Freitag, 28. August 2009
Warum ich Günter Grass nicht mag – und was haben Berufsbetreuer und Günter Grass gemeinsam?
Im Alter von 12 habe ich das erste Mal Grass gelesen: „Örtlich betäubt“. War zwar quälerisch langweilig, aber der Sinn des Romans wurde von mir dennoch verstanden. Mit 14 dann im Deutschunterricht „Katz und Maus“, da habe ich gar nichts verstanden, was mir dann mein Restinteresse genommen hat. Vor einigen Jahren auf der Hochzeit meiner Nichte (liest genauso gern wie ich), zu der auch deren Deutschlehrer eingeladen war, packte ich dann die Gelegenheit am Schopf und fragte ihn, was denn bloß mit dieser Symbolik der „Maus“ gemeint war, die sich nervtötend durch das ganze Buch zog. Der Deutschlehrer betonte gleich, wie wichtig das Buch für ihn in der Pubertät gewesen sei, denn mit der „Maus“ (also dem Kehlkopf) sei die erwachende männliche Sexualität symbolhaft dargestellt worden. Nun, endlich war meine Wissenslücke beseitigt – meine Abneigung gegen Grass allerdings nicht.

Irgendwie habe ich schon (oder vielleicht auch gerade?) im Alter von 14 Jahren gespürt, daß Grass etwas Verlogenes hat. Beim „Häuten der Zwiebel“ wurde es dann öffentlich: Grass war als Jungerwachsener in der Waffen SS gewesen. Ganz deutlich: dies ist nicht das, was ich Grass vorwerfe! Ich empfinde es aber als ekelhaft, diesen Umstand bis pünktlich zum 80. Geburtstag zu verschweigen und die ganze Zeit moralisch entrüstet auf diejenigen zu zeigen, die mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht haben. Anscheinend legt der (doch eigentlich atheistische?) Grass Wert darauf, den Skandal noch aktiv selbst zu beruhigen und nicht posthum seine Totenruhe durch Zerstörung seines Lebenswerks beschmuddeln zu lassen.

Von einem guten Schriftsteller erwarte ich kein moralisch einwandfreies Verhalten, dies wäre anmaßend (und utopisch). Aber Authentizität ist für ernstzunehmende Literatur unverzichtbar. Die moralischen Widrigkeiten gehören in die Öffentlichkeit und nicht in den Bereich des Vertuschten. Genau das hätte die Öffentlichkeit der Nachkriegsära dringend gebraucht: die Frage nach dem Warum und Wieso. Die Frage nach dem, was in Menschen geschieht, wenn der Einzelne einem übermächtigen System ausgesetzt ist. Dies hätte der Aufarbeitung der deutschen Geschichte mehr genützt als das ständige Outen von anderen Kolaborateuren. In diesem Zusammenhang fällt mir eine Stelle aus Erica Jongs autobiographischen „Angst vorm Fliegen“ ein. Sie lernt als jüdische Amerikanerin im Nachkriegsdeutschland einen ehemaligen Nazi kennen, der ganz deutlich sagt, daß ihm das ganze „wir haben von nichts gewußt“ gegen den Strich geht. Und er resümiert: die Deutschen hätten einfach nur ganz ehrlich sagen sollen „wir haben Hitler geliebt“. Das, was mir die Stelle so in Erinnerung bleiben läßt, ist die Reaktion der jüdischen Erica Jong, die sich mit ihm anfreundet, weil sie als Schriftstellerin Ehrlichkeit der Verlogenheit vorzieht. Und das hat Grass nie getan – was eine 14jährige anscheinend eher bemerkt als Literaturkritiker.

Was hat denn das alles um Himmelswillen schon wieder mit Berufsbetreuern zu tun?
Das Verbindende zwischen Grass und meinen Berufskollegen ist die Abneigung gegen das offene Aussprechen von Widrigkeiten und die Strategie des Vertuschens. Das beharrliche Festhalten daran, daß unser Bild in der Öffentlichkeit aalglatt und harmonisch sein muß. Das Tabuisieren von Defiziten und deren Übertuschen durch peinliche Außendarstellungen. Und das gedankenlose Vertun der besseren Möglichkeit: das Verbessern von Bedingungen und das Verändern von Mißständen. Genauso wie gute Schriftsteller die Aufgabe der Veränderung haben, haben dies auch gute Berufsbetreuer. Wird diese Aufgabe zugunsten eines guten Images vernachlässigt, dann wirkt der moralische Zeigefinger des Literaten genauso wie die PR-Aktionen der Berufsbetreuer unglaubwürdig.

Hätte man mich als 14jährige mit Berufsbetreuern bekannt gemacht, wäre ich vielleicht mit sicherem Gespür für die falsche Fassade genauso auf Abstand gegangen wie eben bei Günter Grass. Wie war das noch mal bei Salinger? Erwachsenwerden ist Verrat am Selbst....



Donnerstag, 27. August 2009
Und täglich wird gewalzt..
Manche Menschen bewegen sich durchs Leben wie dicke Walzen. Ohne Rücksicht auf Verluste wird alles plattgewalzt. Mit einer selbstgfälligen Neigung zum Herumkommandieren anderer. Mit schmerzhaft dumpfen Plattitüden. Mit einer feisten Überzeugung, grundsätzlich im Recht zu sein. Mit haarsträubender Respektlosigkeit gegenüber anderen. Mit einer dumpfen Gier, andere zu beherrschen. Und mit einem schon ans Psychophatische grenzendem Desinteresse an den Gefühlen anderer.

Manche walzen gezielt aus Geldgier. Andere wiederum aus Herrschsucht. Wieder andere einfach aus reiner Bequemlichkeit. Niemand ist vor ihnen sicher. Partner, Eltern, Kinder, Kollegen - jeder kann Opfer werden.

Was übrig bleibt sind Karrikaturen. Plattgewalzte, papierdünne Strichmännchen, die keinen Piep mehr sagen. Das Rückgrat überlebt diese Prozedur nicht. Und das Furchtbare an den Walzen ist, daß sie nicht nur ihr unmittelbares Umfeld plattwalzen; sie lösen oft Kettenreaktionen aus, denn die Menschen, die sie zerstören, geben einen Teil dieser Zerstörung weiter. Ertränken ihr Leid im Alkohol, suchen Asyl bei anderen, weinen anderen Menschen auf den Anrufbeantworter, drücken andere in die Rolle des des ewig verständigen Therapeuten, gehen manchmal sogar zur Polizei.

Hoffnung gibt es kaum. Man kann im Grunde nur noch weglaufen und versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Walzen reagieren zudem höchst empfindlich auf Kritik, denn ihnen eigen ist ja die völlige Unfähigkeit zur Selbstkritik. Und so walzen sie dann noch mehr und erlassen Ordern und Kritikverbote.

Nur eins bringt die Walzen in Gefahr: eine andere Walze. So ähnlich wie das Aufeinandertreffen von zwei Alphamännchen. Das geht naturgemäß für einen schlecht aus. Aber allen anderen kann man nur eins raten:

RETTE SICH WER KANN!



Donnerstag, 13. August 2009
Sozialarbeit und Berufsbetreuung
Ich möchte hier den Versuch machen, mich ein bißchen näher mit der Begriffszuordnung unseres Berufs zu beschäftigen. Bisher gibt es keine wirkliche theoretische Auseinandersetzung mit der Zuordnung von Berufsbetreuern. Es gibt zwar einige lesenswerte Artikel (die ich auch verkürzt auf meiner Seite unserer Betreuerhomepage wiedergegeben habe) aber die sind immer vor einem rechtstheoretischen Hintergrund verfaßt worden und grundsätzlich niemals von Berufsbetreuern selbst. Ich werde diesen Artikel noch einige Zeit laufend fortsetzen.


Soziale Arbeit
Der Begriff Soziale Arbeit dient seit den 1990er Jahren als Ober- und Sammelbegriff der traditionellen Fachrichtungen Sozialpädagogik und Sozialarbeit. Seit 2001 ist Soziale Arbeit auch in Deutschland durch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die Kultusministerkonferenz (KMK) offiziell als Fachwissenschaft anerkannt. Soziale Arbeit versteht sich als Profession, die wissenschaftsfundiert versucht, praktische soziale Probleme zu lösen, zu lindern oder zu verhindern, genauso wie es Aufgabe von anderen Professionen ist, praktische biologische (Medizin) oder psychische Probleme (Psychiatrie, Psychotherapie) zu lösen. Im Zuge der fortschreitenden Entwicklung der Sozialen Arbeit zur Profession und des gemeinsamen Handlungssystems der immer weniger klar differenzierbaren Teilgebiete, hat sich der mit einer langen Tradition belegte Oberbegriff Soziale Arbeit herausgebildet.

Da die Befähigung eines Individuums am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben teilzunehmen nicht bei allen gleich ausgebildet ist, beschäftigt sich die Soziale Arbeit auch mit der Möglichkeit, gesellschaftliche Benachteiligung abzubauen, die eben diese Befähigung zum Ziel hat.
Gegenstand Sozialer Arbeit sind allgemein gesellschaftlich und professionell als relevant angesehene menschliche „Problemsituationen“. Hierzu gehören überwiegend Probleme mit der alltäglichen Lebensbewältigung, der „Lebenspraxis“ – dem alltäglichen „Zurechtkommen und Zurechtfinden“. Sozialpädagogik bedeutet aber nicht allein Fähigkeiten und Ressourcen der Einzelnen zu fördern; in der Sozialpädagogik steckt auch eine gesellschaftliche Zielsetzung des „Miteinander-Auskommens“. Sozialpädagogik betrachtet das Individuum in seiner Wechselbeziehung mit der sozialen Umwelt. Ziel Sozialer Arbeit ist das Lösen, Lindern oder Verhindern praktischer sozialer Probleme, die sich aus einer unzureichenden Integration von Individuen in ihren sozialen Systemen ergibt, was gleichbedeutend ist, seine biopsychosozialen Bedürfnisse dauerhaft nicht befriedigen zu können.

Soziale Arbeit als Disziplin erforscht die Zusammenhänge der sozialen Problementstehung und Problemlösung. Soziale Arbeit als Profession arbeitet an der Lösung und der möglichen Prävention dieser Probleme.Silvia Staub-Bernasconi betont den fachlichen Auftrag einer Sozialen Arbeit als (eine) Menschenrechtsprofession, die die Verletzung von Menschenrechten (in Bezug auf organismisch verankerten biopsychosozialen Bedürfnissen) lokal, national und global erkennen und benennen soll und sich als wert- und bedürfnisorientierte Disziplin und Profession an der Minimierung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen soll. Soziale Arbeit hat ein dreifaches Mandat: die Klientel, den Staat und den Kodex der Sozialen Arbeit. Sie sind also den Bedürfnissen des Individuums sowie der Mikrosysteme genauso verpflichtet wie den Bedingungen des staatlichen Rechtssystems oder der aktuellen Sozialpolitik. Als drittes sind sie außerdem dem Kodex der Sozialen Arbeit verpflichtet, der vergleichbare Traktanden hat wie etwa die Menschenrechtsabkommen.
Die vergangenen Jahre brachten vermehrt eine an betriebswirtschaftlichen Prinzipien orientierte Strömung in der Sozialen Arbeit. Neben pädagogischen Erwägungen gewinnen Überlegungen zur Qualitätsprüfung, -maximierung, Effizienzsteigerung, Standardisierung, etc. mehr und mehr an Bedeutung, dies insbesondere durch Spardruck (Mittelkürzungen) und auch durch die gesteigerte Pflicht zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen, z.B. durch die Einführung des § 93 BSHG. Die Zunahme äußeren Drucks durch Sparmaßnahmen sowohl der kirchlichen als insbesondere der öffentlichen Finanzierungsträger/innen führte zwar auch zu einer begrüßenswerten Qualitätsdiskussion und hierdurch fundierteren Begründung sozialarbeiterischen Handelns, die politische Dimension wurde im Gegenzug wieder mehr und mehr aus begreiflichen Gründen zurückgestellt. Soziale Arbeit ist dennoch gefordert, mehr als nur Krisenintervention zu leisten.

Die Profession der Sozialen Arbeit ist noch und wieder durch die aktuellen Entwicklungen im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Individuum und Sozialarbeiter/in zu verorten. Dabei muss das Handlungsfeld insbesondere durch die Gesellschaft definiert werden, die gleichzeitig sowohl als Auftraggeberin, Problemursache und Problemlösungs-Teilinhaberin anzusehen ist. 2006 verabschiedeten 70 Fachbereiche für Soziale Arbeit an deutschen Hochschulen einen „Qualifikationsrahmen“.

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Diese Thesen habe ich größtenteils dem Wikipedia Eintrag "Soziale Arbeit" entnommen.

Innerhalb der Sozialarbeit gab und gibt es - wie in allen anderen Fachbereichen auch - unterschiedliche Theorien und Schwerpunkte. Es ist nicht mein Anliegen, diese hier gegenüberzustellen und miteinander zu vergleichen. Vielmehr möchte ich die grundlegenden Elemente zusammenfassen und auf meine Arbeit als Berufsbetreuerin anwenden.

Unter den vielen Beispielen für Soziale Arbeit wird ausdrücklich auch das des Berufsbetreuers genannt. Jetzt könnte man in zwei Schritten fortfahren: zum Einen könnte man analysieren, was in der konkret stattfindenden Betreuungsarbeit von der Theorie der Sozialen Arbeit tatsächlich auch umgesetzt wird. Zum anderen kann man natürlich auch grundsätzlich thematisieren, ob Betreuungsarbeit denn tatsächlich als Soziale Arbeit zu betrachten ist. Fällt unsere Arbeit überhaupt in die Kategorie Soziale Arbeit? Falls dies verneint wird, welcher Profession ist sie dann zuzurechnen?

Würde man hier einmal tatsächlich ganz wissenschaftlich vorgehen und Zielsetzung, Methodik und Rahmenbedingungen einer Analyse unterziehen, würde man den Bereich der Berufsbetreuer mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus dem Begriffsfeld der Sozialen Arbeit lösen können. Würde man dann wiederum überprüfen, in wieweit die an die Profession der Sozialen Arbeit geknüpften Qualitätsanforderungen auch erfüllt werden, wäre das Offensichtlichwerden von erheblichen Mängeln voraussehbar.

Der entscheidende Punkt für die qualitative Beurteilung der Profession der Berufsbetreuer ist also der der Zuordnung. Dies ist erforderlich, bevor man überhaupt an dem Thema Qualität arbeitet.

16.08.09

Bevor man jetzt die Zuordnung der Profession Berufsbetreuer thematisiert, sollte man sich die Definition des Begriffs des Kaufmanns ansehen. Auch die habe ich - gekürzt - Wikipedia entnommen:

Kaufmann ist im weiteren Sinn des Sprachgebrauchs, jeder der erwerbsmäßig Waren anbietet oder daran mitarbeitet Waren anzubieten. Daraus leitet sich die allgemeine Berufsbezeichnung kaufmännischer Beruf ab, die historische Standesbezeichnung Kaufleute, spezielle Berufsbezeichnungen und die handelsrechtliche Bezeichnung.

Kaufleute handeln kaufmännisch, nach kaufmännischen Prinzipien und mit kaufmännischen Methoden, also vor allem wirtschaftlich, daher werden diese Berufe auch kaufmännische Berufe genannt. Sie denken und wirtschaften im Rahmen des Unternehmens betriebswirtschaftlich oder übergreifend volkswirtschaftlich.

Während der Begriff Händler den Ein- und Verkauf von Waren in den Vordergrund stellt - auch als Arbeitnehmer, kennzeichnet der Begriff Kaufmann das berufsmäßige – und auch wirtschaftlich eigenständige – Wirtschaften und Handeln, das auch Herstellung und Verarbeitung einbeziehen kann. Kaufmann und Händler sind auch mit Kalkulation, Rechnungswesen, Logistik, Gütertransport, Lagerhaltung und Marketing befasst, befasst, oft nur mit einigen dieser Bereiche. Das klassische Bild des Kaufmanns, der auch Händler im eigenen Laden oder Geschäft ist, ist nur im Bereich des Einzelhandels gegeben.

Viele Kaufleute sind Händler im rechtlichen und allgemeinen Sinn. Ein Händler ist (fast) immer auch ein Kaufmann.
Nach der Mehrzahl Kaufleute wird besonders im Mittelalter auch ihr Stand (Gesellschaft) benannt. Oft wird der Kaufmann als gesellschaftlich höherstehend angesehen, als der Händler. Die Geschichte der Händler und Kaufleute ist die Geschichte des Handels. Im Mittelalter waren Kaufleute oft in einer Gilde oder Hanse organisiert und gehörten zur städtischen Oberschicht, zum Patriziat. Bis ins 19. Jahrhundert trugen meist nur selbstständige Unternehmer die Berufsbezeichnung Kaufmann, später wurden zunehmend auch Angestellte als Kaufmann geführt.