Zum Tod von Lars Vilks
Der schwedische Künstler und Karrikaturist ist gestern bei einem Autounfall mit seinen beiden Personenschützern tödlich verunglückt. Und wie ich es erwartet hatte, gibt es überall im Netz eine wahre Sturmflut von Hasskommentaren von Muslimen, die Vilks Tod auf widerwärtigste Art beglückwünschen.
Das sollte jedem die Augen öffnen, der die Ansicht vertritt, Gewalt und Hass beträfe lediglich eine kleine Minderheit der Muslime. Unter den unzähligen primitiven Hasskommentaren von Muslimen gibt es NICHT EINEN EINZIGEN, der diese Form der Gewaltverherrlichung in Frage stellt.

Man fühlt sich an die Hetze gegen Juden des Dritten Reichs erinnert. Und damals wie heute wird dazu geschwiegen....

RIP Lars!




Traurig, aber
Mal im Ernst: zu primitiven Hasskommentaren von wem auch immer äußert sich selten jemand, der etwas in Frage stellt. Nationalfaschisten, Meinungsfaschisten, Religionsfaschisten, die wollen nur ihren Hass erbrechen, mit denen kann man sich nicht auseinandersetzen. Wenn ich auf Nachrichten, die in meinem E-Mail-Account aufploppen, klicke und mir die Kommentare ansehe, sind das durchgehend hohle Hasskommentare, gänzlich ohne Substanz. Da widerspricht auch kaum noch jemand. Das sind aber nicht viele. Das sind wenige mit mehreren Accounts und viel zu viel Zeit.

Diese Haltung der Kommentatoren, die sie völlig zu recht verabscheuen, findet sich auch bei christlichen Religionsfaschisten. Ich kenne Jugendliche, die zu einer christlichen Bekenntnisschule gehen und dort von Mennoniten angegangen werden, weil sie sich gegen Covid impfen ließen. Sie bekommen zu hören, alle Deutschen, die nicht aus Russland übergesiedelt seien, seien Arschlöcher und sollten Deutschland verlassen. Ich höre auch nicht, dass christliche Gemeinschaften sich in der Öffentlichkeit von radikal Evangelikalen deutlich distanzieren. Man arbeitet einfach nicht mit denen zusammen, aber man greift sie auch nicht an.

Ich werde nicht müde zu betonen, dass diese Radikalisierung nichts mit dem Islam zu tun hat, sondern multikausal ist. Natürlich ist eine Religion, die stark von Dogmen durchdrungen ist, geeignet eine starke Anziehungskraft auf Menschen auszuüben, die eher einen autoritären Stil bevorzugen. Aber die jüdische Religion kann man auch wie ein Zwangskorsett auslegen und extrem orthodoxe Gemeinschaften tun das, unterdrücken auch ihre Frauen und machen Menschen krank und schüren Hass auf Andersgläubige. Trotzdem ist das Judentum eine spannende, komplexe und im Ansatz sogar anarchische Religion und es gibt ja auch ein weit verbreitetes Reformjudentum.

Und das gibt es bei den Muslim*innen doch auch.

Kann es es sein, dass Sie einfach einer Überdosis musilimisch geprägten Machotums in Ihrer Nachbarschaft ausgeliefert sind? Müssen Sie nicht beantworten, aber nur so verstehe ich, dass Ihnen immer nur bei denen der Kragen platzt.

Auch wenn Sie natürlich in der Sache Recht haben. Menschenverachtung ist die schlimmste Grundhaltung. Nur zieht sie sich leider durch alle Kulturen, Religionen und Weltanschauungen.

Angst und Macht
Sicher gibt es auch unter Christen (oder anderen Religionen) Menschen, die keine Toleranz haben und deswegen Menschen mit anderen Ansichten beschimpfen oder belästigen. Das ist vollkommen inakzeptabel. Aber es ist und bleibt ein Unterschied, ob andersgläubige Menschen mit Mord bedroht werden und dies sogar auch noch für vollkommen berechtigt gehalten wird.

Man kann in Deutschland über jede Religion Witze machen oder ablästern - nur eben nicht über den Islam. Der Islam beansprucht eine Sonderstellung und ignoriert dabei sowohl demokratische als auch kulturelle Werte. Ihre Frage, ob es sein kann, dass ich in meiner Umgebung vielleicht einer "Überdosis muslimisch geprägten Machotums" ausgesetzt bin, kann ich sowohl mit Ja als auch mit Nein beantworten. An manchen Urlaubsorten fällt es mir irgendwann tatsächlich auf, dass ich mich besser fühle und ich stelle dann fest, dass dies auch daran liegt, dass ich nicht andauernd mit Ausdrücken wie "du Hurensohn", "Fick dich" oder "du Schlampe" konfrontiert bin und dass Veranstaltungen gleichermaßen von Männern und Frauen bzw. von Jungen und Mädchen besucht werden. Meinen letzten Besuch des Hamburger Doms hätte ich am liebsten abgebrochen, da mehrere Gruppen ausschließlich männlicher Jugendlicher ein mieses Klima von Gewalt und Bedrohung verbreiteten.

Aber ich lebe nicht nur in meinem Umfeld, sondern bekomme auch Geschehnisse darüber hinaus mit, wie z.B. dass Seyran Ates und Hamed Abdel Samad nur noch unter Polizeischutz leben können (und sie sind längst nicht die einzigen). Ich bekomme mit, dass ein junges, sehr gut integriertes Mädchen vom eigenen Bruder brutal abgemetzelt wird und der größte Teil der muslimischen Männer und Jungen das in Ordnung findet. Dieser Applaus für Gewalt spielt sich eben nicht nur im meiner Nachbarschaft statt.

Ein Freund von mir teilt übrigens Ihren Eindruck, dass mir, wie Sie schreiben, "immer nur bei denen der Kragen platzt". Ich glaube, dies liegt daran, dass man sich bei rechter Gewalt sicher sein kann, dass es sofort Aufschreie von links gibt und die Antifa binnen kürzester Zeit aufmarschiert, während bei islamischer Gewalt nur sehr verhalten (oder gar nicht) reagiert wird und sofort relativiert wird. Dieses maßlose Ungleichgewicht der Bewertung von extremistischer Gewalt lässt mir in der Tat oft den Kragen platzen.

Ja sicher, Gewalt gibt es überall unabhängig von Religion und sozialer Herkunft. Aber die gesellschaftliche Akzeptanz und die Reaktion darauf fällt besorgniserregend unterschiedlich aus. Deutschland ist an einem Punkt, an dem Kabarettisten sich nicht mehr trauen, eine bestimmte Religion zu kritisieren, weil sie Angst haben. Angst ist der größte Feind der Demokratie. Alexander Mitscherlich formulierte einmal "Wer Tabus errichtet, will Macht". Und Tabus wurden und werden immer mit dem Mittel der Verbreitung von Angst errichtet.

Sie haben Recht, aber...
Ja gut, da gebe ich Ihnen Recht. Das stimmt ja alles, was Sie da schreiben. Nur glaube ich nicht, dass es an der Religion liegt. In den USA ist gerade eine Frau unter der Geburt gestorben, weil die Ärzte sich nicht getraut haben das Kind zu holen, was notwendig gewesen wäre, um das Leben der Frau zu retten. Sie hatten Angst, es könne ihnen als illegaler Schwangerschaftsabbruch ausgelegt werden.

Dort morden Christen im Namen des HERRN. Bei uns zum Glück (noch) nicht.

Ich persönlich sehe das Problem eher in dem Zusammenspiel von Dummheit, Ohnmachtserfahrungen und toxischer Männlichkeit.
Und vielem mehr.

Ja und das mit der Angst, der gewaltsamen Erpressung der Gesellschaft mit der Androhung oder sogar Umsetzung von Terror, das ist ekelhaft. Gab aber auch mal eine linke Szene von RAF-Sympathisanten, die deren Terrorakte relativierte.

Ich möchte nur nicht, dass alle Muslim*innen in den gleichen Topf geworfen werden - was Sie nicht tun, aber ich befürchte, diese Beiträge bringen manche Lesende zu genau dieser Schlussfolgerung - oder dass es demnächst immer mehr Pogrome gegen Muslime gibt. Darum halte ich immer dagegen.

Und Neonazis habe ich auch schon in Schutz genommen, sind ja oft arme, kleine Würstchen.

Was ich damit sagen will: So schwarz-weiß ist es mit der Verteilung von Empörung und Relativierung meiner Wahrnehmung nach nicht.

Grundsätzlich stimme ich mit Ihnen überein: die Dreistigkeit mit der politische Führer extremistischer Staaten - und etliche ordnen ja den Islam als Staatsreligion an - ihrer Bürger*innen terrorisieren und in Anspruch nehmen, dass Menschen in anderen Ländern auch nach ihren Regeln leben, und meinen, sie hätten das Recht sie zu bedrohen, einzusperren und sogar zu ermorden, weckt in mir beängstigende Gewaltphantasien und große Sorge, ob sie nicht doch mit ihrer Skrupellosigkeit die ganze Welt unter ihre Knute bringen.

Aber ich hege auch berechtigte Hoffnungen, dass wir uns das einfach nicht gefallen lassen.

Ideologische Zwickmühle
Es liegt nicht ausschließlich an der Religion, aber Religionen stellen grundlegende Pfeiler der jeweiligen Gesellschaft dar und prägen wiederum geschichtliche Entwicklungen. Eine Aufklärung wie in der westlichen Welt wäre beispielsweise im Islam nicht möglich gewesen. Und die Aufklärung wiederum hat ihrerseits den Umgang mit der Religion geprägt und somit den Weg zu mehr Demokratie geebnet. Ein gutes und überaus aussagekräftigtes Beispiel hierfür ist die Kairoer Erklärung der Menschenrechte die von allen Ländern mit muslimischer Mehrheit unterzeichnet wurde und die sich eklatant von der Menschrechtserklärung der UNO unterscheidet. *

Keine Religion ist perfekt - aber manche Religionen ermöglichen es, Missstände zu thematisieren und manche Religionen unterbinden dies rigoros.

Ich möchte nur nicht, dass alle Muslim*innen in den gleichen Topf geworfen werden - was Sie nicht tun, aber ich befürchte, ich befürchte, diese Beiträge bringen manche Lesende zu genau dieser Schlussfolgerung

Diese Befürchtung weckt wiederum in mir Befürchtungen. Auch ich möchte nicht in die Kerbe der Rechtsextremen hauen, die pauschal jeden Nichtdeutschen als Feind einstufen. Aber das darf nicht dazu führen, dass man den Mund halten muss und damit letztendlich Solidarität mit Opfern islamischer Bedrohung unmöglich macht. Mich erinnert das alles an die damalige DDR. Wurde hier in Westdeutschland auch nur die leiseste Kritik geäußert, wurde sofort damit gekontert, dass dies die Position der Rechten unterstützt. Folglich wurde brav der Mund gehalten. Wie dies alles endete, hat die Geschichte gezeigt.

Die Angst als rechts zu gelten, lähmt jegliche objektive Auseinandersetzung. Und darüber hinaus wird diese Angst auch von so einigen Muslimen instrumentalisiert. In Frankreich haben bereits zehntausende Juden das Land verlassen. Der Grund für diesen Exodus liegt nur in sehr geringem Ausmaß an den Erfolgen der Front National - der Hauptgrund besteht in massiver Bedrohung von Seiten gewaltbereiter Muslime. Dazu möchte ich nicht schweigen. Und weder ich noch mein französischer Lebensgefährte sympathisieren in irgendeiner Form mit der Front National.

Übrigens: die Al-Taqwa-Mosche, die von dem Marokkaner Abdurrahman C., der vor kurzem einen Bombenanschlag vorbereitete, regelmäßig aufgesucht wurde, liegt nur ein paar Meter entfernt von meiner Wohnung und genau neben dem Büro meines früheren Kollegen. Die Schießerei im November, in der ein Kosovo-Albaner zwei Männer schwer verletzte, fand in einem einige Minuten entfernten Viertel statt, beim Einkaufen komme ich regelmäßig dort vorbei. Es ist nicht so leicht, dies alles zu ignorieren, wenn man so dicht dran ist.

Aber nichts-desto-trotz: liebe Frau Fabry, ich wünsche Ihnen einen schönen Jahreswechsel und ein hoffentlich gesundes neues Jahr 2022!

* Edit, bzw. eingefügt am 29.12.21

Danke, das wünsche ich Ihnen auch. Und seien Sie behütet.