Nachhilfe in Geschichte
In der letzten Woche habe ich das neue Geo-Heft „Die Deutsche Romantik“ durchgelesen. Habe in Geschichte entsetzliche Lücken (eigentlich ist es eine einzige Lücke) und das wollte ich mal wieder angehen. Auch wenn das wahrscheinlich jeder zweite hier weiß: für mich war es neu, daß Nationalgefühl eine Wurzel hat, die wenig mit dem zu tun hat, was es heute bedeutet. Statt des Sich-Erhebens über etwas war es vielmehr das Lösen von etwas – nämlich von der Abhängigkeit mächtiger Territorialfürsten.

Der Wunsch nach einer Nation war die Unzufriedenheit damit, in allen Bereichen des Lebens von irgendeinem Fürsten abhängig zu sein. Der Gründer der Jenaer Burschenschaft Karl Follen – ein Privatdozent für Jura – formuliert das auch treffend „Nieder mit Thronen, Kronen, Drohnen und Baronen“. Und Burschenschaften waren nicht wie heute Hüter uralter Traditionen sondern Wegbereiter von etwas Neuem; von Parteien, die für freie Parlamente und eine Verfassung stritten.

Der Ruf nach einer deutschen Nation war nicht in erster Linie der Schrei nach Deutschtum sondern der Wunsch nach dem Ende des Untertanentums. Freier Bürger statt höriger Untertan eines Fürsten, Grafen, Barons oder Herzogs. Garantierte Rechte statt Abhängigkeit von Willkür.

Nationalgefühl mal aus anderer Perspektive als der gewohnten.




Gibt es eigentlich ein Internationalgefühl?
Wenn man die Entwicklung der letzten 20 Jahre ansieht, dann fällt es schwer zu glauben, daß es ein "Internationalgefühl" gibt. Jedes kleine Kuhdorf will seine eigene Nation ausrufen. Jeder möchte möglichlichst weit weg vom Ganzen. Klein - aber mein.

Man kann das traurige Resümee ziehen, daß der Mensch nicht gemacht ist für's Übergeordnete. Während der Ruf nach einer Nation ehemals ein ehrliches Gefühl war, ist der Ruf nach Internationalität immer nur eine reines Gedankenkonstrukt gewesen - ausgedacht von einem Deutschen, der die meiste Zeit seines Lebens in Bibliotheken verbracht hat und irgendwann den Bezug zur Realität verloren hat.

Schön gewesen wär's ja. Den Nächsten immer als Mitmenschen und nie als Fremdmenschen zu sehen. Übrigens auch eine große Ähnlichkeit mit Christentum und Buddhismus. Aber wenn man schon seinen unmittelbaren Nachbarn, wenn nicht sogar seinen Partner vernachlässigt, dann sollte man vorsichtig sein mit Höhenflügen wie dem der Internationalität.

Sollte es so etwas wie eine Internationalität geben, dann nur jenseits von Ideologien. Dann nur als echtes Bedürfnis. Ein Bedürfnis nach Respekt für den anderen. Dies habe ich früher bei Demos für die Ziele des Internationalen stets vermißt. Jeder Andersdenkende, jeder Polizist wurde wie Dreck behandelt.

Mein ganz eigenes Resümee: es mag im einzelnen etwas wie den internationalen Menschen geben. Das ist aber paradoxerweise niemals jemand, der sich auch dafür hält und ausgibt. Manchmal habe ich auf meinen Reisen Menschen getroffen, die eine tiefe Neugier auf andere Menschen haben. Die respektvoll und ohne Verklärung auf der Suche sind nach der Vielfalt des menschlichen Seins. Da mag es dann irgendwo im Regenwald, irgendwo in einer Jurte oder vielleicht auch gar nicht so weit weg schon in Griechenland jemanden geben, der zu jenen Menschen gehört, die die Bezeichnung international verdienen.

Aber man muß wirklich schon auf die Suche gehen, um einen "grenzenlosen" Menschen zu finden. Unter Ideologen und auf Demos findet man ihn jedenfalls nur selten.