Irgendwie sind das nicht mehr die gleichen Aussagen
„Ich kann keine Stellung zur Rolle von P. Bergoglio in diesen Vorgängen nehmen“.
P. Franz Jalics SJ
15. März 2013
„Dies sind nun die Tatsachen: Orlando Yorio und ich wurden nicht von Pater Bergoglio angezeigt“.
Franz Jalics SJ
20. März 2013
Ich verfolge nun schon einige Zeit die Einträge in Wikipedia zur Vergangenheit des neuen Papstes. Und weiß nicht so recht, was ich von den beiden Aussagen halten soll, zwischen denen ganze 5 Tage liegen.
Franz Jalics ist jemand, von dem ich tief beeindruckt bin. Gerade wegen seiner Fähigkeit des Verzeihens, zu der die meisten Menschen, wenn sie das Gleiche wie er hätten durchmachen müssen, sicher nicht in der Lage wären. Das macht ihn als spirituellen Lehrer - im Gegensatz zu vielen anderen - auch so glaubwürdig und authentisch. Ich habe Franz Jalics zwar noch nicht persönlich kennengelernt, aber ich kenne einige, die an seinen Seminaren teilgenommen haben und die meinen Eindruck bestätigen.
Und ich bin in Bezug auf Bergoglio außerdem der Meinung, dass man jemanden für einen Fehler in der Vergangenheit nicht sein ganzes Leben lang verurteilen darf. Aber ich kann mich nicht völlig des Gedankens erwehren, dass etwas jetzt einfach weggelassen wird. Und dabei wäre dies doch gerade so wichtig: zu bekennen, dass man in einer bestimmten Situation sich hinter jemanden hätte stellen müssen. Es ist doch gerade die Erkenntnis des eigenen Irrtums, die die Entwicklung eines Menschens kennzeichnet.
Persönliches und kollektives Verzeihen
Ich interessiere mich eigentlich relativ wenig für die Papstwahl, da meiner Einschätzung nach mit ziemlicher Sicherheit sowieso niemand zum Papst gewählt werden würde, der sich für entscheidende Reformen einsetzen wird. Aber da ich nun mal gerade den Laptop in Betrieb hatte, habe ich bei Ansehen der Nachrichten bei Erwähnung des Namens Jorge Mario Bergoglio diesen sofort bei Wikipedia eingegeben – und war völlig erstaunt, dass ein paar Sekunden nach Verkündigung dieses Namens automatisch zu Franziskus I weitergeleitet wurde.
Und dann schockierte es mich doch, zu lesen, dass es wohl Bergoglio war, dessen Denunziation dazu geführt hatte, dass Franz Jalics entführt und monatelang in Geiselhaft gehalten wurde.
Franz Jalics hat jahrelang an diesem Trauma gelitten und alles versucht, um die Hintergründe offenzulegen. Und er beschreibt, wie er irgendwann die Entscheidung traf, seinen Entführern und deren Helfern zu verzeihen. Und wie er daraufhin alle schon vorhandenen schriftlichen Beweismittel verbrannte. Es wird somit wohl immer im Dunkeln bleiben, welche Rolle Bergoglio tatsächlich bei der Entführung spielte. Und jemand wie Franz Jalics wird dies auch innerlich akzeptieren.
Bleibt die Frage, ob der Rest der Welt das auch tun sollte.
Wie mögen sie sich wohl fühlen?
Ich frage mich manchmal, ob die beiden noch inhaftierten Frauen von Pussy Riot es wohl mitunter bereuen, für ihren Mut mit zwei Jahren strenger Lagerhaft büßen zu müssen.
Wie ich heute in einem Bericht im Spiegel las, wurden von Seiten des russischen Staates versucht, die Solidarität unter den Frauen zu untergraben, indem man einen Spitzel auf sie ansetzte. Und dabei wurden auch Briefe zitiert, die aus der Haft geschrieben wurden, in denen es darum geht, sich nicht in die Knie zwingen zu lassen. Eine der Frauen schrieb,, dass es das Wichtigste für sie sei, noch in den Spiegel schauen zu können.
Und an diesem Satz bin ich hängengeblieben. Ist es wirklich das Wichtigste, noch in den Spiegel schauen zu können, wenn man dafür unendlich viel Leid auf sich nehmen muss? Ob der Frau – ich glaube, es war Nadeschda Tolokonnikowa - nicht manchmal auch Zweifel kommen? Und erblickt sie im Spiegel nicht mitunter ein verbittertes und trauriges Gesicht? Bereut man es nicht mitunter doch, auf den bequemen und angenehmen Weg verzichtet zu haben, um seinen Idealen treu zu bleiben? Was die Frauen getan haben und auf sich nehmen, zeugt von großem Mut. Aber können der Mut und die Überzeugung, für die Freiheit zu kämpfen wirklich immer darüber hinweghelfen, dass zwei Jahre der Jugend gestohlen wurden?
Und auf der anderen Seite sitzt dieser erbärmliche ehemalige KGB-Leiter, der keinen Gedanken an andere Menschen verschwendet und dem es nie auf etwas anderes ankam, als seine feiste Position zu erhalten, die mit einer Fülle von Macht und Privilegien ausgestattet ist. Wie ich gerade gelesen habe, hat sich dieses Alphatier Anfang der 90er zum orthodoxen Glauben bekannt. Just nach den Umwälzung durch die Perestroika, durch die ein Glaubensbekenntnis nicht mehr mit gesellschaftlichem Abstieg verbunden war – kluges Timing.
Die Welt ist nicht gerecht und wird es nie sein. Und der ungeheure Mut der zwei Frauen, gegen Unrecht anzutreten macht sie zu Heldinnen. Aber dennoch bleibt für mich die Frage, ob es am Ende eines Lebens der Held ist oder aber der Opportunist, der etwas bereut. Ein Opportunist hat alle Vorteile genossen, die mit opportunistischem Verhalten verbunden sind während der Held durch seinen Mut auf vieles verzichten musste.
Was bleibt, ist dann nur die Sache mit dem Spiegel, in den man noch schauen kann.
behrens am 06. März 13
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