Ein tödlicher Unfall, ein YouTube Video und der Fehler, Kommentare zu schreiben
Ja, ich weiß – es ist ein Fehler, auf einer Plattform wie YouTube Kommentare zu schreiben und ich hätte es besser wissen müssen. Worum geht es ? Um einen „Unfall“, der sich in der vergangenen Woche in Hamburg ereignet hat. Hier auszugsweise der Artikel des Abendblatts vom 26.03.2019:

"Schwerer Unfall auf der Köhlbrandbrücke. Der Tacho blieb bei 135 Kilometern pro Stunde stehen. (...)Auf der Köhlbrandbrücke in Hamburg endete ein mutmaßlich illegales Autorennen mit einem tödlichen Unfall: Bei einem mutmaßlichen Duell zweier Autofahrer hat ein 22-Jähriger am Montagabend seinen Bruder (24) totgefahren. Er starb als Beifahrer, nachdem ein von seinem jüngeren Bruder gesteuerter Audi A7 außer Kontrolle geraten war. Die Polizei stellte später fest, dass der Tacho bei Tempo 135 stehen geblieben war – in dem Moment, als das Fahrzeug mit zwei Lastern und der Betonbegrenzung der Brücke kollidierte. (…) Zeugen berichteten, dass die Fahrer Deja C. (22) und Jason C. (26) immer wieder die Motoren aufheulen ließen. „Beide sind außerdem durch mehrmalige Fahrstreifenwechsel mit überhöhter Geschwindigkeit und lautes Beschleunigen aufgefallen“, so die Polizei. Fünf Minuten später rasten die Wagen die Köhlbrandbrücke hinauf. Da verlor der 22-Jährige die Kontrolle über den Audi, der dann einen Laster touchierte, gegen die Seitenwand der Brücke und schließlich gegen einen zweiten Lastwagen geschleudert wurde. Dabei wurde die Beifahrerseite des Audi zerfetzt, der Bruder des Unfallfahrers in den Trümmern eingeklemmt.

(…) „Trotz intensivster rettungsdienstlicher Versorgung erlag der Patient an der Einsatzstelle seinen schweren Kopfverletzungen.“ Der Bruder des Toten blieb nach seiner Versorgung zunächst an der Unfallstelle. Er hatte einen Schock und leichtere Verletzungen erlitten. Auch den Fahrer des BMW trafen die Beamten am Unfallort an. Beide Männer, so stellte die Polizei fest, standen zum Unfallzeitpunkt weder unter Alkohol- noch Drogeneinfluss. Während Feuerwehrleute damit begannen, den Diesel abzustreuen, der aus dem beschädigten Tank eines der beteiligten Lastwagen lief, tauchten Angehörige auf – ein weiterer Bruder und die Eltern des Unfallopfers. Sie gaben zunächst den beteiligten Lkw-Fahrern die Schuld am Tod ihres Sohnes.

Als die Familie später in ihrer Wohnung (Wilhelmsburg) zurückkehrte, eskalierte die Situation abermals. Ein vierter Bruder verlor völlig die Kontrolle und bedrohte Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams, das die Familie betreuen wollte. Folge: Die Polizei rückte an, die Helfer brachen ihren Einsatz ab. "
https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article216749791

Ich: Das war kein tragischer Unfall, sondern ein gewissenloses und rücksichtsloses Autorennen. Also absolut einkalkuliert, dass Menschen getötet werden könnten. Normalerweise sind den Tätern die Opfer und deren Angehörige völlig egal und es wird sich bitter darüber beklagt, wenn es mehr als ein paar Monate Bewährungsstrafe gibt. Hier ist jetzt ausnahmsweise jemand aus der eigenen Sippe zu Tode gekommen und nur deswegen wird um das Opfer getrauert. Das ist nicht nur beschämend, sondern als gesellschaftliche Entwicklung schlichtweg eine Katastrophe. Auf einem anderen Kanal wurde in Bezug auf das tödliche Autorennen berichtet, dass die Familie die Lastwagenfahrer beschimpften. Das rundet dann das Bild vollends ab von einer Mentalität, die grundsätzlich die Anderen verantwortlich macht und der jegliche Eigenverantwortung fehlt. Wenn man hier von Schuld sprechen will, dann kommt man nicht umhin, die Verantwortung bei einer Familie zu sehen, die es offensichtlich versäumt hat, ihren Söhnen Sozialverhalten und Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln.
Kommentator: warst du da um das zu sagen
Ich: Nein, aber wenn jemand mit dermaßen überhöhter Geschwindigkeit auf einer öffentlichen Straße fährt (Tachostand und zahlreiche Zeugenaussagen) muss man nicht dabei gewesen sein um sagen zu können, dass es sich bei nicht um einen tragischen Unfall handelt, sondern um ausgesprochene Verantwortungslosigkeit.
Kommentator. trotzdem warst du nicht da.
Ich: Staatsanwalt, Richter und Anwalt waren auch nicht dabei und werden sich trotzdem bei dem stattfindenden Prozess mit dem "Unfall" beschäftigen.
Kommentator: trotzdem warst du nicht da also hör auf zu reden
Ich: In einer Demokratie darf man aber nun mal reden. Wenn man damit ein Problem hat, hat man immer noch die Möglichkeit, sich in eine der vielen Diktaturen zu begeben.
Kommentator: war mein halb bruder also halts maul

Eigentlich muss man nicht mehr viel dazu schreiben, denn der Kommentar spricht für sich und bestätigt haargenau das, was ich zuvor beschrieben habe: eine Mentalität, die jeden Sachverhalt einzig und allein danach beurteilt, ob jemand involviert ist, der dem eigenen Clan angehört. Und da die Clanmitglieder grundsätzlich und ausnahmslos immer unschuldig sind, werden völlig unschuldige und selbst zu Schaden gekommene Beteiligte bepöbelt, werden Hilfe anbietende Kriseninterventionsteams bedroht und jemand, der sich sachlich mit dem Thema auseinandersetzt wird beschimpft. Es macht sprachlos, wie es Menschen fertig bringen, konsequent jegliche Eigenverantwortung abzulehnen und ausnahmslos andere für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen.

Ja eigentlich muss man wirklich nicht mehr viel dazu schreiben. Außer, dass ich immer klarer erkenne, welch ungute Entwicklung unsere Gesellschaft nimmt. Schade.




Unsere Gesellschaft spaltet sich auf und ich glaube, dass wir etwas unternehmen müssen, damit die, die so große soziale Defizite haben, wieder so etwas lernen wie Mitgefühl, Vernunft, Nachdenklichkeit usw. Leider neigen die vermeintlich Vernünftigen und Empathischen aber dazu, im Kontakt mit den Rücksichtslosen hilflos mit den Schultern zu zucken und ihnen den Rücken zu kehren. Man bleibt dann in seiner sozial engagierten Bildungsbürger-Filterblase, ich auch, weil es sich einfach angenehmer anfühlt und nicht so viel Kraft aus den Knochen saugt. Wie kriegt man diesen Balanceakt hin, sich um die Feindseligen liebevoll zu kümmern, ohne selbst dabei draufzugehen?

Warum muss man sich um die Feindseligen liebevoll kümmern?

Meiner Meinung nach wird sich vielzuviel liebevoll gekümmert und vielzuwenig Grenzen aufgezeigt.

Grenzen aufzeigen ist auch eine Form des Kümmerns.

Ich glaube nicht, dass es möglich ist, Mitgefühl, Vernunft und Nachdenklichkeit zu lernen, so wie man einen Beruf oder eine Fremdsprache lernt. Diese Werte müssen in der Kindheit vermittelt und vor allem vorgelebt werden. Wenn schon in frühester Kindheit auferlegt wird, dass die Verteidigung der Familienehre das Allerwichtigste ist und wenn grausamste Bestrafung nicht nur erlaubt, sondern sogar als unantastbares und zwingend einzuhaltendes göttliches Gebot auferlegt wird, dann ist für Mitgefühl nicht nur kein Platz, sondern dann wird Mitgefühl regelrecht als Sünde gebrandmarkt. Und das absolute Kritik- und Diskussionsverbot gibt allem dann den Rest.

So schwarz sehe ich das nicht. Die Persönlichkeit wird in den ersten zwei Lebensjahren festgelegt. Alles andere, das erlernt wird, kann auch wieder verlernt werden. Ich war als Neunjährige auch eine dumm-unreflektierte Alltagsrassistin und ich kriege heute noch rote Ohren, wenn ich daran zurückdenke. Ich war trotzdem nicht ohne Mitgefühl, nicht permanent gedankenlos und bar jeder Vernunft, nur ein bisschen falsch abgebogen.

Menschen können ihr Leben lang lernen und sich verändern. Wenn man sich nur um sich selbst dreht, liegt das in der Regel daran, dass man sich so sehr um sich kümmern muss, weil es sonst keiner tut und auch nicht ausreichend getan hat. Und wenn man irgendwann das Gefühl hat, in einer Kultur kein Bein an die Erde zu kriegen, weil einem nahezu jede Chance auf echte Teilhabe verwehrt wird, sucht man Sicherheit in einer Gruppe Gleichgesinnter; das können vor lauter Angst verblendete Neonazis sein oder ethnische Clans oder auch deutsche Finca-besitzende Rentner auf Mallorca oder die linksalternative Szene im angesagten Altbauviertel, das Prinzip ist das Gleiche: Die Mehrheitsgesellschaft ist nicht einverstanden mit uns, darum tun wir uns zusammen und machen unsere eigene Gesellschaft auf, mit unseren eigenen Regeln.

Ja, ich finde auch manche kulturellen Besonderheiten von Einwanderern hochproblematisch, die kulturellen Besonderheiten meiner eigenen Gesellschaft aber gelegentlich auch. Dranbleiben, nicht aufgeben, das ist wichtig. Und wenn man es müde wird, dann kann man sich ja zum Kraft Schöpfen eine Pause gönnen. Sich was Gutes tun: ans Meer fahren, in die Sauna gehen, einen Waldspaziergang unternehmen oder sich irgendwo die Seele aus dem Leib tanzen, je nachdem, was man gerade so braucht. Manchmal muss man sich auch Luft machen und den ganzen Frust gehörig abrotzen. Nur wenn man das öffentlich tut, muss man auf der Hut sein, dass man nicht über das Ziel hinausschießt, sonst zertritt man möglicherweise viele zarte Pflänzchen, aus denen etwas Schönes hätte wachsen können.

Ich wünsche Ihnen erholsame und inspirierende Ostertage und viel Grund zur Freude und nicht so viel Ärger und positiv überraschende Begenungen mit zugewandten Menschen. Seien Sie gesegnet.

Meine Ostertage waren zwar überhaupt nicht schön und erholsam, aber die Woche davor habe ich mir eine kleine Reise gegönnt, um mal rauzukommen aus meinem verdreckten und gewalttätigen Wohnviertel. Es hat mir sehr gut getan, mal ein paar Tage in einer Umgebung ohne Geschlechtertrennung, ohne Vollverschleierung und ohne gewalttätigem Kommunikationsverhalten zu verbringen. Stattdessen sympathische Städte besichtigen, Konzerte besuchen und mit Menschen zusammenkommen, die sich nicht nur für getunte Autos, sondern auch für Kultur interessieren.

Aber ist sind eben auch immer nur ein paar Tage, dann beginnt unweigerlich der Alltag wieder. Ein Alltag, der sich nicht verändert, denn kurz nach meiner Abfahrt wurde hier wieder ein Mensch niedergestochen und lebensgefährlich verletzt.
Merkwürdig, ich fühle mich imittlerweile immer mehr in fremden Ländern zuhause, als in meiner tatsächlichen Heimat.

Das klingt in der Tat sehr frustrierend. I wohne ja auf dem Acker und arbeite in der Stadt. Bin aber auch ein Naturkind. Heute aus Rom - obwohl ich es liebe - nach Civitavecchia ans Meer geflüchtet. Morgen an den Lido di Ostia und erst dann wieder Nightlife und urbanes Treiben zum Abschluss, bevor auch mich der Alltag zurück hat. Schon mal über Umzug nachgedacht?

Im vergangenen Jahr war ich das erste Mal in Rom und war begeistert. Ich wünsche Ihnen noch schöne Tage in dieser wundervollen Stadt!

Danke. Morgen geht's schon wieder nach Verona und übermorgen nach Hause.