Bin ich schön? Bin ich häßlich? Und wenn interessiert das eigentlich?
Es gibt Menschen, die nicht mit anderen kommunizieren können, ohne deren Äußeres zu kommentieren – und dies leider meist in diffamierender und abwertender Weise. Sämtliche Spuren geistiger Entwicklung und Zivilisation scheinen an diesen Menschen spurlos vorübergegangen zu sein und wie im Neandertal reduziert sich die Wahrnehmung ausschließlich auf das Auge. Schon in der normalen und alltäglichen Kommunikation ist dies ebenso unangenehm wie überflüssig. Wenn es aber einmal tatsächlich zu Konflikten kommt, laufen solche Menschen zu Höchstformen auf. Kleinste Kleinigkeiten werden hierbei – ähnlich wie bei Tieren – geortet und nichts ist mehr vor ihnen sicher.

Das eigentlich Dramatische ist aber nicht die dumpfe Einfachheit dieser Menschen sondern deren Auswirkung auf all jene, die normalerweise nie auf die Idee kommen würden, dem Äußeren anderer Menschen Beachtung zu schenken. Plötzlich gibt es eine Art Ping-Pong-Effekt und unwillkürlich gucken auch jene sich das äußere Erscheinungsbild der Kontrahenten mal genauer an. Und dann bemerken sie, daß eben genau diejenigen Menschen, deren Vorliebe es ist, das Äußere anderer verächtlich zu kommentieren, weit davon entfernt sind, selbst den allgemeinen Maßstäben von Schönheit zu entsprechen. Dies wiederum löst dann ein klammheimliches Gefühl der Genugtuung aus, das noch größer wird, wenn Dritte den Eindruck der Häßlichkeit bestätigen.

Damit ist genau das passiert, was beim Kontakt mit tollwütigen Tieren passiert – kommt man ihnen zu nah, dann infiziert man sich und hat plötzlich selbst Schaum vorm Mund. Man ist in die Falle getappt und hat sich auf ein tierähnliches Niveau hinunterziehen lassen. Man kann der Versuchung einfach nicht widerstehen, dieser erbärmlichen Selbstgefälligkeit, die nicht nur die eigenen Unzulänglichkeiten ausblendet, sondern obendrein noch in andere hineinprojiziert, mit den gleichen Mitteln einen Gegenschlag zu verpassen.

Und leider gibt es für diese Art Tollwut keine Impfung und so bleibt nur die gleiche Strategie wie bei der realen Tollwut: man muß sich so fern wie möglich halten. Diese Spezies wirft das gesamte zwischenmenschliche Niveau um Lichtjahre zurück. Niemand braucht diese Spezies und niemand will diese Spezies. Wenn es nicht schade um den Dschungel wäre, sollte man sie dorthin zurückschicken.
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Im Neandertal
Wenn ich das letzte Arbeitsjahrzehnt Revue passieren lassen, fallen mir immer wieder Begebenheiten ein, in denen ich – ob ich wollte oder nicht – mit primitiven Äußerungen konfrontiert war. Da ist beispielsweise eine frühere Kollegin, die die Begegnung mit jemanden, der zu einer Bekannten eine Beziehung gehabt hatte, kommentierte mit den Worten „Als ich den gesehen hatte, war ich ziemlich enttäuscht“. In der Tat ist der Betreffende nicht unbedingt Brad Pitt, aber es scheint außerhalb des Vorstellungsvermögens der Kollegin zu sein, daß es Menschen gibt, für die in Beziehungen andere Kriterien gelten.

Da ist die Freundin eines früheren Kollegen, die sich nach dem Kennenlernen unseres Chefs zu dem Kommentar berufen fühlte „Der sieht aus wie zu früh aus dem Nest gefallen“. Ich habe damals nicht großartig über diesen Kommentar nachgedacht, aber natürlich fand ich ihn befremdlich; obwohl ich mit dem Chef auf Kriegsfuß stand, hatte ich mir noch niemals Gedanken über dessen Äußeres gemacht. Würde ich dem Tollwuteffekt nachgeben, käme mir der Kommentar in den Sinn, daß die besagte Freundin aussieht, als wäre sie viel zu lange Zeit im Nest geblieben. Das gilt übrigens auch für die oben beschriebene Kollegin. Eine denkwürdige Antwort gab mir auch ein Bekannter auf die Frage, warum er denn keine feste Beziehung zu einer bestimmten Frau haben wolle. Die Antwort lautete: "Die hat fast das gleiche Gewicht wie ich!".

Es ist ein rätselhaftes Phänomen, daß Menschen dazu neigen, an anderen Dinge zu kritisieren, die eigentlich bei einem Blick in den Spiegel als eigene Mängel erkannt werden müßten.

Da werden Fettpolster von Menschen kritisiert, bei denen man vergeblich nach einer Körperzone sucht, an der sich kein Fettpolster befindet. Da orten Menschen, die um etliches älter aussehen als sie tatsächlich sind, mit Argusaugen jedes Fältchen bei anderen. Da werden die Brüste anderer als genauso hängend vermutet wie die eigenen. Vor nichts macht der Haßblick halt, keine Körperzone ist vor der Hämeattacke sicher.

Psychologisch kann ich mir das ohne Schwierigkeiten erklären. Projektion der eigenen Unzulänglichkeiten in andere. Suchen nach jemanden, der noch mehr Fehler hat um der Konfrontation mit den eigenen Fehlern aus dem Weg zu gehen. Aber menschlich will ich das nicht verstehen. Es gibt für mich nichts Fürchterlicheres als dieses Niveau. "Einfach nicht hinhören" sagt meine Freundin immer. Primitivität gab es immer und wird es immer geben. Mag sein. Aber ich hatte auch Zeiten in meinem Leben, wo ich mich nicht im Neandertal aufhalten mußte. Und das gefiel mir besser. Viel, viel besser.

Unglücksbringer
Menschen, die trotz eigener Mängeln in Bezug auf ihr Äußers ständig auf die angeblichen Mängel anderer hinweisen, zeigen dies Verhaltensmuster auch in den meisten anderen Lebensbereichen. Auch bei allen anderen Gelegenheiten werden anderen Menschen ständig deren angebliche Fehler vorgehalten, obwohl es sich dabei meist um genau die Fehler handelt, die bei diesen Menschen selbst auch zu finden sind.

Mit Argusaugen nach Fehlern bei anderen suchen und in Bezug auf sich selbst einen riesigen Balken vor den Augen zu haben – das ist der Menschentypus, dessen Grundproblem der eigene Stillstand ist. Der Mensch, der nie zufrieden mit andern und sich selbst ist. Der Mensch, der im Grunde nie etwas an sich verändern will und kann sondern dessen Lebensstrategie Forderungen an andere sind.

Dieser Menschentyp ist dazu geschaffen, anderen Unglück zu bringen. Ein von innen und außen häßlicher Mensch.

Abgegriffene Rückfolgerungen
...und womit man leider, leider immer rechnen muss, ist die wenig intelligente und darüber hinaus auch abgegriffene Rückfolgerung, dass ein Mensch mit einer Abneigung gegen das Thema „Wer sieht gut aus und wer besser?“ zwangsläufig zu den Menschen gehören muss, die man bei Schönheitswettbewerben „ nicht unbedingt im vorderen 3/7-Feld – (eine geheimnisvoll errechnete Zahl!) vermuten sollte“. Ach ja, manche begreifen’s nie, dass diese Abneigung auch völlig unabhängig von der Zugehörigkeit zum 3/7-Feld existieren kann. Es gibt nun mal Sujets, die nicht von jedem als interessant und unterhaltend empfunden werden.

Aber gut, ich wollte ja eigentlich Überflüssiges ignorieren. Na ja, braucht eben etwas Übung...