Gewalt, Rache, Gerechtigkeit und was aus einem Trauma entstehen kann
Obwohl ich Actionfilme nicht besonders mag, habe ich mir die gesamten Folgen der Millennium-Trilogie von Stieg Larsson angesehen. Ich habe erst vor einigen Monaten das erste Mal von Stieg Larsson und seiner Trilogie gehört. Das war in meinem Urlaub in Malaysia, als ich mich mit einem Australier unterhielt und wir dabei auch auf meinen Beruf zu sprechen kamen. Am nächsten Abend trafen wir uns zufällig wieder und er sagte mir, dass ihn durch unsere Unterhaltung die Romane von Stieg Larsson eingefallen wären, denn auch dort kommt ein „Guardian“ – also Vormund – vor. Der Australier beschrieb die Romane als äußerst spannend und lesenswert.

Als jetzt vor sechs Wochen die erste Folge – Verblendung – im Fernsehprogramm angekündigt wurde, war für mich klar, dass ich mir zumindest eine Folge ansehen wollte. Besagter Australier hatte mir die Romane so ans Herz gelegt und ich war außerdem sehr neugierig, welche Rolle man in einem Actionfilm wohl einem Vormund zugedacht hat. Schon der erste Teil des Films strotzt nur so von Gewalt – dies ist auch der Grund, warum ich mir normalerweise schon seit längerem solche Filme nicht mehr ansehe. Man baut eine Menge Wut auf, die auch nach dem Ende des Films noch spürbar ist und letztendlich weiß ich nach solchen Filmen oftmals nicht, warum ich sie mir überhaupt angesehen habe. Inhaltlich geht es meist um nichts anderes, als um die Darstellung von Gewalt und überzogenen Klischees.

Aber irgendetwas an dem Film hat mich dann doch sehr gefesselt. Zum einen ist die von Noomi Rapace dargestellte Rolle der Lisbeth Salander sehr beeindruckend. Eine ungewöhnliche Mischung aus Zerbrechlichkeit, Trotz, Verletztheit und Racheengel. Und dann die Person des Journalisten Mikael Blomkvist, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, miese Machenschaften ans Licht zu bringen. Beide Figuren trifft man im wahren Leben nicht. Menschen, die für Gerechtigkeit ihr Leben aufs Spiel setzen gibt es leider nur im Film. Allerdings wurde im Anschluss an den ersten Teil eine Dokumentation über das Leben von Stieg Larsson gezeigt, die doch ein kleines bisschen an meiner Einschätzung gerüttel hat.

Ähnlich wie seine Romanfiguren hat sich nämlich Stieg Larsson in seinem wahren Leben dem Kampf gegen Ungerechtigkeit verschrieben und sich insbesondere gegen Rechtsradikalität engagiert. Und was mich sehr berührt hat, ist der Anlass, der zu seinem Engagement geführt hat. Als Jugendlicher wurde Stieg Larsson Zeuge, wie eine Gruppe anderer Jugendlicher ein Mädchen vergewaltigte. Er griff – warum wurde nicht näher erwähnt – nicht ein, aber nach seinen Aussagen hat dieses Erlebnis bei ihm dazu geführt, sich gegen Gewalt zu engagieren.

Ich habe das Gefühl, dass es Stieg Larsson gelungen ist, seinen Romanen und damit auch deren Verfilmung die Authentizität einzuhauchen, die man in Filmen dieses Genres normalerweise vergeblich sucht. Was übrigens nicht heißt, dass die Verfilmung auf die üblichen reißerischen Mittel verzichtet. Im Großen und Ganzen ist es ein ganz normaler Unterhaltungsfilm – allerdings auf höherem Niveau als normalerweise üblich.

Was mich an Stieg Larsson so beeindruckt, ist nicht die Thematik seiner Romanverfilmungen. Es ist vielmehr die Tatsache, dass jemand aus einer traumatischen Situation einen Wendepunkt in seinem Leben gemacht hat. Oder besser gesagt, die Tatsache, dass jemand die Situation des Miterlebens von Gewalt ohne gegen diese eingeschritten zu sein, überhaupt als Trauma empfunden hat. In einer Zeit der Ideologie des Wegsehens ist dies ein Hoffnungsschimmer.

Menschen sind fehlbar und es gehört zur menschlichen Existenz, dass es Situationen gibt, in denen man tatenlos zusieht, obwohl es richtig wäre, einzugreifen. Das Entscheidende ist, dass man aus diesen Situationen lernt. Ausschlaggebend die Veränderung, die aus Fehlern entstehen kann, wenn man sich ehrlich eingesteht, dass man einen Fehler begangen hat.

Ach so – was die Darstellung eines Vormunds anbetraf, wegen der ich mir ja die Trilogie überhaupt angesehen habe: es gibt im Film davon gleich zwei. Bei dem einen handelt es sich um einen liebenswürdigen älteren Herrn, der sich sehr für sein Mündel eingesetzt hat. Bei dem anderen handelt es sich um einen Kotzbrocken, der seine Position brutal und skrupellos ausgenutzt hat. Zumindest dies war so real wie im richtigen Leben…