Montag, 14. Dezember 2009
Alphamännchen ist nicht gleich Alphamännchen
Vor einiger Zeit habe ich eine Episode mit einen Alphamännchen geschildert. Allerdings muß ich fairerweise einschränken, daß nicht jedes Alphamännchen nur aus reiner Lust am Dominieren die Alpharolle übernommen hat. Und auch nicht jedes Alphamännchen verdankt seine Position der Ängstlichkeit und Trägheit der anderen.

Es gibt auch Alphamännchen, die tatsächlich schlicht und einfach mehr Kompetenz als andere haben. Die ein enormes Interesse an anderen haben und die ihre Entscheidungen oftmals weiser und umsichtiger als andere treffen. Und deren Ideen oftmals genau das beinhalten, was eine Sache weiterbringt. Oder sogar überhaupt erst ins Leben ruft.

Ich hatte früher Gelegenheit, diese Art Alphamännchen kennenzuleren. Und eigentlich hatte ich kein Problem mit der Beta-Rolle. Denn diese Art Alphamännchen lassen andere von ihrer Überlegenheit profitieren. Und die Fähigkeit zur differenzierten - uneigennützigen - Betrachtungsweise läßt oftmals auch bei schwierigen Problemen Lösungen finden.

Das, wovon ich spreche, sind die Alphamännchen zum Anlehnen. Die bei denen man sich ein wenig ausruhen kann von der oftmals drückenden Verantwortung. Bei denen man sich auch bei schwierigen Vorhaben sicher fühlt. Diese Art Alphamännchen stellen eine sehr seltene Spezies dar. Und immer öfter sucht man sie vergeblich. Dabei bräuchte man sie gerade jetzt mehr denn je. ..



Montag, 7. September 2009
Die Pädagogikfachfrauen - eine unerfreuliche Begebenheit
Vor einigen Jahren hatten wir Besuch von französischen Freunden, einem Paar mit einer kleinen, damals 4jährigen Tochter. Da wir hier in der Nähe eine sehr schöne Sauna haben, schlug ich einen gemeinsamen Saunabesuch vor. Der gefiel uns allen vorzüglich und besonders die kleine Lea war aus dem Wasser nicht mehr rauszubekommen.

Als ich mit der quietschvergnügten Lea abends über den Schwimmbadflur tobte, kamen uns zwei Frauen entgegen, von denen eine mißbilligend Lea musterte und ihr vorwurfsvoll zurief: „Du gehörst schon lange ins Bett“. Ich habe dies natürlich Leas Mutter nicht übersetzt, da ihr das wahrscheinlich die Laune verdorben hätte. Da ich ziemlich perplex war, hatte ich auch nichts erwidert.

Die kleine Lea ist ein quicklebendiges Kind, das man sich kaum ausgeglichener und fröhlicher vorstellen kann. Sie ist für ihr Alter sehr weit entwickelt und kann sich blitzschnell auf Situationen einstellen. Und ich muß ehrlich sagen: hierin unterscheidet sie sich erheblich von deutschen Kindern. Die bestimmen nämlich voll und ganz den Lebensrhythmus der Eltern und die reagieren grundsätzlich bei der kleinsten Abweichung mit stundenlangem Gequengel und Geheule.

Zuhause kommt Lea selbstverständlich meist um die gleiche Zeit ins Bett. Wenn die Eltern allerdings Urlaub machen , kann sich das auch mal ändern und es werden Unternehmungen gemacht, die eben manchmal auch später als normal enden. Ist ihr dann die Zeit zu lang, schläft Lea auf der Stelle ein.

Was soll nun dieser dumpfbackene Spruch einer deutschen Frau, die ich vom Typ her, wenn ich ehrlich bin, nur als deutsche Bauerntrutsche bezeichnen kann? Die ohne den Hauch des Nachdenkens anderen Müttern tumbe Sprüche um die Ohren haut. Ein quietschvergnügtes Kind in der Sauna, nichts deutet darauf hin, daß irgendetwas nicht in Ordnung ist - und trotzdem, die deutsche Vorstellung von Pädagogik muß befolgt werden. Aber: nicht jedes Kind benötigt das deutsche pädagogische Einheitsschema. Ein starres Schema mit Regeln wie: grundsätzlich kein Einschlafen ohne endlos langes Geschichtenvorlesen. Grundsätzlich ellenlange ermüdende Diskussionen, wenn Situationen mal aus irgendwelchen Gründen nicht gefallen. Grundsätzlich alles verhindern, was den gewohnten Tagesablauf ein bißchen verändern (und bunter machen) könnte.

Das brauchen quengelige deutsche Kinder – aber Lea eben nicht. Es sollte zu denken geben, daß Lea viel ausgeglichener und vergnügter ist als die meisten deutschen Kinder. Aber mit dem Denken hapert es offensichtlich bei den deutschen Pädagogikfachfrauen. Bloß nichts in Frage stellen. Bloß nichts von anderen Kulturen lernen. Und bloß keine Denkanstöße zulassen. In diesem Zusammenhang fällt mir meine frühere Mitarbeiterin ein, die ein Gespräch über das heutige Zubettgehverhalten von Kindern brüsk unterbrach mit dem empörten Einwand, daß ich ja überhaupt nichts beurteilen könne, da ich keine Kinder hätte. Dieser Logik folgend müßten dann eigentlich auch alle Bücher von Anna Freud, Maria Montessori, Helene Helming, Clara Grunwald e.t.c. sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Alle diese Pionierinnen der Pädagogik hatten nämlich keine Kinder und dürften sich somit überhaupt nicht zu dem Thema Kind äußern. Meine Freundin, Mutter von drei Kindern, sieht es übrigens genau umgekehrt: Menschen, die Kinder haben, neigen dazu, die Erfahrungen mit den eigenen Kindern für die einzig wahren zu halten und tun sich schwer damit, andere Einstellungen zu akzeptieren.

Wie dem auch sei. Der für jede Gelegenheit strapazierte Spruch: „Kinder brauchen Regeln“ sollte nicht das Nachdenken über die Regeln als solche überflüssig machen. Und vielleicht lohnt sich ein Blick über den Tellerrand hin zu den Ländern, wo Kinder noch Kinder und keine kleinen Prinzen und Prinzessinnen sind. Und vor allem sollten die Regeln nicht in einen Maßregelvollzug ausarten. Bei dem stehen die kleinen Prinzen und Prinzessinnen dann zwar eindeutig im Mittelpunkt, aber ein glückliches und entspanntes Familienleben bedeutet das noch lange nicht. Und meist machen die Eltern auch den gleichen Eindruck wie die Vollzugsbeamten: gestresst und auf den Feierabend wartend.



Donnerstag, 27. August 2009
Und täglich wird gewalzt..
Manche Menschen bewegen sich durchs Leben wie dicke Walzen. Ohne Rücksicht auf Verluste wird alles plattgewalzt. Mit einer selbstgfälligen Neigung zum Herumkommandieren anderer. Mit schmerzhaft dumpfen Plattitüden. Mit einer feisten Überzeugung, grundsätzlich im Recht zu sein. Mit haarsträubender Respektlosigkeit gegenüber anderen. Mit einer dumpfen Gier, andere zu beherrschen. Und mit einem schon ans Psychophatische grenzendem Desinteresse an den Gefühlen anderer.

Manche walzen gezielt aus Geldgier. Andere wiederum aus Herrschsucht. Wieder andere einfach aus reiner Bequemlichkeit. Niemand ist vor ihnen sicher. Partner, Eltern, Kinder, Kollegen - jeder kann Opfer werden.

Was übrig bleibt sind Karrikaturen. Plattgewalzte, papierdünne Strichmännchen, die keinen Piep mehr sagen. Das Rückgrat überlebt diese Prozedur nicht. Und das Furchtbare an den Walzen ist, daß sie nicht nur ihr unmittelbares Umfeld plattwalzen; sie lösen oft Kettenreaktionen aus, denn die Menschen, die sie zerstören, geben einen Teil dieser Zerstörung weiter. Ertränken ihr Leid im Alkohol, suchen Asyl bei anderen, weinen anderen Menschen auf den Anrufbeantworter, drücken andere in die Rolle des des ewig verständigen Therapeuten, gehen manchmal sogar zur Polizei.

Hoffnung gibt es kaum. Man kann im Grunde nur noch weglaufen und versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Walzen reagieren zudem höchst empfindlich auf Kritik, denn ihnen eigen ist ja die völlige Unfähigkeit zur Selbstkritik. Und so walzen sie dann noch mehr und erlassen Ordern und Kritikverbote.

Nur eins bringt die Walzen in Gefahr: eine andere Walze. So ähnlich wie das Aufeinandertreffen von zwei Alphamännchen. Das geht naturgemäß für einen schlecht aus. Aber allen anderen kann man nur eins raten:

RETTE SICH WER KANN!



Montag, 10. August 2009
Dummheit als Bedürfnis
Es ist nicht so, daß die Menschen heute dümmer sind als als früher. Jede Epoche hat die ihr eigene Dummheit.
Aber in unserer jetzigen Zeit hat hat die Dummheit eine viel größere Plattform. Und es steckt eine mächtige Industrie hinter der Dummheit. Mit Dummheit kann man Geld machen. Und das geschieht mittlerweile viel professioneller als früher.

Früher haben sich die Menschen auf dem Jahrmarkt Skurilitäten angeschaut. Aber es war nicht immer Jahrmarkt.

Jetzt findet ein immerwährender Jahrmarkt statt. Und Dummheit ist gesellschaftsfähig geworden. Gilt als chic.

Überall und jederzeit kann man sein Bedürfnis nach Dummheit befriedigen. Es scheint ein menschliches Bedürfnis nach Dummheit zu geben. So wie Durst und Hunger. Anders ist nicht zu erklären, was Menschen so reden, schreiben, lesen und sich im Fernsehen anschauen. Für dieses Phänomen muß es eine Erklärung geben. Und die lautet: Dummheit ist ein Bedürfnis.



Donnerstag, 30. Juli 2009
Hunger nach Wahrheit - Hunger nach Lüge
Was die Hölle der Projektion so höllisch macht, ist die Aussichtslosigkeit auf Veränderung. Die Unmöglichkeit der echten Kommunikation.

Menschen kommunizieren nicht mehr mit ihrem Gegenüber, sondern mit dem Bild vom Gegenüber.

Wem echte Kommunikation wichtig ist, wird irgendwann in die Flucht geschlagen. Im wahrsten Sinne geschlagen. Denn es ist eine Art Körperverletzung, die da betrieben wird.

So wie manche Menschen Hunger nach Wahrheit haben, haben manche Menschen Hunger nach Lüge. Nach Aufrechterhalten von Bildern. Schon lange gibt es professionelle Beratung im Aufrechterhalten oder Konstruieren von Bildern. Ganze Geschäftszweige leben davon.

Die Zeiten sind schlecht für Wahrheitssucher. Und die Dürreperode wird noch lange andauern. Vielleicht auch für immer. Weil Dinge vergessen werden könnten. Und irgendwann wird man vergessen haben, was Echtheit und Wahrheit überhaupt war.

Menschen, deren Lebenssinn die Außendarstellung ist, nehmen Authentizität übel. Zu meinem Beruf gehört der Ruf nach Authentizität.

Der riesengroße Bereich des sexuellen Mißbrauchs war nicht so leicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Familien wollen nach außen heil wirken. Da ist nicht der sexuelle Mißbrauch das eigentliche Problem, sondern das Öffentlichmachen.

Nicht mehr der Täter hat die Familie zerstört, sondern das Kind. Und natürlich die Sozialarbeiterinnen, die die Sache ans Licht gebracht haben.

Endlich darf man mal mit Dreck werfen. Der Täter mußte ja immer verschont bleiben, da sonst Öffentlichkeit entstanden wäre.

Und auch jetzt im Jahr 2009 wird immer nur derjenige öffentlich verurteilt, der etwas offenlegt. "Nun laß den Menschen doch das heile Bild!" "Du machst alles kaputt mit Deiner Kritik".

Und dann der Vorwurf des Profilierens. Als Motivation der Äußerung von Kritk wird nie der Mißstand als solcher angesehen, sondern nur das Interesse, sich als besser dazustellen. Zu fremd ist manchem der Gedanke, daß es Menschen gibt, die einen tiefen Wunsch nach Veränderung haben. Da sind wir wieder bei der Projektion. Wenn man selbst nur den Eigenvorteil im Kopf hat, dann wird dies bei anderen auch so vermutet.

Und so drehen wir uns dann im Kreis. Und stehen gleichzeitig auch still. Ein kreisender Stillstand sozusagen.



Mittwoch, 29. Juli 2009
Noch immer Salinger
Mich läßt Peter Nolls Kommentar über Salingers "Fänger im Roggen" einfach nicht los. Die ganze Thematik auf eine Kurzformel gebracht: Die viel stärkere Sensibilität der Jungen gegenüber Ungerechtigkeit, Routine, Langeweile und besonders: Lüge. Das Leben eines normalen, robusten und erfolgreichen Erwachsenen kann nur eine Lebenslüge sein.

Für mich könnte man die mehr als treffende Aussage noch erweitern um den Begriff der Mittelmäßigkeit. Erwachsenwerden heißt letztendlich, langsam an Mittelmäßigkeit zu ersticken. Sein Leben mit Bausparverträgen, Tupperware, Einbauküchen und Junggesellenabenden vermüllen. Soviel faule Kompromisse machen, daß es schon nach Verwesung riecht. Ein geordneter Messie sozusagen. Irgenwann auf einem geordnetem Müllberg zu sitzen. Von dem man die eigentliche Welt nur noch von weitem sehen kann.

Durchschnittlicher, angepaßter und feiger werden. Alles Lebendige zugunsten von völlig Überflüssigem aus dem Leben verbannen. Sich immer weniger vom Durchschnitt unterscheiden.

Nie mehr Genie sein. Nie mehr Muse. Nie mehr Heldin.



Dienstag, 28. Juli 2009
In der Hölle der Projektion
Ein Dieb glaubt, daß ein jeder stiehlt.
Edgar Watson Howe (1853-1937)

Wie recht Howe damit hat. Und seine Erkenntnis stimmt leider nicht nur in Bezug auf Diebe. Auch ein Opportunist glaubt, daß jeder seinen Vorteil sucht. Ebenso glaubt jeder Lügner, daß niemand die Wahrheit sagt. Menschen, die eine falsche Außendarstellung an den Tag legen, halten jeden für unecht.

Was würden wir nur machen, wenn wir den anderen so wahrnehmen würden, wie er tatsächlich ist? Wenn wir den Blick nicht mehr davor verbergen könnten, daß wir zwar Laster haben, aber andere nicht. Wenn wir uns schonungslos in unserer ganzen Unvollkommenheit erkennen müßten.

Dann wäre es kaum erträglich und wir müßten uns ändern.

Und deswegen ändern wir uns dann letztendlich doch nicht – weil wir alle Diebe sind, die alle anderen für Diebe halten und ständig Angst haben, bestohlen zu werden.