Als Kind sah ich manchmal gemeinsam mit meinem Großvater die „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“. Ich habe dabei natürlich nicht wirklich etwas verstanden, aber da es nur drei Fernsehprogramme gab, zogen Kinder (bei meinen Freunden war es ähnlich) es manchmal vor, sich lieber etwas Langweiliges anzuschauen, als gar nicht fernzusehen. Später wusste ich dann die Sendungen zu schätzen – Notizen aus der Provinz und Scheibenwischer. Ersteres wurde gesendet, als ich noch Schülerin war und am folgenden Morgen in der Klasse eifrig kommentiert. Ich erinnere noch die gelungene Darstellung der damaligen Haltung der CDU zur Abtreibung, der die Haltung zur Todesstrafe sehr gekonnt und entlarvend gegenübergestellt wurde.
Vor zwei Jahren starb Loriot und jetzt Dieter Hildebrandt. Das Kabarett hat sich damit weitgehend verabschiedet. Was bleibt sind Kalauer à la Mittermeier, Barth, Cindy e.t.c. Aber Zeiten ändern sich. Und Auch mein Interesse an der Tagespolitik hat sich erschreckend verringert. Wahrscheinlich kann man dies auch nicht nur mit dem gänzlich fehlenden Feedback meiner bisherigen Arbeitssituation begründen, sondern es muss auch andere Gründe geben. Aber ich bin froh, dass ich es noch kennengelernt habe: das politische Kabarett.
Hildebrandts Rentnerrap ist einfach köstlich:
Die aus einer jüdischen Familie stammenden Brüder Menachem und Fred Mayer haben den Holocaust überlebt und beide haben nach dem Krieg Deutschland für immer verlassen. Menachem wanderte nach Israel aus, Fred in die Vereinigten Staaten und die Verbindung zwischen beiden riss weitgehend ab, aber beide Brüder kehrten vor einigen Jahren auf Einladung des Sohnes eines SA-Mannes zu einem Besuch in ihre Heimat zurück. Keiner der übrigen Familienmitglieder hat den Holocaust überlebt und die Brüder begaben sich anlässlich ihres Besuchs auch auf Spurensuche nach Auschwitz.
Während Fred sich vom Glauben abwandte, hat für Menachem Religion eine große Bedeutung. Als beide den Schienenstrang der ins Vernichtungslager führenden Gleise entlanggehen, äußern sie sich beide zum Thema Glauben
:
Gott starb hier in Auschwitz.
Gott war niemals hier in Auschwitz.
Diese beiden Aussagen bleiben für sich stehen und jeder akzeptiert die Entscheidung des Bruders.
Für mich stellen beide Aussagen für sich genommen Wahrheiten dar, die sich trotz ihrer Gegensätzlichkeit nicht widersprechen.
Auschwitz ist der Abgrund menschlichen Daseins und vor diesem Abgrund ist es nicht mehr vorstellbar, dass es etwas geben könnte, das den Begriff des Göttlichen erfüllt. Und gleichzeitig kann die Tragödie von Auschwitz auch als rigorose Verneinung eines Gottes angesehen werden, die dennoch trotzdem nicht mit seiner Nichtexistenz gleichgesetzt werden muss.
Was mich beeindruckt, ist die Toleranz und der Respekt mit dem die beiden Brüder der Entscheidung des anderen für bzw. gegen einen Glauben begegnen. Kein Dogmatismus und keine Versuche, die Entscheidung des anderen als falsch, dumm oder gefährlich darzustellen. Vielleicht beruht dieser Respekt auf der sehr leidvollen Geschichte der beiden Brüder. Im Angesicht des großen Schmerzes, den beide erfahren haben, verbietet sich ein gegenseitiges Zurechtweisen. Beide Entscheidungen haben ihre Berechtigung und es tut gut zu sehen, wie respektvoll man mit Glaubensfragen umgehen kann.
Wer noch mehr wissen will:
http://www.menachem-und-fred.de