Mittwoch, 17. November 2010
Alice Schwarzer gegen Kristina Schröder – wenn man sich nichts zu sagen hat
Ein interessanter Schlagabtausch fand vor kurzem zwischen Familienministerin Kristina Schröder und Alice Schwarzer statt. Die Familienministerin erzählt im Spiegel, dass sie nie Feministin werden wollte. Ihr ging die These von der Heterosexualität, die als Unterdrückungsinstrument der Frau dargestellt wurde, immer entschieden zu weit. Alice Schwarzer kontert damit, dass sie Frau Schröder als einen hoffnungslosen Fall ansehe.

Da ist wohl auch kaum Kommunikation möglich. Die rund ein Vierteljahrhundert jüngere Familienministerin blendet den geschichtlichen Hintergrund des Feminismus völlig aus, sowie auch die Tatsache, dass sie ohne die feministische Bewegung wahrscheinlich gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, als Frau ein hohes politisches Amt auszuüben. Und Alice Schwarzer schlägt zurück, eben genau aus diesem Grund – denn fehlendes Geschichtsbewusstsein ist für sie unentschuldbar. Ein bisschen hinhören können hätte sie aber schon.

Ich stehe altersmäßig genau zwischen beiden und so ähnlich fühle ich mich auch – zwischen den Stühlen. Ich stöhne auch immer auf, wenn ich Frauen sagen höre, dass der Feminismus doch eigentlich nie nötig gewesen wäre. Aber ich habe – ehrlich gesagt – damals auch aufgestöhnt, als der Feminismus seine Dogmen darüber erhoben hat, wie Sexualität zu sein hat. Es ging sehr rigide zu und erlaubt war nur gleichgeschlechtlicher- oder Kuschelsex.

Aber wenn ich mir jetzt die Entwicklung ansehe, dann ist es zwar eindeutig so, dass alles – und wirklich absolut alles – erlaubt ist und es keine einschränkenden Normen mehr gibt. Aber auf der anderen Seite ist dadurch eben nicht die ersehnte Befreiung eingetreten, denn es gibt nach wie vor sexuellen Missbrauch, sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung. Mit anderen Worten – für viele ist Sexualität leider doch noch mit Zwang und Unterwerfung verbunden. Dann können Alice Schwarzers Thesen also doch nicht so falsch gewesen sein.

Was man darauf lernen kann? Weiß ich auch nicht so recht. Ich weiß nur, dass man vielleicht wieder anfangen sollte, Dinge zu hinterfragen und nachdenklicher umzugehen mit dem, was um uns herum geschieht. Feminismus mag anstrengend gewesen sein, aber er hat etwas bewegt und Strukturen wurden verändert oder weiterentwickelt. Davon kann in unserer jetzigen Zeit ganz bestimmt nicht die Rede sein.

Und ich habe mich gerade entschieden, demnächst mal etwas mehr zu diesem Thema zu schreiben.



Dienstag, 16. November 2010
Kopflos
Den Kopf hinhalten für jemanden.
Das habe ich oft gemacht.
Weil ich es wollte und weil es wichtig ist.
Weil man kein Tier ist,
das nur für’s Fressen lebt.
Aber jetzt werde ich müde,
für andere den Kopf hinzuhalten.
Denn das ist etwas, das auf
Gegenseitigkeit beruhen sollte.
Und ist es nur einseitig,
muss man es irgendwann lassen.
Alles andere wäre Masochismus.
Eine traurige Erkenntnis bleibt:

Es hat sich nicht bewährt.



Samstag, 13. November 2010
Potemkinsche Dörfer
Nein, ich mag sie nicht – die potemkinschen Dörfer.
Diese Dörfer, in denen niemand wohnen kann.

Die nur dem Blick aus der Ferne standhalten
Und beim näheren Hinsehen als Lüge entpuppen.

Wer nur vorbeifährt, findet sie schön.
Wer anhält, ist entsetzt.

Aber manche halten gar nicht an.
Weil ihnen der Blick aus der Ferne reicht.

Nicht weil man nicht drin wohnen kann.
sind diese Dörfer so gefährlich.

Das große Unglück besteht darin,
dass keine wirklichen Dörfer mehr gebaut werden.

Potemkinsche Dörfer nutzen niemandem.
Nur ihrem Erbauer.

Reißt sie endlich ab, die potemkinschen Dörfer.
Damit die Menschen Obdach finden.

Nein, ich mag sie nicht – die potemkinschen Dörfer.
Und ihren Erbauer noch viel weniger.