Samstag, 19. Januar 2019
Ein Mord in meinem Wohnviertel und unheimliche Allianzen
Auch wenn ich mich mittlerweile an das steigende Ausmaß der Gewalt in meinem Wohnviertel gewöhnt habe, bin ich doch jedes Mal wieder geschockt, wenn hier wieder ein Mord geschieht. Ich hatte hier vor vier Jahren schon mal beschrieben, wie unwohl ich mich mittlerweile in meinem Viertel fühle. Vor drei Tagen ist hier schon wieder jemand ermordet worden, direkt in unserer Fußgängerzone, ein paar Meter entfernt von meiner Arbeitsstätte. Der achtundvierzigjährige J.wurde mit der Axt erschlagen, die Täter wurden noch nicht gefunden.

Bei dem Mordopfer handelt es sich um einen syrischen Apotheker, der schon sehr lange in Deutschland lebt, hier auch studiert hat und mit Frau und zwei Kindern hier lebt. Es gibt Spekulationen in jeder Hinsicht, denn J. war auch politisch aktiv und hat sich aktiv für syrische Flüchtlinge eingesetzt. Außerdem gehörten ihm auch zwei Apotheken und mehrere Immobilien hier im Süden Hamburgs und sein Ruf als Geschäftsmann wird in den Medien als „knallhart“ beschrieben.

Ich habe einen bestimmte Vermutung (nicht in Hinsicht auf die Person, sondern auf mögliche Hintergründe) und deswegen habe ich gestern ein wenig gegoogelt um Näheres zu erfahren. J. hat nicht nur einen syrischen Verein gegründet, sondern war auch Mitglied in einer Partei, die mir gar nicht bekannt war, die BIG, das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit. Dies ist eine sehr kleine Partei, die von Muslimen gegründet wurde und deren Zielsetzung darin besteht, sich für die Interessen von Muslimen einzusetzen und deren Intergration zu fördern. Interessant ist der Umstand, dass im Jahr 2014 ein Zusammenschluss erfolgte mit der ebenfalls sehr kleinen MDU, der Muslimischen Demokratischen Union. Zu dieser Gruppierung gehören wiederum die Betreiber des Muslim-Markt, eine dem Schiitentum nahestehende Internetplattform, die sich sowohl durch Antisemitismus (inklusive Leugnung des Holocaust) als auch durch offen geäußerte Skepsis gegenüber Demokratie auszeichnet.

Dabei stieß ich auf ein für mich völlig unfassbares Kuriosum: die Betreiber des Muslim Markts organisierten im Jahr 2012 eine Reise in den Iran zu Präsident Ahmadinedschad an der auch einige bekannte Rechtsextreme (!) teilnahmen*. Mich interessierte natürlich, um wen es sich dabei handelte und dabei stieß ich auf etwas ebenfalls äußerst Kurioses, nämlich auf jemanden, dessen politisches Spektrum von der Mitgliedschaft im Kommunistischen Bund und der Mitarbeit bei der Zeitschrift „konkret“, bis hin zur Tätigkeit als Chefredakteur der rechtspopulistischen Zeitschrift „Compact“ und Vorträgen bei der AFD reicht.

Ich wollte mich eigentlich nur darüber informieren, um was für eine Person es sich bei dem ermordeten J. handelt. Und dabei erfahre ich etwas über Kleinparteien mit äußerst fragwürdigen Kontakten und noch fragwürdigeren Aktivitäten. All dies ist nicht gerade vertrauenserweckend. Was für mich daran so erschreckend ist, ist die unheimliche Allianz zwischen Rechtsextremen und religiösen Fundamentalisten. Normalerweise sind die Grenzen abgesteckt: die AFD macht gegen Migration mobil, Migranten machen gegen die AFD mobil. Hier sind jedoch entgegen dieser sonst grundsätzlich strikt abgesteckten Grenzen Allianzen entstanden, die nicht mehr nachvollziehbar sind. Um das Ganze noch zu toppen kann man hier noch erwähnen, dass sich sogar auch Holocaustüberlebende an den vom Muslim-Markt veranstalteten israelfeindlichen Konferenzen beteiligen. Hierbei möchte ich ganz klar anmerken, dass es natürlich zu begrüßen ist, wenn gerade Holocaustüberlebende sich gegen die unmenschliche und gegen jedes Recht verstoßende israelische Siedlungspolitik positionieren. Aber muss dies wirklich Seite an Seite mit bekennenden Antisemiten geschehen, die noch dazu ganz unverhehlt gegen Demokratie zu Felde ziehen? Was passiert in einer Gesellschaft, in der politischer und religiöser Extremismus koalieren und Parteien entstehen – und seien sie noch so klein – die sich dieser Allianzen bedienen?

Ob der politische Hintergrund des Mordopfers überhaupt eine Rolle spielt ist fraglich, natürlich begibt sich jemand, der das Assad-Regime offen ablehnt, immer auch in Gefahr. Dass Immobiliengeschäfte sich durch Gewinnmaximierung und nicht durch Sozialverhalten auszeichnen ist nichts Neues. Aber dass politische oder geschäftliche Konflikte dadurch gelöst werden, jemanden mit der Axt zu Tode zu schlagen, stellt eine neue Dimension dar. Jedenfalls hier.

Bei all der Verwirrung, die diese Informationen bei mir ausgelöst haben, kristallisiert sich eines immer klarer heraus: ich möchte hier einfach nur weg!

*Unter anderem Jürgen Elsässer, Gerhard Wisnewski, Elias Davidsson, Karl Höffkes">



Mittwoch, 26. Dezember 2018
Weimar reloaded – Abschied von der Demokratie
Kommt es zu Vergleichen der Entwicklung in Deutschland mit der Weimarer Republik, dann wird dies oftmals als unangebrachte Schwarzseherei kritisiert. Hauptargument ist dabei immer wieder, wie viel gefestigter doch unsere jetzige Demokratie sei und wie sehr sich doch die heutige ökonomische Situation von der damaligen unterscheidet. Ich wundere mich immer – ja bin sogar regelrecht ein bisschen neidisch darauf – wie unerschütterlich der Glaube vieler Menschen an die Unveränderlichkeit der Verhältnisse ist. Schön wär’s ja, wenn ein einmal erreichtes Niveau für immer und ewig ein verlässlicher Fixpunkt bleiben würde. Aber leider lehrt die Geschichte, dass Kulturen nicht nur entstehen, sondern ebenso auch wieder verschwinden können.

Worin besteht die Ähnlichkeit unserer jetzigen Gesellschaft zur Weimarer Republik? Damals wie heute kann man von einer erheblichen Politikmüdigkeit in der Bevölkerung ausgehen. Die steigenden Zahlen der Wählerschaft der AFD machen deutlich, dass sich viele Menschen nicht von den bisherigen Parteien vertreten sehen. Auch zur Weimarer Zeit wurde die Regierung als schwach und unfähig empfunden und damals galt die Einhaltung des Versailler Vertrags als Verrat am Volk.

Besondere Beachtung verdient das Argument des Wohlstands in Deutschland. Sinkende Arbeitslosenzahlen und steigendes Bruttosozialprodukt, ein hoher Standard an medizinischer und sozialer Versorgung – wo ist also das Problem? Wäre ich nicht Sozialarbeiterin, sondern Kauffrau, Web-Designerin oder Eventmanagerin, dann würde ich diese Meinung vielleicht teilen, aber da ich nun mal im sozialen Bereich arbeite, habe ich andere Einblicke. Die Entwicklung, die ich in mehr dreißig Jahre Sozialarbeit erlebe, stimmt mich alles andere als optimistisch. Es gab noch nie so viele Menschen, die ihren Lebensunterhalt nur mit der Inanspruchnahme von Lebensmittelausgabestellen und Kleiderkammern bestreiten können und es gab früher erheblich weniger Bettler und Obdachlose. Die Zahl der sozialen Beratungsstellen und Hilfsangebote ist sprunghaft gestiegen und es kommen kontinuierlich neue hinzu. Jetzt könnte man natürlich entgegnen, dass dies doch ein gutes Zeichen sei, denn der Staat kümmert sich immerhin verantwortungsbewusst um seine Bürger. Mag sein, aber das verbirgt nicht, dass viele Menschen in zunehmenden Maße abhängig von der Hilfe Dritter sind. Und diese Menschen sind alles andere als zufrieden mit ihrer Situation, denn anders als in Weimar leben wir jetzt in einer Gesellschaft, die einem großen Shoppingcenter gleicht und deren Schaufenster überquellen. Wer wenig Geld hat, muss sich allerdings mit dem bloßen Ansehen begnügen und ist vom fröhlichen Kaufen ausgeschlossen.

Was ist mit den Straßenkämpfen, die kennzeichnend für die spätere Phase der Weimarer Republik waren? So weit sind wir doch noch längst nicht, oder? Wenn man sich die Bilder des G20-Gipfels vom vergangenen Jahr in Hamburg sowie die Auftritte rechter Demonstranten in Chemnitz ins Gedächtnis ruft, dann sind die Ähnlichkeiten unübersehbar. Was allerdings einen großen Unterschied zu Weimar darstellt, ist die Tatsache, dass es nicht mehr nur Gewalt von rechts und von links gibt, sondern auch religiös motivierte Gewalt. Und diese religiöse Gewalt hat das Potential, Deutschland in zwei feindliche unversöhnliche Lager zu spalten. Da sind zum einen diejenigen, die nicht müde werden darauf hinzuweisen, dass doch letztendlich jede Religion Gewalt beinhaltet und die sofort jede Kritik als rassistisch brandmarken. Außerdem sei alles doch nur eine Frage von Integration und Bildung und wenn wir nur wollen, werden wir das doch schon hinbekommen. Zum anderen gibt es diejenigen, die „Ausländer raus“ brüllen und dies als Lösung sämtlicher gesellschaftlicher Probleme proklamieren.

Der eigentliche Unterschied zu Weimar besteht darin, dass Weimar das Trauma des Dritten Reichs noch vor sich hatte, während wir es schon durchlebt haben und es für immer zu unserer Vergangenheit gehört. Aber haben wir wirklich aus diesem Trauma gelernt? Nein, haben wir nicht. Wir erkennen die rechte Gefahr nur dort, wo sie eindeutig als rechts auftritt. Wir erkennen nur dann die Gefahr, wenn sie von einem pöbelnden Mob ausgeht, der durch die Straßen zieht und jeden dunkelhaarigen Menschen in die Flucht brüllt. Aber wir sind blind gegen die Gefahr, die von Menschen ausgeht, die erbarmungslos jeden mit dem Tod bedrohen, der sich gegenüber ihrer Religion kritisch äußert oder der diese Religion in anderer Form leben möchte. Noch blinder sind wir jedoch gegenüber dem Umstand, dass es so gut wie keine Solidarität mit religiös Verfolgten gibt.

Die bedrohliche Gemeinsamkeit zur Weimarer Republik besteht in dem Umstand, dass wir wieder unterschätzen, welche riesengroße Rolle das tatenlose Zuschauen spielt. Wir lassen uns dadurch beruhigen, dass die religiös motivierte Gewalt doch nur von einer relativ kleinen Minderheit verübt wird und ignorieren dabei völlig, dass die große Mehrheit dieser Gewalt weder entschieden entgegentritt, noch sich von ihr distanziert. Eine Mehrheit, die zwar vehement Toleranz für sich fordert, aber nicht im Geringsten bereit ist, diese auch anderen zu gewähren.

Deutschland ist demokratiemüde geworden. Wer während des G20-Gipfels Betonklötze auf Polizisten wirft, setzt einzig auf Gewalt und hat der Demokratie eine Absage erteilt. Wer für alle gesellschaftlichen Probleme pauschal Menschen anderer Nationalität verantwortlich macht, hat der Demokratie eine Absage erteilt. Wer seine Religion über die Menschenrechte stellt, hat der Demokratie eine Absage erteilt. Wer jede kritische Auseinandersetzung mit anderen Wertesystemen als rassistisch diffamiert, hat der Demokratie eine Absage erteilt. Wer für einen Despoten auf die Straße geht, der Oppositionelle im Gefängnis verschwinden lässt und eine freie Presse untersagt, hat der Demokratie eine Absage erteilt.

In Zuckmeyers „Des Teufels General“ sagt Generaloberst Harras: „Das Böse existiert nicht in der Welt, weil Böses getan wird, sondern weil es geduldet wird“. Diese Aussage trifft besonders auf das Dritte Reich und insbesondere auf den Holocaust zu. Es stimmt nicht, dass ausnahmslos jeder Deutscher von der Idee besessen war, Juden auszurotten. Geschehen konnte dies nur deswegen, weil die große Mehrheit in tatenlosem, völlig gleichgültigem Zuschauen erstarrt war. Und dies führt zu einem Déjà-vu, denn in Deutschland birgt es auch jetzt wieder Gefahren mit sich, öffentlich eine Kippa zu tragen. Lebensgefahr besteht auch für diejenigen Künstler, Schriftsteller und liberale Gläubige, die sich religionskritisch äußern. Wohingegen es keine Gefahr darstellt, öffentlich die Fahne eines anderen Landes zu verbrennen und diesem Land dabei laut brüllend den Tod zu wünschen. Und was tut die Bevölkerung, was tun wir? Nichts. Und eben darin besteht die Ähnlichkeit zu Weimar.



Mittwoch, 3. Oktober 2018
Der Roman einer Jüdin. Der Roman einer Muslimin.
Die Frau, die anderen ihr Leben widmet, ist eine Frau, die keinen Mann fand, dem sie ihr Leben widmen konnte“
Tawfiq al-Hakim

Die Girls von Riad“ von Rajaa Alsanea
Rajaa Alsanea ist eine siebenunddreißigjährige Frau aus Saudi-Arabien, die im Jahr 2005 einen Roman über vier junge Frauen veröffentlichte, der von den Lebensgeschichten ihrer Freundinnen inspiriert war.

Da ist Kamra, die nach ihrer Heirat feststellt, dass ihr Mann schon lange eine Geliebte hat, auf die er nicht verzichten will und der sich nach einem Streit von Kamra scheiden lässt und sie samt Kind verstößt.

Da ist Sadim, die einen Mann liebt, der sich trotz seiner Liebe zu ihr von seinen Eltern zu einer arrangierten Ehe zwingen lässt und die sich daraufhin entschließt, ihren Cousin zu heiraten, der zwar nicht ihr Traummann ist, aber der sie anbetet. Für Sadim ist dies nicht die erste Ehe, denn sie war schon einmal verheiratet, erhielt aber die Scheidungspapiere, weil sie sich ihrem Mann nicht verweigerte, obwohl nur die standesamtliche Trauung und noch nicht die religiöse Trauung vollzogen worden war.

Michelle ereilt ein ähnliches Schicksal wie Sadim, als sie von ihrer großen Liebe verlassen wird, weil dessen Mutter sie als Schwiegertochter ablehnt. Auch sie freundet sich später mit ihrem Cousin an, wobei offen bleibt, ob sich daraus eine Liebe entwickelt.

Lamis gelingt es als einziger, den Mann ihrer Träume dazu zu bringen, sie zu heiraten, indem sie sich eisern an die Ratschläge ihrer Mutter hält, jede Annährung zu verweigern und sich konsequent jeder Äußerung von Gefühlen zu enthalten.

Alle vier Frauen sind gebildet und studieren Informatik, Literatur, Verwaltungsmanagement oder Medizin. Die Autorin selbst hat Zahnmedizin studiert und entstammt einer Arztfamilie.


Unorthodox“ von Deborah Feldman
Deborah Feldman ist eine zweiunddreißigjährige Amerikanerin, die im Jahr 2012 einen autobiographischen Roman über ihre Kindheit in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde veröffentlichte.

In dem Roman geht es um die Zeit, die Deborah Feldman als Kind und Jugendliche in Williamsburg/Brooklyn in der ultraorthodoxen Gemeinde der Satmarer aufwuchs und um ihre Entscheidung, diese Gemeinde zu verlassen.

Beide Romane geben einen tiefen und aufschlussreichen Einblick in die jeweilige Kultur und beide Bücher beschreiben eine Gesellschaft, die voll und ganz auf die Bedürfnisse der Männer ausgerichtet ist. Das ist allerdings die einzige Gemeinsamkeit der beiden Bücher.

Während Deborah Feldman einen radikalen Bruch mit ihrer Familie und ihrer Gemeinde vollzieht, bleibt Rajaa Alsanea ein Teil von ihr. Dies ist natürlich zum großen Teil auch darin begründet, dass Amerika die Freiheit bietet, eigene Wege einzuschlagen, während dies in Saudi-Arabien gar nicht möglich ist. Aber damit allein kann man die Unterschiedlichkeit der beiden Bücher nicht erklären. Der entscheidende Gegensatz liegt darin, dass Rajaa Alsanea dieser Welt auch innerlich verhaftet bleibt. Sie beschreibt zwar kritisch, wie wenig Selbstbestimmung ein Frauenleben beinhaltet, aber das alles bestimmende Thema des Buches ist einzig und allein die Beziehung zum Mann. Und folglich besteht das einzige Dilemma im Leben einer Frau nur darin, sich diesen nicht frei aussuchen zu dürfen.

Deborah Feldmann hingegen beugt sich nur widerwillig dem Gebot einer Eheschließung und dies nicht deswegen, weil der von der Familie vorgeschlagene Mann ihr nicht gefällt, sondern weil sie eigentlich gar nicht das Bedürfnis nach einer Beziehung hat. Ihre Kritik an der Gesellschaft in der sie lebt, ist sehr viel grundlegender und beschränkt sich nicht nur auf das Thema der Partnerwahl. Schon als Teenager leidet sie darunter, keine Bücher lesen zu dürfen und tut alles, um sich diesen Wunsch heimlich zu erfüllen. Das, worunter sie leidet, ist die Enge und Dogmatik des Denkens.

Interessant beim Vergleich der beiden Bücher ist der Umstand, dass die arabische Autorin in äußerst wohlsituierten Verhältnissen lebt, während Deborah Feldmann in Armut aufwächst. Rajaa Alsanea erwähnt immer wieder wie selbstverständlich die zum Haushalt gehörenden „Dienerinnen“ oder philippinische Kindermädchen, die sich um das Kind ihrer nicht berufstätigen Freundin kümmern. Genauso selbstverständlich und nebenbei werden auch die Luxusartikel erwähnt, die zum Leben der Protagonistinnen gehören. An keiner Stelle wird dies thematisiert, geschweige denn kritisch hinterfragt.

Die vier Freundinnen Rajaa Alsaneas absolvieren alle mit Selbstverständlichkeit eine akademische Laufbahn, wohingegen sich Deborah Feldman die Möglichkeit einer Ausbildung erst erkämpfen muss. Dabei ist es sehr aufschlussreich, welche unterschiedlichen Stellenwert Bildung für die beiden Autorinnen hat: Während für Rajaa Alsaneas Freundinnen Bildung lediglich ein Statussymbol darstellt, ist sie für Deborah Feldman Passion.

Alsaneas Roman mag zwar eine Kritik an der in Saudi-Arabien herrschenden eingeschränkten Möglichkeiten für Frauen darstellen, von einer grundlegenden Kritik oder gar Analyse der hierfür verantwortlichen Faktoren ist er meilenweit entfernt. Die wahre Erfüllung in einem Frauenleben ist unhinterfragt die Beziehung zum Mann. So endet dann auch das Buch mit der Aussage: „Was ich vom Leben erwarte: „Ich wünsche mir eine Liebe, die mich für immer erfüllt (…). Ich wünsche mir einen Mann, der mit mir fühlt und mich beschützt (…). Ich wünsche mir eine glücklich Ehe zu führen (…). Ich wünsche mir gesunde Kinder (…). Ich würde sie lieben wie ich meinen Mann liebe, nicht nur, weil es meine Kinder sind, sondern weil sie ein Teil von ihm sind. Das wünsche ich mir für mein Leben“.

Deborah Feldman schließt mit den Worten: „Ich habe meinen Platz in der Welt gefunden (…). Die Menschen wollen wissen, ob wir Glück gefunden haben; doch was wir gefunden haben, ist besser: Authentizität. Ich bin fei, ich selbst zu sein, und das fühlt sich gut an. Wenn irgendwer jemals versuchen sollte, Dir vorzuschreiben, etwas zu sein, was Du nicht bist, dann hoffe ich, dass auch Du den Mut findest, lautstark dagegen anzugehen“.


Als ich das Buch durchgelesen hatte, habe ich mir sofort den zweiten Band „Überbitten“ geholt. Ist schwieriger zu lesen, aber genauso empfehlenswert.