Mittwoch, 12. Januar 2011
Besser kann man es nicht sagen...



Montag, 10. Januar 2011
Die Anwälte – hätte Hegel eigentlich Gewalt befürwortet?
Vorgestern habe ich mir auf ARTE (wo sonst?) die Dokumentation „Die Anwälte“ angesehen. Es ging wieder um mein Dauerthema - um Wendehälse. Diesmal allerdings nicht auf die lustige Tour, sondern todernst. Es wurden die Lebensläufe von Otto Schily, Horst Mahler und Hans-Christian Ströbele gezeigt. Horst Mahler war in den Sechzigern RAF-Mitglied, Otto Schily und Hans-Christian Ströbele vertraten RAF-Mitglieder.

Otto Schily wurde 1980 Mitglied der Grünen, wechselte neun Jahre später zur SPD und war von 1998 bis 2005 Innenminister.

Hans-Christian Ströbele war von 1970 – 1975 Mitglied der SPD, 1978 Mitglied der Alternativen Liste, 1985 Mitglied des deutschen Bundestags, was er – mit Unterbrechung – auch heute noch ist.

Horst Mahler war 1956 Mitglied der SPD, wo er jedoch 1960 ausgeschlossen wurde. Nachdem er in den Sechzigern einige APO-Mitglieder anwaltlich vertrat, gehörte er 1970 zu den Gründungsmitgliedern der RAF, verbüßte von 1970 bis 1980 eine Haftstrafe und war danach wieder als Anwalt tätig. Im Jahr 2000 trat er in die NPD ein, aus der er jedoch 2003 wieder austrat. Seit 2009 verbüßt er eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung.

Drei Lebensläufe, die zugleich auch Spiegel politischer Entwicklung sind. Hans-Christian Ströbele ist sich am ehesten in seiner Haltung treu geblieben und steht in seiner Partei für die radikale Linie, die sich mit Kompromissen immer noch schwertut. Im Amt eines Ministers wäre er daher kaum vorstellbar.

Schily hat einen Wandel vom Kritiker der Staatsmacht hin zum Vertreter derselben vollzogen. Und darauf angesprochen, hat Schily eine interessante Antwort gegeben: „Ich habe nicht den Eindruck, dass es in meiner Entwicklung einen Widerspruch darstellt, dass ich von links nach rechts gegangen bin. Ich habe damals als Vertreter der RAF-Mitglieder auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit hingewiesen, genauso wie ich dies später als Innenminister tat. Ein Idiot ist, wer sich nicht ändert“. Schily vertritt dies so wortgewandt und souverän, dass immer die Versuchung besteht, ihm mangels Gegenargumenten zuzustimmen.

Aber kann man sich das wirklich so einfach machen? Ist da nicht irgendetwas zu aalglatt? Ist an dieser scheinbare Harmonie zwischen zwei völlig konträren Standpunkten nicht doch etwas faul?

Was mir persönlich fehlt in der Reflexion derer, die ihre Standpunkte radikal geändert haben, ist der einfache Satz: „Es war falsch“. Jeder Mensch hat nicht nur das Recht, sich zu ändern, sondern Veränderung sollte auch immer ein Ziel sein. Aber bei unreflektiertem Wandel von einer extremen Position zur anderen vergibt man die Chance auf einen Lernprozess. Nicht nur auf der persönlichen Ebene, sondern auch auf der gesellschaftlichen. Dies erinnert an die massive Verdrängung, die nach dem Kriegsende herrschte, als alle die Gräuel der Nazizeit einfach nur möglichst schnell vergessen wollten.

Wenn man sich die Wende im Leben von Horst Mahler ansieht, hat man den Eindruck, dass es sich eigentlich gar nicht um eine Wende handelt, denn er vertrat schon immer den Standpunkt des Rechts auf Gewaltanwendung. Das einzige, was in seinen Lebenslauf seltsam unpassend anmutet, ist die Tatsache, dass er aus unerklärlichen Gründen den Beruf des Anwalts ergriffen hat, obwohl der Glaube an Recht und Rechtsstaatlichkeit bei ihm zu keinem Zeitpunkt wirklich vorhanden war.

Auch Horst Mahler hat einen sehr interessanten Satz geäußert: „Ein Widerspruch bedeutete früher für mich der Nachweis dafür, dass etwas falsch war. Heute weiß ich es besser: der Widerspruch beweißt, dass etwas richtig ist“.

So sehr ich auch über diesen Satz nachdenke – seine Sinnhaftigkeit erschließt sich mir nicht. Horst Mahler hat diesen Satz beim Lesen von Hegels Gesamtwerken entdeckt und beschreibt ihn als eine wichtige Erkenntnis. Übertragen auf das Leben von Horst Mahler hieße die Deutung des Satzes: der Widerspruch, den die Gewalttaten der RAF in Bezug auf deren eigentlichen Ziele darstellte, ist nicht das Zeichen dafür, dass die Gewalt falsch war, sondern im Gegenteil das Zeichen dafür, dass sie richtig war. Und als Konsequenz dieser Erkenntnis ergibt sich die Mitgliedschaft in der NPD, deren Zielsetzung auch Gewalt beinhaltet.

Ist dies wirklich das, was die Hegelsche Dialektik aussagen wollte? Ist die Aussage, dass Entwicklung immer von Widersprüchen begleitet ist, tatsächlich auch eine Befürwortung des Widerspruchs an sich? Bedeutet es nicht vielmehr, auch beim Widerspruch nicht stehenzubleiben, sondern Neues zu schaffen?

Ich kenne Hegel nicht genug, um dies wirklich beurteilen zu können. Dennoch bin ich mir sicher, Hegel die Entwicklung der Dialektik nicht als Freibrief zur Gewalt und Menschenverachtung angesehen hat.

In der Retrospektive ist die gesellschaftliche Entwicklung immer auch – aber meines Erachtens auf keinen Fall ausschließlich – aus der Überwindung von Widersprüchen erklärbar. „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ so wie Heraklit es formulierte. Daraus den Schluss zu ziehen, Krieg wäre ein legitimes Mittel der Weiterentwicklung, ist jedoch absurd, weil gleichbedeutend mit der Negation der Gegenwart um eines in der Ferne liegenden Ziels wegen. Und man sollte sich davor hüten, eine philosophische Betrachtungsweise zur Handlungsanweisung umzufunktionieren. Und dabei vielleicht auch bedenken, dass philosophische Gedanken immer nur Teile der Realität erfassen. Der taoistische Grundsatz „Der Weg ist das Ziel“ hat keinen großen gedanklichen Überbau, aber taugt dafür sehr viel besser als ethischer Leitfaden.

Wenn ich ein Resümee aus dem Film ziehe, dann lautet dies, dass weder philosophische noch politische oder soziologische Theorien Einfluss darauf haben, ob eine Sache tatsächlich der Menschheit dienlich ist. Es sind nette und manchmal auch interessante Gedankenspiele – mehr aber auch nicht.



Sonntag, 2. Januar 2011
Persönliche Highlights und Flops des Jahres 2010
Die Enttäuschung des Jahres 2010:
Die Einreiseverweigerung im Flughafen von Burma.

Das Ereignis des Jahres 2010:
Das nach 35 Jahren erstmals veranstaltete Klassentreffen. Lange nicht mehr so wohl gefühlt wie an jenem Abend.

Die Peinlichkeit des Jahres 2010:
Die von einem Kollegen angekündigte Unterlassungsklage.

Die materielle Neuanschaffung des Jahres 2010:
Das erste eigene Auto.

Der Held des Jahres 2010:
Ein Kollege, der unserem Alphamännchen
ein Nein erteilt hat.

Das Beeindruckendste des Jahres 2010:
Ein Flug über Borneos Regenwald und Küsten in einer winzigen Propellermaschine als einzige Passagiere, mit Sitzplätzen direkt am Cockpit.

Der Hoffnungsschimmer des Jahres 2010:
Es gibt auch noch andere Betreuer, für die Betrug im Betreuungswesen kein Kavaliersdelikt darstellt.

Der Schreck des Jahres 2010:
Eine Giftschlange im Bastsonnenschirm.

Die Lachnummer des Jahres 2010:
Die Schreibdame eines Kollegen, die auf die Bitte um eine Kopie mit einem hochempörten und wahrlich kabarettreifen Vortrag zum Thema „Das ist nicht mein Arbeitsauftrag“ reagierte. Solange es sonst nichts gibt, worüber man sich empören kann...

Endlich geschafft im Jahr 2010:
Die letzte BAföG-Rate getilgt.

Die gute Entscheidung des Jahres 2010:
Kontakt zu alten Freunden wieder aufleben lassen.

Der Misserfolg des Jahres 2010:
Die Abweisung einer Beschwerde beim Landgericht dagegen, dass eine Betreute meine Vergütung aus eigener Tasche zahlen muss.

Das Revival des Jahres 2010:
Das Classic Rock Festival im August. Gutes ist nicht totzukriegen...

Das Gourmet-Ereignis des Jahres 2010:
Das nächtliche Seafood-Dinner im Fackelschein direkt am Sandstrand von Perhentian.

Das Versäumnis des Jahres 2010
Wieder viel zu wenig Sport gemacht und nicht gefastet.

Das persönliche Unwort des Jahres 2010:
Unterlassungsklage.

Zur Erklärung: wenn es etwas zu beklagen gibt, dann sind es die Aussagen an sich und nicht deren Zitat.



Vom Geben und Nehmen - Emerenz Meier (1874-1928)
Geld
Ich wünsche denen, die ich liebe, Geld
Vor allen andern Gütern dieser Welt.
Denn wer keins hat, dem bleiben auch die andern
Stets fern, und mag er sich zu Tode wandern.
Es hält dir Freunde und Geliebte treu
Und macht dich schaffensfroh und wahr und frei.
Der Schlüssel ist's, ins Leben einzudringen,
Das Seil, sich dran emporzuschwingen.

Die Armut ist ein bodenloser Sumpf,
Wer drein versenkt, er müht sich, bis er stumpf
Ein Wurm nur mehr, kriecht seinen schmalen Steg,
Und kaum ein Schaf springt über ihn hinweg,
Das ihm nicht blökend zu verspüren gäbe,
Welch eine Kraft in seinen Beinen lebe.

Da sagen sie mit tugendspitzem Mund,
Der Reichtum mache niemand glücklich und
Was Gold ist, wird den Weg zur Münze finden. -
Sie mögen doch erst selbst als Wurm sich winden
Und unter Tritten um Erlösung beten,
Bis man wie mich sie vollends totgetreten!


Gestern habe ich eine „Fernsehnacht“ gemacht. Es gab auf BR die Filme „Wildfeuer“ und „Schiefweg“ von Jo Baier. Während Wildfeuer sich nur vage an das tatsächliche Leben von Emerenz Meier hält, ist der Film „Schiefweg“ ein sehr detailgetreuer und von Laien gespielter Film über die Kindheit von Emerenz Meier.

Einige Zeilen aus dem Gedicht „Geld“ wurden von Emerenz Meier schon im Alter von zehn Jahren geschrieben. Und wenn man sich vor Augen hält, wie entbehrungsreich und unmenschlich hart damals das Leben von Kleinbauern und Tagelöhnern war, dann bekommt das Gedicht eine bittere Realität.

Ungerechtigkeit habe ich schon immer als einen körperlichen Schmerz empfunden“ schreibt Emerenz Meier und deswegen widme ich ihr einen Beitrag. Ich habe tiefen Respekt vor Menschen, die Ungerechtigkeit nicht einfach übersehen.

Emerenz Meier wanderte übrigens als Erwachsene mit ihren Eltern nach Amerika aus, wo sich der Wunsch nach einem besseren Leben aber nicht erfüllte, sondern sie immer noch sehr hart um ihre Existenz kämpfen musste. Obwohl sie selbst kaum Geld hatte, schickte sie Pakete in ihre Heimat.

Und das ist etwas, was ich immer wieder feststelle: Menschen, die selbst kaum etwas besitzen, geben ab. Menschen, die mehr als genug haben, horten immer mehr und haben noch nicht einmal Skrupel, sich an denen zu bereichern, die selbst viel weniger haben.