Freitag, 12. Dezember 2014
Bloggen kann unerfreulich sein – ein i-Tüpfelchen, das mir die Lust verdirbt
Gestern habe ich in meinem zweiten Blog einen unerfreulichen Kommentar erhalten, in dem es eindeutig um Kreditwerbung ging. Ich beließ den Kommentar erstmal und meldete den Vorfall an den Support. Allerdings wurde meine Frage gelöscht und auch der besagte Kommentar auch (wobei der Verfasser noch Abonnent ist).

So dramatisch ist das alles eigentlich nicht, denn schließlich gibt es ja immer die Möglichkeit, unerfreuliche Kommentare zu löschen. Aber das Ganze weckt ungute Erinnerungen an frühere Vorfälle, als ich üble Kommentare erhielt, die mit Fäkalausdrücken und Bedrohungen durchsetzt waren und für mich zu allem Übel auch noch ebenso unerfreuliche Konsequenzen in beruflicher Hinsicht mit sich brachten - ein regelrechtes Blogstalking. Sicher, eine Kreditwerbung (und noch dazu eine grausam dämlich verfasste) ist sehr viel harmloser als beleidigende und bedrohende Kommentare. Aber trotzdem – ich habe keine Lust mehr auf so etwas. Zumal ich es doch ein wenig irritierend finde, dass meine kurze Anfrage im Support einfach kommentarlos gelöscht wurde.

Vor einiger Zeit wurde mein Email-Account geknackt und dadurch gelangten jede Menge Viren auf meinen Laptop. Folge war, dass ich einen neuen Laptop anschaffen musste und es mich Unmengen von Zeit kostete, mich mit dem fürchterlichen windows 8 und word 2010 vertraut zu machen. Der Touchpad des neuen Laptops ist eine Katastrophe, weil er auch auf die leiseste Berührung reagiert und der Cursor springt dadurch beim Blindtippen ständig hin und her, was sich auch nicht korrigieren lässt. Ich tippe also im Zweifingersuchsystem, was doppelt so lange dauert. Abgesehen von diesem Aufwand habe ich jetzt auch immer Angst, dass jemand meine Daten missbrauchen kann und vielleicht jemand schon meine Mailadresse missbraucht hat.

Ich brauche einen Internetzugang für meine Arbeit, da ich im Falle von Außenterminen vor Arbeitsbeginn meine beruflichen Mails checken muss. Aber vielleicht sollte ich das Thema Internet auf das für meine Tätigkeit unbedingt Erforderliche begrenzen. Die Virenattacke und deren Folgen waren schon äußerst nervenaufreibend. Die Sache mit dem dämlichen Kreditwerbekommentar in meinem Blog, in dem so etwas überhaupt nichts suchen hat und das Löschen meiner Supportanfrage, ist jetzt das i-Tüpfelchen, das mir die Lust am Bloggen zu verderben droht. Mein Blog hat etwa 50 Abonnenten und ich selbst habe meine Kommentare auf etwa 5 Blogs reduziert. Vielleicht sind unter diesen Voraussetzungen andere Formen geeigneter. Wobei ich keinen blassen Schimmer habe, welche.

Ich habe vor vielen Jahren in ziemlicher Naivität mit meinem Blog begonnen und mir etwas ganz andere darunter vorgestellt. Inzwischen bin ich nicht mehr so blauäugig. Aber ich frage mich, ob die angenehmen Seiten die unangenehmen noch überwiegen. Und ob ich das alles noch will.

Edit:
Habe jetzt erfahren, dass im Support Hinweise auf Kommerzblogs/Kommentare gelöscht werden, nachdem auch die betreffenden Blogs/Kommentare gelöscht wurden (früher bleließ man die Hinweise im Support). Soweit ist also alles im grünen Bereich. Dennoch ist und bleibt es unerfreulich, dass es überhaupt dazu kommt, dass Blogs für Kommerz missbraucht werden. Es kann eben jeder sein Unwesen treiben, sei es durch Kommerz oder durch Beleidigungen. Bei letzterem kommt dann noch hinzu, dass die Betreffenden oftmals ihre Kommentare wieder löschen und dann automatisch auch jeder andere Kommentar mit entfernt wird.



Donnerstag, 4. Dezember 2014
Wissen light – Studenten haben keine Zeit mehr für Bücher
Es gibt Dinge, die nicht voneinander zu trennen sind. So zum Beispiel Studium und Bücher. Jedenfalls war es bisher so. Jetzt scheint dies allerdings nicht mehr selbstverständlich zu sein. In einer Diskussion über den Stand der Wissenschaft und Forschung erzählte ein Professor für Philosophie, dass ihm einige Studenten erklärt hätten, nicht mehr genug Zeit zu haben, um ein Buch vollständig zu Ende zu lesen. Viele hielten es für völlig ausreichend, sich lediglich mit der Sekundärliteratur zu beschäftigen.

Mich wundert bei der Generation Smartphone eigentlich gar nichts mehr. Das Prinzip des unbedingten Vorrangs der allerneuesten Version und des letzten Updates wird in bemerkenswerter Unbedarftheit auf den Bereich des Wissens und die Aneignung des Wissens übertragen. Warum ein Werk von Platon von Anfang bis zum Ende lesen, wenn die Quintessenz auch en bref in irgendwelcher Sekundärliteratur nachzulesen ist? Googeln, Chatten, Simsen, Appsen, Bloggen und Skypen lässt nicht mehr genug Zeit für das antiquierte und viel zu umständliche Lesen.

Mir fällt eine meiner Deutschlehrerinnen ein, die ich vor einigen Jahren anlässlich unseres Klassentreffens anrief. Als ich sie um ihre Email bat, sagte sie mir, dass sie kein Internet hat, weil sie „einfach keine Zeit dafür" hätte. Ich musste schmunzeln, denn sie hatte mir zuvor erzählt, dass sie nach ihrer Berentung wieder angefangen hat, Kunstgeschichte zu studieren. Ich stellte mir dabei vor, wie mit absoluter Sicherheit jeder junge Student aus tiefster Überzeugung verneinen würde, dass ein Studium ohne Internetzugang überhaupt möglich wäre.

Meine alte Deutschlehrerin ist ein Auslaufmodell. Aber ich bin mir absolut sicher, dass sie es locker mit jedem der rund fünfzig Jahre jüngeren Studenten aufnehmen könnte. Denn ist nicht das Gleiche, ob man ein wenig googelt und sich sein Wissen mittels Wikipedia und Hausarbeiten erwirbt, oder ob man sich die Arbeit macht, sich intensiv mit Primärliteratur zu befassen. Der Prozess des langsamen Erarbeitens und des Eindringens in die geistigen Inhalte eines Werks gehört jetzt anscheinend endgültig der Vergangenheit an. Alles ist reduziert auf die Lightversion. Was diesen Umstand noch erschreckender macht, ist die Aussage des besagten Professors, andererseits würde heute so viel wie nie zuvor publiziert werden. Dies wirft die Frage auf, welche Grundlage Publikationen haben, die von Menschen verfasst wurden, die keine Zeit mehr finden, ein Buch vollständig zu Ende zu lesen? Wie immer die Antwort lauten mag – diese Lightversionen man kann sich sicher getrost schenken.

Die Zeit der großen Denker ist – zumindest bis auf weiteres – vorbei. Wobei dies nicht so dramatisch ist, wie es auf den ersten Blick scheint, denn auch wenn die großen Denker alle mausetot sind, so sind deren unsterbliche Werke noch jederzeit zugänglich. Einfach in den nächsten Buchladen oder die Bücherhalle gehen.



Mittwoch, 26. November 2014
Ein kleine Szene als Lehrstück über den autoritären Charakter
Vorgestern stolperte ich über eine Szene des Films „Das Zeugenhaus“. Der Film spielt im Jahr 1946 zur Zeit der Nürnberger Prozesse und es geht um die vorgeladenen Zeugen, die von der amerikanischen Besatzungsmacht gemeinsam in eine Villa einquartiert werden. Zu den Zeugen gehörten sowohl NS-Täter als auch Opfer, was zuerst zu schwelenden und später zu offenen Auseinandersetzungen führt.

Zu den in der Villa lebenden Zeugen gehört auch Henny von Schirach, die Ehefrau des Reichsjugendführers Baldur von Schirach und Tochter Heinrich Hoffmanns, des Leibfotografen Adolf Hitlers. Henny von Schirach gehörte zum engeren Bekanntenkreis Hitlers und verbrachte auch Zeiten auf Hitlers Berghof. Henny von Schirach erwähnt gegenüber den anderen Bewohnern eine Auseinandersetzung mit Hitler, in der sie ihm ins Gesicht sagte, dass es unmenschlich sei, wie die Juden bei den Deportationen behandelt werden. Hitler reagierte sehr wütend und war so erbost, dass sie und ihr Mann vom Berghof verbannt wurden.

Es ist diese Szene, um die es mir hier geht, denn diese Begebenheit hat sich nachweislich tatsächlich so zugetragen. Sowohl Albert Speer, Traudel Junge und Goebbels bestätigen den Vorfall. Traudel Junge hat in ihrem Buch auch die Reaktion Hitlers sehr genau beschrieben: Henriette von Schirach, „die ja eine relativ vertrauliche Position gegenüber Hitler hatte, […] hat den Führer darauf angesprochen, dass es ganz schrecklich wäre, wie die Juden in Amsterdam behandelt werden..“ Daraufhin hätte Hitler ihr wütend geraten, sich nicht in Dinge einzumischen, die sie nicht versteht, sich über „diese Gefühlsduselei und Sentimentalität“ geärgert und den Raum verlassen. Henny von Schirach sei als Reaktion darauf nie wieder auf den Berghof eingeladen worden. Albert Speer beschreibt die Reaktion auf die Auseinandersetzung als „düstere Stimmung“ und als Grund für die Verbannung vom Berghof.

Warum beschäftigt mich diese Szene so? Weil mir bisher nicht bekannt war, ob es jemals dazu kam, dass Hitler innerhalb seines Bekanntenkreises mit Vorwürfen in Bezug auf das Vorgehen gegen die die Juden konfrontiert wurde. Wobei man sich über die Person der Henny Schirach nicht täuschen darf, denn sie war begeisterte Anhängerin Hitlers und ihr Mann war bekennender Antisemit. Und auch nach dem Krieg war bei Henny von Schirach nicht die geringste Einsicht in die Verbrechen vorhanden, wie schon an ihren merkwürdigen Buchtiteln „Anekdoten um Hitler“ und „Der Preis der Herrlichkeit“ deutlich wird.

Es ist eine absurde Situation – in grenzenloser Naivität und Unbedarftheit wirft eine junge Frau einem Mann, der nie ein Hehl aus seinem Vernichtungsfeldzug gegen die Juden gemacht hat, deren unmenschliche Behandlung vor. Der Vorwurf richtet sich gegen jemanden, der von Anfang an klar als Massenmörder erkennbarer war und dessen Programm ebenso klar erkennbar eine Verkörperung der Inhumanität darstellte. Henny von Schirach scheint dies jedoch während all den Jahren in ihrer großen Begeisterung konsequent ausgeblendet zu haben und so kommt es zu jener grotesken Situation, in der von einem Massenmörder eine Antwort darauf erwartet wird, warum er denn Menschen nicht besser behandelt.

Genauso absurd wie Henny von Schirachas naiv vorgebrachte Kritik fällt auch Hitlers Reaktion aus. Der unumschränkte Herrscher über Deutschland und Herrscher in spe über die gesamte Welt verlässt beleidigt den Raum wie ein kleiner Junge, der von der Mama zu Unrecht getadelt wurde. Man stellt sich unweigerlich die Frage, warum jemand, der sich der Rechtmäßigkeit seines Antisemitismus so ungemein sicher ist, durch den naiv vorgetragenen Vorwurf der Unmenschlichkeit dermaßen seine Fassung verliert. Umso mehr, als doch seiner Ideologie entsprechend Unmenschlichkeit eine Tugend und keine Schwäche darstellt, der man sich folglich auch nicht schämen muss. Wieso wird jemand, der Millionen von fanatischen Menschen hinter sich hat, die bereit sind für ihn zu sterben, durch einen einzigen Satz einer im Grunde völlig unwichtigen Frau dermaßen verunsichert?

Wenn ich mir die Szene bildhaft vorstelle und vor mir den Mann sehe, der sich in einem krankhaften Größenwahn dazu berufen fühlte, erst Deutschland und dann die ganze Welt zu unterwerfen und der in einem ebenso krankhaften Hass die Verantwortung für alle Übel dieser Welt auf die Juden projizierte – was spielte sich in dessen Denken ab, als ihm von einer durch und durch treu ergebenen jungen Frau der Vorwurf der Unmenschlichkeit gemacht wurde? Was löst es bei jemandem aus, der sich für unfehlbar und von höheren Mächten berufen wähnt, wenn sich unter das uneingeschränkte Bejubeln seines Handelns doch einmal ein winziger Funken Kritik einschleicht?

Die grenzenlose Unbedarftheit Henny von Schirachs und die ins Lächerliche gehende Reaktion Hitlers erinnern mich an Hannah Arendts Theorie der „Banalität des Bösen“. Dieser Theorie zufolge ist das Böse nicht das Werk von monströsen Psychopathen und menschlichen Ungeheuern, sondern das der ganz normalen Durchschnittsbürger. Menschen, die grundsätzlich noch nicht einmal pathologisch gefühlskalt sein müssen, sondern die durchaus in der Lage sein können, Unmenschlichkeit als Unrecht zu empfinden. Und die trotz des subjektiven Empfindens von Unrecht dem Verursacher dieses Unrechts keinen Widerspruch leisten.

Es ist diese Banalität des Bösen, die das Ungeheure zu etwas Allgegenwärtigem machen, das zeitlos ist und weit über das Dritte Reich hinausgeht. Das Dritte Reich mag Vergangenheit sein, die ihm zugrunde liegenden menschlichen Mechanismen bestehen nach wie vor und finden sich wiederkehrend in den alltäglichen Situationen unseres Lebens. Es wird immer Menschen geben, die sich berufen fühlen anderen Ordern zu geben und für die es keinen größeren Frevel gibt, als den der Kritik an ihrem Handeln. Und genauso wird es immer Menschen geben, die diese Ordern und Verbote in blinden Gehorsam befolgen.

Nein, es geht eben nicht nur um die großen Diktatoren, die sadistischen Kapos und die fanatischen Gefolgsmänner. Es geht genauso um den kleinen Angestellten, der eifrig auf eine Position hinarbeitet, in der er vom Getretenwerden zum Treten wechselt. Es geht genauso um den Geschäftsführer, der sich geschickt Bedingungen schafft, in denen niemand mitbekommt, wie in die eigene Tasche gewirtschaftet wird und Menschen Unrecht zugefügt wird. Es geht genauso um die kleine Bürohilfe, die das alles mitansieht und trotz des Wissens über die Unrechtmäßigkeit in dumpfer Gewohnheit treu ihre Pflicht erfüllt. Es geht genauso um den Kaufmann, der in soziale Arbeitsfelder eindringt und in Menschen nichts anderes sieht als eine Einkommensquelle.

Die beiden Protagonisten dieser absurden Situation – Henny von Schirach, die unbeirrt ihrem Führer die Treue hält, obwohl sie das Unrecht und Leid erkennt, das er anderen zufügt. Eine unbedarfte Frau, die selbst nach ihrer Verbannung noch um Verständnis für einen Massenmörder wirbt. Und auf der anderen Seite ein kleiner Gefreiter, der sich zum unangefochtenen Alphatier einer Nation hochgearbeitet hat, aber den dennoch eine einzige Kritik so aus dem Konzept bringt, dass er wie ein schmollendes Kind wegläuft. Ein Lehrstück über das, was den autoritären Charakter im Wesentlichen ausmacht – das Stehenbleiben auf einer kindlichen Entwicklungsstufe, in der ein Kind mit allen Mitteln und um jeden Preis trotzig seinen Willen durchsetzen will.