Montag, 30. April 2018
Kippa, Kopftuch, Generalverdacht und ein Blick in die Vergangenheit
Das vor einer Woche entstandene Video, in dem ein Kippa tragender Israeli von einem jungen Muslim geschlagen wird, kennt mittlerweise wahrscheinlich jeder. Die Erfahrungen des in Hamburg lebenden Ben-Raffael Goihman sind ähnlich. „Hitler hat vergessen, dich zu vergasen“ schrie ihm ein Muslim ins Gesicht, als er auf der Straße seine Kippa trug. Der Zentralrat der Juden rät mittlerweile vom Tragen der Kippa ab.

Man könnte jetzt noch unendlich viele andere Beispiele nennen: die Bedrohung jüdischer Restaurants, das Mobben jüdischer Schüler oder das Verbrennen der israelischen Fahne in Berlin. In Frankreich ist die Situation noch schlimmer, dort sind bereits tausende von jüdischen Familien aufgrund von offener Anfeindung und Bedrohung ausgewandert. Der grausame Mord an der Jüdin Sarah Halimi im vergangenen Jahr, der vor kurzem verübte Mord an der Holocaustüberlebenden Mireille Knoll und der bestialische Foltermord an Ilan Halimi im Jahr 2006 machen auf drastische Weise deutlich, welch erschreckendes Ausmaß der Hass gegen Juden hat.

Neu ist jetzt allerdings, dass jemand wie Goihmann öffentlich ausspricht, von wem in erster Linie die Gewalt ausgeht: „Aufgrund der Flüchtlinge aus der islamischen Welt wird das Problem allerdings tatsächlich schlimmer. Denn mit Muslimen gerate ich viel häufiger aneinander als mit irgendeinem Nazi.“

Was passiert, wenn man diese steigende und überaus furchterregende Gewalt gegen Juden anspricht? Kann man es überhaupt ansprechen? Nein, kann man nicht, denn jede aufkeimende Diskussion wird unweigerlich im Keim erstickt mit dem Argument der israelischen Siedlungspolitik. Da werden einzelne Menschen – welcher Nationalität auch immer sie angehören – persönlich verantwortlich gemacht für das, was der Staat Israel den Palästinensern antut. Dies bedeutet nichts anderes, als ein moralischer Freispruch für die Täter.

Ganz anders wird hingegen reagiert, wenn es nicht um antisemitische Gewalt, sondern um islamistische geht. Noch ehe man überhaupt mit dem Versuch einer Analyse beginnen kann, wird dies mit dem von muslimischer Seite sofort und überall vorgebrachten Argument des „Generalverdachts“ ausgebremst. Die gleichen Menschen, die genrell jeden einzelnen Juden als mitverantwortlich ansehen für die vom Staat Israel ausgeübte Gewalt, weisen es im Gegenzug empört als Generalverdacht von sich, wenn auf Zusammenhänge zwischen von Islamisten verübter Gewalt und der Einstellung zu Gewalt im Islam hingewiesen wird.

Eine Kippa kann als das jüdische Pendant zum islamischen Kopftuch angesehen werden. Allerdings kann die Ansicht über das Recht auf das Tragen religiöser Symbole erstaunlich unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob es die eigene Religionsgemeinschaft betrifft oder aber eine fremde. Immer wieder löst die Diskussion um ein mögliches Kopftuchverbot eine Welle von Empörung aus und stets wird dabei auf das Grundrecht auf religiöse Freiheit gepocht oder auf den latenten Rassismus der Befürworter eines Verbotes hingewiesen (hat ein Kopftuch tatsächlich etwas mit „Rasse“ zu tun??). Aber aus diesen Reihen stammen auch eben gerade diejenigen, die es für ihr Recht halten, jemanden die Kippa vom Kopf zu schlagen und dabei lautstark ihre offenkundige Sympathie für Hitler rauszubrüllen.

Ist das Problem des islamischen Antisemitismus eigentlich ein neues oder gibt es so etwas wie eine Tradition? Blickt man in die Vergangenheit, dann entdeckt man, dass im vergangenen Jahrhundert islamische Antisemiten mit nationalsozialistischen Antisemiten sympathisierten. Noch bevor ein israelischer Staat existierte, hatten die Nazis einen eifrigen Unterstützer und Bewunderer in Amin al-Husseini, dessen wichtigstes Ziel es war, die jüdischen Einwanderer „bis zum letzten Mann“ zu töten. Sicherlich wird jetzt so mancher sofort entgegnen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Landeinnahme durch Juden schon begonnen hatte und es sich folglich doch indirekt lediglich um eine Verteidigung des eigenen Territoriums handelte. Dies stellt jedoch eine ignorante Verharmlosung Husseinis Vernichtungswahns dar, der sogar mitverantwortlich für die Deportation und Ermordung von 5.000 jüdischen Kindern war.

Blicken wir noch weiter in die Vergangenheit zurück, auf der Suche nach antisemitischer Tradition: im siebten Jahrhundert kam es zur Vernichtung der drei jüdischen Stämme Ban Qainuqa, Ban N-Nadir und Ban Quraiza. Lange bevor es überhaupt die Idee einer israelischen Nation gab, wurden die Männer dieser Stämme getötet und die Frauen versklavt. Keiner dieser drei Stämme drang in islamisches Territorium vor, sondern es war genau umgekehrt – Muslime drangen in die von Juden bewohnte Oasenstadt Yathrib ein. Ideologisch gerechtfertigt wurde die Vernichtung dann damit, dass „Juden schlimmer als das Vieh seien“.

Nein, neu ist das Problem des Antisemitismus unter Muslimen wirklich nicht. Auch wenn es immer und überall auch friedliche Koexistenz zwischen der arabischen und der jüdischen Welt gab und gibt, so hat es parallel dazu genauso auch immer antisemitische Strömungen gegeben. Ebenfalls nicht neu ist leider auch das erschreckende Wegsehen und die Verharmlosung, wenn es um Antisemitismus geht.



Samstag, 13. Januar 2018
Catherine, da scheinst du etwas zu verwechseln
Hartnäckiges oder ungeschicktes Flirten ist kein Delikt, und eine Galanterie auch keine chauvinistische Aggression. Die Freiheit, jemandem lästig zu werden, ist für die sexuelle Freiheit unerlässlich.

Was mag man sich wohl unter „hartnäckigem Flirten“ vorstellen? Flirten ist etwas, das sich zwischen zwei Menschen abspielt und bei dem es nicht ausschließlich um Sexualität geht, sondern immer auch um Verliebtheit. Flirten setzt immer Einvernehmlichkeit voraus und stellt somit das Gegenteil von Belästigung dar.

Hat es tatsächlich etwas mit Flirten zu tun, wenn Harvey Weinstein eine junge Frau betatscht und vorschlägt zwecks Massage ins Schlafzimmer zu gehen? Ist es ein Flirt, wenn Dustin Hoffmann nur mit einem Handtuch bekleidet der minderjährigen Freundin seiner Tochter eine Fußmassage vorschlägt? Flirtet Steven Segal, wenn er während des Vorsprechens einer jungen Frau seine Hose öffnet? Und geht es Ben Afflek ums Flirten, wenn er einer Kollegin während der Sendung an die Brust greift?

Worum geht es Catherine Deneuve und ihren Mitstreiterinnen eigentlich, wenn sie dieses Verhalten von Männern verteidigen? Droht wirklich ein Klima der Prüderie und des Totalitarismus, wenn Männer am Arbeitsplatz nicht mehr einfach ihre Hose aufmachen oder Frauen an Brust oder Genitalien fassen dürfen? Müssen wir befürchten, dass es Männern in Zukunft unmöglich gemacht wird, eine Frau, die ihnen gefällt, zu umwerben? Darf man sich womöglich bald nur noch durch dröge Kontaktanzeigen kennenlernen?

Es scheint ein großes Missverständnis über den Begriff sexueller Freiheit zu geben. Die ist in der Tat untrennbar damit verbunden, zu flirten, zu umwerben und zu verführen. Allerdings stellt Belästigung und Bedrängung das genaue Gegenteil dar, denn auch wenn dies für Männer gleichbedeutend mit Freiheit sein mag – für Frauen bedeutet dies Zwang und Nötigung und ist somit absolut unvereinbar mit dem Begriff Freiheit.

Die #metoo-Kampagne ist keine Kampagne von Frauen, die etwas gegen Männer haben, sondern von Frauen, die selbst bestimmen wollen, wann und mit wem sie Sex wollen. Das steht sexueller Freiheit in keiner Weise entgegen, sondern ist eben gerade Ausdruck derselben. Gerade in einer Zeit, in der es eine gefährliche und zunehmende Rückentwicklung in Bezug auf Gleichberechtigung von Mann und Frau gibt, ist es wichtig, dass Frauen sich das Recht auf Selbstbestimmung nicht länger streitig machen lassen.

Wenn Catherine & Co sich unbedingt für sexuelle Freiheit starkmachen will, sollte sie eine Kampagne initiieren gegen Zwangs- und Kinderheirat, Ehrenmorde und Bedrohung und Gewalt gegen sexuell selbstbestimmte Frauen. Hier gibt es einen tatsächlichen und dringenden Handlungsbedarf und die unzähligen betroffenen Frauen haben Solidarität sehr viel nötiger als Männer in Machtpositionen, die in dem Irrtum leben, ausnahmslos jede Frau würde es genießen, von ihnen bedrängt und belästigt zu werden.



Sonntag, 12. November 2017
Ein Dialog findet nicht statt – oder warum ist Hamed Abdel-Samad kein Gesprächspartner für Ahmad Milad Karimi?
Wahrscheinlich kennen die meisten Hamed Abdel-Samad aus den Medien – ein aus Ägypten stammender in Deutschland lebender Politikwissenschaftler, über den nach seiner Abkehr vom Islam eine Fatwa ausgerufen wurde, infolge der er sich nur noch mit einem rund-um-die-Uhr Polizeischutz bewegen kann.

Weniger bekannt ist wahrscheinlich Ahmad_Milad_Karimi, ein aus Afghanistan stammender Religionsphilosoph und Islamwissenschaftler, der seit seinem dreizehnten Lebensjahr in Deutschland lebt. Ich habe erst vor kurzem von Ahmad Milad Karimi gehört, als ich mehr oder weniger zufällig in ein langes Interview auf ARD Alpha hinein zappte, das ich dann bis zum Ende verfolgte.

Auf den ersten Blick wirkt Karimi ausgesprochen weltoffen. So schildert er beispielsweise, wie begeistert er nach seiner Ankunft in Deutschland von der Lektüre deutscher und auch anderer Philosophen war und auch immer noch ist. Auch jetzt im Rahmen seiner Lehrtätigkeit legt er seinen Studenten die Werke Kants und Hegels nah.

Unausweichlich kam während des Interviews auch das Thema auf zunehmende Gewalttätigkeit vieler junger Muslime. Leider wurde meine gerade aufkeimende Hoffnung auf eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema enttäuscht. Es wurde lediglich wieder nur die falsche Auslegung des Korans sowie die mangelnde Bildung als Grund angeführt und plötzlich war nichts mehr von der eben betonten Liebe zur kritischen Denkweise zu spüren, denn Karimi betonte ausdrücklich, dass der Islam keine Aufklärung benötigen würde, die wäre nur für die spezifisch abendländische Geschichte erforderlich gewesen.

Gänzlich zerstört wurde meine Hoffnung auf eine Auseinandersetzung, als das Thema auf Hamed Abdel-Samad kam, den Karimi damit kommentierte, für ihn sei dies „kein Gesprächspartner“ und das damit begründete, Abdel-Samad würde den Koran wörtlich zitieren und somit den gleichen Fehler wie der IS machen. Zur Information: Abdel-Samad listete in einem seiner Bücher eine sehr große Anzahl von Suren auf, die direkt und unmissverständlich zur Gewalt aufrufen. Das Standartargument lautete auch bei Karimi wie immer, man dürfe den historischen Zusammenhang nicht ignorieren.

Aber was genau ist damit eigentlich gemeint? Dass damals Gewaltaufrufe entschuldbar waren, nur weil es die damalige historische Situation angeblich erforderte? Ist die Welt denn heute friedlicher und gibt es weniger Konflikte oder Verfolgung als damals? Selbst wenn dies der Fall wäre, so kann ich jeden verstehen, der mit religiösen Richtlinien ins Schleudern kommt, deren Gültigkeit willkürlich mal als immerwährend und mal als auf damalige Zeiten begrenzt angesehen werden. Damals wie heute gab und gibt es die Entscheidung zwischen Gewaltanwendung und Gewaltverzicht. Es gibt Religionen, die sich sehr klar und unmissverständlich für Gewaltverzicht entschieden haben. Selbst wenn auch deren Anhänger sich immer wieder darüber hinweg setzen, so gibt es darüber nicht die unsägliche Diskussion der falschen Auslegung, sondern man kann das Problem direkt benennen als Missachtung der religiösen Gebote.

Was bleibt von dem Interview ist die bittere Erkenntnis, dass es in Bezug auf den Islam niemals eine kritische Auseinandersetzung geben kann, weil diese immer und grundsätzlich als Angriff angesehen wird und weil – das hat Karimi äußerst klar und unmissverständlich ausgedrückt – der Islam überhaupt keiner aufklärerischen Impulse bedarf, denn er ist gut so wie er ist. Somit bleibt Karimi die Erklärung schuldig, was man denn gegen die immer massiver werdenden Gewaltexzesse tun kann, denn sein Argument der mangelnden Bildung kann man leicht mit einem Blick auf die Golfstaaten entkräften – dort wird trotz eines sehr hohen Bildungsniveaus der Islam am rigorosesten ausgelegt. Übrigens hatten auch alle an den Anschlägen des 11. September Beteiligten sowohl Abitur als auch einen Platz an der Hochschule. Und sieht man sich mal unter den Diktatoren und deren Führungsstab dieser Welt um, so waren dies bei weitem nicht alle Analphabeten.

Zurück zu der Ablehnung Hamed Abdel-Samads als Gesprächspartner. Es ist äußerst befremdlich, wenn ausgerechnet ein Religionsphilosoph die Auseinandersetzung mit jemandem verweigert, nur weil dieser eine andere Sicht vertritt. Philosophie zeichnet sich ja gerade durch das Streitgespräch und die Lust auf Auseinandersetzung aus. Mir kommt gerade der Gedanke, ob dies vielleicht auch lediglich die abendländische Variante des Verständnisses von Philosophie darstellt…