Wenn Gewalttäter weinerlich werden und wie man aus ihnen nachträglich Helden macht
B. aus Hamburg ist ein richtiger Mann, einer der kämpfen will. Damit fängt er schon mal in Deutschland an, vorzugsweise aus dem Hinterhalt, wo man gute Chancen hat, nicht erwischt zu werden. Dort wo die Gegner nicht in der Mehrzahl, sondern in der Minderheit sind. „Das sind nur vier Leute, die krallen wir und nach der Schule, Digga“ schreibt B. in einem Chat an seine Kumpel. Handelt es sich bei den vier besagten Leuten vielleicht um vier gemeingefährliche Killer, die grundlos Wehrlose zusammenschlagen und tyrannisieren? Irrtum – es geht lediglich um vier Schüler, die sich keines anderen Vergehens schuldig gemacht haben, als die in Deutschland geltenden Meinungsfreiheit genau dafür genutzt zu haben, wofür sie da ist – nämlich ihre Meinung frei zu äußern. Aber wie gesagt – B. ist ein richtiger Mann und als solcher kann er sich das natürlich nicht so einfach bieten lassen und plant das, was seiner Meinung nach die einzig geeignete Reaktion auf eine freie Meinung ist – einen Anschlag.
Irgendwann reicht es B. nicht mehr, nur Mollis zu werfen, er möchte dahin, wo richtig geballert wird und wo seine großen Vorbilder echte Bomben werfen. Aber womit B. dabei nicht gerechnet hat, ist die Tatsache, dass jetzt nicht mehr aus dem sicheren Hinterhalt angegriffen wird, sondern frontal. Anderen Schmerzen anzutun oder sie zu töten, stellt für B. kein Problem dar, aber jetzt dreht sich der Spieß um und es kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass ihm selbst wehgetan oder er gar getötet wird. Und da bricht dann das Bild vom mutigen echten Kerl zusammen und B. wird weinerlich und klagt bitter über die Ungerechtigkeit, die eigene Haut riskieren zu müssen. „Die schicken die Brüder einfach in den Tod!“ beschwert er sich per Video.
Beschwert sich B. darüber, dass unschuldige Menschen massakriert werden? Oder dass unschuldigen Menschen ihr Zuhause weggebombt wird und Frauen und Mädchen wie Sklavinnen gehalten werden? Fehlanzeige, er beklagt lediglich, dass die „Brüder“ in den Tod geschickt werden.
Das Ganze ist schon ekelhaft genug, aber was es unerträglich macht, ist die Umdeutung von Weinerlichkeit in Reue und Einsicht. „Trauer um den Islamisten, der mit dem IS abrechnete“ lautet der Kommentar zu der Videobotschaft von B. Eine Botschaft, in der man vergeblich nach einem Wort des Bedauerns oder eines Schuldbekenntnisses sucht, sondern B. sich lediglich wie ein kleiner trotziger Junge darüber beklagt, dass beim Kriegsspielen eben nicht nur die anderen getötet werden, sondern dies auch einem selbst passieren kann.
Ist Weinerlichkeit tatsächlich schon gleichbedeutend mit Reue? Hat man diese völlige Verdrehung von Tatsachen nicht schon zur Genüge im Dritten Reich betrieben? Als nach dem Krieg plötzlich aus jedem begeisterten Anhänger ein unschuldiges Opfer gemacht wurde, das nur durch die Schuld der anderen beim Massenmord mitgemacht hat. Muss diese unerträgliche Schönfärberei wirklich wiederholt werden?
Nein, wer sich so benimmt, sollte auch damit klarkommen, dass mit ihm auch so umgesprungen wird.
Auch wenn es in deinem Fall um einen Krieg geht.
Ich will jetzt aber über was anderes reden.
Und zwar um Opfer, die genau das gleiche machen,
was mit ihnen gemacht wurde.
(Der Begriff Opfer ist nicht negativ gemeint)
Das kenne ich nämlich zum genüge.
Dabei müsste man denken,
dass Menschen auch etwas lernen!
Ich habe das jedenfalls getan und kann mich nun etwas besser in andere reinversetzen.
Was ich aber eigentlich genauso schlimm finde sind Menschen,
die darüber reden,
wie sie andere zusammenschlagen (würden).
Dabei wissen sie wahrscheinlich ganz genau,
dass sie weglaufen würden,
wenn jemand sie schlüge,
anstatt demjenigen alle Knochen zu brechen,
wie sie es dann vorgeben.
Denken so Menschen denn gar nicht nach?
Darüber, dass die Person vor der sie prahlen möglicherweise verlangen würde, dass sie ihr "Können" zeigen?
Aber wahrscheinlich nicht.
Bei manchen Menschen denkt man doch,
dass deren Gehirn einer verschrumpelten Rosine gleichen muss.
~N.
Nein, wer sich so benimmt, sollte auch damit klarkommen, dass mit ihm auch so umgesprungen wird.
Auch wenn es in deinem Fall um einen Krieg geht.
Ich will jetzt aber über was anderes reden.
Und zwar um Opfer, die genau das gleiche machen,
was mit ihnen gemacht wurde.
(Der Begriff Opfer ist nicht negativ gemeint)
Das kenne ich nämlich zum genüge.
Dabei müsste man denken,
dass Menschen auch etwas lernen!
Ich habe das jedenfalls getan und kann mich nun etwas besser in andere reinversetzen.
Was ich aber eigentlich genauso schlimm finde sind Menschen,
die darüber reden,
wie sie andere zusammenschlagen (würden).
Dabei wissen sie wahrscheinlich ganz genau,
dass sie weglaufen würden,
wenn jemand sie schlüge,
anstatt demjenigen alle Knochen zu brechen,
wie sie es dann vorgeben.
Denken so Menschen denn gar nicht nach?
Darüber, dass die Person vor der sie prahlen möglicherweise verlangen würde, dass sie ihr "Können" zeigen?
Aber wahrscheinlich nicht.
Bei manchen Menschen denkt man doch,
dass deren Gehirn einer verschrumpelten Rosine gleichen muss.
~N.
Das steckt in uns drin, der Wunsch nach Genugtuung, nach Rache. Nur, wer die Folgen seines Handelns antizipert, seine Gewaltimpulse in einem Gesamtzusammenhang betrachtet, kann erkennen, dass er diesen Wunsch besser nicht erfüllt. Haben Sie mal die Verfilmung der Milennium-Trilogie von Stig Larsson gesehen? Da wird man mit seinen eigenen Abgründen konfrontiert. Ich saß vor dem Fernseher und habe Lisbeth Salander innerlich angefeuert. Ich konnte nicht anders. Ich glaube aus diesem Wunsch, dass die vermeintlich bösen bestraft werden, haben die Menschen sich die Hölle ausgedacht. Versuchen wir doch, sie zu überwinden.
Ich würde sogar sagen ... dass die vermeintlich Bösen VON UNS bestraft werden ... damit hat dann jeder von seinem Standpunkt aus gesehen das Recht, die anderen zu bestrafen ... ;-)
behrens am 28.Apr 17
|
Permalink
Ja, ich habe auch die Millennium-Trilogie von Stieg Larsson gesehen und bei manchen Szenen habe ich leider auch so etwas wie Genugtuung empfunden, nämlich immer dann, wenn jemand, der anderen erhebliches Leid zugefügt hat, seine „verdiente“ Strafe erhielt. Rache ist die dunkle Seite des Menschen, vor der er immer auf der Hut sein muss. Deswegen sollte man sie auch weder durch politische noch durch religiöse Ideologien rechtfertigen, sondern eindeutig Position gegen sie beziehen. Ein klares "Nein" also beispielsweise zur Todesstrafe, Scharia, Willkürjustiz und Verfolgung Andersdenkender.
Obwohl Rache immer eine menschliche Schwäche darstellt, macht es für mich dennoch einen Unterschied aus, ob jemand sich für erlittenes Leid rächt, oder ob jemand schlichtweg Spaß an Gewalt hat. Wenn Menschen Spaß daran haben, völlig Unschuldige zu töten, die ihren niemals etwas getan haben, geht es nicht um Genugtuung für erlittenes Leid, sondern um Spaß am Leiden anderer. Dabei sehe ich auch keinen wesentlichen Unterschied zwischen einem Kapo, der auf einen KZ-Häftling einprügelt und jemanden wie der im Beitrag beschriebene B., der Freude daran hat, ihm völlig unbekannte Menschen zu massakrieren. Niemand käme auf die Idee, einen Kapo nachträglich zum Helden zu machen, wenn dieser irgendwann zu der Erkenntnis gekommen wäre, dass auch er letztendlich nur ein Rädchen im Getriebe war. Und aus dem gleichen Grund sollte man auch davon absehen, einen Menschen, der nach wie vor großen Spaß an Gewalt hat, nachträglich zum Kämpfer gegen das Unrecht zu verklären. Angesichts der sich zuspitzenden Gewaltspirale stellt das alles andere als einen konstruktiven Beitrag zur dringend erforderlichen Suche nach Lösungen dar und ist darüber hinaus auch eine Verhöhnung der Opfer.
behrens am 28.Apr 17
|
Permalink
...Opfer, die genau das gleiche machen, was mit ihnen gemacht wurde.
Die Menschheitsgeschichte ist leider voll von diesem schrecklichen Prinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Das Gemetzel der französischen Revolution, die russischen Gulags, die Siedlungspolitik des Staates Israel, man könnte noch jede Menge andere Beispiele nennen, wo Menschen andere genauso behandeln, wie sie einst selbst behandelt wurden. Aber man muss gar nicht in die Politik schauen. Viele Eltern, die als Kind verprügelt wurden, prügeln später ihre eigenen Kinder.
... und überall auf der Welt, dass Tatsachen verdreht werden, so dass es sich mit der eigenen Vergangenheit besser leben lässt. Dafür hatten die Nazi-Deutschen wirklich nicht das Monopol.
Was ich viel schlimmer finde ist, dass die Fremdenfeindlichkeit wieder so überhand nimmt, und zwar in ganz Europa. Sobald man um den eigenen Toaster besorgt ist, wird ein Feindbild gesucht und gefunden. Zum Kotzen ist das, die Menschheit lernt niemals. Wir sind schon wieder voll auf dem Weg in die Faschisten-Scheisse, wo die Polizei wie Militär bewaffnet wird. Auch im gemütlichen kleinen Dänemark ist es nicht anders.