Endlich wird den Werken von Paul Celan eine Hommage gewidmet. Ben Becker liest Texte von ihm und wird dabei auf der Klarinette von Giora Feidman begleitet. Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass es auch Menschen gibt, die die sensiblen Werke dieses Dichters zu würdigen wissen. Die Verhöhnung des Gedichts durch die „Gruppe 47“ in den 50er Jahren mag man damit erklären, dass Celan nun mal nicht jedermanns Sache ist, zumal es in der Kunst auch kein Richtig und Falsch gibt. Ich persönlich sehe darin jedoch die Diskrepanz zwischen Authentizität und verknöchertem ideologischem Intellektualismus, dem der Blick dafür verloren gegangen ist (vielleicht auch nie vorhanden war), wie es sich anfühlt, wenn Kunst authentisch ist.
Das, was authentisch ist, mag man ablehnen, weil es einem nicht gefällt oder weil es mit den eigenen Wertmaßstäben nicht übereinstimmt oder weil man ganz einfach andere Vorstellungen von Kunst hat. Aber ungeachtet dessen verdient Authentizität, ernst genommen zu werden, zumal wenn damit das selbst erlebte Leiden ausgedrückt wird.
Für mich ist Günter Grass das künstlerische Gegenstück zu Paul Celan. Grass hat seinen eigentlichen Konflikt, nämlich die Tatsache, Mitglied in der Waffen-SS gewesen zu sein, nie authentisch aufgearbeitet, sondern stattdessen diesen Konflikt dadurch gelöst, mit dem Finger auf andere zu zeigen, die Mitglied in SS oder NSDAP waren. Und ich glaube, dies ist auch der Grund, warum ich mich im Deutschunterricht mit Grass herumgequält habe – seine Werke hatten für mich schon immer etwas seltsam Lebloses und Unechtes.
Und der Grund dafür, dass mir Paul Celans
Todesfuge so unter die Haut geht, liegt in der tiefen Wahrhaftigkeit seiner Worte. Und deswegen bin ich so froh über diese späte Hommage.
Seltsam, dass ich gerade heute in der Zeitung diese Weisheit des Tages las: „
Du sollst die Ermordeten nicht, und nicht die Mörder vergessen“ (Alfred Henschke). Dieser Ausspruch trifft sehr gut auf Paul Celan zu, denn seine Lyrik ist ein Mittel gegen das Vergessen. Allerdings nicht auf dem Wege der moralischen Entrüstung, sondern auf dem der Authentizität. Die späte Hommage lässt jetzt dieses Erinnern wieder aufleben und hilft uns gegen das Vergessen.