Mittwoch, 15. Juli 2009
Das sogenannte Exemplarische
Goethe bleibt insofern vorbildlich, als er vom Beginn bis zum Ende seiner Schriftstellerei das Persönliche (Individuell-Konkrete) mit dem Klassischen (Generell-Abstrakten) in – freilich sehr wechselnder Verbindung – hielt. Fast immer beschrieb er sein eigenen Leben, und manchmal gelang es ihm, einzelne Episoden ins Exemplarische zu heben. Von Sophokles’ persönlichen Problemen weiß man nichts, noch weniger von Homers und anderen der Alten, was allgemein als Vorteil empfunden wird, aber doch eigentlich zu bedauern ist. Die totale Trennung von persönlichem Leben und der aus diesem Leben geschaffenen Literatur hat etwas Antikes. Nur noch Objektivität und Allgemeinheit. Weil wir nichts von Sophokles wissen. Dabei gibt es bei ihm Szenen, in denen man sofort sieht, daß er sie selber geschrieben haben muß. Oder war auch das schon damals reine literarische Technik?

Du sollst nicht deinen Fall beschreiben, sondern ihn ins Exemplarische erheben. Du sollst aus deinem Fall einen Fall für alle machen. Du sollst aus deinem Fall ein Gesetz machen, und das kannst du nur, wenn dein Fall exemplarisch ist, und er ist es nur, wenn du lange genug über ihn nachgedacht hast. Die Literatur soll oder sollte in ihrer Thematik wie der Gesetzgeber die Regel finden für viele Fälle und in ihrer Beschreibung wie der Richter dem Einzigartigen gerecht werden.

Peter Noll (Diktate über Sterben und Tod)

Das Persönliche als das Exemplarische. Oder anders ausgedrückt: das Private als das Exemplarische. Und hier kann dann zutage kommen, was von vielen so gefürchtet wird: das Offensichtlich-Werden des Nicht-Authentischen. Vielleicht ist es das, was Kritik immer sofort im Keim ersticken läßt mit dem Einwand „Das ist jetzt aber persönlich!“ Man schafft eine künstliche Trennung zwischen Persönlichem und Öffentlichem. Leider nicht irgendwo, sondern grundsätzlich immer da, wo es heikel werden könnte. Da, wo Widersprüche sichtbar werden könnten. Da, wo das nach außen gekehrte Bild überhaupt nicht mit dem tatsächlichen Handeln übereinstimmt. Da, wo sich die Selbstinszenierung als Lüge erweist. Da, wo unter dem schönen Deckmantel von demokratischem und sozialem Handeln das häßlich diktatorische oder rein geschäftsmäßige Handeln hervorblitzt.

Es hätte mit Sicherheit niemand etwas dagegen, wenn man eine nette Episode aus dem Privatleben erzählen würde. Wenn man z.B. eine besonders engagierte Handlung wie eine Spende oder ein Hilfeleistung erwähnen würde. Und es hätte ebenfalls mit Sicherheit niemand etwas dagegen, wenn man z.B. ein „rein privates Beispiel“ dafür nennen würde, wie jemand besonders differenziert und emphatisch auf jemanden eingegangen wäre. Da wäre das Zitieren aus dem Privaten alles andere als unerwünscht. Aber eben nur da. In denjenigen Bereichen, in denen unangenehme Verhaltensweisen und Handlungen ans Tageslicht kommen würden, wird sofort in bekannter Manier ausgebremst mit dem Argument „das gehört hier nicht her!“

Apropos Goethe (zu dem ich übrigens nie einen Zugang finden konnte). Goethe hatte in seinen Romanen und Gedichten wie jeder andere Dichter nie Berührungsängste mit dem Tod. Anders im realen Leben. Als seine Frau Christiane Vulpius im Sterben lag, flüchtete er aus dem Zimmer, weil er das Schmerzensgeschrei nicht hören wollte. Der Tod auf der dichterischen Ebene ist eben doch etwas anderes als der ganz banale Tod im realen Leben. So ganz konsequent war also auch unser vielzitierter Dichterfürst nicht bei der Transformation des Individuell-Konkreten in das Generell-Abstrakte.



Dienstag, 23. Juni 2009
Stichwort MEIN-Gesellschaft, Homo oeconomicus und materialistische Liebe
Gerechtigkeit und MEIN-Gesellschaft

Hätte ich noch wenigstens zwei Jahre Zeit, so würde ich sie der ausführlicheren Darstellung und Begründung des folgenden Gedankengangs widmen: Was wir überall sehen und mit Händen greifen, ist die Ungerechtigkeit. Darüber ein ideales Gebilde der Gerechtigkeit freischwebend aufzuhängen, ist sinnlos. Den guten König, das edle Parlament, das gute und vernünftige Volk usw. Auszugehen ist vielmehr von der Ungerechtigkeit, und dabei höre ich schon den Einwand, wie soll denn diese umschrieben werden, wenn man nicht zuvor weiß, was Gerechtigkeit ist? Lassen wir uns von den Wörtern nicht täuschen: Ungerechtigkeit ist das Ursprüngliche, Gerechtigkeit müßte also heißen: Unungerechtigkeit, Gerechtigkeit kann nur in der Zerstörung von Ungerechtigkeit beobachtet werden.
Peter Noll "Diktate über Sterben und Tod"

In dem Zusammenhang J.D. Salingers „Fänger im Roggen“, die Thematik auf eine Kurzformel gebracht: Die viel stärkere Sensibilität der Jungen gegenüber Ungerechtigkeit, Routine, Langeweile und besonders: Lüge. Das Leben eines normalen, robusten und erfolgreichen Erwachsenen kann nur eine Lebenslüge sein.

Trauriges aber leider nicht zu widerlegendes Resümee: Gerechtigkeitssinn ist eine pubertäre Erscheinung, quasi eine Entwicklungsstörung ähnlich wie Akne. Der normale Erwachsene hat diese Störung glücklich überwunden und lebt frei von dieser Einengung. Der normale Erwachsene hat auch weitaus Wichtigeres zu tun als sich um Gerechtigkeit zu kümmern: Er muß Werte schaffen und sich fortpflanzen. Damit Kinder da sind, die ebenfalls Werte schaffen und sich ebenfalls fortpflanzen. Auf solche Nichtigkeiten wie Gerechtigkeit kann man da keine Rücksicht nehmen. So richtig glücklich wirken die meisten beim Werteschaffen und Fortpflanzen merkwürdigerweise nicht. Aber auf solche Nichtigkeiten wie Glück kann man da keine Rücksicht nehmen. Und Kinder sind Zukunft! Merkwürdigerweise sind die meisten Kinder aber eine ziemlich genaue Kopie ihrer Eltern. Der Modus Zukunft ist damit fehl am Platz, denn eine bloße Reproduktion der Gegenwart – und dies seit Urzeiten – hat noch nichts mit Zukunft zu tun.

Ein Leben nach der üblichen Maxime: Mein Haus, mein Auto, meine Frau, meine Kinder, mein Bausparvertrag, meine Einbauküche. Die MEIN-Gesellschaft. Etymologisch bemerkenswert ist die Ähnlichkeit des Wortes MEIN zu GEMEIN, und in dem Zusammenhang die Doppeldeutigkeit des Adjektivs GEMEIN, das sowohl GEWÖHNLICH als auch NIEDERTRÄCHTIG bedeuten kann. Auch im Englischen fällt die Ähnlichkeit zwischen MY und MEAN auf. Im Französischen stimmen nur die Anfangskonsonanten des MON mit MÉCHANT überein, der Plural MES klingt schon etwas ähnlicher. Das weibliche Possessivpronomen MA ähnelt übrigens dem MAL (schlecht). Das aber nur am Rande, als kleine, nicht besonders professionelle Wortspielerei. Aber zu leugnen ist es trotzdem nicht: Das Wort MEIN hat es in sich!


MEIN

Ein kleiner dicker Parasit

Frißt Gerechtigkeit, Glück und Zukunft

Oft auch Hirnmasse

Manchmal sogar ganze Landstriche

Frißt sogar Rückgrat

Nicht selten Liebe

MEIN – ein kleiner fetter Allesfresser

Nichts ist vor MEIN sicher

Hüte sich wer kann vor MEIN!



Samstag, 20. Juni 2009
Und nochmals Montaigne
Der Tod ist das Rezept gegen alle Leiden, ein ganz sicherer Hafen, den man nicht fürchten, sondern aufsuchen soll. Es kommt auf dasselbe heraus, ob der Mensch sich selbst sein Ende gibt oder ob er es erleidet .. Der freiwillige Tod ist der schönste. Das Leben hängt vom Leben anderer ab, der Tod nur von unserem Willen ... Leben heißt dienen, Sterben frei sein. Die allgemeine Entwicklung von Heilungen geht immer auf Kosten des Lebens: man zerschneidet uns, man zerstückelt uns, man schneidet uns Glieder ab, man nimmt uns die Nahrung des Blutes: ein Schritt weiter, und wir sind gänzlich geheilt.

Jetzt fragt man sich unweigerlich, warum Montaigne sich denn nicht umgebracht hat. Aber das ist er wohl - der unweigerliche Unterschied von Theorie und Praxis. Der Unterschied von hoher Philosophie und banalem Alltag. So wie Sokrates Gerechtigkeit predigte und sich nicht die Bohne darum kümmerte, wie seine Frau Xanthippe die gemeinsamen Kinder durchbringt. La grande philosophie et la vie quotidienne - um es schicker auszudrücken. Vielleicht ist es das, was die menschliche Existenz ausmacht: ein Auseinanderklaffen an allen Ecken und Kanten. Und wenn sogar die großen Philosophen davon nicht verschont werden, sollte ich meine Kollegen vielleicht auch nicht so hart beurteilen. Obwohl - Sokrates hat ja wirklich Veränderungen bewirkt....

Wie dem auch sei - ich könnte jedes Wort Montaignes unterstreichen. Und dennoch würde ich nicht seelenruhig zusehen, wie sich jemand umbringt. Und da, wie ich ja eben ausgeführt habe, auch der große Montaigne letztendlich einen ganz normalen Tod auf dem Sterbebett gestorben ist, muß ich mir auch keine überflüssigen Gedanken über rechtsphilosophischen Unsinn machen. Der Mensch ist viel zu kompliziert um ihn in Paragraphen zu zwängen. Lassen wir diesen Unsinn also.

http://betreuer.blogger.de/stories/1429571



Donnerstag, 18. Juni 2009
Akutes Leben – chronischer Tod
Wie ist es möglich, sich des Gedankens an den Tod zu entledigen und nicht zu denken, daß er uns jeden Augenblick am Kragen packen kann?...Nehmen wir dem Tod seine Fremdheit, praktizieren wir ihn, gewöhnen wir uns an ihn; nichts sollen wir so oft im Kopf haben wie den Tod in jedem Augenblick unserer Vorstellung und in allen Antlitzen...Es ist ungewiß, wo der Tod uns erwartet; erwarten wir ihn auf jeden Fall. Die überlegte Vorstellung (préméditation) des Todes ist die überlegte Vorstellung der Freiheit: wer gelernt hat zu sterben, hat verlernt, untertänig zu sein: es gibt kein Übel mehr für denjenigen, der gut begriffen hat, daß der Verlust des Lebens kein Übel ist: das Wissen, daß wir sterben, befreit uns von jeder Unterwerfung und jedem Zwang.

Diese Zeilen von Montaigne werden von Peter Noll in seinen „Diktaten über Sterben und Tod“ zitiert. Und gerade jetzt, wo ich dieses Buch lese, höre ich vom Mord an den beiden jungen deutschen Frauen im Jemen. In eine Dokumentation äußern sich Bekannte und Freunde über sie. Beide waren Studentinnen einer Bibelschule mit starkem Missionscharakter standen felsenfest in ihrem Glauben und aus diesem Glauben heraus haben beide ehrenamtlich in einem Krankenhaus im Jemen gearbeitet.

Die Frauen – 24 und 26 Jahre alt – wußten ohne Zweifel genau, auf welche Gefahr sie sich im Jemen einlassen. Die erste Reaktion ist die, daß man innerlich aufschreit, warum zwei engagierte Menschen so jung sterben mußten. Wenn ich aber an die Entscheidung von Peter Noll denke, eine lebensrettende Operation nicht durchführen zu lassen, weil er sich dann in die Abhängigkeit der Ärzte begeben und hierdurch zum Dauerpatient werden würde, dann sehe ich die Entscheidung der beiden jungen Frauen in einem anderen Licht. Es gibt Menschen, die ihr Leben nur ganz oder gar nicht leben können. Die keine Kompromisse wollen. Diese Sichtweise weicht ab von der gewohnten quantitativen Auffassung des Lebens. Ein erfülltes Leben kann nur ein langes Leben sein. Ist aber nicht gerade ein langes Leben manchmal eben nur ein halbes Leben? Sämtliche Entscheidungen an die Maxime des größtmöglichen Überlebens zu knüpfen? Wäre es eigentlich wirklich vermessen, wenn man in der Trauerrede für die beiden Frauen nicht auch von einem „erfüllten Leben“ sprechen würde, so wie man es üblicherweise nur bei alten Menschen tut?

Die meisten Menschen leben chronisch. Und manche eben akut.



Montag, 15. Juni 2009
Denken tut gut
15.06.09 Fettmasse der Macht


Zitate, die mich mit der Welt versöhnen:

Daß ich ein nachdenklicher und skeptischer Jurist geworden bin, hängt wieder damit zusammen, daß ich die Menschen hasse, die sich nach der Macht drängen. Obwohl Macht unvermeidlich ist. Noch verhaßter sind mir die Menschen, die die Macht in der Verkleidung des Rechts ausüben. Das Recht muß, will es sich bewahren, der Stachel in der Fleischmasse und Fettmasse der Macht sein. Die unkritischen Juristen sind etwas vom Schlimmsten, was uns das gegenwärtige System beschert hat, das gesellschaftliche, das schulische, dasjenige an der Universität.

"Fettmasse der Macht" ist eine Wortschöfpung, die man ins Grundgesetz aufnehmen sollte. Es ist erstaunlich, daß ein so streitbarer und kritischer Mensch ein erzkonservatives Fach studiert hat. Allerdings haben andererseits viele große Köpfe - Goethe, Storm, Kafka - Jura studiert. Auf jeden Fall ist Peter Noll ein enorm streitbarer Geist, der über Jahrzente hinweg Umengen Rechtsschriften veröffentlicht hat. Es ist erstaunlich - und andererseits auch wieder nicht - daß ihm auch im Angesicht des Todes sein berufliches Schaffen wichtig ist. Dies ist wohl ein entscheidender Unterschied zwischen großen Köpfen und Kleingeistern: der Kleingeist hat einen Beruf um Geld zu verdienen. Große Geister haben einen Beruf, weil sie in der Gesellschaft wirken wollen. Und weil ihr Wirken nach außen stimmig mit ihrer inneren Überzeugung ist.

Während ich das Buch lese, fällt mir immer wieder auf, daß er die meisten Leute namentlich nennt. Peter Noll war übrigens mit Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch befreundet (darauf bin ich neidisch). Auch die erwähnt er namentlich - selbst in sehr persönlichen Angelegenheiten. Mir würde es früher wahrscheinlich gar nicht aufgefallen sein, weil das Beschreiben und Zitieren anderer für mich das Normalste auf der Welt ist. Seitdem ich allerdings in dem mehr als merkwürdigen Beruf einer Betreuerin arbeite, werde ich permanent mit heftigsten Vorwürfen konfrontiert, wenn ich jemanden direkt anspreche oder namentlich zitiere. Das ist allerdings die logische Konsequenz von Nichtauthentizität: jemand lebt nach außen Werte, die unecht und aufgesetzt sind. Jemand möchte demokratisch wirken, hat aber Attitüden wie ein Alphamännchen. Jemand hat Kritik an anderen, möchte aber nach außen hin den netten, immer verständigen Jungen darstellen. Mir wird beim lesen des Buchs einmal mehr deutlich, daß dies wohl das größte Hindernis in der geistigen Entwicklung ist: das permanente Darstellen von etwas, was letztendlich erstunken und erlogen ist. Dabei kommen dann Castingsshows oder Superstarsuchen heraus. Mehr aber auch nicht. Auf keinen Fall ein gutes Buch.



14.06.09 Die Wahl eines kurzen Lebens

Lese gerade mit Feuereifer das Buch von Peter Noll "Diktate über Sterben und Tod". Peter Noll, ein Schweizer Jurist, verstarb 1982 nach etwa 9monatiger Krebserkrankung. Nach Erhalt der Diagnose schrieb er Tagebuch und man kann an seinen Gedanken und Gefühlen teilnehmen.

Anstatt sich einer Operation zu unterziehen, die immerhin eine 30prozentige Chance der Gesundung gehabt hätte, wählte er den Weg der Nichtbehandlung. Etwas, das ich kaum nachvollziehen kann, da ja so oder so mit Schmerzen und Krankenhausaufenthalten gerechnet werden muß. Aber Peter Noll widerstrebte seiner Aussage nach die Vorstellung "einen auf dem Bauch befindlichen Beutel" als Ersatz der Blase zu tragen und damit für die Dauer seines Lebens ein von ärztlicher Behandlung abhängiger Patient zu sein.

Auf jeden Fall geht es in seinen Gedanken nicht nur um Privates - und das sauge ich auf wie ein Schwamm - sondern er setzt sich intensiv auch mit dem Thema Recht, Macht und Gerechtigkeit auseinander. Ein unbequemer Querdenker, der sich neben diesen weltlichen Themen (das wird jetzt die Atheisten abschrecken) auch mit dem Glauben beschäftigt. Auf eine Art, die mir deswegen so gut gefällt, weil sie viel mit Zweifeln und in-Frage-stellen zu tun hat. Er weist z.B. auf das Buch des Physikers von Hoimar von Ditfurth hin, der das Thema der Existenz ganz aus dem Blickwinkel der Physik angeht. Das ist ein Phänomen, das ich gern mal diskutieren würde; die wenigsten Physiker sind Atheisten (eigentlich kenne ich nicht einen einzigen) und die wenigsten Soziologen sind gläubig. Das ist in meinen Augen eine merkwürdige Ähnlichkeit des Papstes mit Marx: beide halten die Erde für das Zentrum des Universums und scheren sich recht wenig um die Frage, was abgesehen von diesem winzigen Schmutzpartikel Erde wohl sonst noch eine Rolle spielen mag.

Egal, ich stelle immer wieder fest wie gut das Denken tut. Am besten wäre es im Austausch mit anderen (aber Menschen, die nicht nur *lol*, *grins* und derartiges schreiben).

Der Umkehrschluß, daß Denken gut tut, ist, daß Nichtdenken schlecht tut. Genauso holprig, aber treffender drückt es der Volksmund aus mit "Dummheit kann weh tun". Das ist genau die Erfahrung, die ich vor einiger Zeit gemacht habe: Dummheit kann entsetzlich weh tun. Viele nennen dies arrogant, aber ein physischer Schmerz kann nicht arrogant sein. Dies Attribut kann nur eine Haltung bzw. ein Verhalten kennzeichnen. Ich genieße Menschen, die nachdenken und mir wird übel, wenn ich mir den Mist anhören muß (und manchmal ist dies unvermeidlich), den Menschen von sich geben, die nicht denken. Das ist in etwa so, wie jemanden zuhören müssen, der völlig falsch und schrill singt. Oder wie etwas völlig Versalzenes zu essen. Da vesteht jeder den Abscheu. Bei Abscheu vor Dummheit wird es für manche schwierig.

Dummheit ist aber schlimmer als eine schrille Stimme oder ein versalzenes Frikassee. Viel empfindlicher als das Ohr oder die Zunge ist das Gehirn. Von besonders dummen Zeug kann ich eine regelrechte Gehirnerschütterung bekommen. Aber um jetzt positiv zu enden: so eine authentisches Buch wie dies, in dem die höchst private Erfahrung nicht von der gesellschaftichen getrennt wird, in dem Berührungspunkte aller möglichen Aspekte zusammengeführt werden, ist das reinste Balsam fürs Gehirn. Ich gehe jetzt zu Bett und lese weiter....



Freitag, 15. Mai 2009
„Wer von der Quantentheorie nicht schockiert ist, hat sie nicht verstanden!“ Niels Bohr
Ich habe die Quantentheorie nicht verstanden und bin trotzdem schockiert - allein von dem, was ich ansatzweise ahnen kann, bekomme ich eine Gänsehaut. Wie soll man das verstehen:


Wenn wir ein Photon durch einen Doppelspalt schicken, interferiert es mit sich selbst, wenn man nicht hinschaut (es beim Durchgang nicht mißt), so als ob es durch beide Spalte gleichzeitig gegangen wäre. Man kann dies auch mit einzelnen Photonen zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten durchführen. Es ergibt sich ein Interferenzmuster, solange beide Spalte geöffnet sind und das Photon beim Durchgang nicht beobachtet wird. Woher weiß das eine Photon, wie die räumlich und zeitlich getrennten anderen Photonen reagieren, so daß ein einheitliches Interferenzbild entsteht? Wie merkt das Photon, daß beide Spalte offen sind und daß es nicht beobachtet wird?

Allein diese Tatsache läßt unser reduktionistisch-deterministisches Weltbild zusammenbrechen. Es gibt keine andere physikalische Erklärung, außer daß das Photon zu jeder Zeit irgendwie an jedem Ort ist und mit jedem Teilchen auf nichtlokale Weise verbunden ist und daß es zwischen dem menschlichen Geist und den subnuklearen Quanten irgendeine Wechselwirkung gibt.

Schaut man nun hin und mißt an einem Spalt nach, so daß man die Information erhält, daß das Photon entweder diesen Spalt passiert hat oder eben nicht bzw. dann ja den anderen Spalt passiert hat, verschwindet augenblicklich die Interferenz. Dies bedeutet, das Photon existiert nun nicht mehr in Form einer Wahrscheinlichkeitswelle überall gleichzeitig, sondern manifestiert sich durch den Akt des Beobachtens an einem definierten Ort.

Woher weiß das Photon, daß es beobachtet wurde? Hat der menschliche Geist diese Manifestation (Gleiches gilt übrigens auch für Elektronen oder andere subnukleare Quantenteilchen) eines Teilchens aus einer Wahrscheinlichkeitswelle durch eine Interaktion mit dieser Welle bewirkt? Wie kann das menschliche Bewußtsein auf die Quantenwelt einwirken? Schafft der Geist erst durch die Beobachtung die Realität? Der Geist kann doch nur mit Quantenwellen in Wechselwirkung treten, wenn er selbst eine Quantenwelle ist.

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In Internet kursiert ein Experiment an der Universität von Princeton, bei dem über Jahre die Werte von weltweit verteilten Rauschdioden gesammelt und analysiert wurden. Rauschdioden sind spezielle Bauteile, die Rauschen erzeugen, das eine statistische Verteilung verschiedener Frequenzen darstellt. Aufgrund dieses Experiments ergaben sich Hinweise, daß bei globalen Ereignissen, wie z.B. dem 11. September, sehr deutliche Abweichungen von den zu erwartenden statistischen Mittelwerten gemessen werden konnten und zwar beginnend schon einige Stunden BEVOR dieses Ereignis weltweit in dem Medien zu verfolgen war. Man schließt daraus, daß ein globales Bewußtsein zu existieren scheint, das den Zufall beeinflussen kann.



Freitag, 1. Mai 2009
Amnesty für Sisyphos
Was Camus als Mythos von Sisyphus bezeichnet, ist der Mythos des ewig Unereichbaren.

Zur Erinnerung: Sisyphos hat das unaufhörliche Steinrollen als Strafe erhalten. Eine Strafe, die nie endet, da Sisyphos schon im Totenreich weilt. Sisyphos kann also noch nicht einmal auf den Tod als Beendigung der Tortur hoffen.

Dies ist der Unterschied zum Menschenreich. Auch hier gibt es Sisyphos. Aber eben mit dem großen Unterschied der Freiheit der Wahl. Er müßte nicht tun was er tut.

Und unweigerlich fragt man sich: Warum hält Sisyphos nicht einfach an? Wozu immer wieder den Stein hinaufrollen, wenn der dann, einem Naturgesetz folgend, in unerschütterlicher Regelhaftigkeit wieder hinabrollt?

Ist Sisyphos einfach nur ein Narr, der hofft, die Naturgesetze würden irgenwann einmal ihre Gültigkeit verlieren?

Sisyphos sollte sich ein Beispiel an den trägen dumpfen Zeitgenossen nehmen, die den Stein gar nicht erst anrühren. Oder ihn von anderen hinaufschaffen lassen würden.

Im Hades ist Sisyphos ein ewig Büßender. Im Menschenreich ist er einfach nur ein Verlierer.

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Ein wenig mehr, ein wenig ernster und ein wenig optimistischer:

http://betreuer.blogger.de/stories/1116109/