Ein bitterböses Gedicht...
Kinder reicher Leute
Sie wissen nichts von Schmutz und Wohnungsnot,
Von Stempelngehn und Armeleuteküchen.
Sie ahnen nichts von Hinterhausgerüchen,
Von Hungerslöhnen und von Trockenbrot.
Sie wohnen meist im herrschaftlichen Haus,
Zuweilen auch in eleganten Villen.
Sie kommen nie in Kneipen und Destillen,
Und gehen stets nur mit dem Fräulein aus.
Sie rechnen sich jetzt schon zur Hautevolée
Und zählen Armut zu den größten Sünden.
- Nicht mal ein Auto . . .? Nein, wie sie das finden!
Ihr Hochmut wächst mit Pappis Portemonnaie.
Sie kommen meist mit Abitur zur Welt,
- Zumindest aber schon mit Referenzen -
Und ziehn daraus die letzten Konsequenzen:
Wir sind die Herren, denn unser ist das Geld.
Mit vierzehn finden sie, der Armen Los
Sei zwar nicht gut. Doch werde übertrieben - -.
Mit vierzehn schon! - Wenn sie doch vierzehn blieben.
Jedoch die Kinder werden einmal groß . . .
Mascha Kaléko (1907 – 1975)
Bitterböse, verallgemeinernd und polarisierend dieses kleine Gedicht von Mascha Kaléko. Aber da ich selbst nicht aus begütertem Hause stamme, muss ich zugeben, zumindest ein wenig klammheimliche Genugtuung beim Lesen zu empfinden. Es sind gar nicht unbedingt die Privilegien, auf die ich neidisch bin. Es ist eher das Unbehagen, das ich spüre, wenn sich diese Menschen zu Dingen äußern, die sie gar nicht beurteilen können. Wenn sie über Lebensbedingungen sprechen, die sie selbst nur aus Büchern kennen und dennoch der Meinung sind, dass dies schon ausreichen würde. Es macht merkwürdigerweise gar nicht so viel Unterschied, ob dabei die Nase gerümpft oder aber ob sich demonstrativ solidarisiert wird. Oftmals beinhaltet beides die gleiche besserwisserische Arroganz, die auf Theorien gegründet ist, die weit entfernt von der Realität sind.
Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, zu wissen, wie sich jemand fühlt, dessen Eltern sich Tag und Nacht unter miesen Arbeitsbedingungen abrackerten und sich dabei ihre Gesundheit kaputt gemacht haben ohne dafür auch nur ansatzweise angemessen zu verdienen: Man muss es selbst erlebt haben!!
behrens am 20. Januar 14
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Abschiede
Als Kind sah ich manchmal gemeinsam mit meinem Großvater die „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“. Ich habe dabei natürlich nicht wirklich etwas verstanden, aber da es nur drei Fernsehprogramme gab, zogen Kinder (bei meinen Freunden war es ähnlich) es manchmal vor, sich lieber etwas Langweiliges anzuschauen, als gar nicht fernzusehen. Später wusste ich dann die Sendungen zu schätzen – Notizen aus der Provinz und Scheibenwischer. Ersteres wurde gesendet, als ich noch Schülerin war und am folgenden Morgen in der Klasse eifrig kommentiert. Ich erinnere noch die gelungene Darstellung der damaligen Haltung der CDU zur Abtreibung, der die Haltung zur Todesstrafe sehr gekonnt und entlarvend gegenübergestellt wurde.
Vor zwei Jahren starb Loriot und jetzt Dieter Hildebrandt. Das Kabarett hat sich damit weitgehend verabschiedet. Was bleibt sind Kalauer à la Mittermeier, Barth, Cindy e.t.c. Aber Zeiten ändern sich. Und Auch mein Interesse an der Tagespolitik hat sich erschreckend verringert. Wahrscheinlich kann man dies auch nicht nur mit dem gänzlich fehlenden Feedback meiner bisherigen Arbeitssituation begründen, sondern es muss auch andere Gründe geben. Aber ich bin froh, dass ich es noch kennengelernt habe: das politische Kabarett.
Hildebrandts Rentnerrap ist einfach köstlich:
behrens am 21. November 13
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Glaube und Respekt – zwei Brüder und ihre Geschichte
Die aus einer jüdischen Familie stammenden Brüder Menachem und Fred Mayer haben den Holocaust überlebt und beide haben nach dem Krieg Deutschland für immer verlassen. Menachem wanderte nach Israel aus, Fred in die Vereinigten Staaten und die Verbindung zwischen beiden riss weitgehend ab, aber beide Brüder kehrten vor einigen Jahren auf Einladung des Sohnes eines SA-Mannes zu einem Besuch in ihre Heimat zurück. Keiner der übrigen Familienmitglieder hat den Holocaust überlebt und die Brüder begaben sich anlässlich ihres Besuchs auch auf Spurensuche nach Auschwitz.
Während Fred sich vom Glauben abwandte, hat für Menachem Religion eine große Bedeutung. Als beide den Schienenstrang der ins Vernichtungslager führenden Gleise entlanggehen, äußern sie sich beide zum Thema Glauben
:
Gott starb hier in Auschwitz.
Gott war niemals hier in Auschwitz.
Diese beiden Aussagen bleiben für sich stehen und jeder akzeptiert die Entscheidung des Bruders.
Für mich stellen beide Aussagen für sich genommen Wahrheiten dar, die sich trotz ihrer Gegensätzlichkeit nicht widersprechen.
Auschwitz ist der Abgrund menschlichen Daseins und vor diesem Abgrund ist es nicht mehr vorstellbar, dass es etwas geben könnte, das den Begriff des Göttlichen erfüllt. Und gleichzeitig kann die Tragödie von Auschwitz auch als rigorose Verneinung eines Gottes angesehen werden, die dennoch trotzdem nicht mit seiner Nichtexistenz gleichgesetzt werden muss.
Was mich beeindruckt, ist die Toleranz und der Respekt mit dem die beiden Brüder der Entscheidung des anderen für bzw. gegen einen Glauben begegnen. Kein Dogmatismus und keine Versuche, die Entscheidung des anderen als falsch, dumm oder gefährlich darzustellen. Vielleicht beruht dieser Respekt auf der sehr leidvollen Geschichte der beiden Brüder. Im Angesicht des großen Schmerzes, den beide erfahren haben, verbietet sich ein gegenseitiges Zurechtweisen. Beide Entscheidungen haben ihre Berechtigung und es tut gut zu sehen, wie respektvoll man mit Glaubensfragen umgehen kann.
Wer noch mehr wissen will:
http://www.menachem-und-fred.de
behrens am 07. November 13
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