Der Normalfall und die Ausnahme
„Es geht auch anders, aber so geht es auch“, singt Mackie Messer in der Zuhälterballade der Dreigroschenoper. Bin gerade von einem mehrtägigen Seminar wiedergekommen. Und dabei bin ich wieder daran erinnert worden, dass es auch ganz, ganz anders geht als das, was als "das Normale" angesehen wird.

Es wurde nicht über Geldanlage gesprochen. Nicht über Gewinnmaximierung. Auch nicht darüber, wie man es anstellt, einen guten Eindruck zu machen. Niemand drohte damit, andere zusammenzufalten. Keiner machte prollige dumpfe Sprüche, die unter die Gürtellinie zielen. Und niemand projizierte die eigenen Fehler in andere hinein. Es gab weder Alphamännchen die kommandieren, noch Betamännchen, die sich kommandieren lassen.

Es war einfach „normal“. Aber eigentlich auch wieder nicht, denn das war nicht der Normalfall. Der Normalfall ist der des Alltäglichen und das Alltägliche ist genau andersherum. Das Alltägliche ist angefüllt mit Überflüssigem und Nutzlosem. Mit Zeitverschwendung. Denn es ist verschwendete Zeit, sich pausenlos über Geld und dessen Maximierung Gedanken zu machen, wenn man schon längst genug davon hat. Und es ist vollkommen überflüssig, sich darüber Gedanken zu machen, wie man sich besser darstellt, als man tatsächlich ist.

Es ist die Ausnahme, mit Menschen Zeit zu verbringen, die ganz andere Dinge als wichtig empfinden. Menschen, die etwas verändern und nicht stillstehen wollen und dazu etwas über sich und andere Menschen erfahren wollen.

Mein Alltag entspricht dem „Aber so geht es auch“. Ein Kompromiss zwischen dem, was man will und dem, was man angeboten bekommt – mit starker Tendenz zu letzterem.

Und das ist meist das Fazit, das ich aus meinen Seminaren ziehe: „Es geht auch anders“. Man kann das Überflüssige auch einfach weglassen. Und sucht sich dazu Menschen, die auch keine Lust auf Überflüssiges, sondern auf Wesentliches haben. Endlich mal wieder tief durchatmen anstatt zu hecheln.

In der seltenen Ausnahmesituation auftanken um den ständigen Normalfall durchzustehen. Umgekehrt wär's leichter. Doch wie Mackie Messer schon festgestellt hat: "Aber so geht es auch".




Ja - so etwas ist sehr wohltuend, nur leider bleibt es in dieser Gesellschaft immer nur eine Insel, die oft schwer zu erreichen ist.
Ich habe das Glück, dass ich mich Menschen arbeiten kann, die die Gesellschaft als unnormal empfindet, die aber genau so sind, wie du es beschreibst: die etwas anderes als Geld und Macht als wichtig empfinden, die Gemeinschaft schätzen und wo jeder das leistet, was er kann und nicht, was er muss. Und das wertgeschätzt wird, wenn man sich kümmert.

Ich glaube, das ist wirklich Glück. Acht Stunden sind eine lange Zeit und wenn man diese Zeit unter Gleichgesinnten sein darf, dann gibt das Rückhalt. Und mit Rückhalt kann man sehr viel mehr bewirken, als ein Einzelkämpfer. Und man verschleißt dabei auch nicht so.