Donnerstag, 29. August 2013
Orwells bitterböse Beschreibung der kolonialen Engländer und woran mich dies erinnerte
Ich habe meine Urlaubslektüre Georges Orwells „Tage in Burma“ nach anfänglicher Skepsis doch noch ziemlich schnell zu Ende gelesen und es nicht bereut. Orwell zeichnet ein bitterböses Bild des englischen Kolonialisten.

Sein Protagonist John Flory ist zwar auch nicht frei von jeglicher Arroganz gegenüber den Birmanen, aber er hegt auf der anderen Seite auch eine große Bewunderung für deren Kultur. Die in Burma lebenden Engländer hingegen beschreibt Orwell als eine degenerierte Gesellschaftsschicht, die sich für nichts anderes interessiert als für den englischen Club, welcher jedoch weit davon entfernt ist, ein Ort des intellektuellen Anspruchs zu sein, sondern in erster Linie einen Treffpunkt darstellt für versnobte Alkoholiker, die den Genuss von Whiskey und das Tennisspielen für den Inbegriff einer hohen Kultur halten.

Die in die Erzählung eingebettete Liebesgeschichte ist konsequenterweise auch eine unglückliche, denn der Protagonist verliebt sich ausgerechnet in eine Engländerin, den Prototyp der Ma’am Sahib darstellt und an bornierter Eingebildetheit kaum zu überbieten ist. Während Orwell den Leser dies ziemlich schnell wissen lässt, tappt der Protagonist John Flory bis zum Ende des Buches im Dunkeln. Die unerfüllte Sehnsucht Florys nach jemandem, der ihn sein Heimweh und sein Gefühl des Unverstandenseins endet schließlich mit seinem Selbstmord.

Ich glaube nicht, dass es Orwell darum ging, seine Darstellung der Kolonialismusmentalität in erster Linie als Parabel für Herrenmenschenmentalität im Allgemeinen darzustellen, sondern meiner Meinung nach hat er mit seiner Erzählung hauptsächlich seine persönlichen Erfahrungen mit dem englischen Kolonialismus in Burma verarbeitet. Für mich geht das Buch dennoch über die Thematik der Menschenverächtlichkeit des Kolonialismus hinaus. Der von Orwell beschriebene Standesdünkel der Engländer ist genauso übertragbar auf andere gesellschaftliche Schichten. Wobei mir an der Erzählung besonders gut gefiel, dass er eben jene, die sich als überleben und auserwählt wähnen, entlarvt als dumpfe, überhaus einfach gestrickte Menschen, die weder über besondere Fähigkeiten verfügen, noch über besonders viel Geist.

Beim Lesen des Buches war es für mich unvermeidlich, durch die Erzählung an all jene erinnert zu werden, die den versnobten blasierten Kolonialengländern so ungemein ähneln. Jene, die keine Gelegenheit auslassen, ihre hohe Qualifikation und ihr hohes Engagement zu betonen und die eisern festhalten an der Abgrenzung gegenüber denen, deren Arbeit angeblich doch so erheblich weniger anspruchsvoll ist. Genauso, wie sich besagte Engländer bei näherer Betrachtung weder als besonders gebildet noch als besonders kultiviert entpuppen, so entlarvt sich auch das Selbstbild dieser Spezies als eine grenzenlose Selbstüberschätzung.

Und genauso, wie die Welt auf Kolonialisten verzichten kann, so kann sie auch getrost auf jene sich krankhaft selbstüberschätzende Spezies verzichten. Beides richtet nur Schaden an und es ist an der Zeit, dass man sie endlich überwindet. Eine Welt ohne Standesdünkel und Selbstüberschätzung ist die bessere.



Mittwoch, 21. August 2013
Lyrik gegen das Vergessen
Endlich wird den Werken von Paul Celan eine Hommage gewidmet. Ben Becker liest Texte von ihm und wird dabei auf der Klarinette von Giora Feidman begleitet. Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass es auch Menschen gibt, die die sensiblen Werke dieses Dichters zu würdigen wissen. Die Verhöhnung des Gedichts durch die „Gruppe 47“ in den 50er Jahren mag man damit erklären, dass Celan nun mal nicht jedermanns Sache ist, zumal es in der Kunst auch kein Richtig und Falsch gibt. Ich persönlich sehe darin jedoch die Diskrepanz zwischen Authentizität und verknöchertem ideologischem Intellektualismus, dem der Blick dafür verloren gegangen ist (vielleicht auch nie vorhanden war), wie es sich anfühlt, wenn Kunst authentisch ist.

Das, was authentisch ist, mag man ablehnen, weil es einem nicht gefällt oder weil es mit den eigenen Wertmaßstäben nicht übereinstimmt oder weil man ganz einfach andere Vorstellungen von Kunst hat. Aber ungeachtet dessen verdient Authentizität, ernst genommen zu werden, zumal wenn damit das selbst erlebte Leiden ausgedrückt wird.

Für mich ist Günter Grass das künstlerische Gegenstück zu Paul Celan. Grass hat seinen eigentlichen Konflikt, nämlich die Tatsache, Mitglied in der Waffen-SS gewesen zu sein, nie authentisch aufgearbeitet, sondern stattdessen diesen Konflikt dadurch gelöst, mit dem Finger auf andere zu zeigen, die Mitglied in SS oder NSDAP waren. Und ich glaube, dies ist auch der Grund, warum ich mich im Deutschunterricht mit Grass herumgequält habe – seine Werke hatten für mich schon immer etwas seltsam Lebloses und Unechtes.

Und der Grund dafür, dass mir Paul Celans Todesfuge so unter die Haut geht, liegt in der tiefen Wahrhaftigkeit seiner Worte. Und deswegen bin ich so froh über diese späte Hommage.

Seltsam, dass ich gerade heute in der Zeitung diese Weisheit des Tages las: „Du sollst die Ermordeten nicht, und nicht die Mörder vergessen“ (Alfred Henschke). Dieser Ausspruch trifft sehr gut auf Paul Celan zu, denn seine Lyrik ist ein Mittel gegen das Vergessen. Allerdings nicht auf dem Wege der moralischen Entrüstung, sondern auf dem der Authentizität. Die späte Hommage lässt jetzt dieses Erinnern wieder aufleben und hilft uns gegen das Vergessen.



Dienstag, 6. August 2013
Im Lande der Pagoden - Endspurt
16.08.13 Wieder zurück in Hamburg
Fortsetzung von hier.

Seit drei Tagen bin ich wieder zurück in Hamburg. Da wir mit Emirates-Airlines flogen, konnten wir ein Stopover in Dubai einlegen. Das ist aber einen eigenen Beitrag wert. Hier werde ich auch noch Bilder einfügen (was bei mir aber immer ein wenig dauert).

Wie schon beschrieben, war das Viertel in Yangon, in dem wir die letzten zwei Tage verbrachten völlig anders als das Zentrum, in welchen sich unser Hotel für die Ankunft befand. Es wurde überdeutlich, welch große soziale Unterschiede es in Burma gibt.

Für die Fahrt vom Inle-See nach Yangon hatten wir wieder den Nachtbus für V.I.Ps gebucht. Breite Sitze und sogar eine Toilette an Bord. Letzteres war dann aber der Grund, warum ich kaum ein Auge zugemacht habe, denn unsere Sitze lagen fast gegenüber. Es ging ständig jemand aufs Clo und ließ dann unglücklicherweise die Tür offen, die dann bei der kurvigen Strecke ständig laut hin- und her knallte. Dabei fing die Fahrt sehr nett an, denn der Pick up war international besetzt: eine Spanierin, ein Mongole, eine Mexikanerin, ein Ukrainer, ein Burmese, zwei Irländerinnen, ein Pole, zwei Franzosen und eine Deutsche! Da wir manchmal übermäßig lange auf die abzuholenden Mitfahrer warten mussten, ergaben sich natürlich Gespräche, die bei soviel unterschiedlichen Nationalitäten wie immer witzig und höchst interessant waren.

In Yangon gingen wir dann das erste Mal in unserem Leben japanisch Essen. Wir waren im Erdgeschoss die einzigen Gäste und man konnte vom Tisch ein wenig in die Küche sehen. Ich zählte 13 (!) Mitarbeiter. Die Mitarbeiterzahl ist ein spezielles Phänomen in Asien. Ob es sich um ein Hotel, ein Restaurant oder aber um Straßenbau handelt – es sind wesentlich mehr Menschen beschäftigt als bei uns.

Ich habe mir übrigens eine Packung Thanakha-Creme mitgebracht. Dies ist eine gelbe Creme, die aus dem Thanakhabaum gewonnen wird, indem man ein etwa armdickes Aststück auf einer Steinscheibe reibt und das entstehende Puder mit etwas Wasser anrührt. Das wird hier http://blog.aseankorea.org/archives/1470 ganz gut dargestellt. Aber natürlich habe ich auch ein Bild gemacht.

Das kleine Mädchen hat in einer Pagode Blumenkränze verkauft. Sie war sehr lebhaft und wir haben uns dann mit Händen und Füßen unterhalten. Sie war besonders von meinen Goldkronen beeindruckt, die ich immer wieder zeigen musste. Bei ihr ist die Paste besonders schön aufgetragen in Form eines Blatts. Andere reiben sich fast vollständig das Gesicht ein, was dann manchmal ein wenig an ein Gespenst erinnert. Tannapaste wird in Burma von fast jeder Frau (manchmal auch von Jungen und Männern) gleich welchen Alters benutzt. So bestand auch die ältere Dame, die ich hier in einem burmesischen Altenheim fotografierte, auf das vorherige Schminken mit der Paste. Man kann neben ihr noch die für das Reiben erforderliche Steinscheibe sehen.

Bei dem kleinen Mädchen war übrigens erstaunlich, wie geschickt sie das Tablett auf dem Kopf balancierte. Obwohl sie sehr lebhaft war und wie alle Kinder herumtobte, kam das Tablet noch nicht einmal ins Wackeln.

10.08.13 Yangon
Sind nach zwei Tagen Yangon jetzt im Flughafen und warten auf den Flug nach Bangkok. Waehrend der zwei Tage hatten wir ein voellig anderes Yangon kennengelernt. Wir hatten uns in der Naehe des Inya-Sees ein Zimmer genommen und bei diesem Viertel handelte es sich um ein Geschaeftsviertel. Waehrend das Zentrum voller kleiner Ein-Mann-Supermaerkte und unzaehliger Essensstaende ist, gab es in diesem Viertel nur extrem teure Geschaefte. Wenn man dem Reisefuehrer glauben kann, betraegt das Pro-Kopf-Einkommen nur rund 40,00 Euro und so wundert man sich, dass das Hotel pro Nacht 60,00 Dollar kostet.

Mein Vater sagte mal, dass manche deutsche Frauen nur in Urlaub fahren, um sich darueber zu mokieren, wie schmutzig es woanders ist. Ich bin deswegen vorsichtig mit Meckern ueber Schmutz. Bei unserem Zimmer allerdings fiel mir dies schwer, denn es war wirklich saudreckig. Dies kann uebrigens nicht daran liegen, dass es zuwenig Personal gibt, denn im Empfangsraum/Foyer stehen oder sitzen jede Menge Angestellte, deren Aufgabe einzig allein darin besteht, sofort die Tuer aufzuhalten, wenn man hinausgehen moechte. Ein Service, auf den ich gern verzichten koennte, da ich keine Ma'am Sahib sein will.

Man sieht, dass diese Art von Hotels trotz des zahlreichen Personals langsam vermodern und zerfallen, denn es werden auch keine Reparaturen ausgefuehrt.

Erstaunlich ist, dass die billigeren Hotels sehr viel sauberer sind. Anscheinend ist dieses Missverhaltnis darin begruendet, dass einige Hotels privat und andere staatlich betrieben werden.

06.08.2013 Inle-See
Gestern haben wir unsere Tour auf dem Inle-See gemacht. Gemeinsam mit dem Franzosen David hatten wir uns ein schmales Motorboot gemietet. Man kann gar nicht alle Eindruecke beschreiben, so viel haben wir gesehen. Die Seebewohner haben schwimmende Gaerten angelegt, in denen sogar Tomaten (!) wachsen. Wie das funktioniert weiss ich nicht. Geerntet wird dann von den schmalen Booten aus.

Es gibt auf dem Inle-See jede Menge Handwerksbetriebe. Ich habe zwar schon Seidenspinnereien und Webereien gesehen, aber mir war nicht bekannt, dass man auch aus den Stengeln von Lotosblueten Garn spinnen kann. Die Fasern sind so fein wie Spinnweben und werden zuerst per Hand zusammengerollt und dann werden immer wieder neue Fasern angefuegt und der Faden wird dann gesponnen. Im fertigen Stoff sieht das Garn allerdings groeber als Seide aus.

Ausserdem haben wir auch eine Schmiede, eine Zigarrenfertigung und eine Silberschmiede gesehen. Es ist hochinteressant, zu sehen, wie diese Dinge entstehen. Natuerlich wollen die Handwerker auch etwas verkaufen, aber auch wenn man dies nicht tut, bleiben die Handwerker freundlich.

Heute morgen haben wir unser Fruehstuck auf drei Stunden ausgedehnt, weil wir lebhaft diskutiert haben. David interessiert sich fuer Geschichte und so bleibt es nicht aus, dass wir auch viel ueber Deutschland gesprochen haben. Die Zeit verging allerdings wie im Flug und hinterher fiel mir auf, dass ich schon sehr lange nicht mehr so diskutiert habe.

Wir werden morgen alle drei den V.I.P.-Bus (der heisst wirklich so!) nehmen und nachts nach Yangon zurueck fahren. Dort werden wir versuchen, fuer die beiden letzten Tage ein ruhiges Guesthouse etwas ausserhalb zu finden. Es gibt in Yangoon zwei Seen, vielleicht finden wir ja dort etwas.

Uebrigens habe ich in Mandalay das erste Mal auch Kindernonnen gesehen. Dass Jungen zeitweilig ins Kloster gehen, ist in fast allen asiatischen Laendern normal, aber Maedchen hatte ich noch nie gesehen. Die Maedchen und jungen Frauen tragen nicht wie die Jungen ein oranges oder rotes Moenchsgewand, sondern ein Gewand, dass aus einer Art weisser Bluse besteht und ein rosa (!) Uebergewand. Sehr ungewoehnlich. Die jungen Nonnen sammeln auch nicht wie die Moenche morgens um 6.00 Uhr die Almosen, sondern zweimal in der Woche ueber den ganzen Tag verteilt.

Jetzt haette ich fast ein wichtiges Detail vergessen: die Einbeinruderer! Die Fischer auf dem Inlesee rudern nicht mit den Armen, sondern mit einem Bein. Das funktioniert, indem sie einen Fuss hinter die lange Ruderstange klemmen. Ich habe natuerlich Fotos gemacht, weil man das schlecht beschreiben kann. Der Sinn dieses speziellen Ruderns ist, dass die Haende frei bleiben fuer das Einholen der Netze.