Freitag, 20. Februar 2015
Nackte Kinder sind echt cool, oder?
Die Musik der Scorpions hat mich eigentlich nie übermäßig interessiert. Trotzdem las ich einen dem 50jährigen Jubiläum gewidmeten Artikel, in dem einzelne Stationen der Band beschrieben wurden. Dabei entdeckte ich dann ein abstoßendes Plattencover*, auf dem ein kleines Mädchen von vielleicht sechs bis neun Jahren splitternackt mit leicht gespreizten Beinen in Pinup-Pose provozierend in die Kamera schaute. Das Kind sitzt hinter einer Glasscheibe und genau über dem Geschlechtsteil befindet sich ein Sprung. Die Platte trug den sinnigen Namen „Virgin Killer“.

Bei Wikipedia las ich dann nach, dass das Cover, „das ein kindliches nacktes Mädchen hinter einer gesprungenen Glasscheibe zeigte, von vielen Leuten als pornografisch empfunden wurde und teilweise mit Kinderpornografie in Verbindung gebracht wurde.“ Eine etwas verwirrende Beschreibung „Ein kindliches nacktes Mädchen“ das kann auch eine 18jährige sein, die einfach noch ein wenig kindlich aussieht. Hier handelt es sich jedoch ganz eindeutig um ein Kind, dass noch weit von der Pubertät entfernt ist. „Als pornographisch empfunden“ und „teilweise mit Kinderpornographie in Verbindung gebracht“ – das ist ebenfalls sehr vage ausgedrückt, denn bei der Abbildung handelt es sich definitiv um Kinderpornographie.

Die 1976 produzierte Platte, die übrigens später den Titel der „LP des Jahres“ erhielt, landete bei einigen Ländern auf dem Index, was dann letztendlich die Scorpions bewog, sich für ein anderes Cover zu entscheiden. Was geht in den Köpfen solcher Männer vor, die sich darin gefallen, ein kleines Kind als kleines geiles Luder zu inszenieren? Darüber kann man nur spekulieren, aber wahrscheinlich gar nichts. Da die 70er Jahre meine Zeit sind, kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, warum es keine Einwände gab, die einen derartig menschenverachtenden Dreck von vorneherein verhindert hätten. „Spießig, kleinbürgerlich, verklemmt, frigide, scheinheilig, reaktionär“ – das waren die gängigen Totschlagargumente, die Diskussionen von vorneherein unmöglich machten. Natürlich wollte niemand mit solchen Attributen identifiziert werden und so wurde dann oftmals brav der Mund gehalten. Die Macher und Befürworter derartiger Bilder empfanden sich meist als coole progressive Kunstavantgardisten, die ihre künstlerischen Ergüsse als unverzichtbare Befreiung von kleinbürgerlichen Zwängen hochstilisierten.

Aber um ehrlich zu sein – so viel anders ist dies auch jetzt noch nicht. Während ich diese Zeilen schreibe, erinnere ich mich wieder daran, dass vor längerer Zeit einer meiner Beiträge zu einem anderen Blog verlinkt wurde, in dem dann eine ziemlich dümmliche Interpretation erfolgte. Meine Kritik an der allgegenwärtigen Vermarktung der Sexualität (die wohl kaum jemand ernsthaft bestreiten wird) wurde in Verbindung gebracht mit überkommenden Moralvorstellungen, die – wie sollte es auch anders sein – nur eine Folge christlich verklemmter Ethik sein können. Besagter Blogbetreiber weilt jedoch nicht mehr unter uns, so dass ich jetzt frank und frei schreiben kann, ohne dabei eine Verlinkung zu einer oberlehrerhaften Abhandlung über die Zerstörung der ach-so-freien-Sexualität durch christliche Moralvorstellungen zu riskieren.

Übrigens treibt das besagte Plattencover bei Ebay den Preis in die Höhe, denn während man die Platte mit dem späteren Cover schon für den Preis von 15,50 € ersteigern kann, kostet die Platte mit dem ursprünglichen Cover 89,00 €.

Mittlerweile haben die Mitglieder der Scorpions selbst Kinder und wahrscheinlich auch schon Enkelkinder. Ob die Scorpions ihr kleinen Töchter oder Enkeltöchter wohl auch für so ein Plattencover zur Verfügung stellen würden? Wohl kaum. Aber das ist natürlich etwas gaaanz anderes...

*Wer sich selbst von der Machart des Covers überzeugen will, kann unter Eingabe der Begriffe "Scorpions" und "Virgin Killer" bei Google-Bilder das Cover aufrufen.



Montag, 16. Februar 2015
Das hatten wir schon mal
Als jemand, der aus dem Norden stammt, hielt sich mein Interesse für Karnevalsumzüge immer in Grenzen. Zwar hatte ich als Kind und als Jugendliche großen Spaß an Faschingsfeten, weil ich schon immer ein Faible fürs Verkleiden hatte, aber die Karnevalsumzüge und Büttenreden lösten bei mir wenig Begeisterung aus.

Was jedoch irgendwann bei mir Interesse weckte, war der historische Hintergrund des Karnevals. Irgendwo an der Schweizer Grenze stieß ich durch Zufall auf ein Fastnachtsmuseum, in dem man sowohl fantastische alte Kostüme bewundern konnte als auch sehr gut illustrierte Informationen über die Entwicklung des Karnevals erhielt. Und es ist der historische Bezug, der deutlich macht, dass Karneval früher mehr war als reiner Spaß an Gaudi und Blödelei. In einer Zeit, in der unbedingter Gehorsam gegenüber Obrigkeiten herrschte, gab es jene drei Tage, an denen ausnahmslos jeder frank und frei seine Meinung sagen durfte. Ob Lehnsherr, Klerus oder Politiker – jeder musste es aushalten, sich in den sogenannten närrischen Tagen die Meinung sagen zu lassen. Manche halten es für heuchlerisch, sich so für den Karneval zu begeistern, wenn an den übrigen 362 Tagen wieder das alte Prinzip des Gehorsams vor der Obrigkeit gilt. Aber dessen ungeachtet darf man nicht außer Acht lassen, dass der Karneval immerhin als einzigartige Gelegenheit Raum für den Ausdruck der Idee der Meinungsfreiheit gab. Und es sind die Ideen, die den Grundstoff einer Veränderung bilden.

In der heutigen Zeit kommen mir die Karnevalsumzüge allerdings immer ein wenig antiquiert vor. Jeder kann überall und jederzeit sagen, was er denkt – was ist da so besonders an den Wagen mit ihren Anspielungen und Parodien auf gesellschaftspolitische Ereignisse? Unter den Bedingungen der Meinungsfreiheit hat die eigentliche Funktion der Karnevalsumzüge erheblich an Bedeutung verloren.

So sah ich es bisher, aber heute wurde der größte Karnevalsumzug im Norden Deutschlands aufgrund von islamistischen Terrordrohungen kurzfristig und völlig überraschend abgesagt. Es stellt eine traurige Ironie dar, dass es im Jahr 2015 zu etwas kommt, was selbst in den dunklen Jahrhunderten des Mittelalters völlig undenkbar war. Plötzlich wird etwas, das bislang als normal und selbstverständlich galt, seiner Normalität und seiner Selbstverständlichkeit beraubt. Während es selbst in der Knechtschaft des Feudalismus oder im Untertanenstaat des deutschen Kaiserreichs das Recht gab, seine Meinung – und sei sie noch so unbequem und aufsässig – frei und lauthals zu äußern, wird dieses Recht jetzt sang- und klanglos genommen. Bezeichnenderweise gab es eine vergleichbare Situation nur während des Dritten Reichs.

"Es gibt keinen Humor, es gibt kein Gelächter, es gibt keinen Spaß im Islam."
Ayatollah Chomeini



Dienstag, 20. Januar 2015
Erinnerungen, die mir Mut machen
Das balinesische Neujahrsfest, bei dem auf einen ohrenbetäubenden Umzug ein Tag in völligem Schweigen und strikter Dunkelheit folgt. Ein hinduistisches Holi-Fest, bei dem alles in Farbe getaucht wird. Hochfeierliche Bestattungsrituale in Toraja/Sulawesi, zu denen man als Fremder einfach so eingeladen wird. Buddhistische Mönche, die vor der beeindruckenden Kulisse eines Felsenklosters mitten im Dschungel stundenlang ihre Gebete rezitieren. Ein geheimnisvolles kleines Dorf auf Bali, dessen Bewohner noch der uralten animistischen Religion angehören. Eine Choralkantate im Hamburger Michel, die an Engelsklänge erinnert. Ein mongolischer Schamane mit faszinierender Mimik und Montur. Hinduistische Sadhus, die einen Eindruck davon vermitteln, dass vollständige Bedürfnislosigkeit zu innerem Frieden führen kann. Frauen in wunderschönen Sarongs, die beim balinesischem Vollmondfest graziös Opfergaben auf dem Kopf balancieren. Die kleinen Sternsinger, die uns besuchen und mit rührender kindlicher Einfachheit erklären, warum sie unbedingt etwas für hungerleidende Kinder tun möchten. Eine hinduistische Kremation/Feuerbestattung, bei der große Fröhlichkeit herrscht, weil der Tod nicht als Ende, sondern als Übergang begriffen wird. Ein chinesisches Ahnenfest, bei dem die Verstorbenen so innig verehrt werden, dass sie anwesend scheinen.

Ich bin glücklich und dankbar, dies alles schon erlebt haben zu dürfen. Dankbar für die Möglichkeit, schon so viele Länder mit ihren unterschiedlichen Religionen kennen gelernt zu haben. Dankbar dafür, manchmal aus puren Zufall sehr seltenen Zeremonien beigewohnt zu haben oder die Bekanntschaft ganz besonderer Menschen gemacht zu haben. Dankbar auch für die vielen interessanten anderen Reisenden, die ich dabei getroffen habe.

Es ist nicht zu leugnen, dass mich die Ereignisse der letzten Zeit sehr mitgenommen haben und ich beunruhigt über die Entwicklung bin. Deswegen habe ich mich über eine Sammlung einiger unserer Reisefotos gefreut, die mich wieder daran erinnert haben, dass Religiosität sich nicht nur in Sprengstoffattentaten und Freude an Zerstörung äußert. Religion kann - wie man sieht - bunt und fröhlich sein und die Menschen verbinden.

Habe festgestellt, dass noch jede Menge Fotos fehlen. Und freue mich auf die nächste Reise, die ich hoffentlich dieses Jahr machen werde. In ein buddhistisches oder hinduistisches Land. Nepal? Vielleicht sogar Bhutan??