Das Dumme an der Dummheit
Ich werde von einigen Freunden immer mal wieder darauf angesprochen, warum ich mich denn so oft über Dummheit aufrege und schnell fällt dann der Vorwurf der Arroganz. Erstes stimmt, letzteres nicht. Ich lebe nicht in dem Glauben, intelligenter als andere zu sein. Wenn ich versuche, mich mit philosophischen Texten zu befassen, brauche ich oftmals Stunden für nur ein- bis zwei Seiten und ich stoße schnell an meine geistigen Grenzen. Obwohl ich Rilke liebe, gibt es viele Gedichte von ihm, deren Sinn mir nicht aufgeht. Die Quantenphysik wird mir trotz großem Interesse immer ein Rätsel bleiben. Das, was mich – zugegebenermaßen – so oft zutiefst aufregt, ist nicht die Dummheit als Gegensatz der Intelligenz. Das wäre in der Tat arrogant. Das Charakteristische an der Dummheit ist nicht das Nicht-Wissen. Das Charakteristische an der Dummheit ist das Nicht-Wissen-Wollen. Gewissermaßen das Zelebrieren des Verharrens im Nicht-Denken. Dummheit ist die kategorische Ablehnung des Wortes Warum. Die strikte Verweigerung des Suchens nach Ursachen.

Dummheit ist keine Eigenschaft. Dummheit ist ein freiwillig erwählter Zustand. Eine Entscheidung für das Verblöden und gegen die Weiterentwicklung. Und Dummheit ist gefährlich. Sogar extrem gefährlich. Kommandos werden oft von intelligenten Menschen gegeben – befolgt werden sie aber meist von dummen. Die Atombombe ist von höchst intelligenten Menschen entwickelt worden. Gezündet wurde sie von weniger intelligenten Menschen.

Das eigentlich Dumme an der Dummheit ist jedoch ihre Dominanz. Wenn Dummheit und Intelligenz zusammentreffen, dann hat grundsätzlich die Dummheit die Oberhand. Denn die Intelligenz ist gezwungen, sich auf das Niveau der Dummheit zu begeben – der umgekehrte Weg ist naturgemäß nicht möglich. Dummheit setzt da einen Punkt, wo eigentlich noch Vieles folgen müßte. Wo ein Für-und-Wider und ein Nachdenken unentbehrlich wäre. Dummheit setzt Grenzen, an denen sich andere den Kopf einrennen. Und Dummheit kann zu einer gefährlichen Waffe werden, mit der man auf andere einschlägt.

Nein, liebe Freunde; Wut auf Dummheit ist kein Zeichen von Arroganz. Vielmehr ein Zeichen von Leiden. Dummheit kann nämlich wehtun – zumindest den anderen.




Eine konträre Meinung
Der von mir hochgeschätzte Peter Noll hat übrigens zur Intelligenz eine andere Meinung:

Die Intelligenz ist teuflisch, nicht nur weil sie Vernichtung, sondern auch weil sie Werke hervorbringt, neuestens die Mikroelektronik, und damit eine Welt schafft, welcher der Mensch selbst, seiner Natur nach, biologisch und psychisch, nicht gewachsen ist.

Nach Meinung von Peter Noll ist die Intelligenz also verheerender als die Dummheit. Seiner Meinung nach schafft erst die "teuflische" Intelligenz die Voraussetzung der Zerstörung.

Dummheit ist nicht nur eine Waffe, sondern kann auch als Schutzschild genutzt werden. Wie oft wird Kritik abgebremst mit dem Einwand: "Da mußt du doch drüber hinwegsehen, das ist doch jemand, der nun mal nicht über das nachdenkt, was er sagt". Während im Strafrecht gilt: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe, wird dies im Alltagsgeschehen sehr viel lockerer gesehen. Da soll nicht nur, nein da muß zwingend Nachsicht geübt werden, wenn jemand keine Lust zum Nachdenken hat.

Es gibt ein wundervolles Lied von der Kabarettistin Lisa Fitz "I bin ja bleed", in dem sie davon singt, daß sie für die Dinge, die sie tut oder sagt, nichts kann, denn "sie ist ja blöd" (Schade, daß ich dies Lied nirgends ausfindig machen kann).

Dummheit lebt durch Sprache
Es gibt nichts Schöneres, als dem Schweigen
eines Dummkopfs zuzuhören.

Helmut Qualtinger