Sonntag, 13. Januar 2013
Manche Auslaufmodelle sind einfach nicht totzukriegen – John Wayne
Bei meinem Treffen mit alten Freunden kamen wir – wie dies so ist unter Freunden – natürlich auch auf den ein- oder anderen aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis zu sprechen. Ich sprach dann über Konflikte, die aus dem Verhalten eines meiner Bekannten entstanden sind, sowohl in Bezug auf mich als auch auf einige andere. Es geht dabei um einen Mann, der genau das verkörpert, was man landläufig als Macho oder vielleicht auch einfach als Rüpel bezeichnet. Ein Mann, für den eine Diskussion nur dann eine Diskussion ist, wenn er diese mit kurzen und knappen Statements so schnell wie möglich beendet. Für den jedes fragende Nachhaken einen existentiellen Verlust der Männlichkeit darstellt.

Bei Diskussionen ist so ein Verhalten schon unangenehm genug. Wenn es um soziales Miteinander geht, dann wird es allerdings unerträglich. Grundsätzlich wird jede Form des Verständnisses für andere sofort als gefühlsduselig und lächerlich abgetan. Und grundsätzlich weiß der Typus des Machos genau, was richtig und falsch ist und reagiert äußerst ungehalten, wenn auch nur die kleinsten Zweifel an seiner Ansicht auftauchen. Er scheint unter einem unerklärlichen und extremen Zeitdruck zu stehen, der es zwingend erforderlich macht, sofort und auf der Stelle jeden und alles abzuwürgen. Ein kleiner John Wayne, der keine Zeit für Nebensächlichkeiten hat, weil er ja gegen feindliche Indianer, hinterhältige Banditen und gefährliche Pumas kämpfen muss. Und so gallopiert John Wayne dann mit einem Riesentempo munter über die Gefühle der anderen hinweg.

Meine Freunde bestätigten dies alles mehr oder weniger schulterzuckend und kommentierten, dass der Betreffende ja schon seit frühester Jugend so war. Was mir aber wohltuend im Gedächtnis geblieben ist, ist der Kommentar meines alten Freundes: „Es ist merkwürdig, dass manche immer noch nicht bemerkt haben, dass so ein rüpeliges und dominantes Verhalten schon lange nicht mehr als männlich gilt und die meisten darüber nur noch mitleidig den Kopf schütteln.“

Und genau das erstaunt mich auch. Wieso hält sich so ein Auslaufmodell so hartnäckig, wo doch jeder nur noch genervt oder gelangweilt darauf reagiert? Nicht, dass mir die Filme mit John Wayne nie gefallen haben – im Gegenteil, manche fand ich sehr spannend und ab und zu würde ich mir sogar auch wieder einen ansehen. Aber Film ist Film und in der realen Alltagswelt wirkt John Wayne wie ein prähistorisches Tier, das nicht mehr in seine Umwelt passt.

Wieso bekommt dieses Auslaufmodell bloß nicht mit, dass seine Zeit abgelaufen ist und ihn niemand mehr männlich, sondern nur noch peinlich findet?

Vielleicht liegt es daran, dass es auch immer noch weibliche Auslaufmodelle gibt, die zu diesem Rüpel mit großen Kulleraugen aufschauen. Jene Frauen, die auch aus der Zeit der Säbelzahntiger und Mammuts zu stammen scheinen und die einen Mann brauchen, der sie mit Keule und Faustkeil beschützt. Ja, so muss es wahrscheinlich sein und deswegen stirbt dieses Auslaufmodell auch nicht aus und wird uns – ähnlich wie ein resistenter Virus – noch bis ans Ende unserer Tage daran hindern, wirklich in der Zivilisation angekommen zu sein.



Samstag, 12. Januar 2013
Die merkwürdige Institution der Zeitehe
Der Islam erlaubt niemals, dass eine Frau Sex mit hunderten Männern hat. Es sei denn, die Männer zahlen dafür und kommen für den Unterhalt auf. Darum geht es in der Zeitehe. Leute, die nicht genug Geld für eine Ehe haben, können eine Zeitehe eingehen.
Aussage eines Mullahs in der Dokumentation „Im Basar der Geschlechter“

Schon immer empfand ich die Zeitehe, die es im schiitischen Islam gibt, als eine sehr kuriose Einrichtung. Die Zeitehe, persisch Mutah, erlaubt es den schiitischen Muslimen, eine Ehe auf Zeit einzugehen, wobei die Dauer sich auf eine halbe Stunde bis zu vielen Jahren erstrecken kann.

Vorgestern gab es nun eine Dokumentation auf Arte über die Zeitehe, die ich mit Spannung verfolgt habe. Es gibt einige Vorschriften für den Abschluss einer Zeitehe. Zum Beispiel darf nach Aussage des Mullahs eine Jungfrau nur eine "nicht sexuelle" Zeitehe eingehen. Was man darunter zu verstehen hat, hat der Mullah sehr direkt beschrieben: „Es darf keine Penetration stattfinden, weder von vorn noch von hinten.

Die islamische Beschränkung auf vier Ehefrauen gilt für die Zeitehe nicht. Zwischen zwei Zeitehen müssen zwei Monatsblutungen liegen, damit die Vaterschaft eindeutig ist. Auf die Frage, ob dies für eine Frau nach den Wechseljahren auch gilt, antwortet der Mullah: „Nein, da gilt diese Vorschrift nicht“. Lachend fügt er hinzu: „Aber wer will schon so eine Frau?“

Ein anderer Mullah erklärt den Sinn der Zeitehe mit der Aussage: „Der Islam verlangt Respekt vor der Sexualität“. Dieser Satz hat mir zu Denken gegeben. Was könnte damit wohl gemeint sein? Der Gedanke, für Sexualität Respekt einzufordern, wird wahrscheinlich von vielen grundsätzlich nicht als falsch eingestuft. Unstrittig ist jedoch, dass es fast unmöglich sein dürfte, hierfür Normen zu definieren. Es kommt ja oftmals schon zwischen lediglich zwei Menschen zu zu keiner Einigkeit in dieser Frage. Zudem ist dieses Thema sehr anfällig für Polemik, was ich auch hier beim Bloggen schon erlebt habe. Polarisierungen scheinen bei diesem Thema fast unvermeidlich zu sein, da es leider immer wieder das wenig konstruktive Bedürfnis gibt, dieses komplizierte und sehr sensible Thema mit Schubladenkategorien abzublocken. Nichtsdestotrotz ist das Phänomen Zeitehe viel zu interessant um sich damit nicht auseinanderzusetzen.

Während ich die Sendung ansah, fiel mir ein früherer aus dem Iran stammender Bekannter ein. Von ihm weiß ich, dass im Iran Prostitution durchaus existiert. Allerdings muss tatsächlich vor dem Sex geheiratet werden. Unterlässt man dies, muss die Frau mit Todesstrafe rechnen und auch der Mann erhält eine Strafe.

Man wird unschwer leugnen können, dass hinter den vielen Vorschriften, die es im Islam in Bezug auf Sexualität gibt – und es gibt derer wirklich viele – die unverrückbare Angst vor der selbstbestimmten und unabhängigen Frau steckt, die tut und lässt, was sie will. Konsequenterweise gibt es die Möglichkeit per Zeitehe mehrere Ehepartner zu haben auch nur für Männer. Aber davon abgesehen ist die Formulierung: "Der Islam erlaubt niemals, dass eine Frau Sex mit hunderten Männern hat, es sei denn, die Männer zahlen dafür und kommen für den Unterhalt auf " höchst erstaunlich, denn im Klartext heißt dies nichts anderes als „Ohne Geld kein Sex“. Man könnte fast an die Hartlinerinnen des Feminismus erinnert werden, für die jede Form des heterosexuellen Sex gleichbedeutend mit Prostitution war und deren Resümee dann darin gipfelte, Prostituierte als die wahren selbstbefreiten Frauen hochzustilisieren.

Was auch immer es zu der Institution der Zeitehe zu sagen oder zu assoziieren gibt – es bleibt ein Kuriosum. Und obwohl die Zeitehe zumindest eine Art Notlösung für die fehlende sexuelle Freiheit ist, stellt sie eine Farce dar, die zwar einerseits die sexuelle Zwangsmoral entlarvt, diese andererseits aber erst recht stabilisiert.



Sonntag, 6. Januar 2013
Einmal im Jahr
Einmal im Jahr treffe ich mich mit drei alten Freunden. Zwei davon sind eine frühere Mitschülerin, bzw. ein Mitschüler und die dritte Freundin kenne ich auch schon seit meinem fünfzehnten Lebensjahr.

Es war ein bisschen wie Weihnachtsbescherung, denn ohne uns verabredet zu haben, hatte jeder ein kleines Geschenk für die anderen mitgebracht. Ich habe von S. eine aus einer afrikanischen Kokosnuss geschnitzte kleine wunderschöne Schale bekommen. S. ist seit zwei Jahren nach Afrika ausgewandert und kommt einmal im Jahr zu Besuch nach Deutschland. Schon früher war S. jemand, die so viel wie möglich selbst gemacht hat und so ist auch die Kokosnuss eine Eigenkreation. Schon früher war S. jemand, die man sich nur schwer in einer Stadtwohnung vorstellen kann und jetzt wohnt sie mit ihrem Mann in Ghana in einem kleinen Dorf. Natürlich geht das nicht ohne Heimweh und gerade deswegen bewundere ich diesen Schritt so. Irgendwie war für uns früher Auswandern immer mal wieder ein Thema, aber gemacht hat es letztendlich nur einer von uns.

Von M. habe ich ein spezielles Duftöl bekommen. M. beschäftigt sich mit Düften und ihren Wirkungen. Auch wenn ich nicht unbedingt den Zugang habe zu diesem Bereich, so gefällt mir der Duft sehr gut. Und ich war ein wenig gerührt, als M. mir erzählte, was sie sich bei der Auswahl des Dufts gedacht hat, denn sie hat von unserem letzten Gespräch vor einem Jahr genau behalten, in welcher Situation ich mich befinde. Während ich mich schon daran gewöhnt habe, dass von Menschen, mit denen ich tagtäglich zu tun habe/hatte, die absurdesten Fehleinschätzungen gemacht werden, trifft M. mit ihrer Einschätzung trotz der langen Zeit, die wir keinen Kontakt hatten, genau ins Schwarze. M. fährt schon seit vielen Jahren Taxi, hat aber seit einigen Jahren wieder angefangen, zusätzlich wieder in ihrem erlernten Beruf als Goldschmiedin zu arbeiten. Schon in der Schule hat M. mit voller Begeisterung am Kunstunterricht teilgenommen.

Von meinem Mitschüler Mi. habe ich zwei Bücher bekommen, deren Auswahl auch genau ins Schwarze getroffen hat. So gut, dass ich eines (Franz Jalics) schon besitze. Das andere von Viktor Frankl und Pinchas Lapide lese ich gerade mit Feuereifer, denn es geht genau um „mein“ Thema. Ich bin sowieso ein großer Viktor Frankl Fan und wundere mich eigentlich, dass ich nicht schon viel früher auf seine Bücher gestoßen bin. Mi. hat gerade zwei schwere Wochen hinter sich, denn sein Sohn wurde in der Sylvesternacht völlig grundlos so schwer zusammengeschlagen, dass er auf die Intensivstation kam. Glücklicherweise geht es dem Sohn inzwischen besser und es werden keine Folgeschäden bleiben. Während mich so eine Gewalttat unbändig wütend macht, erträgt Mi. es mit bewundernswerter Ruhe.

Irgendwie sind die Kontakte ein wenig auf das Klassentreffen vor drei Jahren zurückzuführen. Ein Schritt in die Vergangenheit muss nicht immer ein Schritt zurück sein, auch wenn dies paradox klingt. Aber man kann sich manchmal so weit weg von dem entwickeln, was man eigentlich für sein Leben geplant hatte, dass das Auffrischen von Erinnerungen wieder die Augen dafür öffnet, wie wenig die eingeschlagene Richtung noch stimmig ist. Meine Freunde sind zwar der Meinung, dass Sozialarbeit genau das ist, was zu mir passt, aber das ist vielleicht genau der Punkt, denn ich befinde mich ja schon lange nicht mehr unter Sozialarbeitern. Man landet manchmal genau dort, wo man überhaupt nicht hin wollte und auch überhaupt nicht hin passt.

In der Literatur und in Filmen werden Ausflüge in die Vergangenheit meist als deprimierend oder zumindest ernüchternd dargestellt. Ein Stereotyp der zwei Pole des Stehenbleibens und der Weiterentwicklung. Aber das kann eben auch genau umgekehrt sein.

Darüber sollte man eigentlich mal ein Buch schreiben…