Das kommt drauf an...
Die zwischenmenschliche Kommunikation hat höchste Bedeutung: denn nur durch den anderen kommt der Mensch zur Klarheit über sich selbst.
Carl Jaspers (1883 – 1969)

Dies habe ich zwar ausnahmsweise auf Anhieb verstanden, stimme aber nur bedingt zu. Denn die Rolle des anderen kann nicht nur zur Klarheit verhelfen, sondern kann – im Gegenteil – auch die Klarheit verschleiern. Bestes Beispiel sind die Kindheitserfahrungen vieler Menschen. Diese Erfahrungen waren oftmals alles andere als glücklich. Zum Beispiel dann, wenn Eltern ihr Kind in irgendeine Richtung drängen, in die es gar nicht will und auch überhaupt nicht paßt. Die vielen Eltern, die ihr Kind als Projektionsfläche sowohl für die eigenen Ideale als auch für ihre Verdrängungen benutzen. Psychoanalytiker finanzieren mit diesen Traumen ihren Lebensunterhalt.

Aber auch unter Erwachsenen kann die Kommunikation zur Falle werden. Dort ist Klarheit oftmals alles andere als erwünscht. Ein Mensch, dem es nur auf die Außenwirkung ankommt, wird jegliche Klarheit vermeiden. Ein Mensch, der sich jeder Auseinandersetzung entzieht, ebenfalls. Und dann gibt es da noch diese Menschen, die jegliches Nachdenken verweigern, die unsäglich und dumpf losplappern, bevor man überhaupt zuende gesprochen hat. All diese Menschen sind denkbar ungeeignet, um zu Klarheit über sich selbst zu gelangen, man entfernt sich von sich selbst anstatt sich zu nähern.

Aber Jaspers spricht vermutlich von einem Idealzustand. So wie es eigentlich sein sollte, damit der Mensch sich zu dem entwickeln kann, was ihm bestimmt ist. Für mich kann das aber nur heißen:

Nur durch die zwischenmenschliche Kommunikation mit den richtigen Menschen kommt der Mensch zur Klarheit über sich selbst. Das sind Menschen, die das Wesen eines anderen erfassen und widerspiegeln - mit seinen Stärken und Schwächen. Und die uns in die richtige Richtung lotsen können, wenn wir uns auf falsche Wege verirrt haben. Dann kann man allerdings erstaunliche Erkenntnisse erlangen. Wer jemals an einer wirklich guten Gruppentherapie teilgenommen hat, hat vielleicht die Möglichkeit gehabt, so eine Erfahrung zu machen. Und dies übrigens nicht nur in Bezug auf das Widerspiegeln durch die anderen, sondern vielmehr durch die Teilhabe am anderen. Denn was uns bei uns selbst die Sicht versperrt, ist für uns bei anderen klar erkennbar. Daraus ergibt sich ein Nehmen und Geben - aber eben nur bei den "richtigen" Menschen.