Was ist eigentlich ein Gutmensch?
Dieser Ausdruck wird erst seit einigen Jahren häufig verwendet und somit muss es sich um etwas handeln, das es früher nicht gab. Oder es muss sich um etwas handeln, dass es früher zwar gab, aber das damals so normal war, dass es keines speziellen Ausdrucks bedurfte. Aber das bringt mich in meiner Fragestellung auch nicht weiter. Ich fasse hier mal ein paar der gängigen Kriterien zusammen:
Jemand, der nicht ausschließlich an sich selbst denkt, sondern auch ab und zu auch mal an andere – ist ein Gutmensch?
Jemand, der sich von Zeit zu Zeit vor Augen hält, dass es vielen Menschen schlechter als ihm selbst geht – ist ein Gutmensch?
Jemand, der Solidarität und Authentizität für etwas Unverzichtbares hält – ist ein Gutmensch?
Jemand, der nicht einfach Abfall auf die Straße wirft und keine Eier aus Legebatterien kauft – ist ein Gutmensch?
Jemand, den es anwidert, wenn sich völlig undifferenziert und beleidigend über soziale Minderheiten geäußert wird – ist ein Gutmensch?
Jemand, dem es gegen den Strich geht, dass Menschen mit sehr viel Geld sich an Menschen mit sehr wenig Geld bereichern - ist ein Gutmensch?
Es gab einen Ausdruck, der dem des Gutmenschen vielleicht in etwa entspricht: „Moralapostel“ oder auch die Umschreibung „päpstlicher als der Papst sein“. Damit hat man jemanden bezeichnet, der es mit seiner Moral ein wenig übertrieb und dabei schon fast ins Asketische abdriftete. Aber ich glaube, dass trifft nicht den Kern des Begriffs des Gutmenschen.
Wieso kam man früher ohne diesen Ausdruck aus? Gab es all die dem Gutmenschen zugeschriebenen Einstellungen und Verhaltensweisen nicht? Oder wurden die einfach als etwas ganz Normales angesehen? Dann wäre der Gutmensch ein lebender Anachronismus, einer der die Zeichen der Zeit nicht mitbekommen hat. Dessen Horizont stehengeblieben ist. Der immer noch glaubt, die Erde sei eine Scheibe.
Ich glaube, Gutmenschen gab es schon immer und überall. Der Gutmensch war etwas Stinknormales – so stinknormal, dass es für ihn noch nicht einmal einen Ausdruck gab. Aber irgendwann wurde es unmodern, ein Gutmensch zu sein. Ein neuer Typus tauchte auf, der sich breitmachte. Und von dem Augenblick an wurde es erforderlich, dem Auslaufmodell einen Namen zu geben. Und so wurde der Ausdruck des Gutmenschen geboren.
Wozu braucht man eigentlich diesen Ausdruck? Man braucht ihn, um das Unzeitgemäße hervorzuheben. Das Zurückgebliebene. Das, was schon längst überholt ist. Man braucht diesen Begriff, um etwas, das grundsätzlich positiv bewertet wurde – Sozialverhalten, Solidarität, Umweltbewusstsein, Mitmenschlichkeit – endlich mal von seinem Podest herunterzuholen und der Lächerlichkeit preiszugeben.
Der Ausdruck des Gutmenschen ist unentbehrlich seit dem Richtungswechsel. Der Wechsel weg vom Sozialverhalten hin zum Egoismus. Der Begriff des Gutmenschen war überfällig und ist zwingend erforderlich. Um Egoismus aufzuwerten und gesellschaftsfähig zu machen.
Sehr lesenswert finde ich in diesem Zusammenhang den Artikel zum entsprechenden Stichwort "
Gutmensch" bei der Wikipedia.
Wenn ich Dich recht verstehe, dann bist Du über die vermehrte Verwendung des Begriffs deshalb entsetzt, weil er eine Einstellung parodiert bzw. kritisiert, die im Grunde doch positiv ist und betrachtest das als Zeichen dafür, dass Werte wie Sozialverhalten, Solidarität, Umweltbewusstsein, Mitmenschlichkeit heute als vollkommen überholt betrachtet werden.
Ich selbst sehe das ein bisschen anders. Natürlich wird, was diesen Begriff betrifft, schön fleißig auf allen Seiten polemisiert. Das sollte man nicht vergessen, wenn man darüber diskutiert. Ich habe allerdings auch meine Probleme mit dieser Haltung, die manche Menschen als "Gutmenschentum" bezeichnen. Es war diese Haltung, die ich (unter anderem) in meinem ersten Blogeintrag zum Tod
Robert Enkes gemeint habe, wenn ich von Teddybären und Grablichtern schrieb. Ich will - bezogen auf dieses konkrete Beispiel - den Menschen ihre Betroffenheit nicht generell absprechen. Aber ich finde das Phänomen schon mehr als merkwürdig, dass sich durch solche Ereignisse wie diesen Selbstmord das "Mitgefühl" der Massen quasi auf Knopfdruck abrufen lässt. Allein schon die bemerkenswert schnell auftauchende Parole "Wir brauchen mehr Menschlichkeit im Fußball" trieft vor Hohn, wenn man um die Realität dieses Sports weiß, in dem Spieler auch nicht anders als Waren benutzt und verhökert werden. Aber das nur am Rande.
Die besagte Gutmenschenhaltung sehe ich immer da, wo die Äußerungen der (Gut-)Menschen mit dem, was dahinter steht, was sie fühlen und tun, inkongruent ist. Inkongruent ist zum Beispiel die Massenbetroffenheit im Fall Robert Enkes und die Trauerfeier im Fußballstadion mit der vorhergehenden Ignoranz. Ohne die Prominenz dieses Menschen hätte sich niemand für ihn und seine Probleme interessiert. Inkongruent in dieser Hinsicht war für mich zum Beispiel auch die evangelische Pastorin aus meiner Jugendzeit, die in Gegenwart ihrer Schäfchen immer ganz zuckersüß war, die aber zuhause mit ihrem kleinen Kind umging wie Sau (was ich mal erleben durfte) oder sich hinter dem Rücken der betreuten Jugendlichen mit einem erheblichen Maß an Gehässigkeit über diese äußerte. Gutmenschentum wäre, wenn ich es nötig hätte, aller Welt zu erzählen, wie gern ich mich doch mit den Leuten aus dem Asylbewerberheim nebenan unterhalte und dass ich deswegen sooo außergewöhnlich bin. Dass das gelebte Integration sei und dass mich mein Verhalten gegenüber anderen herausstellt. Das wäre aber inkongruent zu meiner tatsächlichen Haltung, denn erstens kenne ich nur zwei der dort wohnenden Asylbewerber, mit denen ich dann sporadisch, wenn ich sie treffe, nett unterhalte, und manches Mal gehen mir einige der dortigen Bewohner mit ihren Eigenarten auch gewaltig auf den Keks.
Ich sehe das sogenannte Gutmenschentum im Grunde als ein Symptom des vorherrschenden Egoismus. Denn so uneigennützig, wie sich viele Menschen gern darstellen, sind sie nicht. Im Gegenteil, sie pinseln über ihren eigenen Hunger nach Anerkennung und gesellschaftlicher Achtung und über ihre eigene Fehlbarkeit eine dicke Schicht rosa Tarnfarbe und verhalten sich damit noch ichbezogener, als es so mancher tut, der ganz offen nur sein eigenes Interesse im Blick hat. Und problematisch ist dabei auch, dass sie sich durch ihre vordergründige Sozialverträglichkeit unangreifbar für Kritik machen. Das sind diejenigen Leute, die jedes Jahr zu Weihnachten beim "Red Nose Day" spenden und das raushängen lassen, sich aber ohne Ende darüber aufregen können, wenn die Bäckereifachverkäuferin hinter der Theke morgens nicht freundlich genug zu ihnen ist.
Es gibt solche und solche Menschen, bornierte Idioten ebenso wie Menschen, bei denen man das Gefühl hat, sie stehen zu sich und anderen Menschen und sind einfach da. Ohne Fehl und Tadel ist sicher niemand. Deswegen ist allein schon die Einteilung in gute und schlechte Menschen vermessen. Mir fällt nur auf, dass Menschen, die tatsächlich Gutes tun, weil sie es als persönliches Bedürfnis erachten und ein echtes Interesse daran haben, sich wenig moralisch über andere ereifern, eigene Gedanken selten zu Normen erheben, die eigene Fehlbarkeit immer mit einkalkulieren und oftmals sehr bewusst und reflektiert sind über das, was sie tun. Das sind Eigenschaften, die "Gutmenschen" abgehen.
behrens am 19.Nov 10
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In Deiner Ansicht drückst Du zwei Kritikpunkte aus. Zum einen kritisierst Du das Gutmenschentum, das zu einer Massenkundgebung wird, ohne dass es wirkliche Substanz hat. Quasi ein „Gutmenschenevent“, das immer dann fällig wird, wenn der Mangel an Mitmenschlichkeit wieder mal ein Opfer gefordert hat. Das drückt sich dann in den von Dir beschriebenen Teddybären und Grablichtern aus – bei denen es dann aber auch bleibt, weil niemand wirkliches Interesse an einer Veränderung hat.
Der zweite Kritikpunkt ist der, dass viele Gutmenschen Deiner Meinung nach einfach nur eine, wie Du es nennst, „dicke Schicht rosa Tarnfarbe über ihre eigene Fehlbarkeit pinseln“. Damit sprichst Du ihnen die Authentizität ab. Für einige mag dies zutreffen. Mir fallen da auch so manche ein, die beispielsweise ständig die herrschende Ausländerfeindlichkeit kritisieren, aber in deren Bekanntenkreis sich kein einziger Ausländer anfindet, weil überhaupt keine Verbindung besteht und beide Welten viel zu verschieden sind.
Aber der generelle Vorwurf des Gutmenschentums als reine Kompensation eigener Schwächen ist meiner Meinung nach zu einfach. Manche Menschen haben eine Vorstellung davon, wie man mit Menschen umgehen sollte und wie nicht. Sicherlich lohnt es sich, die dem zugrunde liegenden Motive anzusehen. Und ich bin sicher, dass es nicht immer der rein edelmütige Grund ist, aus dem heraus man es ablehnt, dass Menschen andere Menschen einfach nur benutzen. Es kann auch tatsächlich schlichtweg ein Egoismus sein. Ein Egoismus, den ich aber als einen durchaus natürlichen und gesunden Egoismus bezeichnen würde. Man möchte nämlich selbst auch nicht benutzt und ausgenutzt werden. Man wünscht sich eine Welt, in der so etwas weder den anderen noch einem selbst widerfährt. Eine Welt, in der es sich gut leben lässt.
Der Wunsch nach Solidarität ist beispielsweise auch nicht unbedingt allein ein moralischer Anspruch, sondern auch ein ganz egoistischer – weil man selbst diese Solidarität auch braucht. Der Wunsch nach respektvoller Behandlung ist ebenfalls kein moralisches Gebot, sondern ganz einfach auch ein auf sich selbst bezogener Anspruch an andere, weil respektlose Behandlung etwas ausgesprochen Unangenehmes ist.
Ich selbst habe beispielsweise immer noch sehr daran zu knapsen, dass ich vor vielen Jahren bei den Betrügereien, die ich bei meinem früheren Arbeitgeber mitbekommen habe, nicht eingeschritten bin. Mir wird das auch als Gutmenschentum unterstellt – schließlich kommt Betrug doch überall vor und ich selbst wäre ja auch keine Heilige und bin ja auch schon mal schwarzgefahren oder habe meine Putzjobs nicht versteuert. Es wird also davon ausgegangen, dass ich allein aus Selbstgefälligkeit – quasi weil ich mich als den besseren Menschen hinstellen will – Kritik äußere. Worum es mir wirklich geht – nämlich dass es mir ein tiefstes Grauen bereitet, einfach seelenruhig mit anzusehen, wie Menschen mit sehr viel Geld sich an Menschen mit sehr, sehr wenig Geld bereichern, versteht niemand. Wenn Du den Begriff Egoismus mit anführst, dann will ich den auch gar nicht einfach so vom Tisch wischen. Ich bin zu egoistisch, um Verhaltensweisen zu akzeptieren, die mich in die Situation eines feigen Zuschauers bringen, denn das kratzt erheblich an meiner Selbstachtung. Und ich bin auch zu egoistisch, um zu akzeptieren, dass ich vielleicht irgendwann selbst (oder meine Angehörigen) einmal genauso in die Situation gerate, in der sich jemand an mir bereichert.
Moral ist tatsächlich auch immer etwas eigennütziges – sonst würde es keine geben. Man möchte in einer Welt leben, in der es sich auch wirklich leben lässt. Man möchte nicht von Menschen abhängig sein, die einen als Einkommensquelle benutzen. Man möchte auch nicht Kommandos erhalten, sondern selbst mitbestimmen.
Ich will noch ein Beispiel anführen, wo es um jemand anderen geht. Eine frühere Freundin ist radikale Tier- und Umweltschützerin. Sie hat dabei sogar wegen ihrer Weigerung der Teilnahme an Tierversuchen fast ihr Biologiestudium aufs Spiel gesetzt. Man könnte in diesem Verhalten jetzt zweierlei Ursachen sehen: Zum einen könnte man meine Freundin als jemanden hinstellen, die auf sich aufmerksam machen will, die sich selbstgefällig als besser als die anderen ansieht und die sich anmaßt, anderen Vorschriften zu machen. Mir waren die Ansichten meiner Freundin oftmals zu extrem und zu anstrengend. Aber für eins lege ich meine Hand ins Feuer: sie ist in dem, was sie tut 100prozentig authentisch und ihre ethischen Ansprüche sind nicht einfach nur ein Ablenken von anderen Schwächen. Und wenn ich ehrlich bin, dann hat sie mit all ihren Bedenken und Ansichten auch völlig Recht. Nur – das ist eben für andere nicht immer einfach nachzuleben und kann eben auch sehr anstrengend sein.
Hmm... ich möchte mich an dieser Stelle nicht falsch verstanden wissen. Wenn ich das "Gutmenschentum" kritisiere, dann aus den genannten Punkten, die ich oben angeführt habe.
Ich meine damit überhaupt nicht, dass irgendwas daran verwerflich ist, dass man sich ganz persönlich eine bessere Welt wünscht und sich auch nach Kräften dafür einsetzt. Dieses Bestreben mag, wie Du ja auch schreibst, immer ein Stückchen Egoismus beinhalten, der allerdings ja auch aus der Fähigkeit zum Mitgefühl mit dem anderen erwächst. Das finde ich nicht im geringsten schlimm.
Unter "Gutmensch" verstehe ich eben nicht denjenigen, der es besser machen will. Ich habe so eine ähnliche Freundin wie Du, sie ist Veganerin aus tiefster Überzeugung und würde ihre Haltung da ganz ähnlich konsequent vertreten, wie Du das auch von Deiner früheren Freundin schilderst. Und auch sie ist dabei authentisch und hat nicht das Ziel, sich über andere moralisch zu erheben und zu zeigen, wie toll sie doch ist, dass sie das so strikt durchzieht.
All diese Dinge, die Du schilderst - Wünsche nach Mitmenschlichkeit, Solidarität, Achtsamkeit anderen und der Umwelt gegenüber - haben nichts mit "Gutmenschentum" zu tun. Das Wort an sich wird ja im ironischen Sinne gebraucht. Wer sich engagiert, anstatt zu resignieren, ist in meinen Augen noch lange kein "Gutmensch".
Wie verstehst Du denn das Wort "Gutmensch"? Ich habe den Eindruck, dass Du es wörtlich anstatt ironisch auffasst oder doch zumindest die ironische Konnotation für unangebracht hältst.
Spannendes hierzu fand ich noch
dort. Offensichtlich war der Begriff auch einmal anders besetzt als nur ironisch, und das gibt der ganzen Angelegenheit schon einen anderen Anstrich. Möglicherweise bin ich zu jung, um frühere Bedeutungen dieses Terminus noch verinnerlicht zu haben, und vielleicht liegt da der Hase im Pfeffer für unsere Verständigungsschwierigkeiten. Dass es ausgerechnet Horst E. Richter ist, der da die Hände mit im Spiel hatte, finde ich übrigens an dieser Stelle einen amüsanten Zufall...
Wir könnten natürlich, anknüpfend an die unterschiedlichen inhaltlichen Bedeutungen, dann darüber diskutieren, warum es zu diesem Bedeutungswandel kam. Falls es nicht ohnehin das war, was Du beabsichtigtest und was mir nur einfach entgangen ist... ;-)
behrens am 20.Nov 10
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Ich habe das Wort Gutmensch zum ersten Mal vor etlichen Jahren vom ehemaligen Hamburger Innenminister Ronald Schill gehört. Und der gebrauchte es immer für seine Kontrahenten, die seinem „Wir-brauchen-härtere-Strafen“ widersprachen. Schill warf seinen Widersachern dann regelmäßig Gutmenschentum vor, womit er – meines Erachtens – aussagen wollte, dass es sich um Menschen handelt, die es übertreiben mit ihrem Verständnis für andere und ihrem Bedürfnis nach Erklärungen.
In dem interessanten Artikel, auf den Du mich hingewiesen hast, wird ja auf den Bedeutungswandel hingewiesen. Die Bedeutung, die Du mit dem Begriff des Gutmenschen verbindest, war mir gar nicht bekannt. Ich kannte nur die „Schillsche“ Bedeutung, für die wohl der im Artikel genannte spöttische Ausdruck des „berufsmäßigen Moralisten“ am besten passt. Und dieser Ausdruck ist es auch, über den ich mich ärgere. Die abschätzige Interpretation von Moral als bloße Beschäftigung um der Beschäftigung willen.
Ich bin ja nun mal, obwohl ich aus dem sozialen Bereich komme, in einem Gebiet gelandet, in dem es vielen nur ums reine Geldverdienen geht. Und deswegen reagiere ich wohl auch auf den Ausdruck des Gutmenschen so empfindlich. Im Kaufmännischen wird absolut alles, was über das reine Geldverdienen hinaus geht, als überflüssig und lächerlich angesehen. Allein schon das Interesse für andere Aspekte der Arbeit wird sofort in Frage gestellt – da kann doch etwas nicht stimmen, wenn jemand nicht nur ans Geld denkt. Und aus dieser Ecke kommt eben auch der Begriff des Gutmenschen. Eine Ecke, in der allertiefstes Unverständnis dafür herrscht, dass jemand nicht pausenlos nur an den eigenen Vorteil denkt, sondern manchmal auch an andere, braucht zwangsläufig so einen Ausdruck.
Wenn man in unserem Berufsstand offen ausspricht, dass man das Fälschen von Rechnungen inakzeptabel findet, dann landet man unweigerlich in der Kategorie „unkollegial“ oder in der Kategorie „Gutmensch“ Wenn man es kritisiert, dass einiges im Argen liegt und viele Beschwerden durchaus berechtigt sind, dann heißt es auch nur „unkollegial“ oder „Gutmensch“.
Dieser Absatz erklärt sehr gut die Entwicklung des Begriffs – die mir eben nicht bekannt war:
»Die Gutmenschensprache hat ihren spezifischen Ort verloren, aus dem heraus sie entstanden ist: den Ort des Protestes. [...]« Sie habe »die Massen ergriffen, aber sie hat nicht zur Volksaufklärung beigetragen. Sie ist in die Alltagssprache eingesickert und hat sich als Erkennungsmerkmal der Guten im Lande selbst erledigt Dies mochte 1994 so sein. Seit einigen Jahren wird, wenn unsere Beobachtungen nicht täuschen, Gutmensch durchweg distanziert und kritisch, ja abschätzig und polemisch verwendet“.
Aber im nachherein empfinde ich es als ganz schön schwierig, wenn Begriffe so uneindeutig sind, bzw. wenn man die Begriffe mit völlig anderen Bedeutungen kennengelernt hat. Wir haben diesen Begriff ja beide als einen negativen Begriff aufgefasst - aber eben aus unterschiedlicher Ableitung heraus.