Dinge, die gut tun
Vor zwei Tagen habe ich wieder an einem Seminar teilgenommen und profitiere immer noch von der dort herrschenden Atmosphäre. Immer wieder bin ich erstaunt, wie viele Menschen es gibt, die sich sozial engagieren. Ich selbst schaffe dies neben meiner Arbeit nicht und bin überrascht, wie es manchen Menschen gelingt, so viel Zeit und Energie aufzubringen.

Erstaunt bin ich auch über den Umgang mit dem Alter. So nahm an dem Seminar auch eine 79jährige Frau teil, die sich vorgenommen hat, im kommenden Jahr nach Indien zu fahren. Ich selbst war zwar auch schon in Indien, aber „nur“ im Himalaya. Mit dem „nur“ ist keine Abwertung gemeint, sondern die Tatsache, dass die Himalayaregion – genauer gesagt Dharamsala – relativ bequem zu bereisen ist, was man von den übrigen Teilen Indiens nicht gerade sagen kann. Wenn sich jemand so eine Reise im Alter von 80 Jahren noch zutraut, dann ermutigt mich dies, mich so einer Herausforderung auch zu stellen.

Eine andere Teilnehmerin hatte ihr drei Monate altes Baby mitgebracht. Trotz der Tatsache, dass ein Kind in diesem Alter natürlich ständig Aufmerksamkeit braucht, hat die Mutter sich mit viel Interesse dem Seminar gewidmet. Auch das war eine angenehme Erfahrung.

Obwohl kaum Zeit für private Unterhaltung war, hat mich das, was ich aus dem privaten Leben der anderen erfahren habe, oftmals fasziniert. Bei manchen war es die Zielstrebigkeit, mit der Lebenspläne verfolgt wurden. Bei anderen wieder die Nachdenklichkeit, mit der die bisherige Lebensplanung in Frage gestellt wurde und mit der nach neuen Wegen gesucht wurde. Manche der Teilnehmrinnen befinden sich auch in massiven Lebenskrisen, für die nach Lösungen gesucht wurde. Was allen gemein war, war ein tiefer Respekt vor der Individualität der anderen. Ein Respekt jenseits jeglicher Dogmatik, die vorgibt, zu wissen, was richtig und was falsch ist. Eine weitere Gemeinsamkeit, die ich ausnahmslos bei jeder Teilnehmerin wahrgenommen habe, ist der Wunsch nach Entwicklung.

Ein Ort innerhalb des Seminars, der mich immer wieder gefangen nimmt, ist die Bibliothek. Ich empfinde auch bei Bekannten und Freunden die Bücherregale als etwas, das Auskunft über den Besitzer gibt. Man bekommt einen kleinen Einblick in die Vorstellungswelt des anderen. Im Falle dieser Bibliothek ist es so, dass es so viele interessante Bücher dort gibt, dass man sich kaum entscheiden kann.

Das Seminarhaus liegt direkt an einem Wald, so dass man jederzeit Spaziergänge machen kann, wozu die sonnigen Spätherbsttage auch ermuntert haben. Der einzige Wermutstropfen ist die Nähe zur Autobahn, aufgrund der es immer einen Geräuschpegel im Hintergrund gibt.

Es war nicht das erste Mal, dass ich an einem der Seminare teilgenommen habe und inzwischen fühle ich mich bei der Ankunft schon fast wie zuhause. Wahrscheinlich hat fast jeder Mensch einen Ort, an dem er sich besonders wohl fühlt. Und für jeden gibt es die ihm eigenen Kriterien, von denen dieses Wohlfühlen abhängig ist. Für mich ist ein ausschlaggebendes Kriterium das des Umgangs miteinander. Und genauso wichtig ist Authentizität. Man darf sich allerdings nicht vormachen, dass es Orte gibt, die frei von Disharmonie sind. Auch im Seminar gibt es immer wieder Kleinigkeiten, die für manchmal ein Ärgernis darstellen. Aber das, was verbindet, lässt dann meist darüber hinwegsehen.

Das Wort Ver-bundenheit gefällt mir. Zu manchen Menschen gibt es so etwas wie ein Band. Ein Band, das nicht ankettet und trotzdem eine Art Halt gibt. Und den braucht man, um in der Welt zu bestehen.