Ich mag eigentlich weder Rap noch Hip Hop besonders , aber eine Ankündigung im Programm der Hamburger langen Nacht der Museen weckte sofort mein Interesse. Es handelte sich um die „Microphone Mafia“, die zusammen mit Esther Bejarano auftrat. Esther Bejarano ist eine 90jährige Holocaustüberlebende, die im sogenannten Mädchenorchester von Auschwitz Akkordeon spielte.
In der Microphone Mafia spielt auch Esther Bejaranos Sohn Joram und der türkischstämmische Sänger Kutlu Yurtseven mit. Nicht nur eine ungewöhnliche Zusammensetzung in Hinsicht auf den kulturellen Hintergrund, sondern auch auf die Altersstruktur, die drei Generationen umfasst.
Ich konnte mir kaum vorstellen, dass eine derartig ungewöhnliche Zusammenstellung harmonieren könnte. Aber es funktionierte! Die Rapp-Passagen Kutlu Yurtsevens wechselten sich mit dem glockenhellen Gesang Esther Bejananos.ab. Die Texte handelten meist von dem Wunsch nach Freundschaft, Verständigung und Frieden. Esther Bejarano sang auch Boris Vians „Le deserteur“.
Eine kleine Szene wird mir im Gedächtnis bleiben: Als die Gruppe ihre erste Pause machte, ruhte sich Esther auf einem Stuhl aus, woraufhin Kutlu Yurtseven sofort eine eine Decke holte und sie sorgfältig zudeckte. Nach eigenen Aussagen fühlt er sich von Esther Bejarano, die seine Großmutter sein könnte „eingeenkelt“.
Ich beschäftige mich viel mit Auschwitz und musste mir während des Konzerts immer wieder vorstellen, wie Esther Bejarano dort gemeinsam mit anderen Häftlingen buchstäblich um ihr Leben spielte. An der Rampe stehend im Bewusstsein, dass die meisten der ankommenden Häftlinge sofort in den Tod geschickt werden, musste sie fröhliche Musik spielen. Nur durch ihre Musikalität hat sie das Grauen des KZs überlebt. Trotz allem, was ihr angetan wurde, ist sie weder verbittert noch hasserfüllt, sondern widmet sich ihrer Vision der Völkerverständigung. Ein wenig hat mich Esther Bejarano in ihrem Humanismus an die im KZ ermordete Etty Hillesum erinnert, über die ich
hier auch schon geschrieben habe. Ich ließ es mir nicht nehmen, ihr nach dem Konzert die Hand zu schütteln. Die Hand einer kleinen kaum 150 cm großen Frau, die durch die Hölle gegangen ist und die mit ihrer Musik der Verständigung eine enorme Größe beweist.