Von der merkwürdigen Asymmetrie der Beziehungen
Menschliche Beziehungen sind schon etwas Merkwürdiges. Manchmal erhält man von Menschen Hilfe oder Rückhalt, für die man noch nie etwas getan hat. Und manchmal glänzen gerade diejenigen durch Nichtreaktion, für die man sich schon oft genug ein Bein ausgerissen hat. Genauso verhält es sich mit der menschlichen Eigenschaft der Dankbarkeit. Es gibt Menschen, die für das, was man für sie getan hat, viel Anerkennung und Dank zeigen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, für die alles selbstverständlich ist. Wenn man jetzt meint, dass dies in Relation zu dem Grad des geleisteten Aufwands steht, dann irrt man. Manche Menschen nehmen schon Kleinigkeiten wahr und halten es für wichtig, ihre Anerkennung auch zum Ausdruck zu bringen. Andere wiederum halten auch den größten für sie geleisteten Einsatz für das Selbstverständlichste der Welt und würden nicht mal im Traum darauf kommen, sich dafür zu bedanken.
Nein, es gibt in menschlichen Beziehungen kein Prinzip der Gegenleistung. Es ist mehr oder weniger wie Lotterie und man kann zwar hoffen, dass man das, was man gibt, auch irgendwann einmal zurückerhält, aber es gibt keinen Rechtsanspruch.
Eigentlich muss man sich nicht beklagen, denn irgendwann kommt ja Unterstützung von jemandem und irgendwann zeigt auch jemand Dank. Aber dennoch kann ich mich des Gefühls eines bitteren Beigeschmacks nicht erwehren. Es wäre einfach schön, wenn es so etwas wie Ausgewogenheit geben würde. Ich mag sie einfach nicht, diese professionellen Nehmer. Aber ich bin auf der anderen Seite auch tief berührt von Menschen, die sich bei mir bedanken, obwohl ich eigentlich gar nichts Großartiges für sie getan habe. Genauso wie es mich berührt, wenn mir jemand, ohne dass ich darum gebeten habe, Hilfe anbietet. Menschen mit Antennen für die Gefühle anderer. Gut, dass es sie gibt.
Irgendwie sind das nicht mehr die gleichen Aussagen
„Ich kann keine Stellung zur Rolle von P. Bergoglio in diesen Vorgängen nehmen“.
P. Franz Jalics SJ
15. März 2013
„Dies sind nun die Tatsachen: Orlando Yorio und ich wurden nicht von Pater Bergoglio angezeigt“.
Franz Jalics SJ
20. März 2013
Ich verfolge nun schon einige Zeit die Einträge in Wikipedia zur Vergangenheit des neuen Papstes. Und weiß nicht so recht, was ich von den beiden Aussagen halten soll, zwischen denen ganze 5 Tage liegen.
Franz Jalics ist jemand, von dem ich tief beeindruckt bin. Gerade wegen seiner Fähigkeit des Verzeihens, zu der die meisten Menschen, wenn sie das Gleiche wie er hätten durchmachen müssen, sicher nicht in der Lage wären. Das macht ihn als spirituellen Lehrer - im Gegensatz zu vielen anderen - auch so glaubwürdig und authentisch. Ich habe Franz Jalics zwar noch nicht persönlich kennengelernt, aber ich kenne einige, die an seinen Seminaren teilgenommen haben und die meinen Eindruck bestätigen.
Und ich bin in Bezug auf Bergoglio außerdem der Meinung, dass man jemanden für einen Fehler in der Vergangenheit nicht sein ganzes Leben lang verurteilen darf. Aber ich kann mich nicht völlig des Gedankens erwehren, dass etwas jetzt einfach weggelassen wird. Und dabei wäre dies doch gerade so wichtig: zu bekennen, dass man in einer bestimmten Situation sich hinter jemanden hätte stellen müssen. Es ist doch gerade die Erkenntnis des eigenen Irrtums, die die Entwicklung eines Menschens kennzeichnet.
Persönliches und kollektives Verzeihen
Ich interessiere mich eigentlich relativ wenig für die Papstwahl, da meiner Einschätzung nach mit ziemlicher Sicherheit sowieso niemand zum Papst gewählt werden würde, der sich für entscheidende Reformen einsetzen wird. Aber da ich nun mal gerade den Laptop in Betrieb hatte, habe ich bei Ansehen der Nachrichten bei Erwähnung des Namens Jorge Mario Bergoglio diesen sofort bei Wikipedia eingegeben – und war völlig erstaunt, dass ein paar Sekunden nach Verkündigung dieses Namens automatisch zu Franziskus I weitergeleitet wurde.
Und dann schockierte es mich doch, zu lesen, dass es wohl Bergoglio war, dessen Denunziation dazu geführt hatte, dass Franz Jalics entführt und monatelang in Geiselhaft gehalten wurde.
Franz Jalics hat jahrelang an diesem Trauma gelitten und alles versucht, um die Hintergründe offenzulegen. Und er beschreibt, wie er irgendwann die Entscheidung traf, seinen Entführern und deren Helfern zu verzeihen. Und wie er daraufhin alle schon vorhandenen schriftlichen Beweismittel verbrannte. Es wird somit wohl immer im Dunkeln bleiben, welche Rolle Bergoglio tatsächlich bei der Entführung spielte. Und jemand wie Franz Jalics wird dies auch innerlich akzeptieren.
Bleibt die Frage, ob der Rest der Welt das auch tun sollte.