Montag, 9. Januar 2012
Die Zeit wird zeigen...
Gerade läuft auf BR-Alpha die Tagesschau vor 25 Jahren, in der ein Ausschnitt aus den DDR-Nachrichten gezeigt wird. Es geht um die Reaktion auf den Vorwurf Kohls, es gäbe in der DDR Konzentrationslagern für politische Gefangene. Die DDR kontert entrüstet, dass es in der DDR keine Konzentrationslager, sondern nur Gefängnisse geben würde. In diesen befänden sich nur gewöhnliche kriminelle Straffällige und keine politischen Gefangenen. Abgesehen von Kohls erster polemischen Aussage, die Gefängnisse mit Konzentrationslagern gleichsetzt, hat sich seine zweite Aussage nach Öffnung der Mauer als durch und durch wahr erwiesen.

Mich macht dieses Lügen immer noch wütend – auch jetzt noch nach über zwanzig Jahren. Wütend, dass ein riesengroßes Unrecht einfach weggelogen wurde. Wütend über die unendlich vielen Diskussionen, in denen Ideologie gegenüber der Wahrheit immer den Kürzeren zog. Und vor allem wütend darüber, dass dieses Unrecht weder eingestanden geschweige denn gutgemacht wurde.

Und jetzt folgt auch noch eine kurze Meldung über die friedlichen Proteste chinesischer Studenten, die sich dagegen wehren, dass ihr Wunsch nach mehr Demokratie gleichgesetzt wird mit anarchistischer Zersetzung. Zwei Jahre später wurden die durch und durch friedliche Besetzung des Platzes des himmlischen Friedens in unvergleichlicher Brutalität grausam niedergeschlagen. Auch das macht mich unsagbar wütend. Mir fällt dabei der Kommentar Margot Honeckers ein, die dem chinesischen Regime vollste Berechtigung für ihr Gemetzel aussprach.

Merkwürdigerweise machen längst vergangene Nachrichten wütender als aktuelle. Denn inzwischen hat sich vieles, was damals nur vermutet wurde, als real herausgestellt. Die Zeit hat den glasklaren Beweis dafür erbracht, dass etwas zu Unrecht geschehen ist. Ändern tut sich deswegen aber noch lange nichts.



Mittwoch, 31. August 2011
Eine These, die zum Nachdenken anregt
“Überhaupt ist zu beobachten, daß die verführerische westliche Lebensart mit ihrem gepflegten Hedonismus und materialistisch praktizierten Atheismus bei den Kindern muslimischer Einwanderer innerhalb weniger Jahre schafft, was christlichen Missionaren über Jahrzehnte nicht gelungen war: junge Muslime ihrer Religion zu entfremden und ihnen diese als Fortschritthemmnis erscheinen zu lassen."
Murat Wilfried Hofmann aus „Der Islam als Alternative“

Bin gestern beim Stöbern in Wikiquote auf diesen Satz gestoßen, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Der Satz ähnelt einem Gedanken, den ich auch schon in Bezug auf Situation der Tibeter hatte. Solange die Chinesen versucht haben, den Tibetern ihre Religion mit Gewalt zu nehmen, hat dies das genaue Gegenteil bewirkt und die Tibeter haben an ihrer Religion noch viel überzeugter festgehalten. Seit einigen Jahren gibt es aber eine andere Strategie, denn es wird einfach ein Stück westliche Welt in Tibet angesiedelt, die wahrscheinlich ihre Wirkung auf die Jugendlichen nicht verfehlt. Westliche Pop- und Rockmusik und Jeans scheinen etwas Magisches an sich zu haben. Etwas, was alles Traditionelle hoffnungslos überflüssig und lächerlich wirken lässt. Wer will schon in der Schaffelljacke herumlaufen, wenn die anderen Jeansjacken von Lee oder Lewis tragen? Wer will schon den monotonen Hirtenliedern lauschen, wenn nebenan Rap oder Hip-Hop gespielt wird?

Gestern und heute wurden die Sendungen „Die wilden Siebziger“ wiederholt, die ich mir natürlich angesehen habe. Daniel Cohn-Bendit kommentierte die Demonstrationen anlässlich des Vietnamkriegs mit der Bemerkung, dass diese eine Wende darstellten im Verhältnis zu Amerika, denn es war das erste Mal, dass die Übermacht und die Überlegenheit Amerikas angezweifelt wurde. Plötzlich wurde der Freund, der den hungernden Nachkriegsdeutschen Carepakete geschickt hatte zum Feind, der sich überall mit einem Herrschaftsanspruch breitmacht.

Diese beiden Positionen geben ein merkwürdiges Kontrastprogramm ab. Auf der einen Seite macht sich die amerikanische Lebensart mit ihren Shoppingcentern, Fernsehserien und ihrer allgegenwärtigen Lust am Oberflächlichen bis in die letzten Winkel der Erde breit. Auf der anderen Seite gab es durchaus auch mal eine Epoche, in der ein heftiger Überdruss gegen den amerikanischen Vormachtsanspruch bestand. Anscheinend ist der aber irgendwie versandet. In den islamischen Ländern ist dieser Überdruss jetzt plötzlich wieder aufgetaucht.

Zurück zu Murat Wilfried Hofmann. Auch wenn man mit seinem Bekenntnis zum Islam nicht übereinstimmt, so kann man dennoch nicht abstreiten, dass seine These zutrifft. Eine Religion mit einer anderen Religion zu bekämpfen – der Ausdruck „bekämpfen“ drückt schon aus, worum es geht – ist in der Tat nur bedingt erfolgreich. Die westliche Lebensart jedoch hat einen ungetrübten Siegeszug angetreten. Ich habe nun schon so einige Länder bereist und es war kein einziges Land dabei, das frei von amerikanischem Einfluss war. Überall MC-Donalds und Coca Cola. Überall Westfernsehen und westliche Kleidung. Manchmal durchaus in friedlichen Nebeneinander mit den jeweils landesüblichen Pendants. Auf Bali beispielsweise tragen die Jugendlichen sowohl Jeans als auch den traditionellen Sarong und gehen sowohl in die Disco als auch in den Tempel. Trinken Coca Cola genauso gern wie Kokosnussmilch. Aber es gibt eben keine Jugendlichen, die gänzlich ohne die Westversion auskommen.

Was ist es nur, dass diese Lebensart so erfolgreich macht?



Sonntag, 24. Juli 2011
Würde sich Auschwitz wirklich nicht wiederholen?
Als ich mir bei YouTube Videos zum Thema Drittes Reich ansah, habe ich einen Blick auf die dortigen Kommentare geworfen:

Also ich hätt nur hässlige juden umgebracht ,die schönen hätten bei mir pornofilme drehen müssen! bienenpabst
(YouTube: Dr. Mengele 1)

I have studied medicine and always looked up to, Josef Mengele. May you rest in Peace and I hope that I will become as good and brilliant as you were. We will never forget you...love from France and Dortmund Medical Institute^^ Sieg Heil Fight4FranceSupport
(YouTube Dr. Mengele 1)

@APW84nö ich nich, du nich und deine nachbarn auch nich ;)...ohne WW2 keine technische evulotion, also ich bin froh was wir konsumieren können...wir würden noch im mittelalter leben...und ohne genozid würden wir nich so hüpsche menschen sein, wegen der auslese haben wir gute gehne, kuck dir doch mal an wie hässlich die alle waren.......ADDICTED2VANDALISM
(YouTube: Ausschwitz 1/6 Bilder aus der Hölle)

diesses gjude geht mir auf den sack.blödes geschwätz MegaWehrmacht
(YouTube: Todesfuge – Paul Celan)

doktor mengele konnte jedem abnehmwilligen helfen!bienenpabst
(YouTube: Dr: Josef Mengele-der Todesengel von Ausschwitz)

Der Holocaust ist ein jüdische Lüge! Er stützt sich nur auf irgendwelche Zeuegnaussagen die gegen die Gesetze der Physik und Chemie verstoßen! Also reine Fantasieaussagen!
Es gibt KEINE materiellen Beweise für den Holocaust! Diese Holocaust Experten wie z.B. der jüdische Raul Hilberg können bis heute keine Beweise vorbringen. Wie z.B. ein Dokument etc.
DerVolksFunk
(YouTube :Das Tagebuch der Anne Frank 2/2 Doku)

Warum haben sie den nicht freigelassen?!!
Er wollte den Frieden bringen! ...Und dafür wurde er eingesperrt und ermordet "Selbstmord"... wers glaubt!
Er mußte sterben um die Wahrheit zu vertuschen...! So einfach ist das...
Soviel zum Thema Demokratie! Lebenslang = 25 Jahre...

kruegi001
(YouTube: Hitlers Helfer – Rudolf Hess: der Stellvertreter 6/6)

der "irrglaube" gab ihm kraft erhielt ihn am leben und war urheber für all seine taten. wenn das keine kraft ist die wir in heutigen zeiten bräuchten dann weiß ich auch nicht ahoi87
(YouTube: Hitlers Helfer – Rudolf Hess: der Stellvertreter 6/6)

ich bin weiß gott kein gewalttätiger mensch und will auch niemanden und nicht kaputt sehen auf dieser erde .es ist nur absolut falsch dem deutschen volk diesen massenmord vorzuwerfen der einfach erstunken und erlogen ist . die geschichtsverdrehung ist in einer unglaublichen weise von statten gegangen das es wiederlich ist nur zuzusehn . warum sieht das niemand ? wegen der starken medienpresents des themas . heute mehr als denn je ! lügen über lügen !
such selbst bevor du sowas sagst !
WeThePeople082
(YouTube: Hitlers Helfer – Roland Freisler: Der Hinrichter (5/6))



Montag, 9. Mai 2011
Arabischer Stolz – westlicher Atheismus
Ich war ein bisschen überrascht, dass die gerade angesehene Diskussion bei Anne Will über die Tötung Bin Ladens nicht ganz so platt lief, wie die meisten der bisherigen Diskussionen (auch hier in den Blogs).

Vom völkerrechtlichen Standpunkt aus gibt es keine Zwischenpositionen, sondern nur ein ganz klares Nein, denn es handelte sich nicht um zwei Völker, die sich im Kriegszustand befinden. Vom pragmatischen Standpunkt aus, der verhindern will, dass sofort mit Vergeltungsanschlägen gedroht werden würde, wenn man Bin Laden nicht freilässt, ist das Vorgehen wiederum verständlich.

Das eigentlich Problematische ist, dass gegen Terrorismus mit genau den Mitteln vorgegangen wird, die man vorgibt, bekämpfen zu wollen. Da wird es dann unlogisch und in letzter Konsequenz nicht mehr nachvollziehbar. Man will die Werte der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie verteidigen, indem man vermeintliche Feinde wider jegliche rechtsstaatlichen Prinzipien einfach liquidiert.

Herta Däubler-Gmelin sagte, sie hätte Bin Laden gern vor Gericht gesehen und sie wies auf den Eichmann-Prozess hin. Meiner Meinung gibt es allerdings erhebliche Unterschiede zwischen Eichmann und Bin Laden. Das Dritte Reich gab es nicht mehr, als Eichmann in Israel vor Gericht gestellt wurde. Man zog einen Mittäter eines bereits vergangenen Systems, von dem keine unmittelbare Bedrohung mehr ausging, zur Rechenschaft. Al Kaida ist nach wie vor aktiv und stellt Gegenwart dar.

Was allerdings wiederum vergleichbar ist, ist die Tatsache der offenen Auseinandersetzung. Der Eichmann-Prozess stellt für mich ein Lehrstück über den autoritätsgläubigen Charakter dar. Man ist in den Dialog getreten mit jemandem, der Teil eines Massenmordes war. In eben diesen Dialog ist man mit Bin Laden nicht getreten. Und genau wie Herta Däubler-Gmelin empfinde ich dies als ein Versäumnis.

Interessant war der Hinweis des Bruders einer beim Anschlag vom 11/09 ums Leben gekommenen Frau auf die völlige Ignoranz der Ursachen des Terrorismus. Seiner Meinung nach eine Folge der Verteilungsungerechtigkeit. Ich stimme da zwar nicht völlig zu, denn sowohl Bin Laden als auch die Attentäter vom 11/09 entstammten wohlhabenden und gebildeten Familien. Was allerdings die Masse der Mobilisierten betrifft, so muss man zustimmen, denn die große Mehrheit der Sympathisanten gehört der armen und bildungsschwachen Schicht an.

Was mir am meisten gefiel war der Ansicht Richard David-Prechts, der anzweifelte, dass man durch Kriegsbeteiligung in arabischen Ländern etwas für deren Demokratisierung tun würde. Und dann kam der Satz, den ich zehnmal unterstreichen könnte: „Arabische Länder verfügen über einen ungeheuren Stolz, der dadurch erheblich verletzt wird, dass die reichen Industrienationen ihnen vorschreiben wollen, wie sie zu leben hätten“. Genau darum geht es meiner Meinung nach. Dem Westen geht es - zumindest materieller Hinsicht – sehr viel besser. Die reichen Araber lassen ihre Söhne in westlichen Staaten studieren, lassen ihre Krankheiten in den Kliniken westlicher Staaten behandeln und kaufen Qualitätserzeugnisse aus dem Westen. Das versetzt dem Stolz auf die eigene Kultur einen empfindlichen Schlag. Für den der Westen aber erstmal nicht verantwortlich ist, denn niemand zwingt arabische Staaten zur Teilhabe an westlicher Kultur.

Es ist dieser ausgeprägte Stolz der arabischen Länder, der der Grund für die Auflehnung gegen die Vormachtstellung der westlichen Kultur ist. Und dabei verhalten sich die arabischen Länder bemerkenswert inkonsequent, denn einerseits gehen sie genauso wie wir der westlichen Philosophie des Materialismus auf den Leim und andererseits wollen sie ihre Identität behalten.

Die arabische Kultur ist eine Kultur, in der Religion immer noch ein wichtiger Teil der Gesellschaftsordnung ist. In der westlichen Welt hingegen spielt Religion kaum noch eine Rolle. Und nicht nur das, Religion wird von unserer westlichen Kultur mittlerweile als etwas so Rückständiges und Ungebildetes angesehen, dass die meisten sie so schnell wie möglich abgeschaffen möchten. Mit anderen Worten – Staaten, die nicht so säkular wie wir sind, müssen unserer Ideologie zufolge rückständig und ungebildet sein. Für die arabischen Staaten ist dies ein Affront. Trotzdem lassen sie sich von unserer schönen bunten Warenwelt beeindrucken. Das kann nicht funktionieren. Und endet in den Anschlägen des 11/09.

World Trade Center – das Welthandelszentrum. Der Ort, an dem bestimmt wird, was wo gekauft und verkauft wird. Der Ort, an dem sich Macht und Geld konzentriert hatte. Mir tut es um jedes einzelne der Opfer leid. Aber wären bei dem Anschlag keine Menschen ums Leben gekommen – mir hätte es nicht leid getan.

Und jetzt wieder zurück zur Frage, ob Amerika Bin Laden töten durfte oder nicht. Hätte es meiner Meinung nach nicht. Aber mein Mitleid hält sich in Grenzen. Und ich empfinde es als völlig fehl am Platz, jetzt darüber Diskussionen anzuzetteln, ob man sich über Bin Ladens Tod freuen dürfe oder nicht. Man sollte stattdessen mal das tun, was der Bruder eines Opfers vorschlägt: Sich Gedanken über die Verteilungsgerechtigkeit machen. Und darüber hinaus sollte man sich auch mal Gedanken darüber machen, ob der Erhalt und die Steigerung unserer schönen bunten Warenwelt tatsächlich das Optimum einer Kultur darstellt. Und Gedanken darüber, ob tatsächlich jeder Gläubige ein zurückgebliebener Idiot ist.

Und als Hausaufgabe für die arabischen Länder: sich endlich mal Gedanken darüber machen, ob Menschenrechte nicht genauso eine Berechtigung wie Religion haben. Und Gedanken darüber, ob Gleichberechtigung, Demokratie und Freiheit tatsächlich Teufelswerk sind.



Mittwoch, 13. April 2011
Die Lust am Verdrängen
„Sei froh, dass du das nicht mitgemacht hast“ ist die Antwort, die in Kirsten Boies Buch ”Ringel Rangel Rosen” all den Kindern gegeben wird, die danach fragen, was im Krieg passiert ist. Es scheint ein allgemeines Übereinkommen aller Erwachsenen darin zu bestehen, dieses Kapitel mit einem Erwähnungsverbot zu belegen. Traumen verarbeitet man nicht, sondern verdrängt sie. Und es gab ja auch eine neue Beschäftigung, der man sich mit viel Begeisterung widmete – Fernsehen. Zuerst noch in nachbarschaftlicher Gemeinschaft, denn anfangs konnten sich nicht alle einen Fernseher leisten. Auf diese Weise wurden Fernsehsendungen zu Gemeinschaftserlebnissen und später zu kollektiven Kindheitserinnerungen. „Familie Hesselbach“, „Bonanza“, „Am Fuß der blauen Berge“ und „Zum blauen Bock“. Endlich mal keine Politik. Endlich mal wieder Spaß haben. Und das Wirtschaftswunder mit seinen scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten hat sein Übriges dazu beigetragen.

Um Traumen zu verarbeiten, braucht man Abstand. Abscheuliches und Furchtbares braucht seine Zeit, um überhaupt in Worte gefasst zu werden. Die eigene Position kann oftmals erst aus der Ferne richtig erkannt werden. Wer mitten im Geschehen steckt, verfügt nicht über die notwendige Distanz, um zu erkennen, was überhaupt geschieht. Erst wenn einige Zeit verstrichen ist, kann das beginnen, was man als Trauerarbeit bezeichnet. Die kam allerdings nie. Dazu ließ das Fernsehen den Menschen auch nicht genug Zeit. Und die Möglichkeit des Geldverdienens mit seinem Häuslebauen, Ratenzahlungskäufen und Supermärkten nahmen die Menschen dann vollends in Beschlag. Materialismus lässt weder Platz für Gefühle noch zum Nachdenken.

Eigentlich kann man die Nachkriegszeit als „fröhliche Verdrängung“ bezeichnen. Für diejenigen, die in diesem Klima heranwuchsen, war der Krieg etwas, von dem man zwar irgendwie wusste, aber irgendwie auch nicht mehr. Das seltsame Redeverbot wurde niemals hinterfragt.

Verdrängung ist immer das Verschenken einer Chance. Wer verdrängt, macht Weiterentwicklung unmöglich. Verdrängen ermöglicht es, dass sich Tragödien wiederholen. Warum verdrängt man trotzdem? Weil Aufarbeiten anstrengend und mühevoll sein kann. Und Fernsehen und Einkaufen mehr Spaß machen.



Dienstag, 22. Februar 2011
Mir kam heute der Gedanke, was wohl passieren würde, wenn sich jemand meine Diplomarbeit vorknöpfen würde, um systematisch nach nicht vorhandenen Fußnoten zu fahnden. Ich habe zwar Feinde, aber Gott-sei-Dank bin ich nicht wichtig genug, damit dies jemand für sinnvoll und notwendig halten könnte. Ich bin zwar der Meinung, meine Diplomarbeit den Vorschriften entsprechend verfasst zu haben – immerhin wurde sie veröffentlicht – aber ich könnte auf keinen Fall dafür garantieren, dass ich nicht irgendwo vielleicht doch vergessen habe, die ein- oder andere Quellenangabe ordnungsgemäß aufzuführen.

Die Politik eines Menschen abzulehnen und meinetwegen auch den überflüssigen Personenkult und den damit verbundenen Medienrummel, ist die eine Sache. Einen großangelegten Aufruf zu verfassen, um die Dissertation desjenigen auseinanderzunehmen eine andere.

„Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EG“. Eckpunkte und Grundlagen der jeweiligen Verfassungsgeschichte und Darlegung des US-amerikanischen und des europäischen Verfassungsverständnis. Ein Werk von 475 Seiten. Mindestens 23 Textpassagen sollen nicht mit der entsprechenden erforderlichen Fußnote als Zitat gekennzeichnet sein. Ohne Frage ein handwerklicher Fehler. Ist deswegen tatsächlich die gesamte Arbeit ein Plagiat? Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Das wird eine genaue und vor allem objektive Untersuchung ergeben. Genauigkeit ist sicherlich nicht das Problem. Bei der Objektivität kommen mir allerdings Zweifel. Wer vorher schon meint zu wissen, dass es sich um ein Plagiat handelt, wird höchstwahrscheinlich auch eins vorfinden.

Ich frage mich, wie viel andere Ihren Doktortitel ebenfalls abgeben müssten, wenn man ihre Arbeit unter die Lupe nehmen würde. Bei Dissertationen im Bereich der Naturwissenschaften wird das vielleicht nicht allzu oft vorkommen. Bei Dissertationen im Bereich der Geisteswissenschaften allerdings wird man wahrscheinlich öfter als gewünscht fündig werden. Vorausgesetzt man würde akribisch nach Fehlern in Bezug auf Quellenangaben suchen und den gesamten Wert einer Doktorarbeit voll und ganz von der ordnungsgemäßen Quellenzitierung abhängig machen. Es mag ja vielleicht auch Menschen geben, für die noch andere Gesichtspunkte von Bedeutung sind. Und es mag sicherlich auch die ein- oder andere Dissertation geben, deren Quellenangaben voll und ganz den Vorschriften entspricht, aber die trotzdem in ihrer inhaltlichen Aussage völlig unbedeutend ist.

Ich wähle weder CDU noch FDP (sondern die Piratenpartei!). Und ich mag Guttenberg nicht besonders. Aber das, was jetzt um ihn herum passiert auch nicht.



Mittwoch, 17. November 2010
Alice Schwarzer gegen Kristina Schröder – wenn man sich nichts zu sagen hat
Ein interessanter Schlagabtausch fand vor kurzem zwischen Familienministerin Kristina Schröder und Alice Schwarzer statt. Die Familienministerin erzählt im Spiegel, dass sie nie Feministin werden wollte. Ihr ging die These von der Heterosexualität, die als Unterdrückungsinstrument der Frau dargestellt wurde, immer entschieden zu weit. Alice Schwarzer kontert damit, dass sie Frau Schröder als einen hoffnungslosen Fall ansehe.

Da ist wohl auch kaum Kommunikation möglich. Die rund ein Vierteljahrhundert jüngere Familienministerin blendet den geschichtlichen Hintergrund des Feminismus völlig aus, sowie auch die Tatsache, dass sie ohne die feministische Bewegung wahrscheinlich gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, als Frau ein hohes politisches Amt auszuüben. Und Alice Schwarzer schlägt zurück, eben genau aus diesem Grund – denn fehlendes Geschichtsbewusstsein ist für sie unentschuldbar. Ein bisschen hinhören können hätte sie aber schon.

Ich stehe altersmäßig genau zwischen beiden und so ähnlich fühle ich mich auch – zwischen den Stühlen. Ich stöhne auch immer auf, wenn ich Frauen sagen höre, dass der Feminismus doch eigentlich nie nötig gewesen wäre. Aber ich habe – ehrlich gesagt – damals auch aufgestöhnt, als der Feminismus seine Dogmen darüber erhoben hat, wie Sexualität zu sein hat. Es ging sehr rigide zu und erlaubt war nur gleichgeschlechtlicher- oder Kuschelsex.

Aber wenn ich mir jetzt die Entwicklung ansehe, dann ist es zwar eindeutig so, dass alles – und wirklich absolut alles – erlaubt ist und es keine einschränkenden Normen mehr gibt. Aber auf der anderen Seite ist dadurch eben nicht die ersehnte Befreiung eingetreten, denn es gibt nach wie vor sexuellen Missbrauch, sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung. Mit anderen Worten – für viele ist Sexualität leider doch noch mit Zwang und Unterwerfung verbunden. Dann können Alice Schwarzers Thesen also doch nicht so falsch gewesen sein.

Was man darauf lernen kann? Weiß ich auch nicht so recht. Ich weiß nur, dass man vielleicht wieder anfangen sollte, Dinge zu hinterfragen und nachdenklicher umzugehen mit dem, was um uns herum geschieht. Feminismus mag anstrengend gewesen sein, aber er hat etwas bewegt und Strukturen wurden verändert oder weiterentwickelt. Davon kann in unserer jetzigen Zeit ganz bestimmt nicht die Rede sein.

Und ich habe mich gerade entschieden, demnächst mal etwas mehr zu diesem Thema zu schreiben.



Mittwoch, 3. November 2010
Manchmal ist es besser, doch nicht soviel zu wissen?
Gestern habe ich mir den Film „Der Stellvertreter“ angesehen, in dem es um die Rolle des Vatikans zur Zeit der Nazis ging. Der Film basierte auf einer Erzählung Rolf Hochhuths. Im Vordergrund steht die Figur des SS-Offiziers Kurt Gerstein, der einerseits gläubiger Christ war und andererseits für den Einsatz von Zyklon B verantwortlich war. Vor der Kenntnis von der Massenvernichtung war Gerstein als Hygienefachmann mit dem Einsatz des Zyklon B im Bereich der Schädlingsbekämpfung beschäftigt. Nachdem Gerstein davon Kenntnis hatte, wozu das Gift tatsächlich verwendet wurde, blieb er weiterhin in der Tötungsmaschinerie, tat aber alles, um die Information an die Öffentlichkeit zu bringen und insbesondere den Vatikan zur Intervention zu bewegen.

Einige sehen in Gerstein jemanden, der versuchte, die Greuel der Nazis zu bekämpfen, andere sehen in Gerstein einen Mittäter am Massenmord. Bewiesen ist allerdings zweifellos, dass er tatsächlich alles Mögliche unternommen hat, um das Massenmorden an die Öffentlichkeit zu bringen und dabei – das darf man meines Erachtens auf keinen Fall außer Acht lassen – natürlich auch sein Leben und Gefahr für seine Familie riskierte.

Und wie immer, wenn mich ein Film sehr berührt, bleibe ich hinterher förmlich im Internet kleben. Und das Internet macht es einem ja auch einfach, sich immer noch gezielt weitere Informationen zu holen. Was ich dabei – konkret auf das Thema Widerstand zur NS-Zeit – entdeckte, war mir zwar nicht neu, aber in seiner Fülle doch schockierend. Was ich damit konkret meine, ist die Zeit, die man sich dafür gelassen hat, auf der einen Seite Widerständler als solche anzuerkennen und auf der anderen Seite Schuldige schuldig zu sprechen. Mir war nicht bekannt, dass die Todesurteile gegen die Widerstandskämpfer noch bis in die 1990er (!) als wirksam galten und dadurch Verwandten der Anspruch auf eine Entschädigung als Verfolgte des Naziregimes verwehrt wurde.

Der Witwe von Kurt Gerstein hatte da noch Glück und ihr wurde immerhin „schon“ im Jahr 1969 durch Anerkennung Gersteins als Entlasteter eine Hinterbliebenenrente zugestanden. Und dies auch nur, weil sich ein ehemaliger KZ-Häftling und der Zentralrat der Juden sich für eine Rehabilitation eingesetzt haben.

Und dann die andere Seite: Chefrichter Otto Thorbeck, der für den Tod vieler Widerstandskämpfer verantwortlich war und dafür erst 1955 zu ganzen vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, von denen er wiederum nur ein Jahr abgesessen hat, da er schon ein Jahr später vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen wurde. SS-Offinzier Walter Huppenkothen bekam immerhin sechs Jahre, allerdings nicht wegen Mordes, sondern weil er die Bestätigung der Todesurteile nicht abgewartet hatte! Generalrichter Manfred Roeder, mitverantwortlich für 56 Todesurteile von NS-Gegnern, wurde überhaupt nicht verurteilt und war nach dem Krieg angesehenes und aktives Mitglied der CDU.

Und es wird noch viele, viele andere Namen geben, die denjenigen, die eine bessere politische Bildung als ich haben, natürlich auch bekannt sein werden. Wie bereits gesagt – neu war dies alles auch für mich nicht. Aber etwas im Großen und Ganzen zu kennen, ist nicht das Gleiche, wie sich im Detail damit zu beschäftigen. Und als ich dies in der vergangenen Nacht versucht habe, hatte ich das Gefühl, in einen Sumpf einzutauchen. Schon immer wusste ich, dass es diesen Sumpf gab, aber gestern habe ich es mir mal zugemutet, mir diesen Sumpf näher anzusehen. Aber ich weiß gar nicht, ob dies wirklich gut ist. Denn man riskiert dabei, auch noch das allerletzte Fünkchen Glauben an die Menschheit und an die Hoffnung auf eine gerechtere Welt zu verlieren.

Die Rechtsprechung im Falle der Verurteilung von NS-Verbrechern und im Falle der Rehabilitation von Widerstandskämpfern ist ihren Namen nicht wert.



Freitag, 23. Juli 2010
Bullen und Juden
„Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden. Und natürlich kann geschossen werden.“
Ulrike Meinhof 15.06.1970

„Erklären uns die Juden […] den Krieg - und das haben sie bereits getan -, so haben wir die bei uns befindlichen Juden genauso zu behandeln, wie man Angehörige einer kriegführenden Macht zu behandeln pflegt.“
SS-Organ „Das schwarze Korps“ 03.11.1938



Freitag, 7. Mai 2010
Die Joschkas & Co
Joschka Fischer, der früher auf Anti-Atomkraft-Demos als Ausdruck seiner Überzeugung auf Polizisten einschlug, hat heute keine Probleme damit, als Berater zu arbeiten für Siemens und RWE – beides Unternehmen, die AKWs bauen. Ein lapidares „Ich schäme mich nicht“ ist seine Stellungnahme – eine der wenigen Aussagen, die ich ihm abnehme. Ich allerdings schäme mich für Menschen wie Joschka Fischer. Weil die die Ansicht unserer Eltern bestätigen, in deren Augen die Protestbewegung nichts anderes als eine jugendliche Marotte war, die irgendwann der Vernunft weicht.

Jutta Ditfurth (zur Erinnerung: früher bei den Fundi-Grünen) hat einmal treffend gesagt, dass sie Leuten wie Joschka Fischer ihre Überzeugung schon damals nicht abgenommen hat. Ich übrigens auch nicht, obwohl ich zur Anti-AKW-Zeit noch ziemlich jung war und noch nicht allzu viel Ahnung vom Geschehen hatte. Wenn ich damals auf Demos ging und dabei die – meist männlichen – Demonstranten beim Steinewerfen sah, war mir klar, dass es denen um etwas anderes als um das jeweilige Demo-Motto ging. Und wenn ich die Reden der – meist aus sehr wohlhabenden Familien stammenden – linken Theoretiker über ihre Solidarität mit der Arbeiterklasse hörte, war mir ebenfalls klar, dass es denen um etwas ganz anderes ging – nämlich einfach nur um die Rebellion gegen die Welt ihrer Väter. Sobald nämlich die Ausbildung abgeschlossen war, wurde in Papas Fußstapfen getreten – der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm. Selbst der unerträgliche Dieter Bohlen hat in Jugendzeiten einmal eine rote Fahne auf Papas Einfamilienhaus gehisst, bevor er dann endlich vernünftig und erwachsen wurde und anfing, Geld zu verdienen.

Zu Beginn seiner Parlamentszeit hat Joschka Fischer anlässlich der Menschenrechtsverletzungen in China noch von Boykott gesprochen und dabei die Aussage gemacht „Wenn dies Arbeitsplätze kostet, dann kostet es eben Arbeitsplätze“ – etwas, was bei mir tiefen Respekt hervorrief. Heute würde Joschka Fischer so ein Faux pas nicht mehr passieren.

Ich wurde an Joschka Fischer erinnert, als mir jemand, den ich seit über 35 Jahren nicht mehr gesehen habe, über Stayfriends eine mail schickte. Jemand, der mich damals, als er mich das erste Mal sah, sofort fragte, ob ich denn in einer Partei sei. Meiner erstaunten Antwort, dass man mit 13 Jahren doch noch gar nicht in einer Partei sein könne, antwortete er nur vorwurfsvoll „SDAJ“, was mir sofort ein schlechtes Gewissen bereitete, weil ich mir entsetzlich unpolitisch und dämlich vorkam. Ich war jetzt ein bisschen erstaunt, als er mir mailte, dass er jetzt in New York bei einem Managermagazin arbeiten würde. Meine Frage, ob er denn noch irgendwas mit der SDAJ zu tun habe, beantwortete er erst nach nochmaligem Nachfragen mit Nein, was mir ja auch klar war - "Aber er wäre noch ganz der Alte“.

Managermagazine handeln von Geldanlagen, Führungsseminaren, Luxusartikeln und pseudowissenschaftlichen Statements. Und sind geschrieben für genau diejenigen, die unsere Welt in den erbärmlichen Zustand gebracht haben, in dem sie sich jetzt und für alle Zukunft befindet. Kann man wirklich noch "Ganz der Alte" sein, wenn man jetzt solche Magazine mitgestaltet und früher in der SDAJ mitgearbeitet hat?

Aber vielleicht steckt eine tiefere Wahrheit in dem „Ich bin immer noch der Alte“. Denn schon damals ging es in Wahrheit gar nicht um ehrliche Überzeugungen. Im Grunde genommen sind die Joschkas & Co konsequenter als irgend jemand anderes – konsequent darin, ihr Fähnchen immer instinktiv nach dem günstigsten Wind zu hängen. Einmal ein falscher Fuffziger – immer ein falscher Fuffziger!