Manchmal irren auch große Dichter
Es bleibt einem jeden immer noch so viel Kraft, das auszuführen, wovon er überzeugt ist.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Schön wär’s ja, aber leider ist das in der Realität nicht immer so.

In meiner Tageszeitung gibt es einen täglichen Aphorismus, und manche davon schreibe ich auf. So auch diesen hier. Obwohl der eigentlich gar nicht zutrifft.

Überzeugungen können schwinden. Oder sich langsam aufreiben. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Vielleicht resigniert der Mensch einfach irgendwann, wenn sich nie Erfolg einstellt. Vielleicht weiß man irgendwann einfach nicht mehr genau, wovon man eigentlich überzeugt ist. Oder zweifelt daran, ob der Aufwand lohnt.

Es gibt sicherlich Überzeugungen, für die die Kraft nie ausgeht. Wenn jemand überzeugt ist davon, einmal viel Geld zu verdienen. Oder wenn jemand davon überzeugt ist, seinen Vorteil durchzusetzen. Oder davon, sich durchzuboxen. Oder sich jedem und allem anzupassen. Dann ist der natürliche Egoismus die Kraftquelle. Und die ist somit unerschöpflich.

Bei Überzeugungen ideeller Art ist es aber schwieriger. Wer überzeugt davon ist, dass man gegen Ungerechtigkeit kämpfen sollte, braucht dafür viel Kraft. Und einen langen Atem. Aber manchmal geht die Puste aus. Man wird müde und muss sich ausruhen.

Manchmal braucht man auch eine Schulter, an die man sich lehnen kann. Aber Schultern werden seltener. Und selbst wenn sich doch eine findet, reicht auch das irgendwann nicht mehr. Und deswegen stimmt es nicht, was Goethe schreibt. Manchmal bleibt einfach nicht mehr genug Kraft, um das auszuführen, wovon man überzeugt ist. Der Mensch ist kein Pepetuum mobile und funktioniert nicht einfach aus sich heraus.