, die eben aus dem Grunde, weil sie die Realität darstellt, von niemandem als Wahrheit gesehen werden will, wandelt sich dadurch langsam zur Lüge. Vielleicht ist das Kriterium „wahr“ oder „unwahr“ einzig und allein abhängig von der Übereinstimmung in der kollektiven Wahrnehmung und man kann letztendlich einfach „voten“ ob etwas wahr oder unwahr ist.

Schade, dass Günther Anders – wie fast alle hellen Köpfe – nicht mehr unter uns Lebenden weilt. Dann würde ich ihm eine Mail schicken und fragen.



Sonntag, 6. Juni 2010
Der ewige Ödipus – Bushido
Eigentlich ist er es nicht wert, ihm größere Aufmerksamkeit zu widmen. Aber als gesellschaftliches Phänomen wiederum lohnt sich das nähere Hingucken. Vor allem 78er wie mich verwundert es, dass jemand mit Texten Erfolg hat, die 30 Jahre zuvor unweigerlich das Werfen von faulen Eiern und Tomaten provoziert hätten. Weil die Texte so revolutionär sind? Eben gerade nicht, sondern weil die Texte eine Moral widerspiegeln, die an Verklemmtheit und Borniertheit nicht mehr zu überbieten ist.

Bushido läd uns ein auf eine Zeitreise und nimmt uns mit in eine Zeit, in der Frauen noch „anständig“ zu sein hatten und Homosexualität mit krimineller Veranlagung gleichgesetzt wurde. Und in der der Mann noch ein ganzer Kerl war und verächtlich auf weibische Gefühlsduselei herabsah. Ein Mann der einfachen Worte eben.

Darauf angesprochen, warum er in seinen Liedern Frauen als Schlampen und Nutten bezeichnet, hat Bushido eine denkwürdige Antwortt: „Es seien ja nicht alle Frauen Schlampen, aber einige eben doch. Wie soll man denn eine Frau bezeichnen, die völlig nackt backstage auftaucht?“ Nun ja, das Phänomen der Groupies gab es spätestens seit den Zeiten des Rock 'n Roll. Und es gab auch immer wieder mal Lieder in denen dies besungen wurde, wie z.B. in „Star fucker“ von den Rolling Stones. Aber während die Rockstars von früher dies einfach nur genossen und allenfalls stolz damit prahlten, löst das Phänomen Groupie bei Bushido höchste moralische Entrüstung aus. Eine Frau, die einfach sexuell aktiv wird und sagt, dass sie mit einem Mann schlafen will? Nicht mit Bushido! Oder vielleicht doch, aber dann nur, wenn hinterher kräftig die moralische Entrüstung vertont wird. Das ist man schließlich der Moral schuldig, oder?

Auf die Reaktion seiner Mutter auf seine Musik angesprochen, sagt Bushido, dass die keine Probleme mit seinen Texten hat. Überhaupt war die Mama immer mit allem einverstanden, was Bushido gemacht hat. Als er vorzeitig vom Gymnasium abging und sich Geld mit dem Handel von Drogen verdienen wollte, hat Mama ihm sogar Geld dafür geliehen. Seine Mutter wäre nun mal niemand, die ihrem Sohn vorschreibt, dass er sich an Gesetze und gesellschaftliche Regeln halten müsse. Das wäre in seiner Familie nun mal nicht so üblich.

Ja, die Mama. Lebenslang Sohnemanns Nummer eins. Was kümmert es Mama, wenn Sohnemann andere Frauen als Schlampen und Nutten bezeichnet, solange er Mama in Ehren hält? Im Gegenteil, dies hebt doch den eigenen Wert erst so richtig. Und was kümmert es Mama, wenn Sohnemann an der Drogensucht anderer Geld verdient? Was gehen Mama die anderen an, sie ist schließlich in erster Linie Mutter und nur Sohnemanns Wohl hat für sie wichtig zu sein und sonst gar nichts.

Bei einer Talkshow mit Bushido wurde kurz ein Foto seiner Mutter eingeblendet. Eine durch und durch bieder wirkende adrette ältere Dame, die freundlich in die Kamera lächelt und aussieht wie die Vorsitzende eines Hausfrauenverbandes. Eine Frau, die stolz auf den Erfolg ihres Sohnes ist und gar nicht versteht, warum es Menschen gibt, die ihrem Jungen seine Texte übel nehmen.

Bushidos Welt ist einfach und übersichtlich. Auf der einen Seite die Schlampen und Nutten und auf der anderen Seite: Mama! Solange Mama die Größte ist, ist die Welt noch in Ordnung. Ein gegenseitiges Agreement, von dem beide profitieren. Und das die Welt so schön überschaubar und einfach macht. Der ewige Sohn erhält den mütterlichen Segen auf Lebenszeit und Mama erhält dafür im Gegenzug den Platz der ewigen Nummer eins. Ödipus auf Lebenszeit. Schade nur, dass dies vertont werden muss.



Freitag, 19. März 2010
Das Stepford-Phänomen
Manchmal ist es gut, zu hören, dass man völlig normal ist. Wenn das gesamte Umfeld sich völlig von einem unterscheidet, kommt unweigerlich die Frage auf, ob der eigene Weg denn eigentlich noch der richtige ist. Und dann fragt man sich, ob man sich denn nicht ändern sollte – wenn alle anders sind, wird dies vielleicht auch richtig sein. In so einer Situation muss man immer wieder von neuem die Wahl zwischen Anpassung und Standhalten treffen. Sieht man sich den Lauf der Geschichte an, hat die große Masse meist geirrt.

Dies erinnert ein wenig an Ira Levins Roman „Die Frauen von Stepford“. Die Protagonistin Joanne ist sich völlig sicher, dass etwas mit den Frauen ihrer Umgebung nicht stimmt. Um sie herum nur Harmonie und Zufriedenheit, die etwas seltsam Unechtes hat. Die anderen tun ihre Bedenken immer wieder als Einbildung ab. Schließlich sucht Joanne in ihrer Verzweiflung eine Psychologin auf. Und dann kommt der Moment, in dem ihr endlich von jemandem bestätigt wird, dass sie ihre Misstrauen an der scheinbaren Harmonie Ernst nehmen sollte. Es gibt Zweifel, die selbstzerstörerisch sind und es gibt Zweifel, die zu einer gesunden Wahrnehmung gehören und somit lebenserhaltend sind. Im Falle von Joanne kommt diese Erkenntnis allerdings zu spät.

Das Beeindruckende an dieser Geschichte ist der Kontrast der Protagonistin zu den übrigen Frauen. An denen ist alles harmonisch und vorbildlich – nur eben völlig unecht und unglaubwürdig. Und man atmet auf, als endlich in Gestalt der besagten Psychologin jemand auftaucht, der dieses Gefühl des Zweifelns nachempfinden kann und als richtig unterstützt.

Und so jemanden braucht man im normalen Leben auch. Jedenfalls, wenn man sich in einem ungutem Umfeld befindet. Oder anders ausgedrückt – wenn man sich völlig von den Menschen seines Umfelds unterscheidet. Das Umfeld kann man sich leider nicht immer aussuchen. Aber Gott-sei-Dank gibt es Menschen, die einem bestätigen, dass man sich auf sein Gefühl verlassen kann. Das ist das, was man zum Überleben in so einer Umgebung dringend benötigt.

Auch wenn es vielleicht kein richtig und falsch gibt – es gibt falsche Umfelder.


Es gibt sogar eine kleine Persiflage namens "Stepfordism"