Israel (4) - It's just a normal thing here
Fortsetzung von Israel (3)
Jaffa,06.10.15
Nach den 2 unfreiwilligen Tagen in Tiberias bin ich heute Mittag in Jaffa angekommen. Ich hatte zuerst ein wenig gehadert mit der Tatsache, in Tiberias festzusitzen, denn außer der Lage am schönen See Genezareth ist Tiberias mehr oder weniger langweilig. Aber am letzten Abend wog dann ein Erlebnis das Ganze wieder auf. Als ich nach dem Abendessen noch etwas an der Strandpromenade schlenderte, hörte ich von weitem einen ohrenbetäubenden Lärm. Als ich mich näherte, sah ich, wie vor einem als Sabbathaus ausgeschilderterten Gebäude Männer um einen Tisch mit zwei Thorarollen tanzten. Ich hatte so eine Zeremonie einige Tage zuvor schon einmal in einer Synagoge gesehen. Tora TanzDies hier unterschied sich jedoch erheblich davon, denn während in der Synagoge nur gesungen wurde, wurde hier als Begleitung zum Tanz sehr laute Musik vom Mischpult gespielt. Allerdings nicht, wie man vielleicht erwarten würde, die typischen traditionellen religiösen Gesänge, sondern eine ziemlich schrille Mischung aus einer Art orientalischem Pop und Techno! Und der Tanz wurde auch nicht gemaechtlich und gesittet aufgeführt, sondern erinnerte mehr oder weniger an etwas, das man am ehesten als einen fröhlichen Hexenkessel bezeichnen könnte. Beeindruckend war vor allem, dass es sich keineswegs nur um junge "moderne" Männer handelte, sondern auch einige ältere orthodoxe Gläubige unter den Tänzern waren, die mit ihren klassischen traditionellen schwarzen Mänteln, großen Hueten, Stirnlocken und Bärten zu der äußerst modern und schrill anmutenden Musik mindestens genauso ausgelassen wie die Jungen mittanzten.

Nach einer Weile wurden die beiden Thorarollen von dem Tisch genommen und abwechselnd von den tanzenden Männern herumgereicht, wobei die Rollen dabei immer wieder auch kurz zu den Aussenstehenden gehalten wurden, die die Rollen dann küssten. Bei der Zeremonie handelte es sich um den letzten Tag des Sukkot, also des Laubhüttenfestes, bei dem die Lesung der Thora ihren Abschluss findet und gleichzeitig den Beginn für die neue jährliche Thoralesung bildet.

Ich kann nur schwer beschreiben, welch überaus glücklicher Ausdruck sich während dieser Zeremonie in den Gesichtern der Menschen widerspiegelte. Tora Tanz2 Es war offensichtlich, dass die beiden Thorarollen für die Anwesenden etwas unvergleichbar Glueckbringendes und Seligmachendes darstellten. Entsprechend wurde der Tanz auch immer ausgelassener und wilder.

Wie bereits erwähnt, hat mich die Tatsache, Zeugin eines sso beeindruckenden und unvergleichlichen Ereignisses sein zu dürfen, mit dem ungeplanten Aufenthalt in Tiberias versöhnt.

Tiberias o4.10.2015
Ich habe von den Gewalausschreitungen in Jerusalem erst vor kurzem erfahren, als ich mich noch in Nazareth aufhielt. Da ich nicht ständig online bin und außerdem seit gestern abend damit beschäftigt war , meine Weiterfahrt nach Tiberias zu organisieren, wurde ich erst durch eine SMS von Zuhause darüber informiert.

Es ist nicht nur am Sabbat fast unmöglich, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen, sondern an diversen anderen Feiertagen auch. Und heute ist immer noch Laubhüttenfest, das Sukkot, und aus diesem Grund fahren bestimmte Busse nicht, so dass ich notgedrungen ein Taxi nehmen musste, das mich dann zu einer 12 km noerdlich von Tiberias gelegenen Jugendherberge fuhr, die von meinem Reisefuehrer verheißungsvoll als "schönste Jugendherberge Israels" beschrieben wurde. Diese war jedoch ausgebucht und somit musste ich wieder nach Tiberias zurück fahren, obwohl ich eigentlich überhaupt nicht vorhatte, dort zu bleiben. Ich hatte zwar vorab die schönste Jugendherberge Israels angemailt und daraufhin auch eine Antwort erhalten. Diese war allerdings etwas missverstaendlich, so dass ich nochmals nachfragte. Leider erhielt ich aber die zugesagte Antwort nicht. Der Mitarbeiter an der Rezeption begründete dies dann lapidar mit: "Am Sabbat arbeiten wir nicht." See Genezareth Nun bin ich also nicht im Norden Galiäas, aber immerhin am See Genezareth, an dessen Strandpromenade ich ein fürstliches Mahl zu mir nehme.

Aber zurück zu den Ereignissen hier. Als ich mich mit dem sehr hilfsbereiten Mitarbeiter meines Hotels über die Anschläge unterhielt, antwortete er mir lächelnd: "It's just the normal thing here." Es könne auch an jedem anderen Platz etwas schlimmes passieren, letztendlich liegt es nicht in unseren Händen, fügte er noch dazu.

Ich lese während meiner Reise ein wenig über die jüdische Religion und vor diesem Hintergrund kann ich diese Haltung besser verstehen, auch wenn es mir schwerfaellt, jegliches Geschehen als gottgegeben anzusehen. Letztendlich bleibt aber den Menschen, die hier in Israel leben - egal welcher Glaubensrichtung sie angehören - gar keine andere Wahl, als die allgegenwärtige Gewalt hinzunehmen.
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