Was vom Feminismus übrig blieb – oder wofür haben wir eigentlich gekämpft?
Es gibt Dinge, die hätte ich als Teenager für völlig unmöglich gehalten. Es geht um Dinge, die hart erkämpft wurden und von deren ewiger Existenzberechtigung ich damals felsenfest überzeugt war, aber die jetzt immer öfter in Frage gestellt werden.

Als ich Kind war, gab es noch den sogenannten Kuppeleiparagraphen, der es unter Strafe stellte, wenn ein unverheiratetes Paar gemeinsam in einer Wohnung nächtigte. Kein Sex ohne Heirat – und falls doch, dann musste zumindest ein Verlobungsring vorhanden sein, was jedoch noch keine Garantie darstellte, sondern vom Wohlwollen des Vermieters oder Hotelbesitzers abhing. Wobei betont sei, dass die gesellschaftliche Beurteilung gegenüber Männern weitaus milder ausfiel als gegenüber Frauen. Das wurde unter anderem deutlich an dem merkwürdigen Gesetz des sogenannten „Kranzgeldes“, bei dem es sich um eine finanzielle Entschädigung handelte, die einer „unbescholtenen“ Verlobten von ihrem Verlobten gezahlt werden musste, falls es doch nicht zur Heirat kam und sie keine Jungfrau mehr war, wodurch sie quasi an „Wert“ eingebüßt hatte. Homosexuellen ging es noch schlechter, denn bis Ende der Sechziger Jahre gab es den Paragraphen 175, der Homosexualität unter Strafe stellte.

Im Schulsystem sah es auch nicht viel besser aus, auf den Haupt- und Realschulen gab es bis Mitte der Siebziger tatsächlich noch die Aufteilung in Koch- und Werkunterricht, der selbstverständlich nicht frei gewählt werden konnte, sondern durch die Geschlechtszugehörigkeit bestimmt wurde. Meine Schwester besuchte noch ein sogenanntes Mädchengymnasium, in dem es keine Jungen gab. Berufsausbildungen waren in vielen Bereichen stark nach Geschlechtern getrennt (was übrigens auch jetzt noch der Fall sein kann). Es gab keine Malerinnen, Tischlerinnen oder Automechanikerinnen und auf der anderen Seite gab es für typisch weibliche Berufe wie Kindergärtnerin oder Arzthelferin noch nicht einmal eine männliche Bezeichnung.

Aber dann ging ein Ruck durch die Bundesrepublik und es wurde heftig und lautstark gekämpft sowohl gegen die starren Geschlechtsrollen als auch gegen die sexuelle Zwangsmoral. Ich selbst war in den Anfängen dieser Zeit noch ein Kind, aber als Teenager habe ich bereits profitiert von dem gewaltigen gesellschaftlichen Umschwung. Vieles fiel dabei nicht in den Schoß und musste hart erkämpft werden. Als Mädchen abends oder sogar nachts allein auszugehen war beispielsweise längst nicht selbstverständlich und war nicht selten mit Hausarrest oder Schlägen verbunden. Dennoch haben sich die meisten Mädchen und junge Frauen davon nicht abschrecken lassen. Denn ist ging um nicht mehr und nicht weniger als um das Recht auf Selbstbestimmung.

Hätte mir damals jemand gesagt, dass die hart erkämpften Rechte jemals wieder in Frage gestellt werden würden, dann hätte ich ihm nie und nimmer geglaubt. Wäre mir damals beispielsweise davon erzählt worden, dass es Jahrzehnte später allen Ernstes wieder Eltern gibt, die ihren Töchtern die Teilnahme an Klassenfahrten oder am Schwimmunterricht verbieten, hätte ich demjenigen einen Vogel gezeigt. Was ich mit absoluter Sicherheit für einen Witz gehalten hätte, wäre der Umstand, dass man sich im Internet künstliche Jungfernhäutchen bestellen kann. Und es hätte in mir entsetzte Ungläubigkeit ausgelöst, dass es Mädchen gibt, die von ihren Brüdern zusammengeschlagen werden, wenn sie selbstbestimmt leben wollen. Den Begriff des „Ehrenmordes“ hätte ich damals überhaupt nicht verstanden (was heute nicht unbedingt anders ist), da ein Mord definitiv nichts mit Ehre zu tun haben kann. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass es einmal einen Silvesterabend geben würde, an dem sich Männer zusammenrotten, um Frauen wie Vieh in die Enge zu treiben und sexuell zu missbrauchen, dann hätte ich dies für einen geschmacklosen Scherz gehalten. Als genauso abwegig hätte ich es empfunden, dass es einen Mordaufruf zur Folge haben könnte, wenn ein Schriftsteller in literarischer Freiheit über die homosexuellen Gefühle eines Religionsstifters schreibt.

Ich war wohl sehr naiv in meinem Glauben, dass gesellschaftliche Errungenschaften wie Gleichheit und Selbstbestimmung nicht so einfach in Frage gestellt werden können. Ja, es stimmt – wir haben eine Bundeskanzlerin und sogar eine Verteidigungsministerin und an den Hochschulen studieren in vielen Fachbereichen mittlerweile sogar mehr Frauen als Männer. Aber was ändert dies daran, dass jetzt wieder Geschlechterapartheit gefordert wird und das Recht auf die weibliche Selbstbestimmung in Familie, Ausbildung und Öffentlichkeit mit allen Mitteln verteufelt wird?

Wollen wir wirklich wieder in diese dunklen Zeiten zurück? Bestimmte Menschen scheinen genau dies zu wollen. Vielleicht könnte ich dies noch verstehen, denn wenn man über die eigenen Grenzen hinausschaut, wird offensichtlich, wie viele Menschen diese Wertsysteme vertreten und niemand kann sich anmaßen, zu bestimmten, welche Wertsysteme denn nun die besten sind. Allerdings werde ich nie verstehen, warum jetzt ausgerechnet diejenigen Verständnis für den Rückschritt zu den alten Zeiten einfordern, die bisher vehement freiheitliche Werte verteidigt haben. Dieselben Menschen, die früher vehemt gegen Geschlechterapartheit und sexuelle Zwangsmoral gekämpft haben, verharmlosen diese jetzt im Namen der Toleranz. War das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wirklich nur eine Episode?

Um Frage der Überschrift dieses Beitrags zurückzukommen, was übrig blieb vom Feminismus, so könnte es bald vielleicht nicht viel mehr sein, als eben die Bundeskanzlerin und die Verteidigungsministerin. Wir werden höchstwahrscheinlich nicht so enden, wie in Michel Houellebecqs “Unterwerfung”, aber wir sind aus vielerlei Gründen ähnlich mit ideologischer Blindheit geschlagen, wie es von ihm beschrieben wird.




So schwarz sehe ich die zukunft nicht.
Mal abgesehen davon, dass die meisten gesellschaftlichen Entwicklungen sich nach dem Prinzip zwei Schritte vor ein Schritt zurück vollziehen,weil es auch immer um konkurrierende Interessen geht und sich diese Entwicklung auch leider beim Feminismus zeigt, halte ich Ihre Bewertung des Umgangs mit den in unserer Gesellschaft wenig kompatiblen kulturellen Besonderheiten mancher Einwanderer für überängstlich. Sicher haben Sie in manchen Fällen Recht, aber ich habe nicht den Eindruck, dass Politikerinnen und Politiker, die für Feminismus, Diversität etc. eingetreten sind, plötzlich alles der Toleranz gegenüber einer einwandernden Minderheit opfern. Vielleicht sind sie einfach nur vorsichtig, wollen vermeiden, dass eine Hexenjagd einsetzt, wollen ein gesundes Zusammenwachsen der unterschiedlichen Kulturen fördern, denn das braucht Zeit und geht weder mit Gewalt noch im Schnelldurchlauf. Wir beide haben das ja auch schon mal im blog "Aus Sicht einer Frau" diskutiert. Ich bin auch nicht bereit, nur einen Millimeter der Errungenschaften der feministischen Bewegung preiszugeben. Ich will mich nicht einschränken lassen und will auch nicht, dass meine Tochter das muss. Ich will auch nicht, dass Frauen und Töchter von Einwanderern gezwungen werden, sich einer Minderheitskultuer anzupassen, nur weil ihre stolzen Väter, Brüder oder Ehemänner das so wollen. Aber diese Männer sind keine Monster sondern Kinder ihrer Kultur. Die ändern sich nicht von Heute auf Morgen. Ich bin auch nicht zeternd aus dem Haus gelaufen, als meine Mutter mir als 22-Jähriger verbieten wollte, bei einem gemeinsamen Besuch mit meinem Freund mit eben diesem in einem Bett zu schlafen. Ich fand ihr Benehmen unmöglich und unterirdisch, aber sie ist meine Mutter und ich wollte mich nicht mit ihr überwerfen. Sie stammt eben auch aus einer viel älteren Generation als die Mütter meiner Freundinnen und Freunde. Heute lachen wir beide über diesen Vorfall und ich denke es braucht ein bisschen Geduld und gegenseitigen Respekt, wenn sich da etwas in die richtige Richtung entwickeln soll. Knallharte Gesetze verhärten nur die Fronten und führen zu dem verdammten Terror, den wir jetzt überall in der Welt erleben. Es wird auch wieder zwei Schritte voran gehen mit dem Feminismus, da bin ich ganz zuversichtlich, es gibt einfach zu viele schlaue, gebildete Frauen, als dass die Jungs uns langfristig noch einmal in die Tasche stecken könnten. Nur Mut ;-)

Ich möchte den Vergleich mit "zwei Schritte nach vorne, ein Schritt zurück" aufgreifen.

In meiner Wahrnehmung sind es zwanzig Schritte zurück. Oder mehr... Eigentlich bin ich nicht sicher, ob wir überhaupt je in der europäischen Geschichte so weit zurück waren. In meiner Stadt kann man ab und zu Frauen im Nikab sehen, und das ist auf der Skala der Frauenrechte ein Tiefpunkt, den Europa noch nicht erlebt hat.

Manchmal sehe ich in der Klinik Frauen, die beschnitten wurden und die aus diesem Grund einen geplanten Kaiserschnitt bekommen, weil wir Angst haben, dass die Frau verbluten kann, wenn das narbige Gewebe während der Geburt reisst. Auch Mädchen, die hier geboren sind, und die entweder in Deutschland beschnitten wurden oder zu diesem Zweck eine kleine Reise in die alte Heimat mit den Eltern unternehmen mussten (welche Variante die richtige ist, wird mir nicht gesagt). Auch das ist für mich nicht "ein Schritt" zurück. Wenn es nur die zugewanderten Frauen wären, könnte ich mich freuen, dass sie jetzt in Sicherheit sind, und dieses Leid ihren Töchtern erspart bleiben wird. Aber es ist nicht so. Die Traditionen sind zu stark dafür.

Meine Cousine aus London hat eine Freundin auf der Arbeit, die sich mit ihren Geschwistern nach dem Tod der Eltern an das Sharia-Gericht wand (diese fungieren offiziell als Schlichtungstellen oder Beratungsinstitutionen und werden als "sharia court" bezeichnet). Im Endeffekt hat sie die Hälfte des Anteils ihres Bruders bekommen; ist aber davon überzeugt, dass es richtig war, und kann es sogar ganz logisch erklären.

Jede von uns hat sich bestimmt mal mit ihrer Mutter/ihrem Vater gestritten, weil uns deren Regeln zu strikt vorkamen. Meine Erfahrungen mit den Mädchen und jungen Frauen, über die Frau Behrens schreibt, lassen sich aber damit kaum vergleichen - bzw. ich würde damit diesen Frauen Unrecht tun, weil es deren zum Teil unerträgliche Situation nur verharmlosen würde. Es gibt hier in Deutschland im Jahr 2017 Mädchen, die krankenhausreif verprügelt werden, weil ein Cousin eines Bekannten einer Tante sie angeblich mit einem Jungen mal gesehen haben soll. Ich kann die Kontrolle, die die Community über solche Mädchen ausübt mit keinen mit bekannten Erfahrungen vergleichen.

Fast vergessen: ein toller Beitrag!

Liebe Aus-Sicht-Einer-Frau!
Es erscheint tatsächlich, als gehe man 20 Schritte zurück, wenn offenbar wird, dass in diesem Land sogar Genitalbeschneidungen stattfinden. Aber das ist ja nicht so, weil wir Deutschen so unheimlich locker und tolerant sind, sondern weil Menschen, die das aus ihrem Land so kennen und für richtig halten, meinen sie könnten das hier so weiterführen. Ich sehe eher, dass es ein Schritt nach vorn ist, dass hier vehement dagegen vorgegangen wird und dieses Vorgehen auch in die Herkunftsländer wirken kann. Ich habe mal einen Beitrag gesehen, in dem die Männer eines traditionellen afrikanischen Stammes mit den Folgen der weiblichen Genitalbeschneidung konfrontiert wurden. Sie haben geweint und sofort etwas unternommen, damit das aufhört. Die Frauen haben vor allem daran festgehalten, weil sie glaubten, das müsse eben so sein, sie hatten es ja auch überlebt. Die Männer haben sich nicht darum gekümmert. Es braucht immer einen Aufschrei, damit sich etwas ändert. Aber es tut sich doch was. Nur leider kann man nicht einfach einen Hebel umlegen und sofort wird alles gut.

@c.fabry: ich wäre froh, wenn ich mit meiner Einschätzung falsch liegen würde, aber meine Erfahrungen sprechen leider gegen allzu viel Optimismus.

Ich möchte auf Ihre Formulierung eingehen: „es braucht ein bisschen Geduld und gegenseitigen Respekt, wenn sich da etwas in die richtige Richtung entwickeln soll“. Was ist denn die richtige Richtung? Nach abendländischen Maßstäben gehören dazu sicherlich unter anderem der Grundsatz der Gleichberechtigung sowie der Grundsatz der Selbstbestimmung. Aber unsere Wertmaßstäbe müssen nicht zwangsläufig die der restlichen Welt sein. In manchen Kulturen wird es als existentieller und unbedingt zu erhaltender Wert angesehen, dass Männer und Frauen geschlechtsspezifische Pflichten und Rechte haben, dies ist gleichbedeutend mit einer natürlichen (gottgegebenen) Ordnung, die nicht abgeändert werden darf, wenn die Welt nicht in Chaos und Gottlosigkeit versinken soll. Das mag für Sie und mich und viele andere völligen Unsinn bedeuten, aber für sehr viele Menschen ist dies ein wesentlicher Teil ihrer Identität.

Hierzu möchte ich einen Iman zitieren, der zu diesem Thema in einer Diskussion sinngemäß Folgendes äußerte: „Geht es dem Abendland wirklich so viel besser in einer Gesellschaft, in der es immer normaler wird, dass Kinder ohne familiären Zusammenhalt aufwachsen und oftmals Frauen allein die Kinder aufziehen müssen? Der Preis der Freiheit ist eine Gesellschaft, in der sich zunehmend Menschen in Drogenkonsum flüchten und sich nicht mehr um ihre Familienangehörigen kümmern.“ So völlig von der Hand zu weisen ist dieses Argument nicht.

Der westliche Lebensstandard mit seiner sozialen Absicherung, ausreichender medizinischer Versorgung und Schutz vor staatlicher Willkür wirkt auf viele Menschen aus anderen Kulturen attraktiv, was auch durchaus verständlich ist. Ich hatte beispielsweise schon so manchen älteren Klienten, der seinen Lebensabend zwar sehr viel lieber im Heimatland verbringen würde, aber aufgrund der weitaus besseren medizinischen Versorgung doch lieber hierbleibt. Das muss aber noch lange nicht heißen, dass dadurch auch Werte wie Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit übernommen werden. Die Demonstration von 40.000 Türkischstämmigen in Köln für einen Diktator wie Erdogan macht dies leider sehr deutlich.

@aus-sicht- einer frau: Ich sehe diesen riesigen Unterschied in Bezug auf die Angst vor der Bestrafung durch die Familie auch. Es gibt überall auf der Welt Probleme, wenn Kinder ihren eigenen Weg gehen wollen und die Eltern dies notgedrungen akzeptieren müssen. Aber nicht in jeder Kultur lösen Mädchen, die sich dem elterlichen Willen widersetzen ein furchterregendes Ausmaß an Gewalt aus. Auch in Deutschland galt beispielsweise früher ein nichteheliches Kind als ein moralisches Vergehen. Aber es wäre undenkbar gewesen, dadurch einen Mord zu rechtfertigen. Die Wertehierarchie war entgegengesetzt – natürlich wurde und wird ein Mord als ungleich schlimmeres Vergehen angesehen als ein nichteheliches Kind. Als die junge Morsal Obeidi von ihrem eigenen Bruder wegen ihres angeblich „westlichen Lebensstils“ umgebracht wurde, wurden junge Muslime nach ihrer Meinung zu dem Mord befragt. Die meisten antworteten, dass Morsal selbst schuld gewesen sei, der Bruder hat nur das getan, was getan werden muss.

Ich teile Ihre Ansicht, die Sie schon des Öfteren in Ihrem Blog formuliert haben, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Ich habe schon vor längerer Zeit einmal meinem Ärger hier ein wenig Luft gemacht, indem ich mir erlaubt habe, ein paar Begriffe in einen Text von Bushido umzubenennen. Ich weiß, dass man so einem Idioten eigentlich keine Aufmerksamkeit schenken sollte, aber immerhin ist ihm ja ein Preis für Integration verliehen worden.

Liebe Frau Behrens,
die identitätsstiftenden Wertmaßstäbe, die von etlichen Einwanderern mitgebracht werden, haben in diesen Breitengeraden doch auch jahrhundertelang gegolten und sind letztendlich überwunden worden. Ich halte es da mit Charlie Marx, dass die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, oder um es universeller auszudrücken, eine Geschichte von Konflikten, in denen die Unterlegenen gegen die Überlegenen aufbegehren, in denen Unterdrückte sich befreien. Warum sollte das mit Eingewanderten des 21. Jahrhunderts anders laufen als mit den Familien die in den 60er und 70er Jahren hier her gezogen sind? Jajaja, ich weiß, der globale Kointext ist ein anderer, viele Konflikte haben sich verschärft, ich male auch nicht das Regenbogenland, aber ich glaube, langfristig werden die Niqabs und Tschadors weitestgehend verschwinden. Ein paar werden bleiben. Nonnen gibt es ja auch noch.
Das Argument des Imam bzgl. unseres Werteverfalls kann ich nicht mehr hören. Natürlich ist es schlimm, wenn Frauen alles allein stemmen müssen und Kinder in ständig wechselnden Beziehungen aufwachsen. Aber es ist auch schlimm, wenn die eigene Mutter die ganze Kindheit hindurch geschlagen wird, wenn Eltern sich hassen und in ihrer Auswegslosigkeit schlimme psychische Störungen entwickeln. Als wenn es in den Heimatländern der Imame weniger menschliches Leid gäbe. Man kann eben nicht alles haben. Irgend ein Elend gibt es immer.
Im übrigen glaube ich, dass wir die Dinge nicht so unterschiedlich sehen. Hätte ich einen anderen Gesprächspartner, würde ich vermutlich ihre Argumente hinzuziehen. Es bleibt schwierig. Ach und Bushido ist ein blöder Flachwichser und wenn ich ihn damit öffentlich diffamiere ist er eben selber schuld, was stellt er sich auch in die Öffentlichkeit und belästigt uns mit seiner Verbaldiarrhoe. Ich verstehe auch nicht, warum diese hirnlose Testosteronschleuder auch nur einen ernstzunehmenden Preis gewinnt. Insofern haben Sie schon Recht, dass Sexismus gegenüber Frauen notfalls auch einfach mal egal ist. Während der gegenüber Männern schnell für Empörung sorgt.
Und jetzt höre ich auf, Ihren Blog vollzuspamen. Sorry.

Was für eine interessante Diskussion!

Ich habe große Zweifel, ob man die in der 60er Jahren angekommenen Migranten wirklich pauschal als gut integriert bezeichnen kann. Es kommt wahrscheinlich darauf an, aus welchem Kulturkreis sie kamen und ob sie nach Ankunft in Deutschland in Minderheit waren - und sich somit integrieren mussten - oder nicht. Wir kommen bei der Integrationsdebatte nicht drum herum, klar zu benennen, dass es um die Menschen aus den muslimisch geprägten Ländern geht. Weder Vietnamesen noch Russen oder Polen fallen in dieser Debatte dermaßen negativ auf. Eigentlich fallen sie überhaupt nicht auf bzw. es gäbe gar kein Bedürfnis, irgendeine Debatte oder Talkshow zum Thema Integration zu halten, wenn es um diese Gruppen ginge (ich spreche bewusst nicht über Probleme mit Kriminalität etc. - es geht mir ausschließlich um das, was wir unter kultureller Integration verstehen).

Ich habe das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren die Zuwanderer nicht an die Mehrheitsgesellschaft anpassen, im Gegenteil: viele entfernen sich mehr und mehr von ihr. Ich würde hier die Einflüsse aus der alten Heimat vermuten: sowohl die Türkei, als auch die arabischen Länder werden in der letzten Zeit konservativer und religiöser. Wir Europäer gehen immer davon aus, dass - wenn man den Menschen genug Zeit gibt - alle irgendwann erkennen werden, dass "unsere" Werte (Demokratie, Menschenrechte, Toleranz, Recht auf Selbstbestimmung, Stärke des Indviduums und nicht des Kollektivs) die besten sind und diese dann angenommen werden. Ich habe - wie wahrscheinlich jeder der in arabischen Ländern früher gelebt hat - während des Arabischen Frühlings mitgefiebert und war davon überzeugt, dass sich die Menschen dort nichts anderes wünschen als ein bisschen mehr Freiheit - sexuell, politisch, intelektuell. Seitdem hat sich aber die Lage nur verschlechtert. Meine Großmutter zeigte mir wunderschöne Fotos aus Kairo, auf denen man sehr westeuropäisch gekleidete Frauen sah. Als ich in Ägypten lebte, trugen die meisten Frauen ein Kopftuch, aber immer wieder konnte man eine Frau ohne sehen. Vor ein paar Wochen erzählte mir eine Freundin, dass sie letztens bei einem Besuch in Kairo keine einzige Frau ohne Kopftuch sah und sich nichts anderes wünschte, als ein Nikab zu tragen. Sie wollte einfach aus der Öffentlichkeit, besonders in den Bussen/U-Bahn, als Frau verschwinden. Ich kann das nachvollziehen, denn ich empfand das Miteinander auf der Straße in den arabischen Großstädten als extrem sexualisiert, auf eine sehr unangenehme Weise - das hat sich aber offensichtlich noch verschlechtert. Ihre ägyptische Schwiegermutter, die - den Fotos nach zu urteilen - früher eine sehr moderne Frau war, trägt heute ein Nikab und verlässt selten das Haus.

Ich habe eher den Eindruck, dass diese Länder - und damit leider auch ein Teil "unserer" Migranten - rückständiger und konservativer werden.

Vor einiger Zeit hat mir ein Freund aus London (selbst Muslim) erzählt, dass es eine Stadt in England gibt, die fast ausschließlich wohl situierte Muslime als Einwohner hat. Ich habe dazu einen Artikel gefunden: hier der Link. Finanziell geht es den Menschen dort sehr gut, und trotzdem entwickelte sich dort eine Gesellschaft, die mit unserem Verständnis der Frauenrolle absolut keine Gemeisamkeiten hat. Das fand ich ziemlich erschreckend, weil das Argument der Armut und Bildungsferne hier nicht greift. Die Menschen wollen einfach so leben.

Ich habe mir den Artikel durchgelesen
Zuallererst steht da:
"The findings came as a shock to everyone except the people of Blackburn.
Some areas of the town are 95 percent Asian and some shopkeepers have never served a white person."

Es sind also nicht 95% Moslems in der ganzen Stadt, sondern in bestimmten Teilen der Stadt.

Das mit den "nasty bits" in der Bibel stimmt völlig. Und die Bemerkung des Authors:
"I tell him I'm an atheist and it's not my Bible, though I take his point, but I add that no-one in the West uses the 2000-year-old Bible as a working guide to modern life the way the Koran seems to be used as, or at least deferred to, in some Muslim circles."
zeigt, dass er nicht so ganz informiert ist. Zählt Amerika nicht auch zum Westen? Aber selbst wenn man auf dieser Seite des Ozeans bleibt, gibt es erz-konsevative christliche Gruppen. Es gibt Leute, die das Schlagen ihrer Kinder mit einem Zitat aus der Bibel begründen, irgendwas mit "wen Gott liebt, den züchtet er" und das wird dann umgebogen in "den man liebt, züchtet man". Es gibt da noch eine Menge mehr Beispiele. In Amerika gibt es viele christextreme Gruppen, die auch vor Gewaltätigkeit nicht zurückschrecken.

Und die Nichtachtung oder Ringachtung von Frauen ist in meinen Augen auch in weiten Teilen der männlichen Bevölkerung Europas verbreitet. Das zeigt sich in Gewaltätigkeit in Ehen, die durchaus nicht abgenommen hat, in Dänemark ist Platzmangel in den Frauenhäusern, darin, wie Handwerker, Service-Personal u. ä. Frauen und Männer unterschiedlich behandeln. Bei Ersteren meinen sie, man könnte sie übers Ohr hauen, weil die ja keine Ahnung haben oder man nimmt sich Frechheiten heraus.

Wir sind noch weit von einer wirklichen Gleichberechtigung entfernt. Das gibt es auf dem Papier, aber nicht in den Gehirnen der Menschen.

Hallo @c.fabry: ich empfinde Ihre Beiträge absolut nicht als Spam! Das Thema ist viel zu wichtig, als dass man dazu schweigen sollte. Und bisher ging es ja ohne Beleidigungen vor sich, was leider oftmals nicht der Fall ist. Meist ist die Wahrheit ja irgendwo in der Mitte zu finden, so dass es wichtig ist, sich mit Gegenargumenten auseinander zu setzen.

Hallo @aus-sicht-einer-Frau: ich bin genau wie Sie skeptisch, was das Thema Integration angeht. Um mich dabei nicht im Kreis zu drehen, versuche ich auch, mich in die Situation derer zu versetzen, von denen man Integrationsbereitschaft erwartet.

Ich glaube, dass man niemals davon ausgehen darf, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen identisch wiederholen. Reformation, Aufklärung und nicht zu vergessen die 68er Bewegung haben die westliche Welt verändert und geformt. In der orientalischen Welt wird der Islam als die entscheidende Reform angesehen, die die Gesellschaftsstruktur positiv veränderte. Das Abendland setzt seine Werte genauso als absolut wie der Orient. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass sich auch der Orient irgendwann den westlichen Werten, wie zum Beispiel der individuellen Freiheit, Gleichberechtigung der Geschlechter, Ablehnung autoritärer Strukturen, anpasst und seine eigenen Werte mal eben so über Bord wirft, dann erinnert das irgendwie an koloniale Denkmuster im Sinne von: „Die anderen sind noch nicht soweit, aber irgendwann werden sie von uns gelernt haben, was richtig ist.“

Es gab nicht nur im Christentum eine Reform, sondern auch im Judentum gab es Ende des 18. Jahrhunderts eine sehr starke Reformbewegung, die grundlegende Veränderungen, insbesondere auch in Bezug auf die Rolle der Frau, bewirkte. Im Buddhismus wurde Ende der 80er Jahre das „Internationale Netzwerk engagierter Buddhisten“ gegründet, das vielleicht keine Reform im eigentlichen Sinne darstellt, aber dennoch eine entscheidende Veränderung, denn bisher stellte der Rückzug aus den weltlichen Verpflichtungen einen unumstößlichen Grundsatz des Buddhismus dar. Im Islam gab es niemals eine Reformbewegung, da der Islam sich als letzte Wahrheit begreift, was mit dem Begriff „Siegel des Propheten“ ausgedrückt wird, der die Vollendung der Verkündigungen Moses und Jesus beinhaltet.

Während im Abendland immer mehr Menschen Religion als ein Relikt aus dunklen Zeiten ansehen, das man möglichst schnell überwinden sollte, wird im Orient Religion als nicht wegzudenkender Bestandteil der menschlichen Existenz angesehen. Mir ist schleierhaft, wie man davon ausgehen kann, dass der Orient schon irgendwann die gleiche Entwicklung wie das Abendland einschlagen sollte. Ist „unsere“ Gesellschaft wirklich so perfekt, wie wir es uns gern darstellen? Wenn dies so wäre, dann würden „unsere“ Werte ja problemlos assimiliert werden und alle wären glücklich und zufrieden und niemand sähe sich veranlasst, Bomben zu schmeißen.

Ich habe mir hier ein paar Gedanken zu einer These eines Muslims gemacht, der davon spricht, dass der Westen junge Muslime von ihrer Religion entfremdet. Mit anderen Worten: die vielzitierte mangelnde Integration wird aus seiner Sicht als genau das Gegenteil beschrieben, nämlich als eine zu massive Integration! Und hier gerät die ganze Integrationsdebatte dann in eine Sackgasse.

Hallo @birgitdiestarke: sicher, es ist nicht zu leugnen, dass es in Amerika religiöse Bewegungen gibt, die extrem fundamentalistisch und engstirnig sind. Allerdings ist deren Einfluss glücklicherweise begrenzt und es gibt von vielen Seiten Widerstand. Aber diese Bewegungen leben ihre religiösen Überzeugungen ohne einen Krieg auszurufen. In einer Demokratie wird es immer grundlegend unterschiedliche Ansichten und Lebensweisen geben, das mag anstrengend und aufreibend sein, aber es macht eben eine Demokratie aus. Auch ich bin beispielsweise der Meinung,
es ist haarsträubend, dass in vielen amerikanischen Schulen die darwinsche Evolutionstheorie nicht gelehrt werden darf und hoffe, irgendwann werden sich diejenigen durchsetzen, die dies als genauso haarsträubend wie ich empfinden.

Es ist ebenfalls nicht zu leugnen, dass das Alte Testament voll von „nasty bits“ ist, wenn damit Texte gemeint sind, die zu Gewalt aufrufen, Hierarchien rechtfertigen und Frauen Unterordnung verordnen. Allerdings wurde das Alte Testament abgelöst durch das Neue Testament, dessen Botschaft nicht Gewalt, sondern Nächstenliebe ist. Auch im Neuen Testament finden sich Texte, die Frauen zur Unterordnung aufrufen (Paulusbriefe), aber wie man sieht gibt es diverse Pastorinnen, Bischhöfinnen, Pröbstinnen etc. die sich nicht daran gehalten haben. Der entscheidende Punkt ist, dass es kein Dogma der Pflicht zur wortwörtlichen Befolgung der Bibel gibt und somit Reformen möglich sind.

Auch im Westen gibt es Gewalt gegen Frauen. Ich selbst habe vor vielen Jahren im Frauenhaus gearbeitet und weiß, wie groß das Ausmaß an Gewalt ist. Allerdings zeigt die Tatsache des Vorhandenseins von Frauenhäusern, dass Gewalt keinesfalls als legitim angesehen wird und die Gesellschaft darauf reagiert. So hatte zum Beispiel der jahrelange Kampf für das Recht auf Erteilung eines Hausverbots für den misshandelnden Mann schließlich Erfolg.

Auch in Deutschland ist es fraglich, ob es jemals eine vollständige Gleichberechtigung der Geschlechter geben wird. Aber unser Rechtssystem ermöglicht das Einlegen von Rechtsmitteln im Kampf für dieses Ziel und es gibt Strukturen, die eine Weiterentwicklung ermöglichen. Es ist illusorisch, davon zu träumen, dass wir irgendwann jegliche Missstände überwunden haben. Aber es ist möglich, Missstände überhaupt als Missstände benennen zu können, ohne deswegen um sein Leben fürchten zu müssen. Dies ist im Islam leider nirgends der Fall. Die meisten derjenigen, die sich für ein anderes Verständnis des Islams einsetzen, werden bedroht und müssen zum Teil unter Polizeischutz leben.

Nun, anderen Leute mit dem Tod zu drohen, nur weil sie eine andere Meinung vertreten, ist in meinen Augen schlicht und einfach barbarisch, egal wer das tut.

Einmal an Aus-Sicht-einer-Frau
Ich muss Ihnen deutlich widersprechen. Polnische und russische Einwanderer fallen ebenfalls negativ auf, auch oder gerade in der zweiten Generation. Fragen Sie mal meine Kollegen in den sozialen Brennpunkten. Es gibt die sehr viele - mit denen ich vorwiegend Kontakt hatte - die sehr zurückhaltend sind, keinen Stress wollen, sehr hart arbeiten usw., aber auch die grenzen sich sehr stark ab, verbieten ihren Kindern am sozialen Leben teilzunehmen so wie sehr alte Eltern, die ihre Kinder strenger erziehen als alle um sie herum. Es gibt gerade unter Deutschrussen massenhaft Probelme mit Depressionen, Alkohol- und Drogenmissbrauch und hoher Gewaltbereitschaft. Und dann denken Sie mal an das in Russland verbreitete Gerücht, ein russisches Mädchen sei in Deutschland brutal vergewaltigt worden. Das Gerücht entsprach nicht der Wahrheit, diese Tatsache wurde aber ignoriert. Die Verachtung der seit mehreren Generationen hier lebenden Deutschen findet sich bei den oft evangelikal geprägten Aussiedlern mindestens genauso ausgeprägt wie in streng muslimischen Familien. Trotzdem würde es mir nie einfallen, Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, Polen oder Tschechien als spezielles Problem zu definieren. Man muss sich damit auseinandersetzen und um Integration bemühen, aber auch hier nicht mit der Brechstange sondern behutsam.
Was ich sonst zu sagen hätte, hat Birgit die Starke schon geschrieben. Danke, Birgit.

@c.fabry: Ich bin etwas ueberrascht ueber Ihre Einschaetzung der russischen Minderheit in Deutschland. Ich werde nicht bestreiten, dass ein Teil der Zuwanderern aus dem Osten kriminell sein kann und eben nicht unbedingt eine "Bereicherung" darstellt. Aber in meiner Erfahrung - und ich kenne ueber meine Arbeit auch viele Menschen aus Russland, mit denen ich zu Hause vielleicht keinen Kontakt gehabt haette, weil sie auss einer anderen sozialen Schicht kommen - ist das Thema Integration hier eben kein grosses Thema. Die Kinder der meisten Russen heiraten ausserhalb der eigenen Nationalitaet (ich habe leider keine Quelle dazu, aber meine irgendwo gelesen zu haben, dass Migranten auss nicht-muslimischen Laendern zu 60% einen Deutschen Ehemann/frau heiraten und aus der Tuerkei/arabischen Laendern zu circa 10%).

Sicherlich sieht man gerade als Sozailarbeiter vor allem Menschen, die aermer, krimineller und bildungsferner sind als Durchscnitt, aber wenn man sich einen "Durchschnittrussen" in Deutschland anschaut dann ist dieser gut integriert, arbeitet, spricht meistens deutsch (haeufig mit einen starken Akzent :o)) und hat Kinder die wiederum deutsche Partner haben. Und ja, ich gebe zu, dass Alkoholprobleme und Gewalt eine groessere Rolle spielen als im der deutschen Allegemeinbevoelkerung aber eine Verachtung fuer das "Deutschsein" kann ich definitiv nicht bestaetigen - im Gegenteil, die meisten Russen freuen sich, wenn ihre Kinder als Deutsch identifiziert werden.

Die Geschichte mit dem angeblichen vergewaltigten Maedchen kenne ich. Ich bin aber nicht sicher, was es mit dem Thema Integration zu tun hat :o)

Ich will hier nicht gegen Deutschrussen, Russen oder Polen hetzen.
Meine Wahrnehmung war zuerst auch nur Überanpassung, großer Fleiß und der Wille möglichst schnell dazuzugehören. Aber es gibt Gegenden die genau wie bestimmte türkische Stadtviertel überwiegend von ehemaligen Aussiedlern bezogen werden, wo die zweite Generation sich dann erbitterte gewaltsame Auseinandersetzungen vorzugsweise mit türkischstämmigen Jugendlichen liefert.
Desweiteren - das ist aber eine wissenschaftlich nicht fundierte Wahrnehmung - höre und erlebe ich immer wieder, dass Russlanddeutsche zwar nicht groß auffallen, sich aber vom Rest der Gesellschaft zurückziehen, unter sich bleiben, oft auch in extremen evangelikalen Glaubensgemeinschaften und dass es sehr wohl große moralische Vorbehalte gegenüber der westlichen Lebensweise gibt. Vertieft habe ich mich nicht in das Thema.

Habe ich das mit der Vergewaltigungs-Falschmeldung falsch gespreichert? Ging es nicht darum, dass Russen und Deutschrussen in der Bunderepublik als Menschen zweiter Klasse behandelt werden?

Auch wenn es schwerfällt, finde ich, sollte man die politisch-propagandistischen doch von den kulturellen oder religiösen Problemen trennen: Im Fall der angeblichen Vergewaltigung der Deutschrussin waren es offensichtlich offizielle russische Medien, die versuchten, die Falschmeldung propagandistisch zu nutzen, um gegen die humanitäre deutsche Flüchtlingspolitik zu hetzen. Ähnlich verhält es sich mit der Einflussnahme der staatlich türkischen DITIB auf deutschttürkische Moslems - für mich war da ein Dokumentarfim über die Moschee in Köln-Ehrenfeld ein Aha-Erlebnis, weil ich da sehen konnte, wie die türkische Behörde den deutsch-türkischen Konsens zerstört, wenn ihr zu viel Integration von Deutschtürken nicht mehr passt. Und sicher gibt es diese Hetze auch unterhalb der Regierungsebene, etwa von islamistischer oder Pegida-Seite. Auch das ist Propaganda, die wirkliche kulturelle/religiöse Differenzen für politische Zwecke missbraucht.

Okay,
da war ich wohl etwas undifferenziert.

Von dem was ich gelesen habe scheint der Einfluss des DITIB viel groesser zu sein als der Einfluss der russischen Medien - wenn ich staatliches russisches Fernsehen schaue dann weiss ich dass es ein Sprach-Rohr der Regierung ist, jeder weiss es :o) Aber wenn jemand in die Moschee geht um dort seinen Glauben auszuueben rechnet man gar nicht damit Propaganda gefuettert zu werden. Ich weiss nicht ob ich es verstaendlich formuliert habe. Ich meinte dass Putin nie so viele Russen mobilisieren koennte wie Erdogan mit der DITIB. Wenn man ueberlegt wie viele Russen auf die Strassen wegen des angeblich vergewaltigten Maedchens gingen und es mit der Demo in Koeln vergleicht, ist der Einfluss Putins wirklich laecherlich...

Also meinen Sie, Putin ist nur eine lächerliche Witzfigur, die sich sowieso nicht hält, während das Gespenst des Islam in der Welt umhergeht wie die Pest und alles infiziert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist?

Oh je, das meinte ich so ueberhaupt nicht. Putin ist Wahrscheinlich gefaehrlicher als Erdogan. Ich habe geschrieben, dass sein Einfluss auf die in Deutschland lebebde russische Zuwanderer im Vergleich zum einfluss von Erdogan auf die tuerkische sehr gering ist.

Das meinten Sie doch, als Sie diese Verewaltigungs-Geschichte erwaehnten, oder? Dass die Zuwanderer sich so sehr durch die Politischen Einfluesse aus ihrer Heimat beeinflussen lassen?

Liebe Sephora!
Nee, da haben wir uns wohl beide gründlich missverstanden. Ich meinte eigentlich, dass die Russlanddeutschen sich nach wie vor nicht als Teil unserer verruchten, moralisch verwerflichen Gesellschaft fühlen. Und natürlich nicht d i e Russlanddeutschen, sondern eine größere Gruppe, genauso wie es nicht d i e Muslime oder d i e Türkischstämmigen sind, mit denen es Probleme gibt.

Ich finde es wichtig, Probleme anzugehen, die sich aus kulturellen Unterschieden ergeben und die Konflikte vernünftig zu lösen. Ich lese aber oft so ein "Da muss man mal durchgreifen" heraus und dann wird mir sofort schlecht. Das gilt jetzt nicht für Ihren letzten Beitrag, sondern ganz allgemein in diesem Blog, in dem sich gelegentlich mächtig in Rage geschrieben wird.

Rage??
Wo schreibt sich denn hier jemand in Rage? Das Benennen von unbequemen Fakten ist meines Erachtens noch keine Rage.

Ein Paradebeispiel für das Schreiben in Rage ist hingegen die Aussage des im vorletzten Beitrags angeführten Zitats von Malik Karabulut: „Diese Schlampe mit dem Namen Deutschland hat uns den Krieg erklärt – und wir schweigen immer noch…Erhofft sich die Türkei etwas von dieser Köterrasse?“ Habe ich oder irgendjemand anders hier im Blog derart primitive und ordinäre Aussagen gemacht?

Versuch einer Erklärung
Gerade habe ich noch einmal durchgescrollt. Vielleicht habe ich diesen Blog auch mit Aus-Sicht-einer-Frau verwechselt. Ich switche da manchmal von einer zur Anderen und es schreiben in den Kommentaren ja auch oft dieselben Frauen. Niemand verliert da die Contenance, aber bei manchen Beiträgen hatte ich echt Bauchschmerzen, das Gefühl, dass da etwas in eine gefährliche Richtung abdriftet. Das liest sich so, als wenn eine Nachforschungen angestellt hat, bei denen das Ergebnis schon vorher feststand, weil sie einfach den Kaffee auf hat. Wenn ich in meinem Wohnzimmer sitze, haue ich auch manchmal Sätze raus, die ich nie öffentlich äußern würde, weil ich befürchte, Schlimmes damit anzurichten, obwohl ich denke, dass ich Recht habe. Irgenwann bin ich dann froh, dass ich es gelassen habe, weil ich merke, dass es nur ein Teil der Wahrheit war. Und mit den Fakten ist das ja so eine Sache, genauso wie mit den wissenschaftlichen Beweisen. Denen traue ich nie so ganz. Die werden ja häufig frisiert. Ich habe nichts dagegen, kulturelle, politische oder sonst wie geartete Konflikte mit muslimischen Einwanderern zu benennen, aber wenn das zum Dauerthema wird, bekomme ich eine Gänsehaut. Ob nun Muslime, Christinnen, Agnostiker, Sozialdemokratinnen, Konservative, Alpenvereinsmitglieder, Schauspielerinnen, Maurer - Arschlöcher gibt es überall, aber eben auch anständige Menschen.
Ihr Zitat von Malik Karabulut hatte hingegen natürlich etwas Informatives und ich unterstelle Ihnen gar nichts.

In der Tat muss man sich immer wieder fragen, ob man sich seine Objektivität bewahrt oder aber nur noch selektiv wahrnimmt. Aber dies gilt für beide Seiten, denn es besteht schon seit sehr langem der Mechanismus, jede Kritik an Menschen aus anderen Kulturkreisen mit dem Argument des Rassismus sofort im Keim zu ersticken.

Wenn Sie schreiben, Sie hätten „das Gefühl, dass da etwas in eine gefährliche Richtung abdriftet“, dann trifft das auch mein Gefühl, wenn ich mit den vielen deutschen Erdogan-Fans oder den Aktivitäten von Ditib konfrontiert werde. Mich beruhigt es nicht, dass es auch positive Ausnahmen gibt, weil gerade der Umgang mit diesen Ausnahmen fast immer in Beleidigung und massiver Bedrohung besteht. Aktuelles Beispiel ist Cem Özdemir, der aufgrund seiner Einstellung zur Armenien-Resolution so von türkischen Taxifahrern beschimpft und beleidigt wurde, dass er mit dem Gedanken spielte, nur noch den Bundestagsfahrdienst und keine Taxis mehr zu nutzen. Wo soll das hinführen? Es gab schon immer völlig konträre politische Ansichten, aber dass Bedrohung und Beleidigung als normale Form der Auseinandersetzung angesehen wird, ist eine äußerst erschreckende Entwicklung.

Ich empfinde den Blog von aus-sicht-einer-frau nicht als einseitig, sondern als parteilich für Frauen und Mädchen. Würde es in irgendeiner christlichen Kirche die aktuelle Tendenz geben, Geschlechtertrennung und Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen, dann würde dies mit Sicherheit dort genauso kritisiert werden. Wahrnehmung hängt auch stark davon ab, womit man konkret konfrontiert wird. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre als Ärztin im Jahr 2017 mit Problemen wie abstruser Panik vor Verlust der Jungfräulichkeit oder gar mit Genitalbeschneidung konfrontiert, dann hätte ich vielleicht schon das Handtuch geworfen.

Die AFD, Reichsbürger & Co werden als die Gefahr angesehen, die sie auch real darstellen, nämlich die Verkörperung rechten Gedankenguts. Aber Geschlechtertrennung, Meinungsunfreiheit, Verfolgung Andersdenkender, die Philosophie des Rechts auf Vergeltung und Selbstjustiz stellen genauso rechtes Gedankengut dar.

Ich verstehe Ihre Ängste, wenn ich mir vor Augen halte, dass hier in Deutschland wieder Asylheime brennen und Menschen Hetzjagden auf Menschen aus anderen Kulturen machen, die sich überhaupt keiner Vergehen schuldig gemacht haben. Das ist eine furchterregende Entwicklung. Ich bezweifle aber, dass dies dadurch bekämpft werden kann, indem man berechtigte Kritik an mindestens genauso furchterregenden Entwicklungen zurückhält. Die einzige Lösung sehe ich daran, dass es nicht mehr nur Einzelpersonen sind, die sich unter Einsatz ihres Lebens für Reformen und Demokratie einsetzen, sondern es irgendwann eine breite Bewegung gibt, die diese Ideen miträgt und umsetzt.

Liebe Frau Behrens!
Ich bin mit fast allem einverstanden, was Sie schreiben, vielleicht haben Sie mich falsch verstanden.

Im ersten Absatz beklagen Sie, dass Kritik an Menschen aus anderen Kulturkreisen schon im Keim erstickt wird. Ich kenne das aus der Jugendzentrumsarbeit, da durfte auch lange nicht laut ausgesprochen werden, dass die überwiegend türkischstämmigen Jungs ein unerträgliches Platzhirschverhalten an den Tag legen und dass man das nicht immer mit dem kulturellen Hintergrund entschuldigen kann. Das erlebe ich aber seit langem nicht mehr so, weil sich irgendwann die ersten getraut haben, auszusprechen, was schief läuft.

Im zweiten Absatz geht es um Erdogan und seine Anhänger in Deutschland. In der Tat, ich bin sogar der Ansicht, man sollte diesem Demokratieverächter jegliche Agitation in Deutschland verbieten. Das was da gerade im Zusammenhang mit der Türkei abgeht hat, so glaube ich, weniger mit der Kultur als dem allgemeinen Rechtsruck in der Welt zu tun und dem kann man gar nicht entschieden genug entgegentreten.

Zum Dritten. Ich finde die Verfasserin des Blogs "Aus-Sicht-einer-Frau" nicht einseitig, sondern ungeheuer spannend und absolut berechtigt. Es gab nur manchmal so verbale Gewehrsalven in den Kommentaren, die ich äußerst unangenehm fand. So eine Dynamik, von der ich finde, dass man sich die schon auch mal aus einer kritischen Distanz ansehen muss.

Was Sie im vierten Abschnitt sagen, über alles was rechtes Gedankengut ist, sehe ich genauso, nur hier würde ich wie schon so viele Male an anderer Stelle betonen, dass ich Geschlechtertrennung an bestimmten Punkten durchaus sinnvoll finde. Nicht ausschließlich und nicht aus moralischen Gründen, sondern um Mädchen genauso wie Jungen im geschützten Rahmen die Gelegenheit zu geben, sich selbst auszuprobieren und zu entdecken, um dann gestärkt in den koedukativen Zusammenhängen agieren zu können. Also koedukative Schule mit gelegentlichen geschlechtsspezifischen Einheiten. Koedukatives Jugendzentrum mit Mädchentag und Jungentag usw.

Und auch im fünften Abschnitt stimme ich zu. Furchterregende Entwicklungen die die Demokratie bedrohen, müssen benannt werden. Aber wenn es dann in Kopftuchhysterie umschlägt, dann denke ich, die sollen mal aufhören, an den Symptomen herumzudoktorn. Das war jetzt nichts was in Ihrem Blog oder bei "Aus-Sicht-einer-Frau" vorkam, aber das sind halt diese Hexenjagd-Mechanismen, die auch heute noch greifen. So weit sind wir wohl noch nicht vom Mittelalter entfernt.

Viele Grüße und danke für die ernsthafte Diskussion,
Cristina Fabry

Hallo,
ich glaube zwar, dass hier alle älter sind als ich, aber das bedeutet schließlich rein gar nichts.

Ich sehe das etwas lockerer als ihr.
Wer eine Burka oder ein Niqab tragen will,
kann das von mir aus gerne tun.
Jeder kann sich doch anziehen, wie er will,
Hauptsache, die Person hat genug an, sodass es niemanden belästigt.

Es wurden schon immer Menschen belästigt und ich glaube, dass die jetzige Zeit bessere ist, als so manche davor.

Religionen sind oft mehr auf Männer bezogen,
aber wer ist gezwungen, an so etwas zu glauben?
Niemand!

Natürlich, es gibt Länder, in denen das nicht so ist.
Aber dagegen kann man von Deutschland aus halt nur schwer etwas tun.

Beschneidungen finde ich grausam.
Den Gedanken, den Körper eines kleinen Kindes zu verletzen,
etwas, dass nicht mehr rückgängig zu machen ist,
finde ich einfach nur schlimm.

Aber auch dagegen ist nur schwer vorzugehen.
Bei weiblichen Personen ist es in Deutschland verboten,
was die Eltern nicht davon abhalten kann,
dies im Ausland tun zu lassen.
Bei männlichen Personen ist es noch erlaubt,
aber ich denke auch dies ist nur eine Frage der Zeit.

Im Übrigen finde ich, dass das Stechen von Ohrlöchern bei Kleinkindern,
die darüber noch nicht selbst entscheiden können,
eigentlich auch verboten werden sollte.
Ich halte absolut gar nichts davon.

Ich fände es schlimm, wenn ich Ohrlöcher hätte.
Ebenso, wenn ich nicht am Technik-Physik Unterricht meiner Schule teilnehmen dürfte.

Nochmal zu Burkas und Niquabs.
Wenn eine Frau sich darunter sicherer fühlt,
soll sie ihn von mir aus tragen.

Ich persönlich fühle mich unwohl,
wenn eine Frau in Burka neben mir steht,
das gebe ich zu.
Aber genauso unwohl fühle ich mich auch,
wenn ein Mann mit dunklen Augen, heller Haut und zurückgegelten schwarzen Haaren irgendwo ist.
In einer Geschichte habe ich einen solchen Menschen erfunden
und bin zweimal so Männern begegnet.
Das ist schon seltsam.

Damit will ich sagen,
dass solche Gedanken vollkommen unnötig sind.

Als Kind habe ich übrigens mal eine Frau in Burka für ein Gespenst gehalten.

So das wars erstmal von mir.

Bis bald, Nachtschatten.

Hallo @Nachtschatten,
ich habe gerade auf Ihren – noch sehr neuen – Blog geschaut und gesehen, dass Sie noch zur Schule gehen. Ich freue mich, dass sich auch mal Jüngere hier äußern. Und dann ich habe mich plötzlich daran erinnert, dass ich als Schülerin meine jetzige Position sicherlich fürchterlich gefunden hätte, denn es ist ja nicht falsch, was Sie schreiben: grundsätzlich hat jeder das Recht, sich so anzuziehen, wie es ihm gefällt und das muss dann eben auch für eine Burka oder einen Niqab gelten. Aber inzwischen geht es leider um mehr als um Kleidung – es geht um das dahinterstehende Bekenntnis. Auch da könnte man einwenden, dass jeder Mensch das Rech hat, sich zu seinen Grundsätzen zu bekennen. Aber so einfach ist es nicht mehr, weil es an allen Ecken und Enden knallt. Sylvester 2016 hat gezeigt, welche enorme Verachtung und Hohn denjenigen Frauen entgegen gebracht wird, die ihren Körper nicht verhüllen. Das ist übrigens etwas, das mir als junge Frau auch passiert ist – eine sehr widerwärtige und ekelhafte Erfahrung.

Etwas zu verbieten ist meist nie eine perfekte Lösung. Aber ich glaube dennoch, dass es das kleinere Übel darstellt. Ohne eine klare Positionierung wird sonst irgendwann jeder Tag zu Sylvester.

Ich finde es nicht in Ordnung, jemandem zu verbieten, sich zu seiner Religion zu bekennen.
Und ich denke, dass ein solches Verbot genauso zu Problemen und Aufständen führen würde.

Hallo Behrens und Nachtschatten,
So wie man Masern nicht mit einer Creme gegen Juckreiz heilt, hilft es nicht, über solche Äußerlichkeiten wie Niqab oder Burka zu agieren. Das Problem ist nicht das Bekenntnis zu einer Religion oder Ideologie sondern die generelle Bereitschaft sich zu radikalisieren. Auch Agnostiker, Anarchosyndikalisten und bundesdeutsche Spießbürger können in der Art und Weise, wie sie ihre Überzeugungen vertreten, zu Terroristen werden. Die komplexen historischen und politischen Verwicklungen, die in diese Situation geführt haben, sind nicht leicht zu durchschauen, darum ist es auch nicht leicht, diesen vielfältigen Konflikten zu begegnen. Aber wenn der Islam wirklich so eine brutale Religion ist, warum war der islamische Fundamentalismus und Terrorismus vor 30 Jahren noch kein Thema?
Verschleierungsverbot schadet nur den Frauen, die dann nämlich gar nicht mehr nach draußen gelassen werden. Und was bitte wird sich dann ändern? Werden die Bombenleger plötzlich gescheit, weil sie ihre Religionsgefährtinnen auf einmal von Angesicht zu Angesicht sehen?
Ja, ich weiß, ich werde polemisch, ich fühle mich auch schon wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat.
Wenn Muslimas öffentlich ihre Kopftücher verbrennen würden, das hätte in der Tat etwas. Aber wenn wir Kultur-Kolonialisten und Imperialisten die Entkleidung anordnen, ist das ein Akt von Gewalt. Finde ich. Das ist Bevormundung und undemokratisch. Wenn die Männer ihre Frauen schlagen, gehören sie in den Knast. Wenn die Frauen es nicht schaffen, sich dem Willen ihres Mannes zu widersetzen, ist das traurig, aber durch brachiale Staatsgewalt werden sie nicht stärker. Da müsste man wohl Beratungsstellen, Bildungsangebote und Zufluchtstätten ausbauen, mit Dolmetscherinnen, aber das kostet ja Geld... :-)

Ich denke nicht, dass der Islam mehr eine brutale Religion ist, wie manche andere.
Ich meine, jede der "Weltreligionen" hat meines Wissens nach irgendwann genauso gehandelt.
Jede dieser Religionen hat gemeint,
andere Menschen durch Gewalt zum Glauben zu zwingen.

Genau das ist für mich ein Grund, an keine Religion zu glauben.

Mit dem was du sagst hast du recht.

~N.

Religionen sind denke ich nicht brutal oder gewaltfrei. Brutal oder gewaltfrei sind Menschen. Die jeweilige Religion oder Ideologie wird dann passend interpretiert. An keine Religion zu glauben ändert da leider auch nichts. Wie ich schn sagte, es gibt auch militante Atheisten oder Anarchosyndikalisten. Trotzdem lasse ich mir von denen meine anarchische Gesinnung nicht vermiesen :-)

Alle Religionen sind gleichermaßen gewalttätig? Als die Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan im Jahr 2001 von radikalen Muslimen vollständig zerstört wurden, gab es keine Gewaltausschreitungen, obwohl die bis dahin weltgrößten Buddha-Statuen für gläubige Buddhisten ein großes Heiligtum verkörperten, deren Zerstörung eine unbeschreibliche Verletzung religiöser Gefühle darstellte. Harmlose Zeichnungen des muslimischen Propheten – die übrigens im Kontext von Karikaturen diverser anderer Religionsstifter veröffentlicht wurden – hatten hingegen sofort blutige Massaker zur Folge und werden mit absoluter Sicherheit noch viele weitere nach sich ziehen.

Ich weiß nicht, ob Sie oft in muslimische Länder reisen, aber wenn Sie dort vor einer Moschee ein Schild mit der Aufschrift „Ich hasse Religion“ in die Höhe halten würden, werden Sie mit Sicherheit festgenommen und in manchen Ländern würde dies eine jahrelange Haft mit sich bringen. Würden Sie das gleiche vor einer Kirche tun, würden Sie allenfalls von einigen Gläubigen beschimpft werden (auch nicht schön, aber besser als im Knast zu landen…). Es gibt jede Menge Schriftsteller, die kirchenkritische Bücher veröffentlichen, aber niemand von denen muss sich bis ans Lebensende verstecken und kann nur noch unter Polizeischutz aus dem Haus wagen. Der Regisseur Theo van Gogh wurde nach dem Dreh seines Films „Submission“ auf offener Straße erschossen, Terry Jones erfreut sich immer noch bester Gesundheit, auch wenn sein Film „Das Leben des Brian“ mit Sicherheit die Gefühle vieler gläubiger Christen verletzt haben dürfte.

Der Buddhismus hat sich verbreitet, indem Buddha in völliger Friedfertigkeit durchs Land reiste und allein durch seine Überzeugungskraft Anhänger fand. Die Verbreitung des Islams begann mit der Zerstörung aller heiligen Götter-Statuen, die sich in der Kaaba befanden. Statuen, die andern Menschen heilig waren und ein großes kulturelles Erbe darstellten, wurden einfach so zerstört. Im Islam wird dies als „Säuberung“ bezeichnet, was nichts anderes bedeutet, als die Heiligtümer anderer Menschen als Schmutz anzusehen. Buddha hätte auch die Möglichkeit gehabt, die vielen hinduistischen Götterbilder zerstören können, die ihm auf seiner Reise zweifellos überall begegnet sind – hat er aber nicht. Und genau darüber sollte man nachdenken, wenn wieder einmal behauptet wird, dass es doch überhaupt keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Religionen gibt.

Ich könnte noch die ganze Nacht lang weitere Beispiele dafür nennen, dass Kritik am Islam sehr oft tödlich endet – eben nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch hier und heute. Aber dies wird sicherlich nichts an Ihrer Einschätzung ändern. Und damit sollte man auch leben können - mit der Tatsache, dass Menschen völlig unterschiedliche Meinungen und Überzeugungen haben.

Ich möchte das Thema Verschleierung aufgreifen. In meiner Erfahrung ist das Leben für alle Frauen einer Gesellschaft umso schwieriger, je mehr Frauen sich in dieser Gesellschaft verschleiern (damit meine ich sowohl das Kopftuch, als auch die Vollverschleierung). Als ich in Ägypten lebte, trugen die meisten Frauen ein Kopftuch und sexuelle Übergriffe waren auf der Tagesordnung. In Kairo gibt es seit Jahren in jeder U-Bahn spezielle Wagen für Frauen - der Grund war das für eine Europäerin unvorstellbare Ausmaß der Belästigung. Wenn Sie als Frau in einem normalen Wagen fahren oder den Bus nehmen, werden Sie immer wieder erleben, dass plötzlich eine Hand zufällig den Weg zu ihrem Busen findet. Es nutzt Ihnen auch nichts, sich umzudrehen und nach dem Besitzer der Hand zu suchen - alle tun so, als ob sie tief in Gedanken versunken wären. Das ist so normal, dass ich es für lange Zeit vergessen habe und erst wieder an diese Erfahrungen gedacht habe, als die Flüchtlingskrise begonnen hat. Es ist nämlich ein Unterschied, ob die tägliche sexuelle Belästigung in einem anderen Land passiert, in dem man für eine begrenzte Zeit lebt (es gibt schließlich viele schlimme Sachen, die auf der Welt passieren), oder ob diese Verhaltensmuster einem plötzlich zu Hause begegnen könnten.

Ich bin davon überzeugt, dass die Geschlechtertrennung dazu führt, dass Männer Frauen zunehmend nur im sexuellen Kontext sehen. Ich fühlte mich im Nahen Osten häufig auf das "Frau sein" reduziert - ich denke ähnlich geht es auch anderen Frauen, die in solchen Ländern/Communities leben. Die sexuelle Frustration staut sich und sucht sich einen Ausweg, sei es nur in der Berührung einer fremden Frau im Bus. Die Antwort der Frauen darauf ist einfach: man verschleiert sich noch mehr, um sich zu schützen. So viel zum Thema: niemand zwingt die Frauen, sich zu verschleiern.

Eine Freundin, die zwischen Ägypten und Deutschland pendelt, erzählte mir vor Kurzem, dass sie die zunehmende Verschleierung beobachtet. Ihre ägyptische Schwiegermutter lebt in einer kleinen Stadt in der Nähe von Alexandria und kleidete sich früher sehr westlich (offenes Haar, knielange Kleider, Schuhe mit hohem Absatz, Schmuck). Heute, in der zweiten Ehe, trägt sie Niqab und geht kaum aus dem Haus. Und meine Freundin entschied sich bei den letzten Ausflügen nach Kairo, ein Kopftuch zu tragen (das habe ich nicht gemacht - ist aber 15 Jahre her) und erzählte mir später, dass sie ernsthaft überlegt hatte, sich ein Niqab zu kaufen - so unwohl fühlte sie sich als Frau auf der Straße und so sehr wollte sie aus der Öffentlichkeit verschwinden.

Ob ein Vollverschleierungsverbot sinnvoll ist, weiß ich nicht. Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, dass jeder sich so kleiden kann wie er möchte. Wenn jemand sein Leben als Krokodil verkleidet verbringen will, bitte schön. Hinter Burka/Niqab steht aber so viel mehr, dass ich nachvollziehen kann, warum solche Verbote verhängt werden. Ich glaube übrigens nicht, dass ein Verbot den Frauen schadet - ich würde gerne den fleißigen Ehemann einer Niqab-Trägerin sehen, der alle Einkäufe von nun an erledigt und die Kinder zur Schule bringt, damit seine Frau zu Hause bleiben darf. Ein Verbot würde zwangsläufig dazu führen, dass ein paar Frauen zum ersten Mal in der Öffentlichkeit ihr Gesicht zeigen dürfen, und vielleicht wird ihnen diese Erfahrung helfen, nach mehr Freiheit zu streben. Die Ausnahme sind natürlich die häufig gut gebildeten Konvertitinnen, die aus rein ideologischen Gründen ein Niqab anziehen - das ist die einzige Gruppe, die meiner Meinung nach es freiwillig tut.

Ich fände es auf jeden Fall tragisch, wenn die Frauen in Deutchland überlegen müssten, ob sie nicht zu freizügig für die U-Bahn gekleidet sind. Oder für die Silvesterfeier.

Ich denke fast, wie ich deine Erzählungen beurteilen kann, dass durch eine Verschleierung Männer sich noch mehr als "höherer Mensch" sehen.
Also so, dass die Frau, die sich ja vor ihnen versteckt, nichts zu sagen hat und unterwürfig sein muss.

Das ist natürlich nicht für alle Männer gemeint, aber ich denke das ist klar.

Wahrscheinlich spielt das Gefühl, überlegen zu sein, auch eine Rolle, wenn ein Geschlecht aus der Öffentlichkeit verbannt wird oder zumindest durch strenge Kleidungsvorschriften weniger sichtbar gemacht wird. Ich würde aber den sexuellen Aspekt in den Vordergrund stellen, denn eigentlich leiden die Männer auch unter dem Geschlechterapartheid - auch wenn sie auf den ersten Blick die Gewinner sind, die alle Freiheiten geniessen können.

In Wirklichkeit aber können sich z.B. im Nahen Osten viele junge Männer keine Heirat leisten bzw. niemand wird ihnen die Tochter anvertrauen, weil sie durch die stagnierende Wirtschaft keine beruflichen Perspektiven haben. Dazu kommt - das spielt aber in Ägypten eine untergeordnete Rolle - die Tatsache, dass manche Männer mehr als eine Frau heiraten, so dass noch mehr junge, wenig wohlhabende männliche Singles da sind. Und diese haben durch den Geschlechterapartheid und rigide Moralvorstellungen wenig Chancen, eine normale Beziehung mit einem Mädchen zu führen. Das Konzept von "einen Freund haben" gibt es dort eigentlich in der Form, die wir es kennen, nicht. Es bleiben Bordelle, Touristinnen und eben sexuelle Belästigung. Und der Teufelskreis geht weiter... Mädchen, die als ehrenhaft gelten möchten, verschleiern sich immer mehr - auch zum eigenen Schutz.

Liebe Frau Behrens!
Ich lese da schon wieder viel Empörung. Wieso muss eigentlich unbedingt die Religion Schuld sein?
ZUnächst zu Ihren Beispielen:

1. Es gibt auch eine gewalttätige, reiligionsimperialistische Geschichte im Zen-Buddhismus. Ich habe mich da noch nicht hineingearbeitet, wurde aber neulich von der Pfarrerin, mit der ich zusammenarbeite, darüber aufgeklärt. Wenn ich mal mehr Zeit habe, recherchiere ich vielleicht etwas dazu.

2. Es gibt sehr wohl auch in der Gegenwart Christen, die aus religiösem Fanatismus morden (Stichwort USA, Gynäkologen, Schwangerschaftsabbrüche) von der Geschichte im Mittelalter einmal ganz zu schweigen. Genauso wie vom Religionsimperialismus der Christen, der mit dem wirtschaftlichen und politischen Imperialismus daher kam. Zum Glück hat die Mehrheit der Anhänger meiner Glaubensgemeinschaft endlich begriffen, dass man so nicht mit Menschen umgeht.

3.Das Beispiel mit der Kaaba spricht sicher nicht für den Islam. Allerdings gibt es im Alten Testament haufenweise Säuberungen im Namen Jahwes (eine der schlimmsten: Eliah, der am Karmel 400 Baalspriester abschlachtete) und Juden und Christen scheinen das irgendwie total Okay zu finden.

4. Etwa die Hälfte der Israelis betrachtet Palästinenser als Untermenschen. Bei einem Grenzübergang in den palästinensischen Teil wurde ein Tourist mit Doktortitel vom israelischen Grenzer gefragt: "Was wollen Sie denn da? Sind sie etwa Tierarzt?"

Islamismus ist entsetzlich. Imperialismus ist entsetzlich. Sexismus ist entsetzlich. Aber imperialistische, sexistische, menschenverachtende Auswüchse innerhalb von Religionen haben ihre Wurzeln in kulturgeschichtlichen politischen und historischen Zusammenhängen. Sie sagen ja selbst, dass die Christenheit heute weitestgehend friedlich und tolerant ist.

Lag es denn an der Religion, dass die Kreuzzüge stattgefunden haben?
Warum ist das Christentum dann heute nicht mehr so kriegstreiberisch?
Oder lag es an den äußeren Bedingungen?
Warum kann es sich dann mit dem Islam nicht ebenso verhalten?
Warum müssen alle friedlichen Muslime in Sippenhaft genommen werden, für eine radikalisierte Strömung, die sich zugegebenermaßen sehr verbreitet hat?
Und was wollen Sie dagegen machen?
Den Islam verbieten?
Was glauben Sie, was dann passiert?

Es ist in Ordnung unterschiedlicher Meinung zu sein. Aber es wäre auch schön, wenn wir uns in
der Mitte treffen könnten :-)

Herzliche Grüße, C. Fabry

Liebe Aus-Sicht-einer Frau!
Danke!

@aus-sicht-einer-frau: ich sehe dies genauso wie Sie, die Verschleierung hat natürlich nicht nur auf diejenigen Frauen Auswirkungen, die einen Schleier tragen, sondern auch auf alle anderen Frauen. In denjenigen Ländern, in denen Frauen sich verschleiern, sind sexuelle Übergriffe sehr viel häufiger als in westlichen Ländern. Für eine Frau, die beispielsweise allein durch ein arabisches Land reist – ob nun verschleiert oder nicht – ist dies ohne Frage mit mehr Gefahr verbunden, als wenn sie Schweden oder Kalifornien bereisen würde. Jede Frau, die schon mal allein arabische Länder bereist hat, wird dies bestätigen können. Das Argument, die Verschleierung diene nur der Sicherheit, ist also völlig absurd.

Die fragwürdige Moral der Aufforderung zur Verschleierung wird nicht zuletzt gerade im Koran deutlich: „Prophet! Sag deinen Gattinnen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen (wenn sie austreten) sich etwas von ihrem Gewand (über den Kopf) herunterziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie (als ehrbare Frauen) erkannt und daraufhin nicht belästigt werden.“ (Sure 33, Vers 59). Dies heißt nichts anderes, als dass nichtmuslimische Frauen nicht ehrbar sind und aus diesem Grund eine muslimische Frau durch ihren Schleier nach außen hin deutlich machen sollte, dass sie zu den ehrbaren Frauen gehört. Belästigung an sich wird in keiner Weise kritisiert, sondern im Gegenteil in Bezug auf nichtverschleierte Frauen als Normalität angesehen und die Verantwortung obliegt einzig und allein der Frau. Wen wundern da noch die Ereignisse der Sylvesternacht 2016?

Das ständig vorgebrachte Argument, Menschen müssen das Recht haben, sich zu ihrer Religion bekennen zu dürfen, kommt ins Wanken, wenn die Art des religiösen Bekennens ausschließlich nur für ein Geschlecht und nicht für beide Geschlechter gilt. Eine religiöse Regel, die das Bedecken der Haare vorschreibt, weil das Haar als etwas Intimes angesehen wird, das man nicht der Öffentlichkeit preisgibt oder weil die Kopfbedeckung als äußeres Zeichen der religiösen Identität angesehen wird, wäre eine Regel, die tatsächlich einzig und allein in religiösem Empfinden wurzelt, wenn sie als verbindlich für beiderlei Geschlecht ist. Wenn jedoch eine Regel ausdrücklich nur einem Geschlecht auferlegt wird und dies dann auch noch mit der Einteilung in „ehrbar“ und „ehrlos“ verbunden wird, dann geht es um etwas ganz anderes – nämlich um Auf- und Abwertung und Kontrolle. Und dies hat zwangsläufig – da sind wir wieder beim Ausgangsthema – auf alle Frauen Auswirkungen.

Und last noch least – wenn der Schleier einzig und allein die Funktion hat, seine Zugehörigkeit zum islamischen Glauben auszudrücken, warum wird dann in einigen islamischen Ländern grundsätzlich allen Frauen das Tragen eines Schleiers vorgeschrieben? Und dies sogar mit Hilfe einer eigens dafür bestimmten „Religionspolizei“ drastisch kontrolliert?

Liebe Frau Fabry, natürlich gibt es auch bei allen anderen Religionen Gewalt und Imperialismus, auch im Buddhismus und Christentum. Allerdings darf man dies auch offen sagen ohne dass man dafür mit der Fatwa belegt wird. Darum geht es doch – die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und den eigenen Werten.

Sie schreiben, dass Juden und Christen Gewalt OK zu finden scheinen. Aber wie kommen Sie darauf? Es gibt jede Menge Juden und Christen, die die Bibel kritisch lesen und sich dabei auch das Recht nehmen, Aussagen als Irrtümer anzusehen – und auch hier sei betont, dass dies möglich ist, ohne dabei auf eine Todesliste gesetzt zu werden.

Doch, ich finde das Beispiel mit der Säuberung der Kaaba ist ein wesentlicher Teil des Islams. Mohammed hat es nicht dabei belassen, an einen einzigen Gott zu glauben, sondern er hat die Glaubenssymbole anderer Menschen bewusst zerstört und durch den ganzen Koran zieht sich der Aufruf, gegen Ungläubige zu kämpfen. Und 1400 Jahre später werden wieder Götter Andersgläubiger zerstört im afghanischen Bamiyam. Übrigens ohne dass es einen nennenswerten Protest von denjenigen Muslimen gab, die damit nicht übereinstimmten.

Ja, Sie haben Recht, viele Israelis betrachten Palästinenser als eine Art Untermenschen. Aber ein großer Teil der Israelis empört sich auch darüber und es gibt Organisationen wie B'Tselem, Breaking the Silence und jewish-arab coexistence, die trotz aller Schwierigkeiten für ein friedliches Zusammenleben arbeiten. Ich habe übrigens vor kurzem das Buch „Who the fuck is Kafka?“ von Lizzi Doron gelesen, in dem es genau darum geht. Das Buch ist optimistisch und pessimistisch zugleich. Optimistisch in Hinsicht auf den Wunsch, aufeinander zuzugehen. Pessistisch in Hinsicht auf die Verletzungen beider Seiten, die dies (fast) unmöglich machen.

Aber imperialistische, sexistische, menschenverachtende Auswüchse innerhalb von Religionen haben ihre Wurzeln in kulturgeschichtlichen politischen und historischen Zusammenhängen. Ich sehe es so, dass imperialistische, sexistische und menschenverachtende Auswüchse ihre Wurzeln in kulturgeschichtlichen, politischen und religionsgeschichtlichen Zusammenhängen haben.

Die Religion ist nicht die Folge von Geschichte, sondern selbst ein Teil von ihr. Die Menschheitsgeschichte ist immer auch eine Geschichte der Religion und beides steht in einer voneinander abhängigen Wechselbeziehung. Genauso wie ein politisches System für die Lebensbedingungen der darin lebenden Menschen verantwortlich ist, so ist auch ein religiöses System dafür verantwortlich, welche Werte es den ihm angehörenden Menschen vermittelt.

Nein, ich trete natürlich weder für ein Verbot des Islams ein noch für Sippenhaft der friedlichen Muslime. Aber gerade die deutsche Geschichte hat gezeigt, dass Unheil nur deswegen entstehen kann, weil Menschen wegsehen und sich für nicht zuständig erklären. Jeder Versuch, sich kritisch mit dem Gewaltpotential des Islams auseinanderzusetzen endete bisher damit, dass sofort zur Gewalt aufgerufen wird. Das Christentum konnte sich nur deswegen verändern, weil Menschen etwas verändern wollten und sich mit aller Kraft dafür eingesetzt haben. Vieles ist noch nicht erreicht und wird vielleicht auch nie erreicht werden. Aber man gerät nicht zwangsläufig in Lebensgefahr, wenn man dafür kämpft.

Sie schreiben, es wäre schön, wenn wir uns in der Mitte treffen könnten, aber angesichts dieses äußerst schwierigen und komplexen Themas ist es schon eine Leistung, dass wir unsere Diskussion bisher ohne Beleidigungen hinbekommen haben. In anderen Blogs ist das bei weitem nicht immer der Fall.

Natürlich kommen wir ohne Beleidigungen aus,
denn es gibt keinen Grund, und gegenseitig zu beleidigen, Frau Behrens :-)
Manchmal glaube ich, wir reden aneinander vorbei, das liegt vielleicht an diesem Medium. Ich halte Sie für klug, gebildet und differenziert und hoffe, Sie nehmen mich ähnlich wahr. Im Prinzip kann ich alles unterschreiben, was Sie sagen, aber bei den Schlussfolgerungen schlagen wir wohl unterschiedliche Richtungen ein.

Ich habe auch immer wieder den Eindruck, dass wir drei einer ähnlichen Meinung sind, aber die Betonung bzw. Schlußfolgerung manchmal eine andere ist - sonst wäre es nicht möglich, überhaupt zu diskutieren.

Wahrscheinlich würde jede von uns bestätigen, dass derzeit keine andere Religion so viel Gewaltpotential birgt wie der Islam. Seine Vereinbarkeit mit dem aufgeklärten, säkularen Staat ist geringer als im Falle der anderen großen Religionen. Anders als Sie, Frau Behrens, bezweifle ich aber, dass es ein permanenter, nicht veränderbarer Zustand ist. Der Koran mag viele Passagen liefern, die zur Tötung von Ungläubigen animieren, dennoch gab es auch lange Zeiten in der Geschichte, in denen die christlich geprägten Länder ihre (meinstens mit Gewalt verbundene) Expansion mit den Passagen aus dem alten Testament begründeten. Ich glaube fest daran, dass Muslime, Christen, Juden und Buddhisten ihre Religionen/Weltanschauungen friedlich und privat ausleben können. Der Unterschied liegt aus meiner Sicht mehr in der aktuellen Auslegung der jeweiligen Religion, und die heutzutage prägenden islamischen Strömungen (Al Azhar, Ditib, Khamenei, Council of Ulema etc.) sind leider alles andere als aufgeklärt und friedensstiftend. Leider haben diese durch die fehlende Trennung vom Staat einen sehr großen Einfluss auf die Menschen, weil sie sowohl auf der emotionalen/spirituellen, als auch der rechtlichen Ebene agieren.

Ja es stimmt, ich habe tatsächlich keine allzu große Hoffnung, was die Aussicht auf eine Reform des Islams betrifft. Ich teile da die Ansicht von Hamed Abdel-Samad. Es geht dabei nicht darum, dass es selbstverständlich viele Muslime gibt, die Gewalt ablehnen, vielmehr geht es um die fehlende Solidarität mit denjenigen, die sich für eine Reform einsetzen und dafür ihr Leben riskieren. Unendlich erschwert wird jegliche Bewegung noch durch den ständig, überall und sofort erhobenen Vorwurf der Islamophobie und des Rassismus. Letzteres ist einfach nur absurd, denn Islam ist eine Religion und keine „Rasse“.
Die ethischen Grundsätze von Islam, Christentum und auch Judentum waren bis zur Aufklärung in Bezug auf Sexualmoral in mancher Hinsicht ähnlich. Aber dann erfolgte ein grundlegender Wandel in der christlich-jüdischen Kultur, der eher zu einer Verhärtung der Positionen geführt hat als zu dem Wunsch: „das ist so toll, das wollen wir jetzt auch“. Und wenn man mal ehrlich ist, ist Freiheit noch kein Garant für friedliches und soziales Zusammenleben und auch die westliche Gesellschaft hat jede Menge soziale Probleme.
Ich halte übrigens auch China und Russland für äußerst resistent was Demokratie und Pluralismus anbetrifft. Im Konfuzianismus bildet Hierarchie und Respekt vor Autorität die wichtigste Säule. In Russland hat es niemals eine Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Macht gegeben und für einen großen Teil der Bevölkerung und auch für die Kirche selbst stellt dieser Cäsaropapismus eine natürliche Ordnung dar, für deren Abschaffung es überhaupt keinen Grund gibt.
Man muss sich immer vor Augen halten, dass Demokratie nur ein Modell des Zusammenlebens darstellt. Platon lehnte beispielsweise die Demokratie ab, weil seiner Meinung nach das Volk viel zu verführbar sei und dadurch Unfähige an die Macht gelangen würden. Sieht man sich die deutsche Geschichte an, dann hat Platon ja nicht unbedingt unrecht.

Liebe Frau Behrens, Sie schrieben:
Die ethischen Grundsätze von Islam, Christentum und auch Judentum waren bis zur Aufklärung in Bezug auf Sexualmoral in mancher Hinsicht ähnlich. Aber dann erfolgte ein grundlegender Wandel in der christlich-jüdischen Kultur, der eher zu einer Verhärtung der Positionen geführt hat als zu dem Wunsch: „das ist so toll, das wollen wir jetzt auch“.

Das glaube ich so nicht. Es gab ja auch in islamisch geprägten Staaten eine große Modernisierung mit Säkularisierung des Staates (Atatürk) und auch einem Wandel des Frauenbildes. Wann und wo und wie der Rollback einsetzte weiß ich natürlich nicht so genau, aber das Eindrücklichste, an das ich mich erinnere, war die islamische Revolution im Iran. Und hier war es doch so, dass die Religion als Legitimation un d als Motor benutzt wurde, bzw., dass die Religionsfaschisten die wirtschaftliche und politische Unzufriedenheit und Verzweiflung der Unterdrückten des Schahregimes für sich zu nutzen wussten.
Ansonsten bin ich mit Ihnen d'accord. :-)

Ich habe mich dabei tatsächlich ausschließlich auf die Sexualmoral bezogen, nicht auf Bereiche wie etwa Bildungschancen, Wahlrecht etc. Und was die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen betrifft, sah es noch niemals sehr rosig aus. Auch die (damals) immer wieder als fortschrittlich gepriesene Türkei stellt da keine Ausnahme dar. Eine in Deutschland lebende türkische Bekannte hat beispielsweise vor ca. 25 Jahren während ihres Urlaubs in einem Hotel mit einem Mann übernachtet und daraufhin wurden beide festgenommen. Sie hatten die Wahl zwischen Heirat und Knast. Sexualität zwischen unverheirateten Erwachsenen wird automatisch mit Prostitution und Zuhälterei gleichgesetzt, ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Gründe zu nehmen. So kam dann meine Bekannte zu ihrem Ehemann.

Das Problem mit Atatürk ist, dass es sich um eine diktatorisch von oben verordnete und ziemlich brutal durchgeführte Säkularisierung handelte - das ist etwas ziemlich anderes als Aufklärung und man wundert sich nicht, dass es auf Dauer nicht funktioniert.
Noch deutlicher unaufgeklärt war die Pseudo-Modernisierung unter dem iranischen Shah (die Frauen durften Miniröcke tragen, zwangsverheiratet wurden sie trotzdem, wie eine iranische Autorin berichtet), die überdies eher westlichen Großmachtinteressen diente. Das führte umso schneller dazu, dass es historisch bald "nach hinten" losging.
So oder so: Erzwungene Modernisierung bringt offenbar keinen Fortschritt für die Frauenrechte.

Da haben Sie wohl beide leider Recht. Übrigens waren übelste sexuelle Übergriffe auch im Italien der Achtziger Jahre noch an der Tagesordnung, also in der Straßenbahn mal eben in den Schritt greifen und wer sich wehrt, kriegt 'n Tracht Prügel. Erzkatholisch, aber eben auch mediterran patriarchalisch. In den 90ern wurde nur noch nett geflirtet, jetzt ist sogar das zum Erliegen gekommen :-)

Ein befreundeter Italiener meinte mal, im Mittelmeerraum seien alle verrückt, weil ihnen da zu viel die Sonne auf den Kopf scheine.
Wäre schön, wenn es so einfach wäre.