Was jetzt passieren sollte damit nicht noch mehr passiert

Der Anschlag auf die Redaktion der französischen Zeitung Charlie Hebdo wird nicht der letzte bleiben, andere werden folgen. Es gibt keinen Grund, darauf zu hoffen, dass derartige Anschläge aufhören.

Als Anfang der 90er Jahre in Mölln ein Brandanschlag auf ein Haus mit türkischstämmigen Bewohnern verübt wurde, bei dem zwei Kinder und eine Erwachsene getötet wurden, entschloss ich mich wie viele andere auch, an der Trauerkundgebung teilzunehmen. Zum einen war es mir wichtig, mein Entsetzen über eine so furchtbare Tat auszudrücken, zum anderen wollte ich damit auch ein Zeichen setzen gegen die rechten Gewalttäter. Ich war überrascht, dass mein damaliger Chef meinen Wunsch, in der Arbeitszeit an der Kundgebung teilzunehmen, sofort ohne Wenn und Aber akzeptierte. Ich musste nicht lange erklären, warum es wichtig ist, ein Zeichen gegen diese Form der Gewalt zu setzen.

Jetzt ist der Moment, in dem all jene Muslime, die Gewalt gegen Andersdenkende ablehnen, gemeinsam ein Zeichen setzen müssen. Ich bin es müde zu hören, wie friedlich der Islam im Grunde ist und welch großes Unrecht den Muslimen mit einer Generalverurteilung aller Muslime angetan wird. Damit konstruiert man eine Opferrolle, die angesichts der zwölf Todesopfer fehl am Platz ist. Worauf es jetzt ankommt, sind nicht Belehrungen und Retourkutschen, sondern ein entschlossenes offen bekundetes „Nein zur Gewalt“.

Geht endlich auf die Straße. Wenn Ihr die Gewalt gegen Andersdenkende für unvereinbar mit dem Islam haltet, zeigt dies endlich öffentlich. Setzt endlich ein Zeichen gegen all jene, die sich berufen fühlen, im Namen ihres Glaubens Menschenleben zu zerstören.

Sicher – ob man damit weitere Gewalttaten aufhalten kann, ist nicht gewiss. Aber zumindest ist es der längst überfällige Schritt um den Glaubensfanatikern deutlich zu machen, dass die große Mehrheit der Muslime nicht hinter ihnen steht. Und mit Sicherheit wird dies auch die einzige realistische Möglichkeit sein, um all jenen, die Angst vor dem Islam haben, deutlich zu machen, dass Islam nicht gleich Gewalt ist. Und auf jeden Fall wird dies mehr Überzeugungskraft haben als die Generalanklage des Rassismus.

Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät. Zumindest dann nicht, wenn ein wirklicher Wille zum Frieden vorhanden sein sollte.

Edit: ich wünschte, ich hätte Unrecht behalten: je suis paris




Ich wollte, ich hätte mich geirrt, aber das ist leider nicht der Fall. Nach dem Attentat folgte die mit Todesopfern verbundene Geiselnahme und heute Nacht wurde ein Brandanschlag verübt auf die Redaktion unserer Hamburger Tageszeitung.

Nein, es hört nicht auf, sondern jetzt fängt es an. Die Kraft gewaltverherrlichender Ideologien (politischer oder religiöser, das ist einerlei) wird fast immer unterschätzt. Und leider wird dann unabhängig von politischer oder religiöser Couleur jeder noch so absurde Nebenschauplatz ausgeschlachtet. Irgendwie auch verständlich, denn wenn man schon gegen das eigentliche Problem ohnmächtig ist, dann sucht man sich Probleme, gegen die der Kampf einfacher ist. Zumindest ist es in Deutschland so, die Franzosen sind in ihrer Haltung authentischer und somit in der Lage, Solidarität zu üben. Und die ist bitter nötig.

Und währenddessen geht die Gewalt weiter. In Frankreich nimmt insbesondere die Gewalt gegen jüdische Franzosen immer mehr Ausmaß an. Menschen, die seit ewigen Generationen in Frankreich leben, wandern jetzt aus, weil sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher fühlen.

Gewalt bedeutet Macht. Und Ohnmacht für die Opfer.

Inzwischen ist es doch dazu gekommen, dass die muslimischen Verbände nicht nur zur Teilnahme an Anti-Pegida-Kundgebungen aufrufen, sondern es gab tatsächlich auch einen Appell zur einer Mahnwache. Die Statements sind sich meist sehr ähnlich – auf die Bekundung der Ablehnung von Gewalt folgt der Vorwurf der Missachtung der religiösen Gefühle und der Hinweis auf die große Friedfertigkeit des Islams.