Donnerstag, 16. Februar 2012
Straf-Steuer für die genusssüchtige Party-Generation
Ich habe gerade erfahren, dass ich zur Gruppe der „Genusssüchtigen Party-Generation“ gehöre, da ich keine Kinder habe. Selbst in einer Pro- und Kontra Kolumne wird dieser Begriff tatsächlich ohne Gänsefüßchen geschrieben. Na klar, für Kinderlosigkeit gibt es nur einen einzigen Grund, nämlich Bock auf Feiern, Feiern, Feiern!

Wir – also die "genussüchtige Party Generation" – sind Schuld am Kollaps unseres Pflege- und Rentensystems. Es ist eigentlich zu dämlich um darauf zu antworten. Aber man sollte spaßeshalber mal auf dem gleichen Niveau bleiben, und kontern, dass wir – also wieder die "genusssüchtige Party-Generation" – unserem Staat auch keine Kosten für Schulen, Kindergärten, Kinder- und Erziehungsgeld, Familienhelfer, Jugendwohngruppen, Sozialpädagogen und Erzieher e.t.c. verursachen.

Aber mal im Ernst – es gibt eine Unmenge von Gründen, keine Kinder zu haben. Übrigens sind auch längst nicht alle "genusssüchtigen Partygänger" kinderlos. Und wenn der Staat mit dieser Steuer ein Zeichen setzen will, dann setzt er es auch in die Richtung der immer zahlreicher werdenden Menschen, die Kinder in die Welt setzen, ohne diese auch eigenständig und eigenverantwortlich aufziehen zu können.

Nur so nebenbei: die Rechnung, dass Eltern für jedes Kind etwa 122 000 Euro bis zum 18. Lebensjahr zahlen, trifft auf die unteren Lohngruppen nicht zu. Dort wird wohl kaum ein Betrag von rund 560,00 Euro pro Monat und pro Kind übrig sein. Aber von diesen Einkommensschichten wissen unsere Politiker ja ohnehin nicht allzu viel.



Samstag, 11. Februar 2012
The roaring seventies – Aufbruchstimmung
Manchmal wünsche ich mir die Aufbruchsstimmung der 70er wieder zurück. Die Zeit der Bürgerinitiativen, Demos und Hausbesetzungen. Diese unglaubliche Euphorie, als sich das erste Mal eine Partei gründete, deren Mitglieder Ähnlichkeit mit einem selber hatten. Keine grauen Schlipsträger, die selbstüberheblich Parolen verkündeten, an die wahrscheinlich noch nicht einmal sie selbst glaubten.

Die Grünen hießen hier in Hamburg zuerst „Die Bunten“. Und bunt waren sie auch. Anhänger der Friedensbewegung, Tierschützer, bekennende Schwule und Lesben, Feministinnen, Reformpädagogen, Atomkraftgegner, bekennende Kiffer e.t.c. Jeder der Elterngeneration hat prophezeit, dass dieser Haufen nie und nimmer an die Macht kommen würde. Mein Vater als alter SPD-ler machte mir bittere Vorwürfet, als ich die Bunten/Grünen wählte, weil ich seiner Ansicht nach damit meine Stimme an die CDU verschenken würde.

Nein, sie alle sollten Unrecht haben, die Kopfschüttler mit ihren Unkenrufen. 1983 war es nämlich soweit – die Grünen zogen ein in den Bundestag. Voller Entsetzen berieten die etablierten Parteien sofort über eine Kleiderordnung, weil sie panische Angst vor schlipslosen Politikern im Norwegerpullover hatten (die auch durchaus begründet war). Plötzlich machte es Spaß, sich Bundestagsdebatten anzusehen. Feministinnen hielten am Rednerpult Reden über Sex als Machtinstrument und Pazifisten über den Ausstieg aus der Nato. Es war irgendwie immer etwas los.

Ja, die Skeptiker hatten Unrecht mit ihrer Prophezeiung, dass die Grünen schon bald vom Erdboden verschwunden wären. Aber irgendwie trug die Prophezeiung leider doch ein Fünkchen Wahrheit in sich. Die Grünen, so wie sie vor dem Einzug in die große Politik waren, gab es tatsächlich schon nach kurzer Zeit nicht mehr.

P.S. ich würde zu gern das Video ausfindig machen, in dem gezeigt wird, wie Joschka Fischer von den Saaldiener gewaltsam aus dem Bundestag getragen wird. Aber ich finde es leider nicht - wahrscheinlich hat Herr Fischer das Video aufgekauft.



Samstag, 28. Januar 2012
Religiöse Toleranz – wenn Nathan der Weise ein Jahrhundert später gelebt hätte
Ich habe mal ein Gedankenspiel darüber angestellt, was wäre, wenn Gotthold Ephraim Lessing rund 100 Jahre später gelebt hätte, also nicht im Jahr 1729 geboren worden wäre, sondern im Jahr 1829. Er wäre dann Zeitgenosse gewesen von den Philosophen Auguste Compte (*1798), Ludwig Feuerbach (*1804) und Karl Marx (*1818). Und somit hätte Lessing in einer Zeit gelebt, in der auch drei bedeutende Religionskritiker gelebt haben.

Wenn ich mein Gedankenspiel weiter spinne, dann hätte dies auch Einfluss auf Lessings Ringparabel aus dem Werk „Nathan der Weise“ gehabt. In der Ringparabel, die ein Plädoyer für religiöse Toleranz darstellt, wäre es dann vielleicht nicht nur um die drei großen monotheistischen Religionen gegangen, sondern auch um den Atheismus. Und dies hätte eine hochinteressante Thematik dargestellt. Der Streit darüber, ob das Gottesbild seine wahre Entsprechung in der Vorstellung von Jahwe, Jesus oder Allah hat, wäre dann erweitert um die Vorstellung, dass das Gottesbild seine Entsprechung in einem Irrtum hat. Und genauso, wie die Religionen eine zweifelhafte Beweisanführung für ihre eigene Richtigkeit haben, so ist dies auch beim Atheismus der Fall.

Wenn Feuerbach formuliert, dass man erst durch die Verneinung eines Lebens nach dem Tode zur ungeteilten Bejahung des Lebens gelange, dann blendet er all jene aus, die sich trotz einer Jenseitsannahme voll und ganz dem Leben widmen (wie z.B. Ernesto Cardenal, um nur einen Namen zu nennen). Seine These wird aber auch nicht all jenen gerecht, die trotz ihrer Verneinung einer Jenseitsvorstellung auch das Leben voll und ganz verneinen, wie z.B. eben jener hier aufgeführte Auguste Compte, der versucht hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. Die marxistische These von der Religion als Opium des Volkes, mag für all jene zutreffen, die jede Ungerechtigkeit als Wille Gottes interpretieren und rechtfertigen, aber das sind nun mal nicht alle Menschen, wie man unter anderem daran erkennen kann, dass es diverse kirchliche Träger gibt, die sich konsequent für die Beseitigung von sozialen Ungerechtigkeiten einsetzen – und zwar nicht nur durch Beten oder Suppenküchen, sondern auch durch Hilfe zur Selbsthilfe und durch Mitgestaltung sozialer Strukturen.

Aber kommen wir zurück zu meinem Gedankenspiel von der Ringparabel, in der es darum geht – in sehr vereinfachter Form – welcher Weg der Richtige ist. Nathan der Weise weigert sich, eine klare Antwort darauf zu geben, was ihn eben auch als Weisen auszeichnet, denn im Gegensatz zur Ideologie bekennt sich Weisheit zu ihrem Nichtwissen. Statt einer Antwort gibt Nathan der Weise den Rat – auch das sehr vereinfacht – sich die Resultate der verschiedenen Wege anzusehen und erst dann zu entscheiden, welcher der richtige ist. Und genau dies sollte man vielleicht einfach einmal tun, man sollte sich vorurteils- und ideologiefrei ansehen, was eine jüdische, muslimische, christliche und atheistische Überzeugung aus dem Menschen als Individuum und als soziales Wesen macht. Man sollte sich die unzähligen Für und Wider vor Augen halten und sich fragen, ob denn wirklich die jeweils Andersdenkenden so viel schlechter miteinander umgehen als diejenigen, die der eigenen Überzeugung angehören.

Religionen und Atheismus (wie gut, dass es die Funktion des Fettdrucks beim Bloggen gibt…) sind von Vorurteilen geprägt gegen die jeweils Andersdenkenden. Religionen und Atheismus sind unfähig, jenseits ihrer Dogmen zu denken, wobei weder Gläubige noch Atheisten davor gefeit sind, in den Bereich der Plattitüden, Diffamierungen und Unterstellungen abzurutschen.

Warum machen wir’s nicht einfach so wie es Nathan der Weise rät? Weil wir eben nicht weise sind…