Ehrgeiz – oder was haben Rubens, Storm und Farinelli gemeinsam?
Gerade habe ich in einem Artikel über Rubens gelesen, daß dieser auch als Diplomat tätig war. Er wurde während des dreißigjährigen Krieges von der Infantin Isabella von Brüssel ihrem Bruder Philipp IV von Spanien als Mittler zwischen England und Spanien empfohlen. Rubens kam dieser Mission auch nach und er erreichte es auch tatsächlich, den englischen Karl I für den Frieden mit Spanien zu gewinnen. Die freiheitsliebenden Niederländer jedoch ließen sich allerdings davon nicht beeinflussen und führten ihren Freiheitskampf weiter. Als Rubens dann der Posten des stellvertretenden Botschafters in London angeboten wird, flehte er Isabella an, ihn von allen diplomatischen Missionen zu befreien. Und jetzt kommt der Ausspruch Rubens’, aufgrund dessen ich diesen Artikel hier wiedergebe:

„Ich habe beschlossen, meine Freiheit wiederzugewinnen, indem ich den goldenen Knoten des Ehrgeizes durchschneide“.

Mir war Rubens nur als Maler bekannt und ich bin beeindruckt von dessen Sprachgewandtheit. Ehrgeiz als „goldenen Knoten“ zu bezeichnen, kann so auch nur von einem Künstler, einem außergewöhnlichem Menschen formuliert werden. Ein Knoten, der etwas einengt, festhält und behindert. Genau das ist Ehrgeiz. Nicht für jeden, aber für Menschen, die zu Höherem berufen sind. Denn Ehrgeiz fördert meist nicht das Beste eines Menschen sondern nur das Erfolgreichste. Und das reicht bei weitem nicht immer an das Beste heran.

In Dichterkreisen ist diese Sichtweise nicht neu und immer wieder Gegenstand der Dichtung:

„Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen;
Aber hüte deine Seele
Vor dem Karrieremachen.

Wenn der Pöbel aller Sorte
Tanzet um die goldenen Kälber,
Halte fest: du hast vom Leben
Doch am Ende nur dich selber“


Theodor Storm (1817- 1888)

Um den Kreis der Künstler zu schließen, füge ich jetzt noch einen Ausschnitt aus dem Film „Farinelli“ von Gérard Corbiau an. Im Film geht es um den im 18. Jahrhundert berühmt gewordenen Sänger Farinelli, der schon als Kind über eine außergewöhnlicher Stimme und Gesangstalent verfügte. Um diese wunderschöne Stimme zu erhalten, entscheidet die ehrgeizige Familie des Jungen seine Kastration. In der hier gezeigten Szene wird Farinellis Erinnerung daran dargestellt. Auf der Bühne ein gefeierter Opernsänger, aber abseits der Oper ein durch die Verstümmelung traumatisierter, um seine Männlichkeit Trauernder. Dazu die wundervolle Musik von Händel, den Farinelli sehr verehrte, ohne daß diese Verehrung erwidert wurde. Lascia chio Pianga, es lohnt sich, bis zum Ende zu sehen (und zu hören):



Als Information über das Leben Farinellis:
http://www.dradio.de/dlr/sendungen/kalender/339392/




Blick ins Lexikon
Und irgendwie sinniere ich über die merkwürdige Wortschöpfung "Ehrgeiz". Das müßte doch eigentlich heißen, mit der Ehre geizen, sie also nicht vergeuden. Jetzt habe ich aber gerade in mein etymologisches Lexikon geschaut und dort wird auf Geiz verwiesen. Hier wird wiederum die Wurzel "Gier, Habgier" genannt. Dann wiederum macht es Sinn. Jemand, der ehrgeizig ist, der "giert" nach Ehre. Jemand, der Ruhm, Ehre und Ansehen "haben" will. Da schließt sich dann der Kreis zu der "MEIN-Gesellschaft".

Wie dem auch sei - Rubens Ausspruch, Storms Gedicht gefällt mir außerordentlich gut. Und die Familie Farinellis erinnert mich an meine eigene. Gott-sei-Dank bin ich nicht männlichen Geschlechts und kann nur durchschnittlich singen!