Schluss mit lustig
"Es wartet. Es legt sich auf die Lauer. Und in Zeiten, wo du denkst, dass es jetzt okay ist, merkst du plötzlich: Nichts ist okay!"
Robin Williams über seinen Kampf gegen seine Süchte und Ängste

„Was, du bist kein Fan von Robin Williams?“ fragte mich gestern erstaunt eine Kollegin. Robin Williams ist in der Tat ein Schauspieler, der fast jedem gefiel wohingegen ich mich nie so richtig für ihn begeistern konnte. Trotzdem war ich gestern doch ein wenig erschüttert über die Nachricht seines Selbstmordes.

Was gefiel mir eigentlich nicht an diesem Schauspieler? Mir waren einige seiner Rollen oftmals etwas zu überdreht und andere wiederum zu gefühlsduselig. Allerdings stellt für mich die Schlussszene in „Club der toten Dichter“ trotzdem eine der besten Filmszenen überhaupt dar. Und natürlich ist eine Komödie wie „Mrs Doubtfire“ absolut unterhaltsam und urkomisch. Aber dennoch empfand ich eben doch so mache der Rollen als überzeichnet dargestellt. Ich konnte mich auch nie für die überall hochgelobte Rolle in „Good Morning Vietnam“ begeistern, deren Verdienst es nach Kritikermeinung war, zu zeigen, „dass man auch in ersten Zeiten Humor beweisen kann“. Sicher gibt es in jeder menschlichen Misere auch immer Situationen, in denen Menschen trotzdem lachen und das ist auch gut so. Aber eine Gaudisendung im Radio zu moderieren während Menschen mit Napalm übergossen und ganze Dörfer restlos ausgerottet werden, mögen vielleicht Amerikaner zum Totlachen finden, mir erschloss sich der Witz nicht.

Wie passt es zusammen, dass ein Schauspieler, der im Genre der Komödie grenzenlosen Erfolg hatte, sich das Leben nimmt? „Robin Williams, rest in peace. Make God laugh.“ war gestern über dem Eingang eines Clubs in leuchtenden Lettern zu lesen. Und gegenüber der Presse erklärte Robin Williams Frau: Ich hoffe, in den Erinnerungen wird nicht sein Tod vorherrschen, sondern die unzähligen Momente des Spaßes und des Lachens, das er Millionen gab".

Mich machen diese Reaktionen sprachlos. Da geht es jemanden so dreckig, dass er das tut, was der menschlichen Natur normalerweise zutiefst entgegen steht – er beendet sein Leben von eigener Hand. Und trotzdem wird ihm posthum die Fähigkeit zugesprochen „Gott zum Lachen zu bringen“. Und die liebende Ehefrau ist ängstlich darauf bedacht, dass das Bild vom fröhlichen Clown nicht durch die unschöne Realität der Depression getrübt wird. Irgendwie scheint man da Film und Realität zu verwechseln und es ist mehr als befremdlich, wie dabei ein Mensch mit seinen Rollen identifiziert wird.

Vielleicht ist es genau das, was mich daran hinderte, ein Fan von Robin Williams zu sein – in mancher Hinsicht haben gerade seine eindeutig überragenden schauspielerischen Leistungen ungewollt auch das Falsche und Unechte am American way of live sichtbar gemacht. Diese Lust am Zuckersüßen und Überschwänglichem, verbunden mit der tiefen Abneigung, sich auch mit dem zu beschäftigen, was unschön und nicht spektakulär ist.

Das Prinzip des Let’s-have-fun lässt sich nur so lange leben, wie man in der Lage ist, all das Unangenehme und Lästige zu verdrängen. Aber leider gelingt dies kaum jemanden, denn diese Bereiche gehören nun mal leider auch zur menschlichen Existenz. Und in dem Moment, wo man nicht mehr verdrängen kann – und dieser Moment gehört zwangsläufig zum Zustand einer Depression – bricht das ganze Scheingebilde wie ein Kartenhaus zusammen.

Mir war nicht bekannt, dass Robin Williams an Depressionen litt. Und irgendwie sehe ich ihn jetzt in einem anderen Licht. Es muss die Hölle sein, nach außen die Ulknudel darzustellen, während im tiefsten Inneren Verzweiflung herrscht. The show must go on – jetzt ohne Robin Williams.




Die richtigen Gedanken
Ich stimme dir zu. Scheinbilder werden immer auf Kosten von anderen errichtet und können nicht ohne Schaden erhalten werden.

Familäre Scheinbilder und die Lust am Verdrängen
Ja, wahrscheinlich sind es in sehr vielen Fällen gerade diese Scheinbilder, die die Ursache dafür darstellen, dass Menschen ihr Leben nicht mehr ertragen. Dies ist nicht nur auf die Rolle eines Einzelnen begrenzt, sondern kann sich auch in dem Scheinbild äußern, das für die gesamte Familie konstruiert wird. Es gibt viele Familien, die weit entfernt von tatsächlicher Harmonie sind und trotzdem wird hartnäckig daran festgehalten, dass alles in Ordnung ist.

Das Leid, was manche in ihrer Familie erlebt haben, ist oftmals schon schlimm genug. Unerträglich wird es dadurch, dass dann auch noch verlangt wird, alles totzuschweigen und die Scheinharmonie mitzutragen. Eltern möchten gern, dass die Kinder alle gut funktionieren und ihnen dadurch das Gefühl vermitteln, alles richtig und gut gemacht zu haben. Und viele Eltern sind hoffnungslos damit überfordert, wenn dies eben nicht der Fall ist. Die Augen werden dann konsequent verschlossen vor dem Leid und es wird sich gern auf diejenigen Kinder konzentriert, bei denen alles vorschriftsmäßig läuft. Ein Suizid lässt diese Scheinwelt dann zusammenbrechen. Zumindest für eine Weile, denn manchmal siegt schon nach einiger Zeit wieder das Verdrängen. Lebt sich halt besser so.

Unabhängig von den Scheinbildern, die zu einem Suizid führen können, habe ich mich hier einer Reaktion auf Robin Williams Tod gewidmet, die deutlich macht, dass sich manche schon durch die Konfrontation mit dem Leid anderer in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt fühlen.