Die aus einer jüdischen Familie stammenden Brüder Menachem und Fred Mayer haben den Holocaust überlebt und beide haben nach dem Krieg Deutschland für immer verlassen. Menachem wanderte nach Israel aus, Fred in die Vereinigten Staaten und die Verbindung zwischen beiden riss weitgehend ab, aber beide Brüder kehrten vor einigen Jahren auf Einladung des Sohnes eines SA-Mannes zu einem Besuch in ihre Heimat zurück. Keiner der übrigen Familienmitglieder hat den Holocaust überlebt und die Brüder begaben sich anlässlich ihres Besuchs auch auf Spurensuche nach Auschwitz.
Während Fred sich vom Glauben abwandte, hat für Menachem Religion eine große Bedeutung. Als beide den Schienenstrang der ins Vernichtungslager führenden Gleise entlanggehen, äußern sie sich beide zum Thema Glauben
:
Gott starb hier in Auschwitz.
Gott war niemals hier in Auschwitz.
Diese beiden Aussagen bleiben für sich stehen und jeder akzeptiert die Entscheidung des Bruders.
Für mich stellen beide Aussagen für sich genommen Wahrheiten dar, die sich trotz ihrer Gegensätzlichkeit nicht widersprechen.
Auschwitz ist der Abgrund menschlichen Daseins und vor diesem Abgrund ist es nicht mehr vorstellbar, dass es etwas geben könnte, das den Begriff des Göttlichen erfüllt. Und gleichzeitig kann die Tragödie von Auschwitz auch als rigorose Verneinung eines Gottes angesehen werden, die dennoch trotzdem nicht mit seiner Nichtexistenz gleichgesetzt werden muss.
Was mich beeindruckt, ist die Toleranz und der Respekt mit dem die beiden Brüder der Entscheidung des anderen für bzw. gegen einen Glauben begegnen. Kein Dogmatismus und keine Versuche, die Entscheidung des anderen als falsch, dumm oder gefährlich darzustellen. Vielleicht beruht dieser Respekt auf der sehr leidvollen Geschichte der beiden Brüder. Im Angesicht des großen Schmerzes, den beide erfahren haben, verbietet sich ein gegenseitiges Zurechtweisen. Beide Entscheidungen haben ihre Berechtigung und es tut gut zu sehen, wie respektvoll man mit Glaubensfragen umgehen kann.
Wer noch mehr wissen will:
http://www.menachem-und-fred.de
Orwells bitterböse Beschreibung der kolonialen Engländer und woran mich dies erinnerte
Ich habe meine
Urlaubslektüre Georges Orwells „Tage in Burma“ nach anfänglicher Skepsis doch noch ziemlich schnell zu Ende gelesen und es nicht bereut. Orwell zeichnet ein bitterböses Bild des englischen Kolonialisten.
Sein Protagonist John Flory ist zwar auch nicht frei von jeglicher Arroganz gegenüber den Birmanen, aber er hegt auf der anderen Seite auch eine große Bewunderung für deren Kultur. Die in Burma lebenden Engländer hingegen beschreibt Orwell als eine degenerierte Gesellschaftsschicht, die sich für nichts anderes interessiert als für den englischen Club, welcher jedoch weit davon entfernt ist, ein Ort des intellektuellen Anspruchs zu sein, sondern in erster Linie einen Treffpunkt darstellt für versnobte Alkoholiker, die den Genuss von Whiskey und das Tennisspielen für den Inbegriff einer hohen Kultur halten.
Die in die Erzählung eingebettete Liebesgeschichte ist konsequenterweise auch eine unglückliche, denn der Protagonist verliebt sich ausgerechnet in eine Engländerin, den Prototyp der Ma’am Sahib darstellt und an bornierter Eingebildetheit kaum zu überbieten ist. Während Orwell den Leser dies ziemlich schnell wissen lässt, tappt der Protagonist John Flory bis zum Ende des Buches im Dunkeln. Die unerfüllte Sehnsucht Florys nach jemandem, der ihn sein Heimweh und sein Gefühl des Unverstandenseins endet schließlich mit seinem Selbstmord.
Ich glaube nicht, dass es Orwell darum ging, seine Darstellung der Kolonialismusmentalität in erster Linie als Parabel für Herrenmenschenmentalität im Allgemeinen darzustellen, sondern meiner Meinung nach hat er mit seiner Erzählung hauptsächlich seine persönlichen Erfahrungen mit dem englischen Kolonialismus in Burma verarbeitet. Für mich geht das Buch dennoch über die Thematik der Menschenverächtlichkeit des Kolonialismus hinaus. Der von Orwell beschriebene Standesdünkel der Engländer ist genauso übertragbar auf andere gesellschaftliche Schichten. Wobei mir an der Erzählung besonders gut gefiel, dass er eben jene, die sich als überleben und auserwählt wähnen, entlarvt als dumpfe, überhaus einfach gestrickte Menschen, die weder über besondere Fähigkeiten verfügen, noch über besonders viel Geist.
Beim Lesen des Buches war es für mich unvermeidlich, durch die Erzählung an all jene erinnert zu werden, die den versnobten blasierten Kolonialengländern so ungemein ähneln. Jene, die keine Gelegenheit auslassen, ihre hohe Qualifikation und ihr hohes Engagement zu betonen und die eisern festhalten an der Abgrenzung gegenüber denen, deren Arbeit angeblich doch so erheblich weniger anspruchsvoll ist. Genauso, wie sich besagte Engländer bei näherer Betrachtung weder als besonders gebildet noch als besonders kultiviert entpuppen, so entlarvt sich auch das Selbstbild dieser Spezies als eine grenzenlose Selbstüberschätzung.
Und genauso, wie die Welt auf Kolonialisten verzichten kann, so kann sie auch getrost auf jene sich krankhaft selbstüberschätzende Spezies verzichten. Beides richtet nur Schaden an und es ist an der Zeit, dass man sie endlich überwindet. Eine Welt ohne Standesdünkel und Selbstüberschätzung ist die bessere.