Sonntag, 2. Januar 2011
Persönliche Highlights und Flops des Jahres 2010
Die Enttäuschung des Jahres 2010:
Die Einreiseverweigerung im Flughafen von Burma.

Das Ereignis des Jahres 2010:
Das nach 35 Jahren erstmals veranstaltete Klassentreffen. Lange nicht mehr so wohl gefühlt wie an jenem Abend.

Die Peinlichkeit des Jahres 2010:
Die von einem Kollegen angekündigte Unterlassungsklage.

Die materielle Neuanschaffung des Jahres 2010:
Das erste eigene Auto.

Der Held des Jahres 2010:
Ein Kollege, der unserem Alphamännchen
ein Nein erteilt hat.

Das Beeindruckendste des Jahres 2010:
Ein Flug über Borneos Regenwald und Küsten in einer winzigen Propellermaschine als einzige Passagiere, mit Sitzplätzen direkt am Cockpit.

Der Hoffnungsschimmer des Jahres 2010:
Es gibt auch noch andere Betreuer, für die Betrug im Betreuungswesen kein Kavaliersdelikt darstellt.

Der Schreck des Jahres 2010:
Eine Giftschlange im Bastsonnenschirm.

Die Lachnummer des Jahres 2010:
Die Schreibdame eines Kollegen, die auf die Bitte um eine Kopie mit einem hochempörten und wahrlich kabarettreifen Vortrag zum Thema „Das ist nicht mein Arbeitsauftrag“ reagierte. Solange es sonst nichts gibt, worüber man sich empören kann...

Endlich geschafft im Jahr 2010:
Die letzte BAföG-Rate getilgt.

Die gute Entscheidung des Jahres 2010:
Kontakt zu alten Freunden wieder aufleben lassen.

Der Misserfolg des Jahres 2010:
Die Abweisung einer Beschwerde beim Landgericht dagegen, dass eine Betreute meine Vergütung aus eigener Tasche zahlen muss.

Das Revival des Jahres 2010:
Das Classic Rock Festival im August. Gutes ist nicht totzukriegen...

Das Gourmet-Ereignis des Jahres 2010:
Das nächtliche Seafood-Dinner im Fackelschein direkt am Sandstrand von Perhentian.

Das Versäumnis des Jahres 2010
Wieder viel zu wenig Sport gemacht und nicht gefastet.

Das persönliche Unwort des Jahres 2010:
Unterlassungsklage.

Zur Erklärung: wenn es etwas zu beklagen gibt, dann sind es die Aussagen an sich und nicht deren Zitat.



Vom Geben und Nehmen - Emerenz Meier (1874-1928)
Geld
Ich wünsche denen, die ich liebe, Geld
Vor allen andern Gütern dieser Welt.
Denn wer keins hat, dem bleiben auch die andern
Stets fern, und mag er sich zu Tode wandern.
Es hält dir Freunde und Geliebte treu
Und macht dich schaffensfroh und wahr und frei.
Der Schlüssel ist's, ins Leben einzudringen,
Das Seil, sich dran emporzuschwingen.

Die Armut ist ein bodenloser Sumpf,
Wer drein versenkt, er müht sich, bis er stumpf
Ein Wurm nur mehr, kriecht seinen schmalen Steg,
Und kaum ein Schaf springt über ihn hinweg,
Das ihm nicht blökend zu verspüren gäbe,
Welch eine Kraft in seinen Beinen lebe.

Da sagen sie mit tugendspitzem Mund,
Der Reichtum mache niemand glücklich und
Was Gold ist, wird den Weg zur Münze finden. -
Sie mögen doch erst selbst als Wurm sich winden
Und unter Tritten um Erlösung beten,
Bis man wie mich sie vollends totgetreten!


Gestern habe ich eine „Fernsehnacht“ gemacht. Es gab auf BR die Filme „Wildfeuer“ und „Schiefweg“ von Jo Baier. Während Wildfeuer sich nur vage an das tatsächliche Leben von Emerenz Meier hält, ist der Film „Schiefweg“ ein sehr detailgetreuer und von Laien gespielter Film über die Kindheit von Emerenz Meier.

Einige Zeilen aus dem Gedicht „Geld“ wurden von Emerenz Meier schon im Alter von zehn Jahren geschrieben. Und wenn man sich vor Augen hält, wie entbehrungsreich und unmenschlich hart damals das Leben von Kleinbauern und Tagelöhnern war, dann bekommt das Gedicht eine bittere Realität.

Ungerechtigkeit habe ich schon immer als einen körperlichen Schmerz empfunden“ schreibt Emerenz Meier und deswegen widme ich ihr einen Beitrag. Ich habe tiefen Respekt vor Menschen, die Ungerechtigkeit nicht einfach übersehen.

Emerenz Meier wanderte übrigens als Erwachsene mit ihren Eltern nach Amerika aus, wo sich der Wunsch nach einem besseren Leben aber nicht erfüllte, sondern sie immer noch sehr hart um ihre Existenz kämpfen musste. Obwohl sie selbst kaum Geld hatte, schickte sie Pakete in ihre Heimat.

Und das ist etwas, was ich immer wieder feststelle: Menschen, die selbst kaum etwas besitzen, geben ab. Menschen, die mehr als genug haben, horten immer mehr und haben noch nicht einmal Skrupel, sich an denen zu bereichern, die selbst viel weniger haben.



Donnerstag, 30. Dezember 2010
The roaring seventies – Bhagwan
Was für mich untrennbar mit den 70er Jahren verbunden ist, ist Bhagwan. Aufgefrischt wurden meine Erinnerungen jetzt durch ein Buch, das ich fast in einem Atemzug gelesen habe: „Bhagwan, Che und ich“ von Katharina Wulff-Bräutigam. Das Thema wird allerdings nicht von der Warte eines Erwachsenen beschrieben, sondern aus der Sicht eines Kindes bzw. einer Jugendlichen, denn die 1965 geborene Kartharia Wulff-Bräutigam ist ein Kind er 68er Generation und wurde durch ihre Mutter mit der Bhagwanbewegung konfrontiert.

Ende der 70er Jahre sah man plötzlich überall rotgekleidete Menschen mit einer Holzkette, an der das Foto eines alten Mannes hing. In Hamburg im Kaolinenviertel gab es einen Ashram und auch in meinem Bekanntenkreis gab es einige Sannyasins, so dass ich die Bewegung aus der Nähe mitbekam. Da ich schon immer ein Asienfan war, war ich grundsätzlich an der Bewegung interessiert, denn Bhagwan kam ja aus Indien.

Ziemlich schnell stieß mich dann aber an der Bewegung etwas ab. Hauptsächlich war es der Gleichschritt und die manchmal merkwürdige Veränderung, die mit den Sannyasins vor sich ging. Die ständige Entspanntheit hatte zeitweilig für mich schon wieder etwas Verkrampftes. Außerdem ähnelte sich das Vokabular der Sannyasins auf merkwürdige Weise. Ständig war von „Vibrations und Energie“ die Rede. Und es gab einen Spruch, der fast schon inflationär benutzt wurde „du, das ist dein Ding“. Das vorher in unserer Szene so wichtige Sozialverhalten galt plötzlich als antiquiert und wurde durch einen hemmungslosen Egotrip ersetzt. Mir fällt dazu eine Situation ein, in der eine Bekannte von mir einen Sannyasin darauf ansprach, dass er ihr schon seit langem Geld schuldete“. Der Sannyasin war offensichtlich sehr genervt über diese Störung und antwortete nur „Du, ich habe jetzt echt keinen Bock, mich damit zu befassen, das ist jetzt echt dein Ding“.

Ich habe auch ein paar Mal an einer Meditation teilgenommen und muss sagen, dass mir dies ausgesprochen gut gefallen hat. Dynamische Meditation oder Kundalini Meditation – beides tut sehr gut, wenn man angespannt ist. Die Workshops kenne ich nur vom Hörensagen oder aus den Programmbeschreibungen. Es ging immer um die direkte Konfrontation und um das Ausleben. Ich weiß nicht, ob es Ängstlichkeit oder aber einfach die sehr teuren Preise waren, die mich von den Workshops abgehalten haben.

Was mich an der Bhagwanbewegung so wunderte, was der bedingungslose Gehorsam und die völlig kritiklose Anbetung, die Bhagwan gezollt wurden. Menschen, denen noch kurze Zeit zuvor ihr kritisches Bewusstsein über alles ging, unterwarfen sich plötzlich den Ideen eines alten Mannes. Die Bücher, die Bhagwan geschrieben hat (zwei habe ich auch gelesen) sind zwar nicht schlecht – nur ist das Meiste eben nicht von Bhagwan selbst entwickelt worden, sondern ein Sammelsurium aus allen möglichen Richtungen. Urschrei nach Janov, Körpertherapie nach Lowen, Wilhelm Reichs Sexualtheorie, Fritz Perls Gestalttherapie aus dem Westen und Yoga, Meditation und Buddhismus aus dem Osten. Dazu noch ein bisschen Nietzsche, Hesse und Jesus – und die Mischung ist perfekt. Nicht, dass ich etwas gegen Universialgelehrte habe – im Gegenteil, ich bin von solchen Menschen sehr beeindruckt. Aber bei Bhagwan hatte das Ganze die Form eines bunt zusammengewürfelten amerikanischen Supermarktsystems angenommen. Als die Bhagwanbewegung dann im Jahr 1981 vom indischen Poona ins amerikanische Oregon wechselte, war dies auch nur konsequent.

Ich empfand es nie als etwas Verwerfliches, wenn Menschen, die die gleiche Gesinnung haben, sich irgendwo gemeinsam niederlassen und der übrigen Gesellschaft Adieu sagen. Auch dass es kein Privateigentum mehr gab, empfinde ich nicht als verwerflich. Warum dies Ganze dann aber in einer streng hierarchischen Struktur geschehen muss, in der niemand mehr an irgendetwas mitbestimmen darf und dafür gearbeitet wird, dass dreiundneunzig Rolls Royces in einem Carport vor sich hin rosten, das leuchtet mir – wie so vielen anderen – nicht ein.

Wie jeder weiß, kam es dann irgendwann auch wie es kommen musste, das Ganze brach zusammen und löste sich auf. Kurze Zeit später starb Bhagwan, die Managerin Sheela kam für einige Zeit ins Gefängnis und die rote Kleidung und die Mala verschwanden aus dem öffentlichen Bild.

Fast alle ehemaligen Sannyasins sagen, dass sie ihre Zeit in der Bewegung nicht bereuen, was für mich auch durchaus glaubhaft ist. Aber es ist merkwürdig, dass eine Bewegung, die zwar von jedem ihrer früheren Angehörenden als positiv und wichtig eingestuft und empfunden wird, trotzdem weitgehend spurlos verschwunden ist.

Kleine Anekdote am Rande: als ich Anfang der 90er meinen Freund kennenlernte und ihn zu seiner Meinung über Bhagwan fragte, kannte er ihn nicht. Ich führte dies auf unsere damaligen Verständigungsschwierigkeiten zurück und ging davon aus, dass man in Frankreich Bhagwan anscheinend anders nennen (oder aussprechen) würde. Mein Freund fragte dann sämtliche Freunde, ob sie einen berühmten Guru namens „Batman“ kennen würden, was natürlich jeder verwundert verneinte. Aber auch als dann irgendwann ein kompetenter Übersetzer zur Verfügung stand, änderte dies nichts daran, dass Bhagwan den französischen Freunden unbekannt war. Dies wunderte mich sehr, da sogar mein Vater – der Bhagwan natürlich völlig ablehnte – genau wusste, wer Bhagwan war.

Und irgendwie hat dies dazu geführt, dass ich mich der Vorstellung nicht erwehren kann, dass dieses Phänomen einer Massenbewegung auch etwas mit der deutschen Mentalität zu tun haben muss. Natürlich gab es in den Ashrams auch Franzosen, da dort nahezu alle Nationalitäten vertreten waren. Aber zahlenmäßig ist das kaum vergleichbar. Bei aller Phantasie – einen Franzosen kann ich mir nur schwer in Einheitskleidung und mit einem 16stündigen Arbeitstag vorstellen. Erst recht kann ich mir Franzosen, die ja so stolz auf den Sturz der Monarchie sind, nicht dabei vorstellen, wie sie in ordentlichen Reihen aufgestellt, dem im Rolls vorbeifahrenden Meister huldigen.

Vielleicht suchen wir Deutschen immer noch ein wenig nach einem Führer? Nach einer Struktur, in der alles geregelt ist und es ein Oben und ein Unten gibt? Nach dem Eintauchen in eine konforme Masse, in der man sich wohlig aufgehoben fühlt?

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Masseneuphorie selten von Dauer ist. Einer Masseneuphorie fehlt das Fundament und die wirkliche Substanz, um mehr als eine Mode zu sein.



Mittwoch, 22. Dezember 2010
Man hat im Leben die Wahl...
wofür man sein Geld ausgeben will: