Dienstag, 16. Juli 2019
Israel 2019 (1)
Jerusalem, 18.07.19
Manchmal korrigieren sich falsche Eindrücke bei einer Wiederholung . Als ich vor vier Jahren in Jerusalem war, gab es dort jede Menge ultraorthodoxe Juden und ich war jetzt erstaunt , dass dies diesmal überhaupt nicht der Fall ist . Aber im nachherein kann ich mir das erklären, denn damals fand gerade das große Sukot Fest statt und aufgrund dieses sehr wichtigen religiösen Festes waren alle Gläubiger nach Jerusalem unterwegs.

Und noch etwas war völlig anders , denn während im ersten Israelurlaub Jerusalem im Vergleich zu Jaffa eher ruhig war , gibt es diesmal eine Reihe von großen Konzerten . Das besondere ist, dass diese - übrigens phantastischen - Konzerte im Davidsturm, bzw. in der Zitadelle stattfinden, ein mehr als 2500 Jahre altes Gemäuer, das von einer riesigen breiten Mauer umrahmt ist, auf der man spazieren gehen kann . außerdem gab es überall Künstler , die ihre Werke präsentieren . Das Ganze bei Nacht und Vollmond und mit Licht-Illuminationen, die eine fast schon surrealistische Atmosphäre schaffen .

Shabbat direkt an der Klagemauer mitzuerleben, ist ein besonderes Erlebnis. Am Freitag Abend bei einsetzender Dämmerung füllt sich der Platz an der Mauer und auch der Vorplatz rasant schnell. Irgendwann sind es dann so viele Menschen, dass auch schon auf dem Vorplatz gebetet wird. Die Menge der Gläubigen könnte gar nicht unterschiedlicher sein: Orthodoxe, Ultaorthodoxe und Gläubige, die völlig modern nach der letzten Mode gekleidet sind und bei denen lediglich durch die Kippa die Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben erkennbar ist.

Jaffa, 17.07.19
Als wir gestern durch Jaffas Altstadt schlendern , entdeckte ich plötzlich eine Skulptur, die einen riesigen verbogenen Löffel darstellte. Dieser Löffel erinnerte mich unweigerlich an die Löffel , die Uri Geller in den 70er Jahren verbog und dies sagte ich auch laut . Daraufhin bemerkte jemand neben mir: "I am Uri Geller". Zuerst wollte ich das nicht so recht glauben , obwohl eine große Ähnlichkeit bestand. Daraufhin wurde mir angeboten, mir das einmal selbst anzusehen und wirklich - der schnell herbei geschaffene Löffel verbog sich wie von Zauberhand! Auch wenn ich immer noch nicht so ganz von telepathischen Fähigkeiten überzeugt war, so war dies doch eine witzige Begegnung, denn ich erinnerte mich an die damalige Fernsehshow , in der die Zuschauer aufgefordert wurden, kaputte Uhren zu berühren, während Uri Geller sich darauf konzentrierte , die Uhren wieder in Gang zu bringen. Damals funktionierte das trotz meiner Skepsis und natürlich sprach ich dies sofort im Physik Unterricht an. Ich werde nie vergessen , dass mein sonst so nüchterner Physiklehrer es tatsächlich für möglich hielt .

Jaffa, 16.07.19
Da mir Israel so gut gefallen hat, mache ich jetzt ein zweites Mal hier Urlaub, diesmal mit meinem Lebensgefährten. Die Anreise verlief chaotisch, denn als wir am Flughafen ankamen, wurde uns gesagt dass unser Flug nach Brüssel annulliert worden ist. Wir mussten also wieder nach Hause und am nächsten Morgen ein zweites Mal zum Airport.

Beim ersten Israelurlaub gefiel mir das Old Jaffa Hostel sehr gut, so dass es diesmal unsere erste Station ist. Wieder die wunderbare Dachterrasse und Gäste jeder Altersklasse und jeder Nationalität Als wir gestern Abend durch die Altstadt liefern, hörten wir plötzlich griechische (!) Musik. Es stellte sich dann heraus, dass es einen Old Jaffa Sommer gibt und jeden Montag gibt es "Greek Mondays" . Das letzte, was ich erwartet hätte, wäre hier in Israel Rembetiko Musik zu hören und ich konnte nicht an mich halten und musste tanzen. Ich habe mal nachgerechnet, dass ich das letzte Mal vor zwölf Jahren nach der wunderschönen Rembetiko Musik getanzt habe.

Gegessen haben wir dann im Restaurant "The old man and the sea" und zwar Mezze, das ist eine arabische Vospeisenplatte mit ungefähr 15 kleinen Schälchen mit Salaten, Cremes und Gemüse. Dazu hatten wir dann einen knallroten Sonnenuntergang. Was will man mehr an seinem ersten Urlaubstag?



Sonntag, 26. Mai 2019
Die Qual der Wahl
Es ist fünf Minuten vor sechs und jetzt dürfte es zu spät sein um zur Wahl zu gehen. Eigentlich hatte ich mich von Anfang an entschieden, nicht zu wählen. Aber natürlich prasselte von allen Seiten das Argument auf mich ein, dass man nur durch die Wahlbezeiligung einen Rechtsruck verhindern könnte. Ich habe es trotzdem nicht getan. Und nein - ich habe kein schlechtes Gewissen.

Ein Europa, in dem Journalisten, Regisseure und Schriftsteller nur noch mit Polizeischutz leben können, wenn sie eine bestimmte Religion kritisieren und viele deswegen aufgehört haben, ihre Ansichten öffentlich zu äußern, hat sich von dem demokratischen Recht der Menungsfreiheit verabschiedet. Das genau ist der Rechtsruck, vor dem man sich ebenso fürchten sollte, wie vor Rechtsradikalen. Nur das man diesen Rechtsruck nicht benennen darf, ohne selbst in die rechte Ecke gedrängt zu werden.
Heute habe ich gelesen, dass jetzt auch Ralph Ghadban aufgrund von Morddrohungen Personenschutz erhalten muss. Wahrscheinlich ist dies 99 Prozent aller Deutschen egal, sofern die ihn überhaupt kennen.
Eben kommt mein Freund vom Wahllokal zurück und ruft mir zu, dass er seine Pflicht getan hat. Ich hab's nicht.



Mittwoch, 3. April 2019
Ein tödlicher Unfall, ein YouTube Video und der Fehler, Kommentare zu schreiben
Ja, ich weiß – es ist ein Fehler, auf einer Plattform wie YouTube Kommentare zu schreiben und ich hätte es besser wissen müssen. Worum geht es ? Um einen „Unfall“, der sich in der vergangenen Woche in Hamburg ereignet hat. Hier auszugsweise der Artikel des Abendblatts vom 26.03.2019:

"Schwerer Unfall auf der Köhlbrandbrücke. Der Tacho blieb bei 135 Kilometern pro Stunde stehen. (...)Auf der Köhlbrandbrücke in Hamburg endete ein mutmaßlich illegales Autorennen mit einem tödlichen Unfall: Bei einem mutmaßlichen Duell zweier Autofahrer hat ein 22-Jähriger am Montagabend seinen Bruder (24) totgefahren. Er starb als Beifahrer, nachdem ein von seinem jüngeren Bruder gesteuerter Audi A7 außer Kontrolle geraten war. Die Polizei stellte später fest, dass der Tacho bei Tempo 135 stehen geblieben war – in dem Moment, als das Fahrzeug mit zwei Lastern und der Betonbegrenzung der Brücke kollidierte. (…) Zeugen berichteten, dass die Fahrer Deja C. (22) und Jason C. (26) immer wieder die Motoren aufheulen ließen. „Beide sind außerdem durch mehrmalige Fahrstreifenwechsel mit überhöhter Geschwindigkeit und lautes Beschleunigen aufgefallen“, so die Polizei. Fünf Minuten später rasten die Wagen die Köhlbrandbrücke hinauf. Da verlor der 22-Jährige die Kontrolle über den Audi, der dann einen Laster touchierte, gegen die Seitenwand der Brücke und schließlich gegen einen zweiten Lastwagen geschleudert wurde. Dabei wurde die Beifahrerseite des Audi zerfetzt, der Bruder des Unfallfahrers in den Trümmern eingeklemmt.

(…) „Trotz intensivster rettungsdienstlicher Versorgung erlag der Patient an der Einsatzstelle seinen schweren Kopfverletzungen.“ Der Bruder des Toten blieb nach seiner Versorgung zunächst an der Unfallstelle. Er hatte einen Schock und leichtere Verletzungen erlitten. Auch den Fahrer des BMW trafen die Beamten am Unfallort an. Beide Männer, so stellte die Polizei fest, standen zum Unfallzeitpunkt weder unter Alkohol- noch Drogeneinfluss. Während Feuerwehrleute damit begannen, den Diesel abzustreuen, der aus dem beschädigten Tank eines der beteiligten Lastwagen lief, tauchten Angehörige auf – ein weiterer Bruder und die Eltern des Unfallopfers. Sie gaben zunächst den beteiligten Lkw-Fahrern die Schuld am Tod ihres Sohnes.

Als die Familie später in ihrer Wohnung (Wilhelmsburg) zurückkehrte, eskalierte die Situation abermals. Ein vierter Bruder verlor völlig die Kontrolle und bedrohte Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams, das die Familie betreuen wollte. Folge: Die Polizei rückte an, die Helfer brachen ihren Einsatz ab. "
https://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article216749791

Ich: Das war kein tragischer Unfall, sondern ein gewissenloses und rücksichtsloses Autorennen. Also absolut einkalkuliert, dass Menschen getötet werden könnten. Normalerweise sind den Tätern die Opfer und deren Angehörige völlig egal und es wird sich bitter darüber beklagt, wenn es mehr als ein paar Monate Bewährungsstrafe gibt. Hier ist jetzt ausnahmsweise jemand aus der eigenen Sippe zu Tode gekommen und nur deswegen wird um das Opfer getrauert. Das ist nicht nur beschämend, sondern als gesellschaftliche Entwicklung schlichtweg eine Katastrophe. Auf einem anderen Kanal wurde in Bezug auf das tödliche Autorennen berichtet, dass die Familie die Lastwagenfahrer beschimpften. Das rundet dann das Bild vollends ab von einer Mentalität, die grundsätzlich die Anderen verantwortlich macht und der jegliche Eigenverantwortung fehlt. Wenn man hier von Schuld sprechen will, dann kommt man nicht umhin, die Verantwortung bei einer Familie zu sehen, die es offensichtlich versäumt hat, ihren Söhnen Sozialverhalten und Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln.
Kommentator: warst du da um das zu sagen
Ich: Nein, aber wenn jemand mit dermaßen überhöhter Geschwindigkeit auf einer öffentlichen Straße fährt (Tachostand und zahlreiche Zeugenaussagen) muss man nicht dabei gewesen sein um sagen zu können, dass es sich bei nicht um einen tragischen Unfall handelt, sondern um ausgesprochene Verantwortungslosigkeit.
Kommentator. trotzdem warst du nicht da.
Ich: Staatsanwalt, Richter und Anwalt waren auch nicht dabei und werden sich trotzdem bei dem stattfindenden Prozess mit dem "Unfall" beschäftigen.
Kommentator: trotzdem warst du nicht da also hör auf zu reden
Ich: In einer Demokratie darf man aber nun mal reden. Wenn man damit ein Problem hat, hat man immer noch die Möglichkeit, sich in eine der vielen Diktaturen zu begeben.
Kommentator: war mein halb bruder also halts maul

Eigentlich muss man nicht mehr viel dazu schreiben, denn der Kommentar spricht für sich und bestätigt haargenau das, was ich zuvor beschrieben habe: eine Mentalität, die jeden Sachverhalt einzig und allein danach beurteilt, ob jemand involviert ist, der dem eigenen Clan angehört. Und da die Clanmitglieder grundsätzlich und ausnahmslos immer unschuldig sind, werden völlig unschuldige und selbst zu Schaden gekommene Beteiligte bepöbelt, werden Hilfe anbietende Kriseninterventionsteams bedroht und jemand, der sich sachlich mit dem Thema auseinandersetzt wird beschimpft. Es macht sprachlos, wie es Menschen fertig bringen, konsequent jegliche Eigenverantwortung abzulehnen und ausnahmslos andere für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen.

Ja eigentlich muss man wirklich nicht mehr viel dazu schreiben. Außer, dass ich immer klarer erkenne, welch ungute Entwicklung unsere Gesellschaft nimmt. Schade.