Spät aber nicht zu spät - warum ich mein Weltbild jetzt überdenken muss
Manchmal passieren Dinge, die mein pessimistisches Weltbild ins Wanken bringen. Vor Kurzem habe ich eine lange Mail von einer mir völlig unbekannten Frau erhalten. Der Anlass der Mail liegt schon Jahre zurück und bestand in einem ziemlich miesen Verhalten, das jemand mir gegenüber an den Tag gelegt hat. Damit meine ich nicht unsachliche Kritik oder Polemik, sondern obszöne Beleidigungen und üble Diffamierungen. Ich war nicht unbedingt die Erste, die von dem Betreffenden einen heftigen Schlag unter die Gürtellinie erhalten hat, aber doch jemand, auf den sich der Besagte eine Weile eingeschossen hatte. Und genau das hatte dann den Rattenschwanz von Reaktionen zur Folge, der letztendlich dazu führte, dass ich meinen Betreuerblog nicht mehr in einer Gemeinschaftshomepage verlinken durfte, frei nach der Devise: „Wer beleidigt wird, hat dies wohl auch irgendwie verdient“.

Und jetzt bekomme ich also Jahre danach eine Mail. Und ich bin völlig erstaunt, dass sich jemand – den ich noch nicht einmal kenne – die Mühe macht, mir ausführlich zu schildern, dass es auch anderen so wie mir erging und dass sich einige der Geschädigten sich deswegen sogar schon zusammen geschlossen hatten.

Es gibt sie also doch, die von mir schon als ausgestorben betrauerte „Solidarität! Jenes Verhalten, das jemandem den Rücken stärkt, wenn er zu Unrecht angegriffen wird und das so unverzichtbar ist, wenn man nicht vor allem und jedem kuschen will. Dieses Verhalten, dass das genaue Gegenteil darstellt zu fadenscheinigen „Tu-quoque-Argumenten, die einzig und allein dazu dienen, sich aus der Verantwortung zu ziehen.

Was mich nachdenklich stimmt, ist der Umstand, dass ich von jemand mir völlig Unbekannten Rückendeckung erhalte, während gerade diejenigen aus meinem direkten Umfeld, für die ich mich in so mancher Situation vehement stark gemacht habe, nicht nur jede Solidarität vermissen ließen, sondern mir stattdessen auch noch in den Rücken fielen.

Aber nichtsdestotrotz ist es beruhigend, dass es doch noch Menschen gibt, die nachempfinden können, wie schlimm es ist, miesen Beleidigungen ausgesetzt zu sein. Menschen, die wissen, wie ungemein wichtig es in so einer Situation für den Betroffenen ist, von anderen Rückhalt zu erfahren.

Tja, ich muss wohl mein Weltbild überdenken. Aber in diesem Fall tue ich dies gern…

P.S.:
Was ist eigentlich das Gegenteil von Solidarität? Ich glaube, es ist Opportunismus. Während die Solidarität sich auf die Seite der Schwächeren stellt, stellt sich der Opportunist grundsätzlich auf die Seite der Stärkeren.