Warum Lachen so gefährlich ist
Was ist so beunruhigend daran, wenn Menschen lachen? Lachen tötet die Furcht. Und ohne Furcht kann es keinen Glauben geben. Wer keine Furcht vor dem Teufel hat, der braucht keinen Gott mehr.
Umberto Eco aus "Der Name der Rose"

Mit dieser Aussage erklärt der blinde Mönch Jorge warum das Lachen so gefährlich ist und warum alles verboten werden muss, was mit dem Lachen zu tun hat. Und das ist auch der Grund, warum er Aristoteles‘ Werk „Die Kunst der Komödie als ein Instrument der Wahrheit“ versteckt hält und die Seiten mit Gift präpariert, um jeden Leser als Mitwisser ins Jenseits zu befördern.

Umbertos Buch spielt im Mittelalter und ich habe es vor vielen Jahrzehnten gelesen. Damals war mir nicht klar, wie zeitlos dieses Thema ist. Zuerst erinnerte ich mich an das Buch als im Jahr 2015 die gesamte Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo ermordet wurde. Die durch das Massaker verursachte Angst weitete sich sehr schnell auch außerhalb Frankreis aus: Hape Kerkeling und Jürgen von der Lippe sagen beide, dass sie öffentlich nicht zum Islam äußern werden – aus Angst. Dieter Nuhr erhielt Morddrohungen wegen eines Witzes über den Islam (ja, im Cabaret werden Witze gemacht).

Aber mittlerweile ist die in Ecos Werk thematisierte Angst vor dem Lachen längst nicht mehr nur in Verbindung mit dem fundamentalistischen Islam gegenwärtig, sondern inzwischen ist auch der ganz normale nicht-religiöse Alltag durchsetzt von der mit dem Lachen verbundenen Gefahr. Beispiele gibt es unzählige: Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“, Kramp-Karrenbauers Witz in einer Karnevalsrede über spezielle Toiletten für Diverse, Barbara Schönebergers Wortspiel über eine neue Bezeichnung für Z-Soße (ja, ich schreibe dieses Wort vorsichtshalber nicht mehr aus), Sketche von Anke Engelke oder anderen Comedians etc., in denen auch Minderheiten vorkommen.

Ja, aber ist es nicht eine positive Entwicklung, dass wir endlich bewusster werden und uns ständig gegenwärtig ist, wie benachteiligt Minderheiten sind? Es ist doch toll, dass wir nur noch dann lachen, wenn es eindeutig und ausschließlich Mehrheiten betrifft.

Es gibt und gab immer Grenzen, wenn es um Witze geht. Lachen über das Leiden anderer ist nicht witzig, sondern Verletzung und Häme. Das Problem liegt aber eben genau darin, zu bestimmen bei wem gelacht werden darf und bei wem nicht. Es hat niemanden sonderlich gestört, dass der Reporter Deniz Yücel sich über den Schlaganfall von Thilo Sarrazin lustig gemacht hat (ich bin KEIN Sarrazin-Fan) oder vor vielen Jahren Ingo Appelt einen Witz über das tragische Unglück eines russischen U-Boots machte. Man darf sich auch selbstverständlich über deutsche Dialekte lustig machen und sie imitieren, aber genauso selbstverständlich darf man dies auf keinen Fall mit Dialekten anderer Nationalitäten. Wobei auch hier wiederum niemand Anstoß daran nehmen wird, wenn es sich „nur“ um einen amerikanischen oder skandinavischer Dialekt handelt. Selbst der Comedian Kayar Yanar hat in einer Show zugegeben, dass er mittlerweile Angst hat Witze zu machen.

Das Ganze ist also viel komplizierter als es vorerst scheint. Was unterm Strich festzuhalten gilt, ist der Umstand, dass Lachen instrumentalisiert wird. „Wer hat wann wo über wen gelacht? Wer muss wegen seines Lachens bestraft werden? Wer darf für sich in Anspruch nehmen, einer Minderheit anzugehören?".

Umberto Ecos Jorge war vielleicht ein Prophet, was die Gefahr des Lachens angeht. Aber eben jenes Lachen bleibt im Hals stecken, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie Ecos Roman endet – nämlich mit dem Verbrennen der Bibliothek und deren unschätzbaren literarischen Zeugnissen.




Danke!
Ich hoffe ja immerzu, dass das alles nur eine Phase ist, so wie der erotikfeindliche 80er-Jahre-Feminismus, den ich auch praktiziert habe. Manchmal ruckeln solche gesellschaftlichen Entwicklungen sich auch auf ein vernünftiges Maß ein. Wenn nicht nur immer alle so schrecklich aufgeregt wären und sich einfach entspannten.

"Macht mehr Yoga!", möchte man ihnen zurufen. "Lächelt und atmet!"