Alice Schwarzer gegen Kristina Schröder – wenn man sich nichts zu sagen hat
Ein interessanter Schlagabtausch fand vor kurzem zwischen Familienministerin Kristina Schröder und Alice Schwarzer statt. Die Familienministerin erzählt im Spiegel, dass sie nie Feministin werden wollte. Ihr ging die These von der Heterosexualität, die als Unterdrückungsinstrument der Frau dargestellt wurde, immer entschieden zu weit. Alice Schwarzer kontert damit, dass sie Frau Schröder als einen hoffnungslosen Fall ansehe.

Da ist wohl auch kaum Kommunikation möglich. Die rund ein Vierteljahrhundert jüngere Familienministerin blendet den geschichtlichen Hintergrund des Feminismus völlig aus, sowie auch die Tatsache, dass sie ohne die feministische Bewegung wahrscheinlich gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, als Frau ein hohes politisches Amt auszuüben. Und Alice Schwarzer schlägt zurück, eben genau aus diesem Grund – denn fehlendes Geschichtsbewusstsein ist für sie unentschuldbar. Ein bisschen hinhören können hätte sie aber schon.

Ich stehe altersmäßig genau zwischen beiden und so ähnlich fühle ich mich auch – zwischen den Stühlen. Ich stöhne auch immer auf, wenn ich Frauen sagen höre, dass der Feminismus doch eigentlich nie nötig gewesen wäre. Aber ich habe – ehrlich gesagt – damals auch aufgestöhnt, als der Feminismus seine Dogmen darüber erhoben hat, wie Sexualität zu sein hat. Es ging sehr rigide zu und erlaubt war nur gleichgeschlechtlicher- oder Kuschelsex.

Aber wenn ich mir jetzt die Entwicklung ansehe, dann ist es zwar eindeutig so, dass alles – und wirklich absolut alles – erlaubt ist und es keine einschränkenden Normen mehr gibt. Aber auf der anderen Seite ist dadurch eben nicht die ersehnte Befreiung eingetreten, denn es gibt nach wie vor sexuellen Missbrauch, sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung. Mit anderen Worten – für viele ist Sexualität leider doch noch mit Zwang und Unterwerfung verbunden. Dann können Alice Schwarzers Thesen also doch nicht so falsch gewesen sein.

Was man darauf lernen kann? Weiß ich auch nicht so recht. Ich weiß nur, dass man vielleicht wieder anfangen sollte, Dinge zu hinterfragen und nachdenklicher umzugehen mit dem, was um uns herum geschieht. Feminismus mag anstrengend gewesen sein, aber er hat etwas bewegt und Strukturen wurden verändert oder weiterentwickelt. Davon kann in unserer jetzigen Zeit ganz bestimmt nicht die Rede sein.

Und ich habe mich gerade entschieden, demnächst mal etwas mehr zu diesem Thema zu schreiben.




Da hast Du wieder ein interessantes Thema aufgegriffen (mit dem ich mich auch schon ein Weilchen trage).

Natürlich konnte mir die medial geführte Debatte der beiden Damen auch nicht entgehen. Dazu schlugen zwei Herzen - ach - in meiner Brust, der weiblichen.

Zum einen verstehe ich Frau Schwarzers Empörung darüber, dass allenthalben behauptet wird, die Unterdrückung der Frauen sei schon längst überwunden. Das ist nicht so, nicht hierzulande und auch sonst nirgendwo auf der Welt. Ich denke, da darf man sich absolut keine Illusionen machen. Ich glaube, die Dunkelziffer derjenigen Frauen, die immer noch unter ihrem Geschlecht zu leiden haben, sei es in der Öffentlichkeit, sei es in der Familie, ist immens hoch. Es ist gar nicht lange her, da besuchte ich (auch mehr oder weniger in eigener Sache) eine Ausstellung des Weißen Rings mit dem Titel "Opfer", aus der ich mich stellenweise dann ausklinken musste, weil das zu sehr triggerte. Im Anschluss gab es einen Vortrag zum Thema "Traumatisierung und die Folgen", und es ergab sich eine Diskussionsrunde mit Frauen von der Frauenberatungsstelle. Was diese zu berichten hatten, war alles andere als eine süße Gutenacht-Geschichte. Heute. Mitten in Deutschland, in einem gutsituierten Landstrich, in einer mittelgroßen Stadt. Gleichberechtigung und Frauenrechte sind zwar vielleicht auf dem Papier festgeschrieben, aber im Leben so vieler Menschen noch nicht verwirklicht. Dazu muss man nicht erst nach Afrika schauen (Beschneidungen) oder in den Iran (Verhüllungszwang). Wobei man das natürlich sollte.

Auf der anderen Seite sehe ich es auch so, dass Frau Schwarzer im Grunde ihres Herzens eine Konservative ist. Sie ist in ihrer Argumentation von damals steckengeblieben und hat nicht mitbekommen, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt, dass sich Menschen, Medien, Sitten und Ideen verändern. Der Feminismus muss sich, wenn er eine bedeutende Rolle im Denken der Menschen spielen will, mit weiterentwickeln. Im ewig Gestrigen zu verweilen ist kontraproduktiv und sorgt doch erst dafür, dass die Leute allmählich wirklich genervt sind von den "abgedroschenen Sprüchen" Frau Schwarzers.

Meiner Auffassung nach ist Feminismus nicht denkbar und umsetzbar ohne die Männer, und das bedeutet, dass er sich nicht gegen sie richten darf, sondern dass man aus dem Feminismus eine Menschenrechtsbewegung machen muss. Diese Bewegung sollte der Herausforderung nachgehen, hinzusehen, wo uns Geschlechtsrollen auf beiden Seiten einengen, wieso wir so eisern daran festhalten, wo Schaden und wo Nutzen liegt. Das lässt sich erst einmal auch ideologiefrei betreiben, indem man endlich davon abrückt, "die" Männer als die bösen, machtgierigen Menschen hinzustellen, die sie eben nur manchmal sind. Viele Verhaltensweisen sind ein Schutz vor dem eigenen Fühlenmüssen, eine Kompensation für eigene Schwäche, ein Ergebnis der Umstände. Natürlich wäre es ganz wünschenswert, wenn sich Männer mehr der Kindererziehung widmen und über ihre Gefühle reden würden. Nicht nur für die Frauen. Das lässt sich aber nicht verordnen. Es geht nur, indem man erstens die klassischen Geschlechtertypisierungen und Rollenzuschreibungen auf ihre Funktion hin überprüft und sie dann hinterfragt, und zwar auch ganz individuell und privat. Die Kernfrage ist: Wie kann mein Leben als Frau und Dein Leben als Mann für uns alle menschlicher werden?

Leider setzt ein solcher Prozess Bewusstsein über die eigene Geschichte, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle sowie auch über Geschichte allgemein voraus. Noch vor siebzig Jahren hat man bei uns Männer zu Soldaten erzogen und Frauen zu Gebärerinnen. Dieses Erbe setzt sich fort, und das muss man sich ansehen. Es ist wenig hilfreich für so einen anstrengenden, neu zu entwickelnden Prozess, wenn man es sich leicht macht und einfach mit dem Finger auf die anderen zeigt.

was ich noch ergänzen möchte ist, dass viele (sowohl Männer, wie Frauen) doch sofort - ohne Nachzudenken - ihr Klischee-denken hervortun.

Wie oft habe ich von Frauen gehört: typisch Mann, der kann ja das und das überhaupt nicht, wie soll er auch, alles nur Schwachk....., und so weiter. Ich krieg langsam die Krise, wenn solche Vorurteile ahnungslos über Ahnungslosen ausgegossen werden, weil es schon immer so war und es sich auch auf ewig nicht ändert und sich keiner die Mühe macht, mal weiter als bis zur Mauer zu gucken.

Männer sind auch nur Menschen und haben Stärken und Schwächen, so wie Frauen auch. Es ist an der Zeit in der Gesellschaft auf die Stärken beider Geschlechter zu bauen und zu sehen: das ist ein ideales Ergänzungspotential, wenn man mal richtig hinschaut.

Schließe mich b-reeze an.

Mein Kollege telefoniert ab und an mit seiner Lebensabschnittsgefährtin, und fast jedes Mal, nachdem er aufgelegt hat, kommentiert er die Sorgen und das Verhalten seiner eigenen Freundin mit ausgiebigen "Das ist doch mal wieder so typisch Frau...!"-Sprüchen. Mich nervt das ohne Ende, zumal ich die einzige Frau in diesem Büro bin. Neulich platzte mir der Kragen und ich sagte dann mal deutlich und für alle vernehmbar: "Meine Güte, wie mir diese "Typisch-Frau"-Kacke auf den Geist geht!"

Gestern wieder ein Telefonat. Nach dem Auflegen der Kollege: "Aber die macht sich auch mal wieder viel zu viele Sorgen - typisch Frau!" Ich quittierte das mit Schweigen. Dann, nach einer Weile, kam von ihm: "Entschuldigung! Das ist mal wieder typisch meine Frau!" Mir schien, er hat es begriffen. Mal sehen, wie lange es hält.

"Typisch Mann"-Sprüche gehen mir übrigens genau so auf den Keks. Manche Menschen werden einfach nicht müde, sich gegenseitig permanent solche Dinger um die Ohren zu hauen, weil sie keine Lösungen für ihre Kommunikationsprobleme kennen.

@b-reeze:

Männer sind auch nur Menschen und haben Stärken und Schwächen, so wie Frauen auch.

Ich würde noch einen Schritt weitergehen und sagen: Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen, und das hängt eher von der individuellen Geschichte und dem Charakter des- oder derjenigen ab als vom Geschlecht. Ich finde die Eigenschafts-Zuschreibungen für Frauen und Männer schon deshalb fürchterlich, weil sie alles so zementieren. "So und so hast Du zu sein, sonst bist Du kein richtiger Mann/keine richtige Frau!" Jeder Mensch hat in sich Aspekte von Härte und Weichheit, Stärke und Schwäche, Wärme und Kälte. Irgendwann kam man auf die Idee, diese Gegensatzpaare als "männlich" und "weiblich" zu bezeichnen, und dann war plötzlich alles, was abwich, nicht "richtig" für den Vertreter des jeweiligen Geschlechts. Schade, dass die meisten Menschen sich auf diese Weise so viele Möglichkeiten im Leben versagen.

@Sturmfrau
Ich denke schon, dass Alice Schwarzer mitbekommen hat, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt hat. Die von ihr herausgegebene Zeitschrift „Emma“ hatte viele Jahre lang den Untertitel „Von Frauen für Frauen“. Irgendwann hat Alice Schwarzer dann den Untertitel umbenannt in „Von Menschen für Menschen“ und es schreiben auch schon seit langem Männer Artikel in der Emma.

Aber Alice Schwarzer hat immer noch ein sehr enggefasstes Bild davon, wie Frauen ihrer Meinung nach sind und dieses Bild blendet viele Facetten aus, was sich auch – aber nicht nur – im Bereich der Sexualität zeigt. Der Vielfalt der menschlichen Persönlichkeit wird dies oftmals nicht gerecht.

Ich habe mich, was das Kämpferische des Feminismus betrifft, immer mit allem identifizieren können. Was allerdings die Lebenslust betrifft, hatte ich oft arge Schwierigkeiten mit den Dogmen. Ich hatte nie Lust, etwas nur allein deswegen nicht zu tun oder zu mögen, weil es traditionell dem Weiblichen zugeordnet wird. Ich möchte mir aussuchen können, was mir gefällt – auch wenn es sich um Kochen, Bauchtanz, Schimanski, Kitschfilme und lange Haare handelt (jetzt habe ich mich geoutet…)

Du schreibst, dass man die Männer mit einbeziehen soll. Das habe ich eigentlich auch immer so gesehen. Aber wenn ich mir Exemplare wie Bushido oder Sido ansehe, dann habe ich wenig Hoffnung – und auch wenig Lust – in den Dialog zu treten. Übrigens hat Alice Schwarzer Bushido tatsächlich mal in eine Sendung eingeladen, aber der Junge hat Angst und ist nicht gekommen. Mir fällt in dem Zusammenhang auch das Alphamännchen in unserem Kollegenkreis ein, bei dem jeglicher Versuch eines Dialogs hoffnungslos ist - Alphatiere diskutieren nicht, sondern geben Kommandos.

Ich habe vor kurzem im Bereich meiner Arbeit in einem Internetforum etwas recherchiert. Mir ist dabei schlecht geworden!! Frauen wurden nur als Fotzen, Schlampen, Säue und Huren bezeichnet. Auch bei diesen Männern kann ich mir beim besten Willen einen Dialog nicht vorstellen.

@b-reeze
Man kann Frauen und Männer sicherlich nicht auf bestimmte Eigenschaften festnageln. Dennoch gibt es noch immer jede Menge Unterschiede, die sich einfach aus den auch immer noch verschiedenen Rollen ergeben. Ein weinender Mann wird immer noch viel eher belächelt als eine weinende Frau. Rollenvorschriften schaffen – ob man will oder nicht – auch rollenspezifisches Verhalten. Das ist natürlich nicht angeboren, aber dennoch vorhanden.

Wichtig ist, sich genau anzusehen, wo man einer Rollenvorschrift unbewusst auf den Leim geht und irgendetwas nur deswegen tut oder meint tun zu müssen, weil die geschlechtsspezifische Rolle es abverlangt.

Man darf wirklich nicht vergessen, dass die Welt nicht nur aus Bushidos und Sidos besteht. Es gibt auch viele Frauen, die ich wirklich mit ihrem Verhalten zum Gruseln finde, und würde ich an ihnen die Weiblichkeit der Welt messen, dann wäre das Ergebnis ein reichlich verzerrtes. Da sind die Wimperklimper-Weibchen, die überschminkten Püppies, wie sie das Privatfernsehen nur allzu gern zeigt, die sich selbst als Luxusfrauen bezeichnen und neben Chichi und Trallala nur ihre eigenen, überhöhten Ansprüche im Sinn haben (und sich auf diese Weise auch weigern, erwachsen zu werden). Oder die Frauen Typ "Kegelschwester", die sich nur dann trauen, über ihre Männer herzuziehen, wenn sie sich mit klebrigem Likör in Gegenwart eines Dutzends anderer Frauen richtig die Kante gegeben haben, es dann aber so richtig krachen lassen.

Leute wie Sido und Bushido haben es geschafft, aus ihren Charakterschwächen Kapital zu schlagen, und sie pflegen die Publicity, die ihnen dadurch zukommt. Sie werden sich nicht anders verhalten, und wenn man es noch so gern hätte. Das einzig Problematische an diesen Ausreißer-Exemplaren ist, dass sie jungen Männern als Vorbild dienen. Da ist es dann am sinnvollsten, sich anzuschauen, wo in der Entwicklung junger Menschen, die auf so etwas stehen, die Defizite liegen, und wie man diese Jungs erreichen kann. Das wäre zum Beispiel eine sinnvolle Aufgabe für einen neuen Feminismus.

Natürlich finde ich es auch zum Kotzen, wenn ich lese, was sich Männer erlauben, und das macht mich oft über alle Maßen pessimistisch. Auf der anderen Seite ist es wichtig, zu relativieren. Ich denke, dass man an Wahrnehmung, Rollenverhalten und schädlichem Gebaren nur etwas ändern kann, wenn man lernt, den anderen als Menschen wahrzunehmen. Das Schema "Männer = Täter", "Frauen = Opfer" greift viel zu kurz. Das wird mir besonders auch dann deutlich, wenn ich bedenke, wie sehr die Haltung der Mütter ins Gewicht fällt, die es ja in der Hauptsache immer noch sind, die auch die Söhne erziehen. Ich will nicht pauschalisieren, aber so manches Mal, wenn ich eine Mutter mit offensichtlichem Migrationshintergrund (kann man das eigentlich noch politisch korrekt ausdrücken?) ihren mindestens fünfjährigen, ziemlich fetten Sohn noch immer im Buggy durch die Stadt schieben sehe, wird mir wieder klar, dass die Grundlagen für Selbstüberschätzung und Machotum in der Familie gelegt werden. Das ist sicher in deutschstämmigen Familien nicht anders, nur vielleicht weniger offensichtlich.

Natürlich ist es nicht zumutbar, dass wir als Frauen auf Männer zutreten, die es nötig haben uns als "dreckige Fotzen" zu bezeichnen und deren Gebaren damit zu entschuldigen, dass sie eine "miese Kindheit" hatten. Ich halte es nicht für möglich, die Einstellungen dieser Menschen zu verändern. Es ist aber auch nicht angemessen, sie als Personen zu überhöhen, denn sie besitzen keine Allmacht, auch wenn sie sich das wünschen. Es gilt: Ich entscheide, wer mich beleidigt. Der, der auf so mancher Internet-Seite lauthals von Schlampen und Fotzen redet und sich damit brüstet, jede Woche "eine durchzuziehen", ist im realen Leben wahrscheinlich eine recht peinliche Figur. Ich degradiere mich selbst, wenn ich mit so jemandem auf Augenhöhe diskutiere. Und diese "Auf-Dicke-Hose-Macher" sind in meinen Augen auch nicht das eigentliche Problem. Es wird sie vermutlich immer geben, genau wie die "Kegelschwestern".

Wie Du selbst schreibst: Wichtig ist, sich genau anzusehen, wo man einer Rollenvorschrift unbewusst auf den Leim geht und irgendetwas nur deswegen tut oder meint tun zu müssen, weil die geschlechtsspezifische Rolle es abverlangt.

Das gilt auch für Denk-Kategorien. Das Bild von der zarten, hilflosen und ewig benachteiligten Frau sollten wir überdenken, weil wir uns damit ins eigene Knie schießen, wenn wir uns selbst in der Opferrolle verankern und anderen eine Macht zubilligen, die sie nicht haben. Veränderung fängt immer bei uns selbst an.

Das beschreibt exzellent und sehr plastisch die Situation in der wir leben. Und es stimmt, man muss sich immer wieder Klaus Kinskis Spruch „Ich entscheide, wer mich beleidigt“ vorsagen, damit man nicht in den Kreislauf hineingezogen wird. Das Dumme ist nur, dass es eben nicht nur um einen selbst geht. In dem von mir zitierten Forum wurde ja nicht ich selbst so erbärmlich beleidigt, sondern eine andere Person, bei der dies tragische Folgen hatte, um die nun auch ich mich wieder kümmern muss.

Die Aufgabe für einen neuen Feminismus auch darin zu sehen, wie man die Jungen, die Bushido anhimmeln, erreichen kann, ist aber mehr als schwierig. Mein Freund arbeitet beispielsweise als Erzieher in einer Jugendwohngruppe mit überwiegend männlichen Jugendlichen. Die meist jüngeren Erzieherinnern werfen nach einiger Zeit das Handtuch, weil die Beleidigungen und Bedrohungen einfach auf Dauer nicht auszuhalten sind. Mein Freund kann sich einigermaßen durchsetzen – was zum einen daran liegt, dass es zwischen seiner Sozialisation und der der Jungen viele Ähnlichkeiten gibt und er selbst auch die Erfahrung von Armut, mangelnden Möglichkeiten, Gewalt in der Familie und der Attraktivität männlicher Gangs gemacht hat. Zum anderen hat die Akzeptanz der Jugendlichen aber auch einen ganz einfachen Grund: mein Freund hat jahrzehntelang Kampfsport gemacht und ist nicht unbedingt mickrig (ich weiß jetzt nicht, wie ich es anders formulieren soll). Was aber übrigens auch keinen 100prozentigen Schutz darstellt, da er vor vielen Jahren auch schon mal heftig krankenhausreif geschlagen wurde.

Männliche Jugendliche lassen sich nicht von irgendwem etwas sagen. Wenn man etws erreichen will, muss man die gleiche Sprache sprechen, authentisch sein und man darf eben nicht unter das fallen, was im Allgemeinen als „unmännlich“ gilt, so dämlich letzteres auch klingen mag. Aber vielleicht ist das der Ansatzpunkt – uns auf die Suche machen nach Menschen, die dafür in Frage kommen. Vielleicht auch mal ein wenig jenseits der „Gutmenschen“ Ausschau halten. Dann müsste aber ein bisschen mehr gezahlt werden…

Natürlich sind solche Auswüchse verbaler Gewalt intolerabel. Ich mache mir nur wenig Illusionen darüber, dass sich das mit Diskussionen bessern lässt. Die Menschen, die bereits heute so ticken, wird man kaum "korrigieren" können. Helfen lassen werden sie sich auch nicht, denn solange sie sich mit ihren Verbalinjurien über irgendjemanden erheben können, werden sie keine Notwendigkeit für Hilfe sehen. Im Übrigen ist das ja auch kaum die Sorte Mann, die zugesteht, Hilfe nötig zu haben.

Verordnen lässt sie sich also nicht, die Änderung. Was mich immer so erschreckt ist, dass solche Männer Partner und Ehemänner von Frauen sind und Väter von Kindern. Was, so frage ich mich manchmal, reitet doch recht viele Frauen, auf diesen Männertyp anzuspringen? Ich fürchte, es wird ein Wiederholungszwang der eigenen Kindheitserlebnisse sein. So lange das nicht ins Bewusstsein dringt, wird das immer so weiter gehen. Es ist immer noch Gang und Gäbe, dass sich Frauen ohne Beziehung oder Partner unvollständig und defizitär fühlen, und das um so stärker, je heftiger die eigenen Erlebnisse der Vergangenheit ähnlich waren (abwesende Väter, emotional kalte Väter, verlassende Väter, desinteressierte Väter...). Frau erträgt so einiges, Hauptsache er verlässt sie nicht. Womit wir wieder beim Halbgötterstatus der Männer sind...

Ich sehe den einzig möglichen Ansatzpunkt in der Kindheit. Die Jungen, die Du schilderst, könnten mit Sicherheit auf Nachfrage (so sie denn davon erzählen wollten) von Schlägen berichten, oder von Vätern, die sie im Stich ließen, oder von gar keinen Vätern, oder von alkoholisierten Vätern, oder von chauvinistischen Vätern... Wenn "männlich" für diese Jungs gleichzusetzen ist mit "hart", dann wird aus zweierlei Richtungen deutlich, warum es nicht erstrebenswert ist, "weich" und "weiblich" zu sein. Erstens haben sie dieses Rollenvorbild in der eigenen Familie so gelernt, weil vermutlich der Vater auf die eine oder andere Art hart zu ihnen war, also als Rollenvorbild diente. Zweitens haben sie, als noch weiche, verletzbare Kinder, erleben müssen, wie wenig erstrebenswert dieser Zustand ist und dass es besser ist, dem Vater nachzueifern, damit einem später mal "keiner was kann". Verwundert es da noch, dass solche Kinder und Jugendliche zu frauenverachtenden Männern heranwachsen? Und eben manchmal sogar auch zu frauenverachtenden Frauen...

Deswegen braucht man die Präsenz der Männer. Leider fällt mir auch kein vernünftiges Konzept ein, wie man junge Väter erreichen und sie dazu bewegen könnte, sich der eigenen Geschichte zu stellen, damit sie sich nicht wiederholt.

Das waren jetzt nur so ein paar spontane Gedanken, die mir dazu kamen... Hoffentlich kein zu großes Durcheinander.