Alle Fehler, die man hat, sind verzeihlicher, als die Mittel, die man anwendet, um sie zu verbergen.
La Rochefoucauld (1612 – 1680)

Ich weiß nicht, welche Fehler Rochefoucauld dabei im Auge hatte. Mir fiel sofort die Feigheit ein (nicht die Angst – das ist etwas völlig anderes). Wer aus Feigheit Dinge vermeidet, erfindet die haarsträubendsten Ausreden, nur um zu verbergen, dass er feige ist. Und aus diesem Grund ist es müßig, sich mit diesen Ausreden auseinanderzusetzen, denn das ist so, als würde man gegen ein Phantom antreten – man kämpft mit etwas Nichtexistenten. Feiglinge sind Meister im Verdrehen der Wirklichkeit. Unterhält man sich zu lange mit Ihnen, fängt man an zu glauben, die Erde sei eine Scheibe.

Und natürlich fällt mir der Fehler der Geldgier ein. Wer geldgierig ist, erfindet ebenfalls die merkwürdigsten Ausreden, nur um nicht zugeben zu müssen, dass es ihm einzig und allein ums Geld geht. Das beginnt damit, dass die eigene Arbeit als das Größte, Engagierteste und Qualifizierteste dargestellt wird, damit eine moralische Berechtigung geschaffen wird, anderen möglichst auch noch die Luft zum Atmen in Rechnung zu stellen. Und es endet damit, dass über die eigene materielle Lebenssituation so gejammert wird, als ob die ständige Gefahr des Hunger- und Kältetods lauern würde.

Jeder Fehler hat auch die ihm eigene Art des Verbergens. Während Feiglinge und Geldgierige es bei der Selbstlüge belassen, geht der Diktator rigoroser vor. Ihm reicht das Lügen nicht, sondern er trifft Maßnahmen, um die Wahrheit zu verbieten. Wagt es jemand sich ihm in den Weg zu stellen, wird der erbarmungslos ausgeräumt.

Es gibt sicher noch eine Menge andere Fehler, an die Rochefoucauld gedacht haben mag.