Mittwoch, 29. Juli 2009
Noch immer Salinger
Mich läßt Peter Nolls Kommentar über Salingers "Fänger im Roggen" einfach nicht los. Die ganze Thematik auf eine Kurzformel gebracht: Die viel stärkere Sensibilität der Jungen gegenüber Ungerechtigkeit, Routine, Langeweile und besonders: Lüge. Das Leben eines normalen, robusten und erfolgreichen Erwachsenen kann nur eine Lebenslüge sein.

Für mich könnte man die mehr als treffende Aussage noch erweitern um den Begriff der Mittelmäßigkeit. Erwachsenwerden heißt letztendlich, langsam an Mittelmäßigkeit zu ersticken. Sein Leben mit Bausparverträgen, Tupperware, Einbauküchen und Junggesellenabenden vermüllen. Soviel faule Kompromisse machen, daß es schon nach Verwesung riecht. Ein geordneter Messie sozusagen. Irgenwann auf einem geordnetem Müllberg zu sitzen. Von dem man die eigentliche Welt nur noch von weitem sehen kann.

Durchschnittlicher, angepaßter und feiger werden. Alles Lebendige zugunsten von völlig Überflüssigem aus dem Leben verbannen. Sich immer weniger vom Durchschnitt unterscheiden.

Nie mehr Genie sein. Nie mehr Muse. Nie mehr Heldin.



Dienstag, 28. Juli 2009
In der Hölle der Projektion
Ein Dieb glaubt, daß ein jeder stiehlt.
Edgar Watson Howe (1853-1937)

Wie recht Howe damit hat. Und seine Erkenntnis stimmt leider nicht nur in Bezug auf Diebe. Auch ein Opportunist glaubt, daß jeder seinen Vorteil sucht. Ebenso glaubt jeder Lügner, daß niemand die Wahrheit sagt. Menschen, die eine falsche Außendarstellung an den Tag legen, halten jeden für unecht.

Was würden wir nur machen, wenn wir den anderen so wahrnehmen würden, wie er tatsächlich ist? Wenn wir den Blick nicht mehr davor verbergen könnten, daß wir zwar Laster haben, aber andere nicht. Wenn wir uns schonungslos in unserer ganzen Unvollkommenheit erkennen müßten.

Dann wäre es kaum erträglich und wir müßten uns ändern.

Und deswegen ändern wir uns dann letztendlich doch nicht – weil wir alle Diebe sind, die alle anderen für Diebe halten und ständig Angst haben, bestohlen zu werden.



Mittwoch, 22. Juli 2009
Nachhilfe in Geschichte
In der letzten Woche habe ich das neue Geo-Heft „Die Deutsche Romantik“ durchgelesen. Habe in Geschichte entsetzliche Lücken (eigentlich ist es eine einzige Lücke) und das wollte ich mal wieder angehen. Auch wenn das wahrscheinlich jeder zweite hier weiß: für mich war es neu, daß Nationalgefühl eine Wurzel hat, die wenig mit dem zu tun hat, was es heute bedeutet. Statt des Sich-Erhebens über etwas war es vielmehr das Lösen von etwas – nämlich von der Abhängigkeit mächtiger Territorialfürsten.

Der Wunsch nach einer Nation war die Unzufriedenheit damit, in allen Bereichen des Lebens von irgendeinem Fürsten abhängig zu sein. Der Gründer der Jenaer Burschenschaft Karl Follen – ein Privatdozent für Jura – formuliert das auch treffend „Nieder mit Thronen, Kronen, Drohnen und Baronen“. Und Burschenschaften waren nicht wie heute Hüter uralter Traditionen sondern Wegbereiter von etwas Neuem; von Parteien, die für freie Parlamente und eine Verfassung stritten.

Der Ruf nach einer deutschen Nation war nicht in erster Linie der Schrei nach Deutschtum sondern der Wunsch nach dem Ende des Untertanentums. Freier Bürger statt höriger Untertan eines Fürsten, Grafen, Barons oder Herzogs. Garantierte Rechte statt Abhängigkeit von Willkür.

Nationalgefühl mal aus anderer Perspektive als der gewohnten.