Montag, 4. März 2013
Durchschnitt und Genie
Man sollte sich nie auf Filmkritiken verlassen, die voll des Lobes sind, wenn man nicht enttäuscht werden will. So ging es mir eben bei „Black swan“. Ich hatte noch die Kritiken bei Erscheinen des Films in Erinnerung, die den Film als beeindruckend lobten. Was mich dann aber richtig neugierig machte, war die Rubrik „Hintergrund“ der Fernsehzeitung. Dort stand nämlich geschrieben, dass der Regisseur Darren Aronofsky sich beeinflusst sah durch Roman Polanskis Filme „Der Mieter“ und „Ekel“. Letzter Film hat mich nicht allzu sehr beeindruckt, weil ich Catherine Deneuve nicht besonders mag, denn es reicht mir nun mal nicht, wenn jemand zwar wunderschön aussieht, aber die schauspielerischen Fähigkeiten sich meist darauf beschränken, geheimnisvoll lächelnd in die Kamera zu starren.

Was allerdings Polanskis „Der Mieter“ betrifft, so ist dies für mich der beeindruckendste Film, den ich je gesehen habe. Ich bin vor vielen Jahren mehr oder weniger zufällig spätabends in diesen Film gestolpert ohne zu wissen, dass es sich um ein Werk von Polanski handelt. Dies habe ich erst bemerkt, als er als Protagonist im Film auftauchte.

„Der Mieter“ ist ein Film, durch den man langsam in die Welt der Psychose hineingezogen wird und am Ende nicht mehr weiß, ob man sich in der Realität oder im Wahn befindet. Und dieser Prozess steigert langsam seine Bedrohlichkeit. Das Unheimliche am Film ist das Ungewisse, denn obwohl man einerseits spürt, dass die Hauptperson mit dem Bezug zur Realtität kämpft, ist man sich andererseits auch sicher, dass nicht alles Wahn ist, sondern mit Außenwelt etwas nicht stimmen kann. Der Film schafft es wie kein anderer, das Gefühl von beängstigender Unsicherheit zu hinterlassen.

Auch bei „Black swan“ ist man sich stellenweise nicht sicher, ob es sich um Realität oder Fiktion handelt. Aber dies wird bewusst als Mittel eingesetzt, während es beim Polanski so subtil eingearbeitet ist, dass man ohne es recht zu bemerken, in die Falle des Zweifels tappt. „Black swan“ ist ein typischer Hollywoodfilm und den Unterhaltungswert kann man nicht bestreiten, genauso wie die schauspielerische Leistung Natalie Portmans. Aber das war’s dann auch schon. Und dies ist etwas, was ich allgemein mit amerikanischen Filmen verbinde – Unterhaltung. Amerikanische Filme können hoch spannend sein oder romantisch, urkomisch oder gruselig – nur wirklich beeindruckend sind sie nicht. Hauptziel fast aller amerikanischen Filme ist der Erfolg beim Publikum. Kein wirklicher Künstler arbeitet so, denn Kunst ist immer ureigenster Ausdruck und nicht geplante Wirkung.

Und genau das ist er, der Unterschied zwischen Durchschnitt und Genie.

Vielleicht sollte sich Polanski des Themas annehmen.



Freitag, 1. März 2013
Wenn die Argumente ausgehen – Sozialneid
Was macht man, wenn in einer Diskussion die Argumente ausgehen und man Mühe hat, konträre Meinungen zu widerlegen? Man verwendet merkwürdige Begriffe, deren geistiger Gehalt genauso dürftig ist, wie die sonstigen Gedankengänge ihrer Benutzer. Und dann kommt so etwas heraus wie der Begriff „Sozialneid“.

Dieser Begriff macht mit einem Schlag jegliche Diskussion über soziale Gerechtigkeit überflüssig. Denn diesem Begriff zufolge ist der Wunsch nach mehr Gerechtigkeit in Wahrheit nichts anderes als purer Neid. Man missgönnt den anderen einfach das, was man selbst nicht hat.

Nur gut, dass man den guten alten freudschen Begriff der Projektion zur Verfügung hat. Denn etwas anderes steckt nicht hinter Konstruktion dieses Unworts. Da wird in bemerkenswerter Unbedarftheit die eigene Werteskala in den anderen hineinprojiziert und wer selbst den Hals nie voll kriegen kann, vermutet dies auch bei anderen.

Diese äußerst einfach gestrickte Philosophie blendet allerdings aus, dass diejenigen, deren Ziel soziale Gerechtigkeit ist, gar nicht immer zu denen gehören, die selbst von sozialer Ungerechtigkeit betroffen sind. Und genau dieses Ausblenden ist das Bezeichnende an dieser Denkstruktur, die in ihrer Begrenztheit immer im eigenen Wertesystem steckenbleibt und sich um sich selbst dreht.

Es gibt Menschen, die sich unwohl fühlen in einer Welt, in der manche Menschen immer mehr an den Rand gedrängt werden. Eine Welt in der die Schere zwischen arm und reich immer größer wird. Menschen, die sich unwohl fühlen, obwohl sie selbst noch weit vom Rand entfernt sind.

Im besten Sinne zeugt der Begriff Sozialneid einfach nur von einem Mangel an Phantasie. Im schlimmsten Fall offenbart er jedoch ein beängstigendes Ausmaß an plumper Dummheit, die man in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzen sollte.



Montag, 18. Februar 2013
Ideale sind unsterblich
Auch wenn ich schon diverse Male Dokumentationen und natürlich auch die beiden Spielfilme über die Weiße Rose angesehen habe, so fesselt mich dieses Thema immer wieder aufs Neue. So auch heute bei der Reportage „Sophie Scholl – allen Gewalten zum Trotz…“ aus dem Jahr 2005. Und ich erliege meist auch der Versuchung, anschließend im Internet zu stöbern um mehr zu erfahren. Und wie bei anderen verwandten Themen wird mir dabei immer schmerzlich bewusst, dass die Zeitzeugen langsam aussterben. Anneliese Knoop-Graf starb im Jahr 2009 und Susanne Hirzel im Dezember vergangenen Jahres. Zwei Frauen, die auch im hohen Alter geistig noch hellwach waren und sich bei ihren Schilderungen noch so erregen können, als wäre alles erst vor kurzem geschehen.

Sophie Scholl wurde nur 21 und ihr Bruder Hans nur 24 Jahre alt. Hans Scholl rief nach der Verkündung seines Todesurteils "Freiheit". Mir fällt dabei die Zeile eines Lieds von Joan Baez ein (die kennt wahrscheinlich heute niemand mehr) über den Gewerkschaftsführer Joe Hill, der zu Unrecht zum Tode verurteilt wurde: „Takes more than guns to kill a man, says Joe – I didn't die". Und etwas davon ist wahr, denn wenn jemand für seine humanistischen Ideale hingerichtet wird, so kann dies immer nur in Bezug auf seine physische Existenz geschehen, nicht für seine Ideen. Die werden dadurch erst unsterblich.

Vielleicht ziehen mich deswegen die Berichte über Widerstandskämpfer so an, es geht im Grunde dabei um etwas Metaphysisches – um die Unsterblichkeit. Etwas, das – allen Gewalten zum Trotz, wie Sophie Scholl formuliert – unbesiegbar ist.